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Steuerrecht
17.09.2009
Steuerrecht
BFH: Keine Nachrechnung durch Exporteur bei von Behörde falsch berechneter Subvention

BFH, Urteil vom 21.7.2009 - VII R 50/06

Vorinstanz: FG Hamburg vom 10.8.2005 - IV 181/04

LEITSÄTZE

1. Das Gemeinschaftsrecht verlangt von einem Ausführer keine Nachprüfung des ihm ausgezahlten Erstattungsbetrags. Dem Ausführer kann daher keine Unregelmäßigkeit angelastet werden, wenn er einen von der Behörde versehentlich zu hoch festgesetzten Erstattungsbetrag nicht beanstandet.

2. Der Zessionar haftet für zu Unrecht ausgezahlte Ausfuhrerstattungsbeträge nur dann, wenn sie ihm, nicht aber, wenn sie dem Zedenten ausgezahlt worden sind. Dabei kommt es jedoch nicht auf den Zahlungsweg, sondern darauf an, wer Leistungsempfänger ist.

VO Nr. 3665/87 Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1; VO Nr. 2988/95 Art. 1 Abs. 2, Art. 3

SACHVERHALT

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wird vom Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt --HZA--) als infolge Zession Haftende für die Ausfuhrerstattung in Anspruch genommen, die der L-GmbH (im Folgenden: L) für die Ausfuhr eines Schlachtrindes in die Türkei gewährt worden ist, welches auf dem Transport verendet ist.

L hatte 1995 31 Rinder zur Ausfuhr angemeldet und hierfür (differenzierte) Ausfuhrerstattung beantragt und erhalten. L hat dem HZA später angezeigt, dass eines der Tiere auf dem Transport verendet sei; sie hat ihren Zahlungsantrag entsprechend geändert. Dies ist jedoch vom HZA übersehen und L auch für das verendete Tier Ausfuhrerstattung gezahlt worden. Als das HZA 1999 seinen Irrtum bemerkte, hat es den betreffenden Erstattungsbetrag von L zurückgefordert. Der Rückzahlungsanspruch war dort jedoch nicht durchsetzbar. Das HZA hat deshalb im August 2000 einen Haftungsbescheid erlassen, den es an die X-Bank adressierte, welcher L ihren Erstattungsanspruch im Rahmen einer Globalzession abgetreten hatte. Diese Gesellschaft war jedoch inzwischen mit der Klägerin verschmolzen; als das HZA dies erkannte, hob es den Haftungsbescheid wieder auf und erließ im Dezember 2001 einen Haftungsbescheid gegen die Klägerin, dessen Bekanntgabe sich jedoch erst für den Mai 2004 nachweisen lässt.

Die Klägerin hat gegen diesen Haftungsbescheid Klage erhoben, auf welche das Finanzgericht (FG) den Bescheid aufhob; es war der Meinung, der Haftungsanspruch des HZA sei aufgrund des Art. 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95-- (VO Nr. 2988/95) über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 312/1) durch Verjährung erloschen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des HZA.

Der Senat hat eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) eingeholt, welcher mit Urteil vom 15. Januar 2009 C-281/07 (veröffentlicht in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2009, 533; Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2009, 107) entschieden hat, die vierjährige Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 2988/95 sei nicht auf ein Verfahren zur Rückforderung einer Ausfuhrerstattung anzuwenden, die einem Ausführer durch Verschulden der nationalen Behörden zu Unrecht gewährt wurde, wenn der Ausführer keine Unregelmäßigkeit i.S. von Art. 1 Abs. 2 dieser Verordnung begangen hat.

