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Steuerrecht
22.06.2017
Steuerrecht
FG Münster: Zum Anscheinsbeweis für die Privatnutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs durch einen im Privatvermögen vorhandenen PKW

FG Münster, Urteil vom 11.5.2017 – 13 1940/15 E,G

ECLI:DE:FGMS:2017:0511.13K1940.15E.G.00

Volltext: BB-ONLINE BBL2017-1494-1

unter www.betriebs-berater.de

Leitsätze der Redaktion

1. Die Bewertungsregel des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für den Ansatz der Privatnutzung eines Kfz kommt nach der Rechtsprechung nicht zum Tragen, wenn eine private Nutzung nicht stattgefunden hat. Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden dienstliche oder betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, jedoch auch tatsächlich privat genutzt. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins.

2. Der Beweis des ersten Anscheins kann nach der Rechtsprechung durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich.

3. Der Steuerpflichtige muss also nicht beweisen, dass eine private Nutzung des betrieblichen Kfz nicht stattgefunden hat; erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt.

4. Von diesen – für Einzelunternehmer entwickelten – Grundsätzen ist nicht aufgrund der für die Lohnsteuer geltenden Rechtsprechung abzuweichen, weil sich der Einzelunternehmer das Fahrzeug nicht selbst zur Privatnutzung überlässt. Da es sich um eine einzige Person handelt, fehlt der erforderliche Interessengegensatz, wie er zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht.

5. Steht fest, dass das Privatfahrzeug diesem im Streitzeitraum nicht zur uneingeschränkten privaten Nutzung ständig zur Verfügung stand, sondern auch von der Lebensgefährtin des Klägers. Genutzt wird, ist der Anscheinsbeweis nicht widerlegt.

Sachverhalt

Streitig ist die Privatnutzung eines betrieblichen Kfz in den Streitjahren 2011 und 2012.

Der Kläger ist ledig. Er betreibt seit dem 1.9.2008 ein Einzelunternehmen, welches er in seiner Gewerbeanmeldung mit „…-montagen und Dienstleistungen“ bezeichnete. Seine Tätigkeit besteht in der Erneuerung von … sowie im Austausch, der Wartung und der Überprüfung von …-anlagen.

In einer für die Vorjahre durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Beklagte fest, der Kläger habe ein im Betriebsvermögen befindliches Kfz der Marke Skoda Oktavia auch privat genutzt. Diese Nutzung sei nach der 1 %-Regelung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – zu versteuern. Im weiteren Verlauf des Besteuerungsverfahrens für die Vorjahre sah der Beklagte dann aber von einer Nutzungsbesteuerung ab, da dem Kläger neben dem betrieblichen Kfz ein privater PKW, ein BMW, zur Verfügung stand.

Der Kläger ermittelte seinen Gewinn aus dem Einzelunternehmen für die Streitjahre nach § 4 Abs. 3 EStG i.H.v. … EUR (2011) und … EUR (2012). Bei den Betriebsausgaben waren Aufwendungen für ein im Betriebsvermögen befindliches Kfz i.H.v. 12.146,55 EUR (2011) und 9.153,98 EUR (2012) sowie Sonder-Absetzungen für Abnutzung – Sonder-AfA – für das Kfz i.H.v. 5.895 EUR (2011) und 0 EUR (2012) angesetzt. Bei den Betriebseinnahmen waren für beide Jahre keine Nutzungsanteile aus einer Privatnutzung des betrieblichen Kfz angegeben. Auf der Grundlage dieser Gewinnermittlung gab der Kläger Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen für 2011 am 16.8.2013 und für 2012 am 16.12.2013 ab.

Der Beklagte wich von den Erklärungen ab und setzte mit Bescheiden vom 9.4.2014 die Einkommensteuer für 2011 auf … EUR und für 2012 auf … EUR fest. Die Gewerbesteuermessbeträge setzte er mit Bescheiden vom 28.4.2014 auf … EUR (2011) und … EUR (2012) fest. Hierbei ging er von Einkünften aus Gewerbebetrieb i.H.v. … EUR (2011) und … EUR (2012) aus.

