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Steuerrecht
01.08.2008
Steuerrecht
: Umsatzsteuerfreiheit der Leistungen eines gemeinnützigen Golfvereins nach Gemeinschaftsrecht

BFH, Urteil vom 3.4.2008 - V R 74/07

Vorinstanz: FG Nürnberg vom 14.2.2006 - II 385/2003


LEITSÄTZE

1. Die Überlassung von Golfbällen und die Nutzungsüberlassung einer Golfanlage an Nichtmitglieder eines gemeinnützigen Golfvereins gegen Entgelt kann nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sein.

2. Leistungen eines gemeinnützigen Golfvereins, die den Kernbereich der Befreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG betreffen, sind nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG von der Befreiung ausgeschlossen.

UStG 1999 § 4 Nr. 22 Buchst. b; Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m, Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b


SACHVERHALT

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein als gemeinnützig anerkannter Verein, betreibt eine Golfanlage.

In seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1999 und 2000 errechnete der Kläger eine Umsatzsteuer von 1 846 DM (1999) und 1 882 DM (2000). Die Erklärungen führten zu einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--).

Der Kläger reichte am 4. Oktober 2002 berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ein, in denen er die Umsatzsteuer mit 201 DM (1999) und 901 DM (2000) angab. Er war der Auffassung, die entgeltliche Nutzung von Golfbällen aus einem Ballautomaten durch Mitglieder und Nichtmitglieder sowie die Nutzung der Golfanlage durch Nichtmitglieder gegen Entgelt (sog. Greenfee) seien aufgrund des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 21. März 2002 Rs. C-174/00, Kennemer Golf & Country Club (Slg. 2002, I-3293, BFH/NV Beilage 2002, 95) nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der in den Streitjahren geltenden Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte diesen Änderungsantrag ab.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Das FG ist der Auffassung, die im Streit stehenden Leistungen des Klägers seien zwar nicht nach § 4 Nr. 22 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG 1999) steuerfrei. Jedoch könne sich der Kläger auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG berufen. Die Steuerbefreiung sei nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ausgeschlossen. Denn der Kläger trete nicht in unmittelbaren Wettbewerb mit Tätigkeiten gewerblicher Unternehmer. "Zum Einen" sei "eine solche Wettbewerbssituation von den Beteiligten nicht vorgetragen" worden, "zum Anderen" sei "der Senat der Auffassung, dass die Leistung z.B. eines Golfhotels eine im Wesentlichen andere" sei, "nämlich ein Leistungspaket, bei dem die Übernachtung und Verpflegung die wesentliche Leistung" darstelle "und die Möglichkeit des Golfsspiels einen zusätzlichen Anreiz für den Aufenthalt" biete.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das FA ist der Auffassung, die streitigen Leistungen des Klägers seien nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuerbefreiung ausgeschlossen, weil diese Leistungen für die Ausübung der Tätigkeit, für die die Steuerbefreiung gewährt werde, nicht unerlässlich gewesen seien (vgl. Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 1. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG). Insoweit könne auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 9. April 1987 V R 150/78, BFHE 149, 319, BStBl II 1987, 659) zu den Voraussetzungen eines Zweckbetriebs nach § 65 Nr. 2 AO zurückgegriffen werden. Dementsprechend sei eine Tätigkeit nicht unerlässlich, wenn sie sich von der Verfolgung der steuerbegünstigten Zwecke nicht trennen lasse, vielmehr das unentbehrliche und einzige Mittel zur Erreichung des steuerbegünstigten Zwecks sei. Dies sei hier nicht der Fall.

Ferner führe der Kläger seine Leistungen in unmittelbarem Wettbewerb mit der Tätigkeit gewerblicher Unternehmer aus (Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 2. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG). Im erweiterten Einzugsbereich des Klägers gebe es mehrere gewerbliche Golfanlagen, welche die gleichen Leistungen wie der Kläger anböten. Unabhängig hiervon sei auf diese Richtlinienbestimmung die Rechtsprechung des BFH zu § 65 Nr. 3 AO übertragbar, wonach auch der potenzielle Wettbewerb geschützt sei (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 2000 V R 30/99, BFHE 191, 434, BStBl II 2000, 705).

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

AUS DEN GRÜNDEN

II.

Die Revision des FA ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die entgeltliche Überlassung von Golfbällen aus dem Ballautomaten an Mitglieder des Klägers und Nichtmitglieder sowie die entgeltliche Nutzungsüberlassung der Golfanlage an Nichtmitglieder gegen Greenfee ist zwar nicht gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG 1999 steuerfrei. Der Kläger kann sich aber auf die Steuerfreiheit dieser Umsätze nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

1. Nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG 1999 sind kulturelle und sportliche Veranstaltungen u.a. von gemeinnützigen Zwecken dienenden Einrichtungen steuerfrei, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht.

Gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten "unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen", von der Umsatzsteuer:

"m) bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben; "

Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG bestimmt: "Von der in Absatz 1 Buchstaben ... m) ... vorgesehenen Steuerbefreiung sind Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen ausgeschlossen, wenn

- sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind;

- sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden."