Das HZA hat nach Ergehen dieser Vorabentscheidung zur Begründung seiner Revision vorgetragen, es gehe --ebenso wie die Klägerin-- im Hinblick auf die Schlussanträge der Generalanwältin in der Rechtssache C-281/07 davon aus, dass im Streitfall eine Unregelmäßigkeit i.S. der VO Nr. 2988/95 vorliege. Es handele sich jedoch um eine andauernde Unregelmäßigkeit i.S. von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 2988/95, sodass die Verjährungsfrist frühestens mit Zustellung des Rückforderungsbescheids an die L im Jahre 1999 begonnen habe. Somit sei der der X-Bank erteilte Rückforderungsbescheid innerhalb der Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 2988/95 ergangen. Dieser Bescheid habe ungeachtet seiner späteren Aufhebung eine Unterbrechung der Verfolgungsverjährung bewirkt. Jene Gesellschaft sei seinerzeit von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten worden, die auch die Klägerin vertreten hätten. Die verjährungsunterbrechende Information über die zu Unrecht gewährte Ausfuhrerstattung sei mithin in den Machtbereich der Klägerin gelangt. Zudem sei der Klägerin mit dem Aufhebungsbescheid mitgeteilt worden, dass die Aufhebung lediglich aus formellen Gründen erfolge und das HZA die Angelegenheit weiterverfolgen werde. Die Verjährungsfrist sei folglich bei Bekanntgabe des angefochtenen Bescheids im Jahr 2004 noch nicht abgelaufen gewesen.

Die Klägerin trägt vor, es liege eine Unregelmäßigkeit im Sinne der --nach der bindenden, wenn auch nicht nachvollziehbaren Vorabentscheidung anwendbaren-- VO Nr. 2988/95 vor, weil es L unterlassen habe, die zuviel erhaltene Ausfuhrerstattung dem HZA mitzuteilen. "Aus dem laufenden Verwaltungsverfahren" habe sich für L die Pflicht zu einer solchen Mitteilung ergeben. Es liege deshalb eine Unterlassung i.S. des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 vor, welche einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften bewirkt habe.

Im Übrigen hebt sie hervor, dass Zedent und Zessionar nach Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen nur dann als Gesamtschuldner für die Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beträge hafteten, wenn die Erstattung an den Zessionar geleistet worden sei. Im Streitfall sei jedoch keine Leistung an die X-Bank erfolgt, sondern an L. Jener habe zwar aufgrund der Abtretung ein Forderungsrecht zugestanden; sie habe aber keinen Forderungseinzug betrieben. Zudem habe es sich um eine Sicherungsabtretung gehandelt, ohne dass vor der Zahlung der Sicherungsfall eingetreten gewesen wäre.

AUS DEN GRÜNDEN

II.

Die Revision des HZA ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Der mit dem angefochtenen Haftungsbescheid geltend gemachte Anspruch war bei Bekanntgabe dieses Bescheids nicht gemäß den Regelungen der VO Nr. 2988/95 verjährt.

Durch die Vorabentscheidung des EuGH ist geklärt, dass entgegen der Ansicht des FG und der Klägerin die vorgenannte Verordnung auf die Wiedereinziehung zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattungen nur dann anwendbar ist, wenn der Ausführer eine Unregelmäßigkeit i.S. von Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 begangen hat.