Dies begründete er damit, der Kläger habe im März 2011 einen VW Multivan erworben. Dabei handle es sich um ein Kfz, das typischerweise nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt werde. Der Anscheinsbeweis werde im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn der Steuerpflichtige lediglich behaupte, Privatfahrten würden nicht durchgeführt oder für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden. In den Jahren 2008 bis Ende 2010 habe dem Kläger neben dem betrieblichen Kfz ein privater PKW zur Verfügung gestanden, ein auf ihn zugelassener BMW. Ab Ende des Jahres 2010 habe jedoch die Lebensgefährtin des Klägers, die Zeugin P. Q., dieses private Kfz ebenfalls genutzt, die zuvor ein eigenes, auf sich zugelassenes Kfz genutzt habe. In den Streitjahren habe dem Kläger also ein privates Fahrzeug nicht zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestanden. Da ein Fahrtenbuch nicht vorgelegt worden sei, finde die 1 %-Regelung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG Anwendung. Entsprechend einem Bruttolistenpreis von 39.300 EUR ergebe sich eine Gewinnerhöhung für zehn Monate des Jahres 2011 von 4.527,36 EUR und für zwölf Monate des Jahres 2012 von 5.432,68 EUR. Im Jahr 2011 sei zusätzlich die Sonder-AfA nach § 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG nicht anzuerkennen, da das Kfz nicht (fast) ausschließlich betrieblich genutzt worden sei. Deshalb sei der Gewinn um 5.789 EUR (28.947,40 EUR * 20 %) in 2011 zu erhöhen.

Dagegen legte der Kläger am 14.4.2014 wegen der Einkommensteuer und am 7.5.2014 wegen der Gewerbesteuermessbeträge Einsprüche ein.

Diese begründete er damit, für seine privaten Fahrten stehe ihm ein privates Kfz zur Verfügung, welches auch seine Lebensgefährtin, die Zeugin P. Q., für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutze. Dennoch stehe ihm – dem Kläger – das private Kfz uneingeschränkt privat zur Verfügung, da er morgens bereits zeitlich vor seiner Lebensgefährtin das Haus verlasse und erst nach ihr zurückkehre. Nur an wenigen Tagen im Jahr sei er früher zu Hause gewesen als seine Lebensgefährtin. Darüber hinaus habe er sich für den Fahrzeugtyp des VW Multivan entschieden, weil dieser im Vergleich zu einem geschlossenen Transporter keine Nachteile in Preis und Verwendung aufweise, gegenüber einem Transporter aber die Vorteile einer besseren Veräußerbarkeit nach vierjähriger Nutzung, einer besseren Sitzposition, einer besseren Handhabbarkeit der Ladefläche und einer gelegentlich notwendigen zweiten Sitzreihe biete. Demgegenüber sei der VW Multivan für Privatfahrten nicht geeignet, da etwa für Einkäufe erst die fest installierte Werkzeugkiste ausgebaut werden müsste, was unpraktikabel sei. Aus diesen Gründen sei der Anscheinsbeweis einer Privatnutzung widerlegt.

Im Übrigen habe der Kläger im Januar 2015 nach Ablauf der vierjährigen Nutzungszeit des VW Multivan nun als Ersatz einen Ford Transit erworben. Es handle sich um einen geschlossenen Kastenwagen mit Einbauten für Werkzeuge. Er habe bei dem Erwerb dieses Fahrzeugs mehr Zeit zur Verfügung gehabt als im März 2011, so dass er sich nun einen passenden geschlossenen Wagen habe aussuchen können. Diese Zeit habe er im März 2011 nicht gehabt, da das zuvor genutzte Fahrzeug durch einen Unfall zerstört worden sei und schnell Ersatz habe gefunden werden müssen. Die Art der Nutzung sei bei beiden Fahrzeugen unverändert.

Mit Einspruchsentscheidung vom 26.5.2015 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Dies begründete er damit, die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, das betriebliche Kfz werde nicht für Privatfahrten genutzt oder Privatfahrten würden ausschließlich mit anderen Fahrzeugen durchgeführt, reiche nicht aus, um die Anwendung der 1 %-Regelung auszuschließen. Auch der Umstand, dass dem Steuerpflichtigen neben dem betrieblichen Kfz weitere Fahrzeuge für Privatfahrten zur Verfügung stünden, sei für die grundsätzliche Anwendbarkeit der 1 %-Regelung ohne Bedeutung. Vielmehr treffe den Steuerpflichtigen die objektive Beweislast, wenn ein nach der Lebenserfahrung untypischer Sachverhalt, wie z.B. die ausschließliche betriebliche Nutzung des einzigen betrieblichen Kfz eines Unternehmers, der Besteuerung zugrunde gelegt werden solle. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung würden betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stünden, auch tatsächlich privat genutzt. Dafür spreche der Beweis des ersten Anscheins.

