BFH: Schenkungsteuer bei Zahlung von Prämien für eine Lebensversicherung durch einen Dritten
BFH, Urteil vom 22.10.2014 – II R 26/13
Amtliche Leitsätze
Die laufende Zahlung der Versicherungsprämien für eine vom Versicherungsnehmer abgeschlossene Lebensversicherung durch einen Dritten kann nicht als mittelbare Schenkung eines Lebens- bzw. Rentenversicherungsanspruchs beurteilt werden. Die aus der jeweiligen Zahlung der Versicherungsprämie folgende Werterhöhung des Versicherungsanspruchs ist kein Zuwendungsgegenstand i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Sachverhalt
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) schloss im Jahr 2004 bei der ... Lebensversicherung AG (B-AG) im eigenen Namen einen Rentenversicherungsvertrag ab. Vertragsbeginn war der 1. November 2004; die Zahlung der lebenslangen Altersrente sollte ab 1. November 2021 beginnen. Die Versicherungsprämien sollten für November 2004 bis Dezember 2005 monatlich 5.000 EUR betragen und sich ab 1. Januar 2006 jährlich erhöhen.
Von November 2004 bis Dezember 2007 wurden die jeweils zum Monatsersten fälligen Versicherungsprämien regelmäßig und in voller Höhe von U, der Tante des Klägers, durch Überweisung an die B-AG entrichtet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) beurteilte die monatlichen Zahlungen der U als jeweils selbständige freigebige Zuwendungen an den Kläger. Für den Zahlungsvorgang zum 1. Dezember 2007 in Höhe von 5.512,50 EUR setzte das FA gegen den Kläger durch Bescheid vom 17. Februar 2009 unter Berücksichtigung der zuvor bereits gezahlten Prämien als Vorerwerbe Schenkungsteuer in Höhe von 2.750 EUR fest. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.
Die Klage, mit der der Kläger die Bewertung der Geldzuwendungen der U mit zwei Dritteln der eingezahlten Beiträge gemäß § 12 Abs. 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der hier maßgeblichen Fassung begehrte, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte den Wert des Erwerbs zum 1. Dezember 2007 sowie die als Vorerwerbe berücksichtigten Prämienzahlungen von November 2004 bis November 2007 gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 BewG jeweils mit zwei Dritteln der eingezahlten Prämien an und setzte die Schenkungsteuer auf 629 EUR herab. Zur Begründung führte das FG aus, Gegenstand der Zuwendungen der U an den Kläger seien nach den Grundsätzen der mittelbaren Schenkung nicht die monatlich auf das Versicherungskonto des Klägers eingezahlten Geldbeträge, sondern die aufgrund der monatlichen Zahlungen bewirkten Wertzuwächse des Rentenversicherungsanspruchs des Klägers. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 869 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts. Gegenstand der Zuwendungen der U seien allein die zur Tilgung der monatlichen Beitragspflichten des Klägers bestimmten Geldbeträge. Die Grundsätze der mittelbaren Schenkung seien nicht anwendbar.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Aus den Gründen
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht angenommen, Gegenstand der Zuwendung der U an den Kläger sei nicht ihre mit dem Nennwert anzusetzende Beitragszahlung, sondern der gemäß § 12 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i.V.m. § 12 Abs. 4 BewG zu bewertende Wertzuwachs des durch den Kläger begründeten Rentenversicherungsanspruchs.
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1. Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
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a) Der Gegenstand der Schenkung richtet sich nach bürgerlichem Recht (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. November 2004 II R 44/02, BFHE 207, 360, BStBl II 2005, 188, und vom 18. September 2013 II R 63/11, BFH/NV 2014, 349, jeweils m.w.N.). Dabei ist vom Willen des Zuwendenden auszugehen, d.h. davon, was dem Bedachten nach dem Willen des Schenkers geschenkt sein soll (z.B. BFH-Urteil vom 30. November 2009 II R 70/06, BFH/NV 2010, 900, m.w.N.).
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Eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfordert eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Bedachten (BFH-Urteile vom 7. November 2007 II R 28/06, BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258, und vom 18. September 2013 II R 29/11, BFHE 243, 385, BStBl II 2014, 261, jeweils m.w.N.). Die Vermögensverschiebung zwischen dem Schenker und dem Bedachten muss sich auf die Vermögenssubstanz beziehen.
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Die Vermögenssubstanz des Bedachten kann dabei durch den Zugang aktiver Vermögensgegenstände, den Wegfall negativer Vermögensgegenstände (insbesondere Schulden und andere geldwerte Verpflichtungen) und das Erhalten von Gebrauchs- oder anderen Nutzungsmöglichkeiten vermehrt werden (BFH-Urteil vom 30. Januar 2013 II R 38/11, BFHE 240, 287). Dagegen führen bloße Werterhöhungen des Vermögens des Bedachten, die nicht auf einer Vermehrung der Vermögenssubstanz beruhen, nicht zu einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (vgl. BFH-Urteil in BFHE 240, 287).