L hat indes keine solche Unregelmäßigkeit begangen. Der erkennende Senat vermag insoweit nicht der abweichenden Rechtsauffassung der Beteiligten und der Generalanwältin beim EuGH zu folgen, die unbeschadet ihrer Erkenntnis, dass es eine Frage der Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf den Streitfall ist und jedenfalls von dem erkennenden Gericht keine Vorlagefrage dazu gestellt worden ist, ob die von L unterlassene Zurückweisung der ihr zuviel gewährten Ausfuhrerstattung eine Unregelmäßigkeit im vorgenannten Sinne darstellt, in ihren Schlussanträgen ausgeführt hat, es lasse sich "plausibel argumentieren", dass L die an sie geleistete Zahlung des HZA hätte überprüfen und "das Thema gegenüber dem Hauptzollamt ansprechen müssen". Dabei mag auf sich beruhen, ob --wie die Generalanwältin offenbar annimmt-- Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 dahin verstanden werden kann, dass im Sinne dieser Vorschrift eine Unregelmäßigkeit einen Schaden für die Gemeinschaft, wie es dort heißt, "durch eine ungerechtfertigte Ausgabe" auch dann "bewirkt" hat, wenn sie nicht Ursache dieser Ausgabe ist, sondern erst begangen wird, nachdem --wie im Streitfall-- die betreffende Ausgabe bereits getätigt worden ist. Selbst wenn man davon ausgehen könnte, fehlt es doch --wie die Kommission in ihrer Stellungnahme in dem Vorabentscheidungsverfahren bereits hervorgehoben hat-- an einer --auch von der Generalanwältin nicht benannten-- Gemeinschaftsvorschrift, die einen Ausführer dazu verpflichtet, die ihm auf seinen Zahlungsantrag ausgezahlte Ausfuhrerstattung nachzurechnen und die Zahlung zurückzuweisen, wenn er dabei zu dem Ergebnis kommt, dass die Behörde bei der Festsetzung der Erstattung einen Fehler begangen hat. Der erkennende Senat vermag kein tragfähiges rechtliches Argument für die Annahme zu erkennen, dass das Gemeinschaftsrecht von einem Ausführer verlangt, eine solche --wie die Kommission ebenfalls bereits mit Recht hervorgehoben hat, typischerweise nicht einfache-- Nachprüfung des ausgezahlten Erstattungsbetrags vorzunehmen. Wenn die Klägerin sich dafür darauf beruft, diese Verpflichtung ergebe sich "aus dem laufenden Verwaltungsverfahren", lässt sich daraus kein nachvollziehbarer rechtlicher Gesichtspunkt für eine solche Handlungspflicht gewinnen. Ob im Übrigen die --ebenfalls im Gemeinschaftsrecht zumindest nicht ausdrücklich erwähnte-- weitere Pflicht bestünde, eine unrechtmäßige Zahlung zurückzuweisen oder, was die Generalanwältin offenbar für richtig hält, dem HZA den Erlass eines Rückforderungsbescheids nahezulegen, kann, weil es schon an der Nachprüfungspflicht fehlt, unerörtert bleiben. Ebenso kann dahinstehen, welche Pflichten sich für den Ausführer ergäben, wenn er die Unrechtmäßigkeit der Zahlung des HZA positiv erkennt (vgl. dazu bereits das Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats). Denn es ist nicht festgestellt, dass L die Unrechtmäßigkeit der Zahlung erkannt hat, und es ist angesichts eines Überzahlungsbetrags von nur rd. 1.300 DM auch nicht einmal ohne weiteres naheliegend, dass dieses so gewesen sein könnte.

2. Das Urteil des FG ist auch nicht im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO).

Bei Ergehen bzw. Bekanntgabe des angefochtenen Haftungsbescheids bestand --außer der hier, wie ausgeführt, nicht unmittelbar anwendbaren VO Nr. 2988/95-- keine ausdrückliche gemeinschaftsrechtliche Regelung über die Verjährung von Ansprüchen wegen der Wiedereinziehung zu Unrecht geleisteter Ausfuhrerstattungen. Ob die Regelungen der VO Nr. 2988/95 --aufgrund eines Erst-recht-Schlusses-- auf Sachverhalte entsprechend angewandt werden könnten, in denen die von der Verordnung vorausgesetzte Unregelmäßigkeit nicht begangen worden ist, oder ob dies schon aufgrund des Sinnzusammenhangs der Gründe der Vorabentscheidung des EuGH, an welche der erkennende Senat gebunden ist, ausgeschlossen erscheinen muss, bedarf keiner näheren Erörterung. Denn wie der Senat in seinem Urteil vom 7. Juli 2009 VII R 24/06 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) entschieden hat, wäre auch bei entsprechender Anwendung der VO Nr. 2988/95 der Rückzahlungsanspruch des HZA bei Erlass des angefochtenen Bescheids nicht verjährt, weil ein solcher Anspruch nach dem gemäß Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 anzuwendenden deutschen Recht nicht innerhalb der hier bis zur Rückforderung verstrichenen Frist von weniger als zehn Jahren verjährt. Was in jener Entscheidung vom Senat für einen Fall, dass vom Ausführer eine Unregelmäßigkeit begangen worden bzw. ihm eine solche zuzurechnen ist, ausgeführt worden ist, gilt auch für den hier gegebenen Fall, dass die Erstattungsforderung nicht auf einer dem Ausführer zuzurechnenden Unregelmäßigkeit beruht.