Diesen für die Privatnutzung sprechenden Beweis des ersten Anscheins habe der Kläger nicht entkräftet bzw. erschüttert. Der Kläger habe zwar vorgebracht, es sei ein weiteres Fahrzeug vorhanden, welches jedoch täglich von der Lebensgefährtin für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werde; weiterhin sei die dritte Sitzbank im betrieblichen VW Multivan ausgebaut und eine Werkzeugkiste eingebaut worden; zudem sei ein Motorrad vorhanden. Aus diesem Vortrag ergäben sich aber keine Anhaltspunkte, welche die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs zuließen. Es fehle im Übrigen an ordnungsgemäßen Aufzeichnungen. Der Umfang der betrieblichen Nutzung sei vom Kläger weder dargelegt noch glaubhaft gemacht worden.

Der Kläger hat daraufhin am 23.6.2015 Klage erhoben, mit der er sein Klagebegehren weiter verfolgt.

Ergänzend trägt er vor, die Nutzung des VW Multivan habe sich gegenüber der vorherigen des Skoda Oktavia nicht geändert. Beide Fahrzeuge seien nicht privat genutzt worden. Für private Fahrten stünden vielmehr ein BMW Cabrio und ein Motorrad zur Verfügung. Dies könnten die Lebensgefährtin des Klägers, die Zeugin P. Q., und sein Vater, Herr S. J., bezeugen.

Darüber hinaus würden Aufzeichnungen über getätigte Fahrten existieren, die nun vorgelegt würden. Im Zeitraum zwischen zwei Werkstattwartungen seien die getätigten Fahrten aufgelistet worden. Zu Beginn des Wartungsintervalls am 30.1.2012 habe das Fahrzeug eine Laufleistung von 56.719 km aufgewiesen, am 19.10.2012 am Ende des Wartungsintervalls 94.958 km. Die km-Laufleistung sei durch Rechnungen der Werkstatt belegt. Für den Zeitraum vom 30.1.2012 bis 19.10.2012 seien in einer Tabelle alle aufgesuchten, betrieblich veranlassten Ziele dokumentiert unter Angabe des Ortes, der Adresse, km-Anfang und km-Ende. Die Spalten für Wege zwischen Wohnung und Arbeit ebenso wie für Privatfahrten seien leer. Dass es sich ausschließlich um betrieblich veranlasste Ziele handle, ergebe sich aus Ausgangsrechnungen des Klägers, die ebenfalls vorgelegt würden.

Die km-Stände in der vorgelegten Tabelle würden am 19.10.2012 mit 97.991 km enden. Die Differenz zu dem tatsächlichen Kilometerstand des Kfz (94.958 km) laut Werkstattrechnung am 19.10.2012 von 3.033 km sei wie folgt zu erklären: Die km-Angaben in der Tabelle gingen von der Annahme aus, dass der Kläger stets den schnellsten Weg gefahren sei. Tatsächlich sei er aber die kürzeste Strecke gefahren. Diese sei bisweilen kürzer als die schnellste Route. Daraus werde klar ersichtlich, dass jedenfalls für private Fahrten kein Raum zur Verfügung gestanden habe.

Schließlich habe er – der Kläger – für private Fahrten auch ein Motorrad zur Verfügung gehabt. Aus zwei Werkstattrechnungen vom 15.01.2010 und vom 23.03.2012 ergebe sich, dass mit dem Motorrad ca. 10.000 km gefahren worden seien.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuerbescheide vom 9.4.2014 und die Gewerbesteuermessbescheide vom 28.4.2014 für 2011 und 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.5.2015 zu ändern und bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb keine Einnahmen aus der Privatnutzung eines betrieblichen Kfz, jedoch als Betriebsausgabe eine Sonder-AfA in Höhe von 5.789 EUR im Jahr 2011 anzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung.

