BFH: Vorsteuerabzug bei Auflösung eines langfristigen Pachtvertrags gegen Entgelt und nachfolgender steuerfreier Grundstücksveräußerung
BFH, Urteil vom 13.12.2017 – XI R 3/16
ECLI:DE:BFH:2017:U.131217.XIR3.16.0
Volltext: BB-Online BBL2018-982-4
Leitsätze
Der Verpächter ist bei vorzeitiger Auflösung einer steuerpflichtigen Verpachtung zum Abzug der ihm vom Pächter in Rechnung gestellten Steuer für dessen entgeltlichen Verzicht auf die Rechte aus einem langfristigen Pachtvertrag jedenfalls dann berechtigt, wenn die vorzeitige Auflösung zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem das Pachtverhältnis noch besteht und eine beabsichtigte (steuerfreie) Grundstücksveräußerung noch nicht festgestellt werden kann.
Sachverhalt
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Jahr 2011 (Streitjahr) Eigentümer des Grundstücks in X, Y-Straße ... (Grundstück), das er bis März 2020 steuerpflichtig an die A (Pächterin) verpachtet hatte. Diese hatte das Grundstück an Frau B (Unterpächterin) unterverpachtet.
Am 4. März 2011 schloss der Kläger mit den Pächtern eine Aufhebungsvereinbarung. Er beabsichtige, das Grundstück --wie sich aus der Vorbemerkung zur vorgenannten Aufhebungsvereinbarung ergibt-- zum Zwecke einer künftig anderweitigen Nutzung zu veräußern, und sah sich an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung seines Eigentums durch den langfristigen Pacht- und Unterpachtvertrag gehindert. Die Vertragsparteien einigten sich auf die vorzeitige Aufhebung der Pachtverträge zum 30. April 2012 mit der Option, diese schon während der (nunmehr) verkürzten Vertragslaufzeit zu kündigen. Der Kläger verpflichtete sich im Gegenzug, eine "Entschädigung" in Höhe von ... EUR und ... EUR, jeweils zzgl. 19 % Umsatzsteuer in Höhe von ... EUR und ... EUR, an die Pächterin bzw. Unterpächterin zu zahlen.
Die Pächterin kündigte das Pachtverhältnis mit Schreiben vom 14. April 2011 bereits zum 31. Mai 2011 und stellte dem Kläger am 12. Mai 2011 die vereinbarten Gegenleistungen für sich und die Unterpächterin in Höhe von insgesamt ... EUR zzgl. ... EUR Umsatzsteuer in Rechnung.
Der Kläger veräußerte das Grundstück am 11. November 2011 umsatzsteuerfrei.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ den geltend gemachten Vorsteuerabzug für den Pachtverzicht nicht zu. Es setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr mit Umsatzsteuerbescheid vom 17. März 2014 dementsprechend auf ... EUR fest.
Der hiergegen eingelegte Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 4. Juni 2014).
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2016, 1323 veröffentlichten Urteil statt. Es führte in den Gründen der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen aus, die Pächter hätten gegenüber dem Kläger eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung erbracht, indem sie gegen Entgelt auf eine ihnen vertraglich zustehende Rechtsposition verzichtet hätten.
Zwar habe kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem vom Kläger bezogenen Eingangsumsatz (Verzicht auf langfristige Pacht) zu seinen steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen (Verpachtung) bestanden. Die von ihm gezahlte "Entschädigung" habe jedoch ihren ausschließlichen Entstehungsgrund in der steuerpflichtigen Verpachtungstätigkeit des Klägers. Es habe sich bei der von ihm erbrachten Gegenleistung um eine Ausgabe zum Zwecke der Beendigung der steuerpflichtigen Verpachtung und damit um allgemeine Aufwendungen dieser Tätigkeit gehandelt.
Es komme nicht darauf an, dass der Kläger die Absicht geäußert habe, das Grundstück zum Zwecke einer künftig anderweitigen Nutzung zu veräußern, und es nachfolgend steuerfrei veräußert habe. Nur wenn zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs noch keine Ausgangsumsätze ausgeführt worden seien, sei auf die beabsichtigte Verwendung abzustellen. Zum Zeitpunkt des Verzichts der Pächter auf die Erfüllung der langfristigen Pachtverträge habe der Kläger noch steuerpflichtige Verpachtungsumsätze getätigt. Aus diesem Grund und allein zu deren Beendigung habe der Kläger die hier streitige Eingangsleistung bezogen.