2. Die streitigen Leistungen des Klägers sind nicht nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG 1999 steuerfrei.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist unter "sportlicher Veranstaltung" eine organisatorische Maßnahme eines Sportvereins zu verstehen, die es aktiven Sportlern ermöglicht, Sport zu treiben. Eine bestimmte Organisationsform oder -struktur schreibt das Gesetz nicht vor. Die untere Grenze der sportlichen Veranstaltung ist erst unterschritten, wenn die Maßnahme nur eine Nutzungsüberlassung von Sportgegenständen bzw. -anlagen oder lediglich eine konkrete Dienstleistung, wie z.B. die Beförderung zum Ort der sportlichen Betätigung oder ein spezielles Training für einzelne Sportler, zum Gegenstand hat (BFH-Urteile vom 25. Juli 1996 V R 7/95, BFHE 181, 222, BStBl II 1997, 154, unter II.2.b; vom 9. August 2007 V R 27/04, BFHE 217, 314, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 811, unter II.3.a aa; vom 11. Oktober 2007 V R 69/06, BFH/NV 2008, 322, UR 2008, 153, unter II.2.b aa).

Demnach ist hier die Nutzungsüberlassung der Golfbälle und der Golfanlage keine sportliche Veranstaltung.

b) Die Vorschrift des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG 1999 setzt die gemeinschaftsrechtlichen Befreiungsbestimmungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG nicht um, sondern knüpft an die Verwendung des Begriffs "sportliche Veranstaltung" als sog. Zweckbetrieb in § 67a AO an (BFH-Urteil in BFHE 181, 222, BStBl II 1997, 154, unter II.2.b). Der Begriff "sportliche Veranstaltung" ist nicht in dem Sinne auslegbar, dass er alle "eng in Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehenden Dienstleistungen" umfasst und damit weiter als nach der bisherigen Rechtsprechung zu verstehen ist (BFH-Urteile in BFHE 217, 314, UR 2007, 811, unter II.3.a bb; in BFH/NV 2008, 322, UR 2008, 153, unter II.2.b aa).

3. Allerdings sind die streitigen Leistungen des Klägers nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei.

a) Die Nutzungsüberlassung von Golfbällen und der Golfanlage sind Dienstleistungen, die in engem Zusammenhang mit Sport oder Körperertüchtigung stehen und an Personen erbracht werden, die selbst Sport, nämlich Golf, ausüben.

Der Kläger ist als gemeinnütziger Verein nach § 55 AO selbstlos tätig und handelt daher ohne Gewinnstreben.

b) Die Befreiung ist nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 1. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG ausgeschlossen.

aa) Entgegen der Auffassung des FA kann auf die Rechtsprechung des Senats zu § 65 Nr. 2 AO (BFH-Urteil in BFHE 149, 319, BStBl II 1987, 659, unter 2.b) nicht zurückgegriffen werden, weil diese Vorschrift andere Voraussetzungen als die Richtlinienbestimmung hat.

Nach § 65 Nr. 2 AO ist u.a. Voraussetzung für einen Zweckbetrieb, dass "die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können".

Im Rahmen des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 1. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG kommt es hingegen nicht auf den Zweck der Einrichtung an, sondern darauf, ob eine Leistung für die Tätigkeit, für die Steuerbefreiung gewährt wird, unerlässlich ist.

bb) Dies ist hier der Fall: Die im Streit stehenden Leistungen des Klägers sind unmittelbar nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG befreit. Sowohl die entgeltliche Überlassung von Bällen aus Ballautomaten wie auch die entgeltliche Nutzungsüberlassung des Golfplatzes sind Dienstleistungen an Personen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben und betreffen deshalb den Kernbereich der von dieser Bestimmung befreiten Leistungen. Daher sind sie auch unerlässlich.

cc) Demnach kommt es nicht darauf an, "ob die steuerbegünstigten Zwecke des" Klägers "nur durch die Einnahmen aus Greenfee bzw. der Nutzungsüberlassung des Ballautomaten erreicht werden könnten". Die Rüge des FA, das FG habe insoweit den Sachverhalt nicht aufgeklärt (vgl. § 76 FGO), führt bereits deshalb nicht zur Aufhebung des angegriffenen Urteils (vgl. § 126 Abs. 4 FGO). Auf eine weitere Begründung wird nach § 126 Abs. 6 FGO verzichtet.

c) Die Steuerbefreiung ist auch nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 2. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG ausgeschlossen.

aa) Für Tätigkeiten, die --wie im Streitfall-- den Kernbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG betreffen, kommt ein Ausschluss nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 2. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG nicht in Betracht. Ansonsten liefe die Befreiung in weiten Teilen leer.

bb) Demnach führt die Rüge des FA, das FG hätte die Wettbewerbssituation mit gewerblichen Unternehmern ermitteln müssen (vgl. § 76 FGO), nicht zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung. Denn hierauf kommt es im Streitfall nicht an (§ 126 Abs. 4 FGO). Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 126 Abs. 6 FGO ab.

Aus demselben Grund ist im Streitfall ohne Bedeutung, ob --wie das FA meint-- auch der potenzielle Wettbewerb von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 2. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG erfasst ist.

4. Die Rüge des FA, das Urteil des FG sei nicht mit Gründen versehen, hat keinen Erfolg.

Eine Entscheidung ist i.S. von § 119 Nr. 6 FGO aber nur dann nicht mit Gründen versehen, wenn diese ganz oder zu einem wesentlichen Teil fehlen sowie wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Verteidigungsmittel übergangen hat (z.B. BFH-Beschluss vom 10. August 2007 V B 196/06, BFH/NV 2007, 2311, m.w.N.).

Das FA meint, das FG hätte ausführen müssen, ob die im Streit stehenden Leistungen des Klägers unerlässlich i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 1. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG gewesen seien. Die Rüge, die Entscheidung sei lückenhaft gewesen, begründet noch keinen Verfahrensverstoß (vgl. hierzu BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 2311, m.w.N.).

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