Der Kläger habe den Anscheinsbeweis für eine Privatnutzung nicht durch die im Klageverfahren vorgelegte Tabelle mit den Werkstattrechnungen erschüttert. Aus der Aufstellung sei nicht zweifelsfrei ersichtlich, ob alle Fahrten zu den aufgelisteten Zielen betrieblich veranlasst seien. Die Möglichkeit einer Privatnutzung könne auch nicht durch eine Zeugenvernehmung ausgeschlossen werden, da die Zeugen den Kläger nicht in seiner Freizeit ununterbrochen beobachtet haben könnten.

Der Senat hat am 11.5.2017 eine mündliche Verhandlung durchgeführt und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin P. Q.. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide vom 9.4.2014 und die Gewerbesteuermessbescheide vom 28.4.2014 für 2011 und 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.5.2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

I.

Der Beklagte hat den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb zu Recht Einnahmen aus der Privatnutzung eines betrieblichen Kfz in Höhe von 4.527,36 EUR für 2011 und von 5.432,68 EUR für 2012 hinzugerechnet.

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Kfz, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG kann die Privatnutzung abweichend von Satz 2 mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Diese Regelungen gelten auch, wenn der Steuerpflichtige – wie im Streitfall – seinen Gewinn durch Einnahmeüberschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelt.

1)              Die Bewertungsregel des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für den Ansatz der Privatnutzung eines Kfz kommt nach der Rechtsprechung nicht zum Tragen, wenn eine private Nutzung nicht stattgefunden hat (Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 4.12.2012 VIII R 42/09, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 239, 443, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2013, 365; vom 19.5.2009 VIII R 60/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2009, 1974). Das Finanzgericht muss sich deshalb grundsätzlich die volle Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) davon bilden, dass eine private Nutzung tatsächlich stattgefunden hat, wenn es § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG anwenden will (BFH-Urteil vom 4.12.2012 VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365).

Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden dienstliche oder betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, jedoch auch tatsächlich privat genutzt. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins (BFH-Urteil vom 4.12.2012 VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365; BFH-Beschluss vom 14.5.1999 VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330). Etwas anderes gilt, wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das typischerweise zum privaten Gebrauch nicht geeignet ist (BFH-Urteil vom 18.12.2008 VI R 34/07, BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381). Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, ist aufgrund der Anscheinsbeweisregel regelmäßig davon ausgehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat (BFH-Urteile vom 4.12.2012 VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365; vom 19.5.2009 VIII R 60/06, BFH/NV 2009, 1974).

Der Beweis des ersten Anscheins kann nach der Rechtsprechung durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Der Steuerpflichtige muss also nicht beweisen, dass eine private Nutzung des betrieblichen Kfz nicht stattgefunden hat (BFH-Urteile vom 4.12.2012 VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365; BFH-Beschluss vom 13.12.2011 VIII B 82/11, BFH/NV 2012, 573). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt (BFH-Urteile vom 4.12.2012 VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365; vom 7.11.2006 VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116; BFH-Beschluss vom 13.12.2011 VIII B 82/11, BFH/NV 2012, 573). Der Anscheinsbeweis wird im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn lediglich behauptet wird, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden (vgl. BFH-Beschluss vom 13.12.2011 VIII B 82/11, BFH/NV 2012, 573). Auch ein eingeschränktes privates Nutzungsverbot vermag den Anscheinsbeweis regelmäßig nicht zu entkräften. Über die Frage, ob der für eine Privatnutzung sprechende Beweis des ersten Anscheins erschüttert ist, entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (BFH-Urteil vom 4.12.2012 VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365).