Außerdem könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger --anders als im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. März 2012 XI R 23/10 (BFH/NV 2012, 1672)-- bereits bei Leistungsbezug im März 2011 eine steuerfreie Veräußerung oder Vermietung bzw. Verpachtung des Grundstücks beabsichtigt habe.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Es bringt im Kern vor, die Zuordnung einer bezogenen Eingangsleistung zu den allgemeinen Kosten der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit eines Unternehmers komme nur bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs mit einem oder mehreren Ausgangsumsätzen in Frage. Im Streitfall bestehe dagegen, wie aus der Vorbemerkung zum Aufhebungsvertrag klar und eindeutig hervorgehe, ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der streitigen Eingangsleistung und der vom Kläger beabsichtigten steuerfreien Veräußerung des Grundstücks. Ein Vorsteuerabzug aus der Rechnung vom 12. Mai 2011 sei danach gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ausgeschlossen.
Der Streitfall sei vergleichbar mit dem BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1672. Der BFH habe in dieser Rechtssache einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Aufwendungen für die Sanierung eines Grundstücks nach Einstellung des laufenden Betriebs und dessen beabsichtigter steuerfreier Veräußerung bejaht. Auch vorliegend habe der Kläger Leistungen zum Zwecke der beabsichtigten steuerfreien Grundstücksveräußerung bezogen, weil er sich durch die langfristigen Pachtverträge "an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung seines Eigentums" gehindert gesehen habe.
Selbst wenn kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit der beabsichtigten steuerfreien Grundstücksveräußerung bestünde, wäre --wie das FA mit Bezug auf die BFH-Urteile vom 10. April 1997 V R 26/96 (BFHE 182, 432, BStBl II 1997, 552) und vom 24. April 2013 XI R 25/10 (BFHE 241, 451, BStBl II 2014, 346) ferner vorbringt-- der vom Kläger geltend gemachte Vorsteuerbetrag nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG jedenfalls aufzuteilen. Maßgeblich wäre hierbei das Verhältnis zwischen den steuerpflichtigen Verpachtungsumsätzen vom 1. Januar bis 31. Mai 2011 und dem steuerfreien Grundstücksverkauf am 11. November 2011.
Das FA rügt außerdem die Verletzung der Sachaufklärungspflicht i.S. des § 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FG habe es unterlassen zu ermitteln, ob der Kläger bereits im März 2011 eine steuerfreie Veräußerung oder Vermietung des Grundstücks beabsichtigt habe, obwohl sich dies ihm nach Aktenlage hätte aufdrängen müssen.
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er verteidigt die Vorentscheidung und bringt darüber hinaus vor, die Aufhebung der Pachtverhältnisse gegen Entgelt sei unmittelbare Folge der steuerpflichtigen Verpachtung und durch diese verursacht.
Zwar habe er, der Kläger, die Aufhebungsvereinbarung vom 4. März 2011 mit der Absicht zu einer künftig anderweitigen, nicht zwangsläufig umsatzsteuerfreien Verwendung des Grundstücks begründet. Die Entscheidung, das Grundstück umsatzsteuerfrei zu veräußern, sei aber erst im November 2011 getroffen worden. Nach zutreffender Ansicht der Vorentscheidung komme es im Übrigen auf seine Verwendungsabsicht, auf die das FA zu Unrecht abstelle, nicht an.
Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge seien auch nicht aufzuteilen. Die von den Pächtern erbrachte entgeltliche Verzichtsleistung könne der Verpachtungstätigkeit direkt zugeordnet werden.
Aus den Gründen
II.
21 Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
22 Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger den geltend gemachten Vorsteuerabzug beanspruchen kann. Der Kläger hat den Pachtverzicht während der Verpachtungstätigkeit zu deren Beendigung bezogen. Auf die Verwendungsabsicht des Klägers kommt es --wie das FG zutreffend erkannt hat-- nicht an. Der vom FA hinsichtlich der Verwendungsabsicht des Klägers gerügte Verfahrensfehler der mangelnden Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) liegt mithin nicht vor. Eine Aufteilung der geltend gemachten Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG kommt nicht in Betracht.
23 1. a) Der Unternehmer kann unter weiteren Voraussetzungen die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG). Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist u.a. die Steuer für Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG).