3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Es bedarf noch der Klärung, ob die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 6 der hier i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 --VO Nr. 2945/94-- (ABlEG Nr. L 310/57) sowie der Verordnung (EG) Nr. 495/97 --VO Nr. 495/97-- (ABlEG Nr. L 77/12) noch anzuwendenden VO Nr. 3665/87 vorliegen.

Nach dieser Vorschrift haften der Begünstigte und der Zedent als Gesamtschuldner für die Rückzahlung unrechtmäßig gezahlter (Ausfuhrerstattungs-)Beträge, wenn die Erstattung einem Zessionar gezahlt wird, wobei Satz 2 der vorgenannten Vorschrift die Verantwortung des Zessionars "auf den ihm gezahlten Betrag einschließlich Zinsen" "beschränkt". Erst recht angesichts der Neufassung des Satzes 1 der Bestimmung durch die VO Nr. 495/97, die statt von einer dem Zessionar "gewährten" von einer ihm "gezahlten" Ausfuhrerstattung spricht --was ersichtlich eine (in der Tat gebotene) sprachliche Richtigstellung darstellt--, kann diese Vorschrift entgegen der Ansicht des HZA nicht dahin verstanden werden, dass der Zessionar auch für Ausfuhrerstattungsbeträge haftet, die nicht ihm, sondern dem Zedenten ausgezahlt worden sind, z.B. weil dem HZA die Abtretung nicht angezeigt worden war oder von ihm unbeachtet gelassen worden ist. Zwar trifft es zu, dass, worauf das HZA hingewiesen hat, die Begründungserwägungen zu der VO Nr. 2945/94 davon sprechen, die Verpflichtung zur Zurückzahlung eines zu Unrecht gezahlten Ausfuhrerstattungsbetrags solle zum besseren Schutz der finanziellen Belange der Gemeinschaft "bei Abtretung des Erstattungsanspruchs auch für den Zessionar gelten". Das vermag indes nichts daran zu ändern, dass der --insofern maßgebliche (vgl. Urteil des EuGH vom 2. April 2009 C-134/08, HFR 2009, 630)-- Text des einschlägigen Verordnungsartikels jene Verpflichtung enger fasst, nämlich nicht nur auf die Abtretung des Erstattungsanspruchs abstellt, sondern auch darauf, ob aufgrund der Abtretung an den Zessionar gezahlt worden ist.

Das vom FG im ersten Rechtsgang erlassene Urteil enthält --entsprechend dem Rechtsstandpunkt des FG-- keine ausreichenden Feststellungen dazu, ob die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 6 VO Nr. 3665/87 vorliegen. Die Sache muss daher zurück an das FG gehen, damit diese Feststellungen nachgeholt werden können.

Dabei wird es freilich nicht allein auf den reinen unmittelbaren Zahlungsweg ankommen (vgl. schon Entscheidungen des Senats vom 27. Oktober 1992 VII R 46/92, BFHE 169, 570, BB 1993, 352 Ls, und vom 20. Juli 2004 VII B 310/03, BFH/NV 2005, 87), also darauf, ob --wie zwischen den Beteiligten offenbar nicht streitig ist-- das HZA die Ausfuhrerstattung auf ein unter dem Namen der L geführtes Bankkonto überwiesen hat. Denn Leistungsempfänger einer solchen Zahlung auf eine zur Sicherheit abgetretene Forderung kann gleichwohl der Zessionar sein (Urteil des Senats vom 5. Juni 2007 VII R 17/06, BFHE 217, 241, BStBl. II 2007, 738, BB 2007, 1998 Ls), wenn es sich nämlich um eine (mittelbar) an diesen geleistete Zahlung handelt. In diesem Falle wären die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 6 VO Nr. 3665/87 ebenso erfüllt wie bei einer Direktzahlung auf ein eigenes Konto des Zessionars.

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