Von diesen – für Einzelunternehmer entwickelten – Grundsätzen ist nicht aufgrund der für die Lohnsteuer geltenden Rechtsprechung abzuweichen. Nach der Rechtsprechung des BFH streitet bei der Lohnbesteuerung eines Arbeitnehmers der Beweis des ersten Anscheins weder dafür, dass dem Arbeitnehmer überhaupt ein Dienstwagen aus dem vom Arbeitgeber vorgehaltenen Fuhrpark zur privaten Nutzung zur Verfügung steht, noch dafür, dass er einen solchen unbefugt auch privat nutzt (BFH-Urteil vom 21.4.2010 VI R 46/08, BFHE 229, 228, BStBl II 2010, 848). Dieser Grundsatz kann aber nicht auf die Besteuerung eines Einzelunternehmers übertragen werden, weil sich der Einzelunternehmer das Fahrzeug nicht selbst zur Privatnutzung überlässt. Da es sich um eine einzige Person handelt, fehlt der erforderliche Interessengegensatz, wie er zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht. Aus diesem Grund hat der BFH in seinem Urteil vom 4.12.2012 VIII R 42/09 (BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365), welches die Besteuerung von Gesellschaftern einer Freiberufler-Sozietät betraf, weiterhin den Anscheinsbeweis nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsprechung zugrunde gelegt und angewandt.

2)              Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, steht nach der Durchführung der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest, dass eine private Nutzung des VW Multivan tatsächlich stattgefunden hat und daher die private Nutzung des Kfz gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG anzusetzen ist.

Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger ein betriebliches Kfz zur privaten Nutzung zur Verfügung stand. Dieses ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch zu privaten Zwecken tatsächlich genutzt worden. Dafür spricht im Streitfall der Beweis des ersten Anscheins.

a)              Bei dem VW Multivan handelte es sich um ein Fahrzeug, das typischerweise auch zum privaten Gebrauch geeignet ist. Ob diese Einschätzung anders vorzunehmen gewesen wäre, wenn es sich um einen Kastenwagen gehandelt hätte, kann dahinstehen. Denn tatsächlich handelte es sich bei dem VW Multivan um ein Fahrzeug, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild typischerweise auch privat genutzt werden konnte. Der VW Multivan war nicht in einer Weise umgebaut, dass dies eine Privatnutzung ausgeschlossen hätte. Die fest installierte Werkzeugkiste im Rückraum, auf welche der Kläger hingewiesen hat, schließt eine Privatnutzung nicht aus. Denn auch ein Fahrzeug mit einer fest eingebauten Werkzeugkiste kann privat genutzt werden.

Darüber hinaus handelte es sich bei dem VW Multivan auch nicht um ein Werkstattfahrzeug, das typischerweise nicht zum privaten Gebrauch geeignet ist, weil es nach seiner äußeren Erscheinung (z.B. Aufschrift) typischerweise nicht privat genutzt wird. Weder dem Akteninhalt noch dem Vortrag des Klägers ist ein solcher Sachverhalt zu entnehmen. Vielmehr war der VW Mulitvan des Klägers unstreitig zumindest äußerlich von einem typischen Privatfahrzeug nicht zu unterscheiden. Entsprechend der zitierten Rechtsprechung ist daher grundsätzlich von dem Eingreifen des Anscheinsbeweises im Streitfall auszugehen.

b)              Der Kläger hat den Anscheinsbeweis nicht widerlegt bzw. entkräftet. Nach Durchführung der Beweisaufnahme vermochte der Senat nicht festzustellen, dass die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens vorlag.

Denn zur Überzeugung des Senats steht aufgrund der Beweisaufnahme fest, dass das Privatfahrzeug des Klägers, der BMW, diesem im Streitzeitraum nicht zur uneingeschränkten privaten Nutzung ständig zur Verfügung stand. Vielmehr wurde dieses Fahrzeug auch von der Lebensgefährtin des Klägers, der Zeugin P. Q. genutzt.

Denn die Zeugin hat u.a. ausgesagt, Eigentümer des BMW sei der Kläger gewesen, die Kosten des Fahrzeugs hätten sich aber die Zeugin und der Kläger geteilt. Auch die Finanzierung hätten sie sich geteilt. Wenn sie und der Kläger zeitgleich private Termine gehabt hätten, so die Zeugin, hätten sie sich abgesprochen. Derjenige, der zuerst den Termin gehabt habe, habe das Fahrzeug genutzt. Der andere sei dann zu Hause geblieben. Hinsichtlich der Arbeitszeiten des Klägers hat die Zeugin erklärt, der Kläger verlasse in der Regel vor ihr das Haus und kehre nach ihr zurück. Er sei in der Zeit von montags bis donnerstags häufig auf Montage. Den Freitag nutzte er, um Rechnungen zu schreiben bzw. sonstige Büroarbeiten zu erledigen oder sonstige Aufträge in der Nähe abzuarbeiten. Ihren Urlaub verbrächten sie in der Regel gemeinsam. Entsprechende Absprachen über die Nutzung des Fahrzeugs seien da kein Problem. Sie seien auch meistens gemeinsam unterwegs mit dem BMW 320d.