24 b) Das Bestehen eines Vorsteuerabzugsrechts setzt nicht in jedem Fall die Ausführung besteuerter Ausgangsumsätze voraus. Es gilt auch für den Abzug der geschuldeten oder entrichteten Steuer für Investitionen, die für die Zwecke der noch erst beabsichtigten, das Abzugsrecht eröffnenden Umsätze getätigt werden, unter der Voraussetzung, dass die Erklärung, zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, in gutem Glauben abgegeben worden ist und durch objektive Anhaltspunkte belegt wird (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2012, 1672, Rz 25; vom 28. Juni 2017 XI R 12/15, BFHE 258, 532, BFH/NV 2017, 1400, Rz 28; jeweils m.w.N.).
25 2. Unionsrechtlich beruhen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG bzw. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG auf Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) und sind richtlinienkonform auszulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2012, 1672, Rz 22, noch zu Art. 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern; vom 2. Dezember 2015 V R 15/15, BFHE 252, 472, BStBl II 2016, 486, Rz 14).
26 a) Der Steuerpflichtige, der "Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet", ist nach Art. 168 Buchst. a MwStSystRL zum Vorsteuerabzug berechtigt (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil in BFHE 252, 472, BStBl II 2016, 486, Rz 14, m.w.N.).
27 aa) Damit der Steuerpflichtige danach zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann, muss grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen. Das Recht auf Abzug der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen entrichteten Mehrwertsteuer ist nur gegeben, wenn die hierfür getätigten Ausgaben zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu z.B. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- SKF vom 29. Oktober 2009 C-29/08, EU:C:2009:665, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 107, Rz 57, m.w.N.; AES-3C Maritza East 1 vom 18. Juli 2013 C-124/12, EU:C:2013:488, UR 2014, 398, Rz 27; Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments vom 14. September 2017 C-132/16, EU:C:2017:683, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2017, 2044, Rz 28). Da die Aufwendungen mithin Teil der Kosten der Ausgangsumsätze sein müssen, für die die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden, müssen die Kostenelemente in der Regel entstanden sein, bevor der Steuerpflichtige die besteuerten Umsätze ausführt, denen sie zuzurechnen sind (vgl. EuGH-Urteil Midland Bank vom 8. Juni 2000 C-98/98, EU:C:2000:300, UR 2000, 342, Rz 30; BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1672, Rz 27; jeweils m.w.N.).
28 bb) Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen dann angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und als solche Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu z.B. EuGH-Urteile SKF, EU:C:2009:665, UR 2010, 107, Rz 58, m.w.N.; AES-3C Maritza East 1, EU:C:2013:488, UR 2014, 398, Rz 28; Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, EU:C:2017:683, DStR 2017, 2044, Rz 29). Diese Kosten stehen aber nur dann in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, soweit sie ihren ausschließlichen Entstehungsgrund in dieser Tätigkeit haben (vgl. EuGH-Urteil Investrand vom 8. Februar 2007 C-435/05, EU:C:2007:87, UR 2007, 225, Rz 33).
29 b) Da das gemeinsame Mehrwertsteuersystem eine völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis gewährleistet, sofern diese selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil Fini H vom 3. März 2005 C-32/03, EU:C:2005:128, UR 2005, 443, Rz 25, m.w.N.), darf nicht willkürlich zwischen Ausgaben für die Zwecke eines Unternehmens vor der tatsächlichen Aufnahme seiner Tätigkeit sowie während dieser Tätigkeit und Ausgaben zum Zweck der Beendigung dieser Tätigkeit unterschieden werden (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu z.B. EuGH-Urteile Abbey National vom 22. Februar 2001 C-408/98, EU:C:2001:110, UR 2001, 164, Rz 35; Faxworld vom 29. April 2004 C-137/02, EU:C:2004:267, UR 2004, 362, Rz 39; Fini H, EU:C:2005:128, UR 2005, 443, Rz 23; ferner Wind Inovation 1 vom 9. November 2017 C-552/16, EU:C:2017:849, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2018, 84, Rz 45; jeweils m.w.N.).
30 In Bezug auf die Übertragung eines Gesamtvermögens ist daher anerkannt, dass die Kosten der für diese Übertragung erbrachten Dienstleistungen als fester Bestandteil der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen vor der Übertragung anzusehen sind und ihm das Recht auf Vorsteuerabzug zuzuerkennen ist, selbst wenn er nach der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen nicht mehr wirtschaftlich tätig wird (vgl. EuGH-Urteil Abbey National, EU:C:2001:110, UR 2001, 164, Rz 35). Ebenso ist das Recht auf Vorsteuerabzug bei der Liquidation eines Betriebes anzuerkennen, soweit es dabei nicht zu Betrügereien und Missbräuchen kommt (vgl. EuGH-Urteil Fini H, EU:C:2005:128, UR 2005, 443, Rz 31).