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b) In der Hingabe von Vermögensgegenständen kann mittelbar die Schenkung eines anderen Vermögensgegenstandes gesehen werden; "Entreicherungsgegenstand" und "Bereicherungsgegenstand" brauchen nicht identisch zu sein (BFH-Urteile in BFHE 207, 360, BStBl II 2005, 188, und vom 22. Juni 2010 II R 40/08, BFHE 230, 182, BStBl II 2010, 843). Eine mittelbare Schenkung setzt voraus, dass der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm unmittelbar Zugewendete, sondern (erst) über das Surrogat desselben, z.B. über den Verkaufserlös, verfügen kann; der Beschenkte ist nicht um das unmittelbar Hingegebene, sondern erst um den Verkaufserlös bereichert. Das gilt nicht nur für die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung, sondern generell bei mittelbarer Schenkung aller als Zuwendungsobjekte in Betracht kommenden Gegenstände oder Rechte (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 2012 II R 39/10, BFHE 238, 208, BStBl II 2012, 712, Rz 25, m.w.N.).
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Von einer mittelbaren Schenkung kann danach nur ausgegangen werden, wenn der mittelbar zugewendete Vermögensgegenstand Zuwendungsobjekt i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sein kann. Wird durch die unmittelbare Hingabe eines Vermögensgegenstandes beim Bedachten mittelbar eine bloße Werterhöhung seines Vermögens bewirkt, verbleibt es bei der Besteuerung der unmittelbaren Zuwendung. Die Anwendung der Grundsätze zur mittelbaren Schenkung scheidet aus.
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2. Für den Streitfall hat das FG zu Unrecht angenommen, Zuwendungsgegenstand sei der durch die monatliche Zahlung der U bewirkte Wertzuwachs des Versicherungsanspruchs des Klägers.
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a) U hat mit ihrer monatlichen Zahlung auf das Konto des Versicherers die vom Kläger geschuldete Versicherungsprämie getilgt. Diese Tilgungsleistung erfüllt alle Merkmale einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
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b) Die Zahlung der Versicherungsprämie für eine Lebensversicherung durch einen Dritten kann nicht als mittelbare Schenkung eines Lebens- bzw. Rentenversicherungsanspruchs beurteilt werden. Die sich aus der Zahlung der Versicherungsprämie ergebende Werterhöhung des Versicherungsanspruchs ist kein Zuwendungsgegenstand und erfüllt damit nicht die Merkmale einer Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
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Nach Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags hat der Versicherungsnehmer bis zum Eintritt des Versicherungsfalls lediglich ein Anwartschaftsrecht. Die Höhe dieses Anwartschaftsrechts stellt den jeweiligen Wert des Versicherungsvertrags dar und ist Vermögen des Versicherungsnehmers (Gerrit Winter in Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 169 Rz 34). Die Zahlung der vom Versicherungsnehmer dem Versicherungsunternehmen geschuldeten Versicherungsprämien durch einen Dritten begünstigt den Versicherungsnehmer in erster Linie durch die dadurch eintretende Befreiung von der Verpflichtung zur Prämienzahlung. Soweit dadurch auch eine Werterhöhung seines Anwartschaftsrechts eintritt, erfüllt dies nicht den objektiven Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
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Die auf anderen Rechtsgrundsätzen beruhende Vorentscheidung war daher aufzuheben.
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3. Die Sache ist spruchreif.
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a) Gegenstand der Zuwendung der U an den Kläger war die Zahlung der vom Kläger der B-AG geschuldeten Versicherungsprämie für den Monat Dezember 2007. Diese Geldzuwendung ist nicht als Anspruch aus einer Lebensversicherung i.S. des § 12 Abs. 4 BewG, sondern gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 BewG mit dem Nennwert zu bewerten.
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b) Das FA hat zutreffend die streitgegenständliche Geldzuwendung der U an den Kläger als selbständige Zuwendung getrennt besteuert. Diese Zuwendung beruhte nicht auf einem einheitlichen Schenkungsversprechen der U. Auch lag der Zuwendung kein obligatorisches Forderungsrecht zugrunde, das ein Stammrecht des Klägers auf die einzelnen Zuwendungen begründete (dazu BFH-Urteile vom 22. September 2004 II R 50/03, BFH/NV 2005, 993, und vom 20. November 2013 II R 64/11, BFH/NV 2014, 716).