Aus dieser Aussage ergibt sich, dass der BMW nicht dem Kläger uneingeschränkt und ständig zur Privatnutzung zur Verfügung stand. Der Kläger konnte bereits deshalb nicht eine alleinige Nutzung im Falle seiner Anwesenheit beanspruchen, weil er sich die Kosten und die Finanzierung mit der Zeugin teilte. Damit korrespondiert die Notwendigkeit, sich hinsichtlich der Nutzung mit der Zeugin abzusprechen, wie die Zeugen bekundet hat. Der Kläger musste, um den BMW zu nutzen, also auf die Belange und Interessen der Zeugin Rücksicht nehmen. Dies schließt eine ständige Verfügbarkeit zu seinen Gunsten aus.

Darüber hinaus war der Kläger nach der Aussage der Zeugin freitags des Öfteren zu Hause, während die Zeugin ihrer Berufstätigkeit nachging und für ihren Weg zur Arbeit den BMW nutzte. Freitags hatte der Kläger also regelmäßig während der Arbeitszeit der Zeugin keinen Zugriff auf den BMW, weil der BMW von der Zeugin genutzt wurde.

Weiterhin mussten sich der Kläger und die Zeugin im Urlaub hinsichtlich der Nutzung des Fahrzeugs absprechen. Auch dies belegt, dass der BMW für den Kläger nicht ständig frei verfügbar war. Er besaß also kein eigenes Fahrzeug, über das er für privat veranlasste Fahrten ständig und uneingeschränkt verfügen konnte.

Die Zeugin Q. machte auf den Senat einen glaubwürdigen Eindruck. Sie sprach ruhig und ungekünstelt und schilderte die Geschehensabläufe gut nachvollziehbar. Ihre Aussagen waren differenzierend und sachlich gehalten. Äußere Anzeichen, die auf eine Unrichtigkeit ihrer Aussage oder Teilen davon hätten hindeuten können, waren für den Senat nicht erkennbar. Die Aussage der Zeugin war widerspruchsfrei und glaubhaft.

c)              Der Anscheinsbeweis wird schließlich nicht dadurch widerlegt, dass dem Kläger ein privates Motorrad zur Verfügung stand. Dieses ist nämlich hinsichtlich seines Nutzungswerts nicht mit einem PKW vergleichbar.

3)              Die Höhe des Ansatzes der Privatnutzung ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat zu Recht für zehn Monate des Jahres 2011 4.527,36 EUR und für zwölf Monate des Jahres 2012 5.432,68 EUR hinzugerechnet, da der Kläger den VW Multivan unstreitig im März 2011 angeschafft hat.

a)              Die Höhe der Hinzurechnung nach der 1 %-Methode gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Kalendermonat hat der Beklagte auf der Grundlage eines Bruttolistenpreises von 39.300 EUR berechnet. Der Kläger hat dies nicht beanstandet. Auch nach Aktenlage sind keine Unrichtigkeiten in der Berechnung erkennbar.

b)              Der Kläger hat auch nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG niedrigere Aufwendungen für die Privatnutzung nachgewiesen, indem er die für das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen hat.

Die Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuchs setzt voraus, dass es zeitnah und in einer gebundenen oder jedenfalls in sich geschlossenen Form geführt wird, die nachträgliche Einfügungen oder Veränderungen ausschließt oder zumindest deutlich als solche erkennbar werden lässt (BFH-Urteil vom 9.11.2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408; BFH-Beschluss vom 10.6.2013 X B 258/12, BFH/NV 2013, 1412). Hierfür hat es neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner oder – wenn ein solcher nicht vorhanden ist – den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung aufzuführen. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch genügen allenfalls dann, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind. Dementsprechend müssen die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden. Grundsätzlich ist dabei jede einzelne berufliche Verwendung für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 1.3.2012 VI R 33/10, BFHE 236, 497, BStBl II 2012, 505).