31 c) Werden die von einem Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände oder Dienstleistungen dagegen für die Zwecke steuerbefreiter Umsätze oder solcher Umsätze verwendet, die nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, so kann es weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu z.B. EuGH-Urteile SKF, EU:C:2009:665, UR 2010, 107, Rz 59, m.w.N.; Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, EU:C:2017:683, DStR 2017, 2044, Rz 30).
32 d) Die nationalen Gerichte haben --was gleichfalls für die Finanzverwaltungen gilt-- im Rahmen der ihnen obliegenden Anwendung des Kriteriums des unmittelbaren Zusammenhangs alle Umstände zu berücksichtigen, unter denen die betreffenden Umsätze ausgeführt wurden, und nur die Umsätze heranzuziehen, die objektiv im Zusammenhang mit der der Steuer unterliegenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen stehen. Das Vorhandensein eines solchen Zusammenhangs ist daher in Anbetracht des objektiven Inhalts des betreffenden Umsatzes zu beurteilen (vgl. EuGH-Urteile Becker vom 21. Februar 2013 C-104/12, EU:C:2013:99, UR 2013, 220, Rz 22, 23 und 33, m.w.N.; Sveda vom 22. Oktober 2015 C-126/14, EU:C:2015:712, UR 2015, 910, Rz 29; Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, EU:C:2017:683, DStR 2017, 2044, Rz 31).
33 3. Nach den vorgenannten Grundsätzen hat das FG zutreffend entschieden, dass der Kläger, der unstreitig als Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG steuerpflichtige Verpachtungsumsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a, § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG ausgeführt hat, die vom Pächter am 12. Mai 2011 in Rechnung gestellte Steuer für den entgeltlichen Verzicht auf langfristige Pacht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG als Vorsteuer abziehen kann.
34 a) Die Pächter haben --was zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht-- eine steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erbracht.
35 aa) Die Voraussetzungen für einen entgeltlichen Leistungsaustausch liegen insbesondere dann vor, wenn --wie hier die Pächter-- ein Steuerpflichtiger auf eine ihm, sei es auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage, zustehende Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet (vgl. BFH-Urteile vom 7. Juli 2005 V R 34/03, BFHE 211, 59, BStBl II 2007, 66, unter II.1., Rz 15, m.w.N.; vom 16. Januar 2014 V R 22/13, BFH/NV 2014, 736, Rz 23). Dies ist hier der Fall. Bei der vom Kläger erbrachten, in der Aufhebungsvereinbarung vom 4. März 2011 als "Entschädigung" bezeichneten Gegenleistung hat es sich --wovon das FG zutreffend ausgegangen ist und auch der Verwaltungsauffassung in Abschn. 1.3. Abs. 13 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses entspricht-- um ein Leistungsentgelt für die Bereitschaft der Pächter, die Vertragslaufzeit von März 2020 auf den 30. April 2012 zu verkürzen, gehandelt.
36 bb) Die Pächter haben ihre in der Zustimmung zur Abkürzung der Vertragslaufzeit bestehende Leistung bereits mit dem Abschluss der Aufhebungsvereinbarung am 4. März 2011 erbracht. Denn zu diesem Zeitpunkt haben sie ihre vertragliche Rechtsposition als Pächter gegen Entgelt aufgegeben, sodass zum Leistungszeitpunkt noch eine steuerpflichtige Verpachtungstätigkeit des Klägers vorlag. In diesem Zusammenhang kommt es auf den Zeitpunkt des Auszuges der Pächter im Streitfall nicht an. Die vorzeitige Beendigung des Pachtverhältnisses hat nach den gesetzlichen Regelungen in §§ 581 Abs. 2 i.V.m. 546 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Verpflichtung des Pächters zur Folge, die Pachtsache zurückzugeben. Dass darüber hinaus im Streitfall die "Entschädigung" gezahlt worden ist, um die Pächter zum vorzeitigen Auszug zu bewegen, obwohl sie ohnehin hierzu gesetzlich verpflichtet waren, ergibt sich nicht aus dem Sachverhalt. Die Leistung ist damit nicht erst mit dem Auszug der Pächter zum 31. März 2011 ausgeführt worden (a.A. wohl Wäger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, Berichtszeitraum III. Quartal 2016, Rz 195).