Diesen Anforderungen entsprechen die vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten tabellarischen Aufzeichnungen nicht. Zum einen handelt es sich nicht um eine zeitnah erstellte und geschlossene Form, welche nachträgliche Einfügungen oder Veränderungen ausschließt; es erscheint sogar möglich, dass die Aufzeichnungen erst nachträglich erstellt worden sind. Zum anderen geben die km-Stände, was der Kläger ausdrücklich einräumt, nicht die tatsächlichen km-Stände zu Beginn und am Ende der jeweiligen Fahrten wieder, sondern sind rechnerisch ermittelt anhand der schnellsten Strecken. Der Kläger ist diese schnellsten Strecken aber gar nicht gefahren, wie er selbst einräumt, sondern ist nach seinem Vortrag jeweils die kürzeste Strecke gefahren. Aus den vorgelegten Aufzeichnungen ergibt sich daher kein realistisches Bild der tatsächlich gefahrenen Strecken. Aus demselben Grund kann das Verhältnis zu den privaten Fahrten nach den vorgelegten Aufzeichnungen nicht ermittelt werden.

II.

Der Beklagte hat auch zu Recht eine Sonder-AfA in Höhe von 5.789 EUR im Jahr 2011 nicht anerkannt.

Gemäß § 7g Abs. 5 EStG in der in den Streitjahren anwendbaren Fassung können bei abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unter den Voraussetzungen des § 7g Abs. 6 EStG im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Jahren neben den Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 20 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden. Die Sonder-AfA nach Absatz 5 können gemäß § 7g Abs. 6 EStG nur in Anspruch genommen werden, wenn der Betrieb zum Schluss des Wirtschaftsjahres, das der Anschaffung oder Herstellung vorangeht, die Größenmerkmale des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG nicht überschreitet (§ 7g Abs. 6 Nr. 1 EStG) und das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauf folgenden Wirtschaftsjahr in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird (§ 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG).

Eine fast ausschließliche betriebliche Nutzung setzt einen betrieblichen Nutzungsanteil von mindestens 90 % voraus (BFH-Urteil vom 6.4.2016 X R 28/14, BFHE 254, 218, BStBl. II 2017, 302, zu § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG). § 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG enthält keine konkreten Vorgaben dafür, in welcher Form der Nachweis zu führen ist. Bei einem PKW wird sich der Umfang der privaten bzw. betrieblichen Nutzung aus tatsächlichen Gründen im Regelfall durch das Führen und die Vorlage eines Fahrtenbuchs nachweisen lassen (BFH-Beschluss vom 3.1.2006 XI B 106/05, BFH/NV 2006, 1264).

Der Kläger hat die Voraussetzung des § 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG im Streitfall jedenfalls nicht nachgewiesen. Wie oben unter I. dargelegt, hat der Kläger sein betriebliches Kfz, den VW Multivan, auch privat genutzt. Die Anwendung der 1 %-Regelung entspricht in etwa einem Anteil der Privatnutzung von 20 bis 25 % (BFH-Beschluss vom 3.1.2006 XI B 106/05, BFH/NV 2006, 1264). Es handelt sich daher nicht um eine ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung.

Der Kläger hat auch keine Aufzeichnungen vorgelegt, die eine ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung belegen. Es kann dahinstehen, ob auf eine andere Weise als durch Führung eines Fahrtenbuchs die tatsächliche betriebliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung eines PKW nach § 7g Abs. 6 EStG belegt werden kann. Jedenfalls sind die vom Kläger vorgelegten Aufzeichnungen hierzu nicht geeignet. Wie beschrieben handelt es sich nicht um Aufzeichnungen über die tatsächlich gefahrenen Strecken, sondern, wie der Kläger eingeräumt hat, über die rechnerische Ermittlung der schnellsten Strecken. Solchen Aufzeichnungen kann – auch im Rahmen des § 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG – kein Erkenntniswert hinsichtlich der tatsächlichen Nutzung zukommen.

Der Beklagte hat die Sonder-AfA auch der Höhe nach in nicht zu beanstandender Weise dem Gewinn des Klägers hinzugerechnet, da es sich um den vom Kläger in seiner Gewinnermittlung zuvor gebildeten Betrag handelt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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