37 b) Die sonstige Leistung in Gestalt der Zustimmung zur Abkürzung der Vertragslaufzeit wurde für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Klägers verwendet.
38 aa) Die Vorentscheidung hat zwar zu Recht erkannt, dass kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem fraglichen Eingangsumsatz in Gestalt der vom Kläger bezogenen Leistung und dessen steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen bestand.
39 Die vom Kläger getätigten Ausgaben in Höhe des ihm am 12. Mai 2011 vom Pächter in Rechnung gestellten Entgelts gehören nicht zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden steuerpflichtigen Verpachtungsumsätzen. Denn der Kläger hat die Leistung der Pächter nicht bezogen, um steuerpflichtige Verpachtungsumsätze auszuführen. Dazu wurden sie auch nicht verwendet. Der betreffende Bezug diente vielmehr dazu, die steuerpflichtige Verpachtungstätigkeit alsbald vorzeitig zu beenden. Die Ausgaben zur Erlangung der Zustimmung zur Abkürzung der Vertragslaufzeit sind mithin nicht Teil der Kosten der vom Kläger ausgeführten steuerpflichtigen Verpachtungsumsätze.
40 bb) Der Kläger ist aber zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil die Kosten für die zur vorzeitigen Beendigung seiner Verpachtungstätigkeit führende Abkürzung der Vertragslaufzeit zu den allgemeinen Aufwendungen seiner steuerpflichtigen Verpachtungstätigkeit gehören und als solche Kostenelemente der ausgeführten Verpachtungsumsätze sind.
41 (1) Die fraglichen Kosten hängen direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Verpachtungstätigkeit des Klägers zusammen. Sie haben ihren ausschließlichen Entstehungsgrund in der steuerpflichtigen Verpachtungstätigkeit des Klägers und wären nicht entstanden, wenn mit dem Pächter kein langfristiger Pachtvertrag abgeschlossen worden wäre. Mit der Abkürzung der Vertragslaufzeit ist die Beendigung der Verpachtungstätigkeit des Klägers einhergegangen. Damit hat es sich bei der von ihm erbrachten Gegenleistung für den Verzicht der Pächter auf ihre vertragliche Rechtsposition um Ausgaben zum Zwecke der Beendigung und damit um allgemeine Aufwendungen seiner Verpachtungstätigkeit gehandelt.
42 (2) Ausgaben zum Zwecke der Beendigung der wirtschaftlichen Tätigkeit sind --wie die Vorentscheidung zu Recht erkannt hat-- wegen des Neutralitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Denn das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten eines Unternehmers unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese selbst der Mehrwertsteuer unterliegen. Danach darf --wie hier-- nicht willkürlich zwischen Ausgaben für die Zwecke eines Unternehmens vor der tatsächlichen Aufnahme seiner Tätigkeit sowie während dieser Tätigkeit und Ausgaben zum Zweck der Beendigung dieser Tätigkeit unterschieden werden (dazu vorstehend unter II.2.b). Da das Recht auf Vorsteuerabzug bei der Liquidation eines Betriebes anzuerkennen ist, soweit es dabei --im Streitfall sind dafür keine Anhaltspunkte erkennbar-- nicht zu Betrügereien und Missbräuchen kommt (vgl. EuGH-Urteil Fini H, EU:C:2005:128, UR 2005, 443, Rz 31), darf dem Kläger der von ihm geltend gemachte Vorsteuerabzug nicht versagt werden.
43 c) Dagegen besteht --anders als das FA meint-- kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der vom Kläger bezogenen Verzichtsleistung der Pächter auf langfristige Pacht und der beabsichtigten Grundstücksveräußerung. Diese Eingangsleistung ist somit nicht als für die Grundstücksveräußerung verwendet zu werten (a.A. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 15 Rz 1678). Auf die möglicherweise von Anfang an bestehende Absicht des Klägers, das Grundstück zum Zwecke einer künftig anderweitigen Nutzung steuerfrei zu veräußern, kommt es --entgegen der Ansicht des FA-- vorliegend nicht an.
44 aa) Das FG geht zu Recht davon aus, dass nach den Grundsätzen des Sofortabzugs auf die beabsichtigten Verwendungsumsätze nur abzustellen ist, wenn zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs noch keine entsprechenden Ausgangsumsätze ausgeführt worden sind (dazu vorstehend unter II.1.b). Da zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs des Verzichts der Pächter auf langfristige Pacht bereits Ausgangsumsätze des Klägers ausgeführt wurden und seine steuerpflichtige Verpachtungstätigkeit noch nicht beendet war, kommt es im Streitfall nicht darauf an, dass der Kläger die Absicht hatte, das Grundstück zum Zwecke einer künftig anderweitigen Nutzung zu einem noch ungewissen Zeitpunkt steuerfrei oder steuerpflichtig zu veräußern.
45 bb) Die Zustimmung der Pächter zur Verkürzung der Pachtdauer war nach dem objektiven Inhalt dieser Leistung allein auf die Beendigung der Verpachtungstätigkeit des Klägers gerichtet. Auch danach steht diese Eingangsleistung nur im unmittelbaren Zusammenhang mit der Verpachtungstätigkeit des Klägers.
46 cc) Zu Recht geht das FG somit davon aus, dass gegenüber dem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang der vom Kläger bezogenen Verzichtsleistung zu der Verpachtungstätigkeit der lediglich mittelbare Zusammenhang zu der erklärten Absicht des Klägers, das Grundstück zu veräußern, zurücktritt. Außerdem hatte der Kläger vorliegend in der Aufhebungsvereinbarung vom 4. März 2011 nur seine Absicht bekundet, das langfristig verpachtete Grundstück zum Zwecke einer künftig anderweitigen Nutzung zu veräußern. Darüber hinaus konnte das FG im Streitfall nicht feststellen, dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt eine steuerfreie Veräußerung oder Vermietung bzw. Verpachtung des Grundstücks nach § 4 Nr. 9 Buchst. a, § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG beabsichtigt hätte.
47 dd) Eine den Vorsteuerabzug ausschließende Verwendung der vom Kläger bezogenen Verzichtsleistung der Pächter für Zwecke steuerfreier Umsätze --wie das FA in Bezug auf die steuerfreie Grundstücksveräußerung am 11. November 2011 meint-- liegt mithin nicht vor.
48 4. Die mit der Revision ferner geltend gemachten Einwendungen des FA greifen nicht durch.
49 a) Der Streitfall ist --entgegen der Auffassung des FA-- nicht mit dem Senatsurteil in BFH/NV 2012, 1672 vergleichbar.
50 aa) Der Senat hatte in dieser Entscheidung den unmittelbaren Zusammenhang zu der späteren Grundstücksveräußerung insbesondere damit begründet, dass einerseits die Aufwendungen erst entstanden sind, nachdem der Betrieb der GmbH bereits drei Jahre eingestellt worden war, und andererseits der Kläger von Beginn an die Sanierungsleistungen im Hinblick auf die beabsichtigte (steuerfreie) Grundstücksveräußerung bezogen hatte (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1672, Rz 34).
51 bb) Im Streitfall wurde die Verzichtsleistung der Pächter zu einem Zeitpunkt bezogen, zu dem der Kläger seine Verpachtungstätigkeit noch nicht beendet hatte.
52 b) Die vom FA mit Bezug auf die BFH-Urteile in BFHE 182, 432, BStBl II 1997, 552 und in BFHE 241, 451, BStBl II 2014, 346 (hilfsweise) angestrebte Aufteilung des vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerbetrags nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG im Verhältnis zwischen den steuerpflichtigen Verpachtungsumsätzen vom 1. Januar bis 31. Mai 2011 und dem steuerfreien Grundstücksverkauf am 11. November 2011 kommt im Übrigen nicht in Betracht. Denn eine Aufteilung der Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer die bezogenen Vorleistungen sowohl für Umsätze verwendet, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht (vgl. Senatsurteil in BFHE 241, 451, BStBl II 2014, 346, Rz 30). Derartige Umsätze hat der Kläger aber nicht ausgeführt. Die vom Kläger bezogene Leistung der Pächter in Gestalt der Zustimmung zur Verkürzung der Pachtdauer wurde allein zur Beendigung seiner steuerpflichtigen Verpachtungstätigkeit verwendet. Infolgedessen wurde sie nicht zugleich für die im Leistungszeitpunkt zudem noch ungewisse nachfolgende Grundstücksverwertung bezogen.
53 c) Die vom FA hinsichtlich der --aus seiner Sicht-- unterlassenen Ermittlung der Absicht des Klägers zum Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung vom 4. März 2011 außerdem gerügte Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) liegt nicht vor. Denn auf die Absicht des Klägers kommt es im Streitfall nicht an (dazu vorstehend unter II.3.c). Von einer weiteren Begründung dazu sieht der Senat ab (§ 126 Abs. 6 FGO).
54 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.