: Darlehensverträge zwischen Angehörigen – Schuldzinsenabzug bei wechselseitiger Darlehensgewährung
BFH, Urteil vom 29. August 2007 IX R 17/07
Vorinstanz: FG Köln vom 22. Februar 2007 10 K 1875/03 (EFG 2007, 918)
Leitsatz:
Es steht auch Angehörigen frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Ein Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO ist aber gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die --gemessen an dem angestrebten Ziel-- unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist.
AO § 42, EStG §§ 9, 20 Abs. 3, 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Sachverhalt:
I.
Die Klägerinnen, Revisionsklägerinnen und Revisionsbeklagten (Klägerinnen) bilden als Schwestern nach der Übertragung mehrerer fremd vermieteter Grundstücke durch ihre Eltern im Jahr 1995 eine Grundstücksgemeinschaft, die u.a. die beiden streitbefangenen Grundstücke S und B hielt.
Zum Erwerb des Grundstücks S hatte der Vater der Klägerinnen bei der Anschaffung u.a. ein Darlehen von 90 000 DM bei seiner Mutter aufgenommen, das mit 10 % p.a. zu verzinsen und beidseitig uneingeschränkt kündbar war. Tilgungsleistungen, eine Rückzahlungsverpflichtung oder die Leistung einer Sicherheit waren nicht vereinbart.
Die Anschaffungskosten für das Grundstück B hatte der Vater u.a. durch ein Bankdarlehen finanziert, das er im Jahr 1993 durch Darlehensverträge mit der Klägerin zu 1 --K 1-- und deren Ehemann (35 000 DM) und der Klägerin zu 2 --K 2-- (37 783 DM) ersetzte, wonach die vor der schriftlichen Niederlegung der Darlehensbedingungen zur Verfügung gestellten Gelder mit 8,75 % verzinst werden sollten und innerhalb einer Frist von drei Monaten für beide Parteien kündbar waren. Sicherheiten und Tilgungsleistungen waren nicht vereinbart.
Im Jahr 1994 übertrug die Mutter des Vaters der Klägerinnen ihre ihm gegenüber bestehende Darlehensforderung in Höhe von 90 000 DM jeweils hälftig auf die Klägerinnen.
Die Eltern übertrugen im Jahr 1995 den Klägerinnen jeweils zur Hälfte das Eigentum an den Grundstücken S und B, wobei hinsichtlich der auf den übertragenen Grundstücken lastenden Kreditverpflichtungen grundsätzlich eine Übernahme durch die Klägerinnen vorgesehen war. Abweichend hiervon sollte K 2 die (im Jahre 1994 entstandene) Darlehensverbindlichkeit des Vaters gegenüber K 1 in Höhe von 45 000 DM übernehmen und K 1 die Darlehensverbindlichkeit des Vaters gegenüber K 2 in gleicher Höhe. Hinsichtlich des Grundstücks B sollte K 2 die Darlehensverbindlichkeit des Vaters gegenüber K 1 und ihrem Ehemann in Höhe von 35 000 DM übernehmen und K 1 die Darlehensverbindlichkeit des Vaters gegenüber K 2 in Höhe von 37 783 DM. In der Folge zahlten die Klägerinnen gegenseitig Schuldzinsen, die sie im Rahmen der streitigen Feststellungserklärungen für 1997 bis 2001 als Sonderwerbungskosten abzogen. Gleichzeitig erklärten sie Einnahmen aus Kapitalvermögen, die wegen der Sparerfreibeträge nur teilweise versteuert wurden.
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte den Ansatz der Schuldzinsen im Feststellungsbescheid für das Jahr 2000 als Werbungskosten ab und änderte entsprechend die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Feststellungsbescheide der Vorjahre (1997 bis 1999), weil die kreuzweise Übernahme der Verbindlichkeiten des Vaters einen Gestaltungsmissbrauch darstelle; ebenso lehnte das FA eine Berücksichtigung der Schuldzinsen im Feststellungsbescheid für das Jahr 2001 ab.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 918, veröffentlichten Urteil die Zinsaufwendungen aus den wechselseitigen Darlehen hinsichtlich des Grundstücks B anerkannt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hinsichtlich der wechselseitigen Zinsaufwendungen betreffend das Grundstück S habe das FA zu Recht einen Gestaltungsmissbrauch angenommen.
Gegen das Urteil des FG haben sowohl die Klägerinnen als auch das FA Revision eingelegt; sie rügen die Verletzung materiellen Rechts (§ 42 der Abgabenordnung --AO--, §§ 9, 21 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
Das FA wendet sich gegen die steuerrechtliche Anerkennung der wechselseitigen Darlehen betreffend das Grundstück B. Im Übrigen seien selbst bei einer Berücksichtigung dieser wechselseitigen Darlehen die Guthabenzinsen als Sondereinnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 20 Abs. 3 EStG) zu erfassen.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen insoweit sinngemäß,
die Revision des FA zurückzuweisen.
Sie wenden sich mit ihrer Revision gegen die Klageabweisung bezüglich der Zinsaufwendungen im Zusammenhang mit dem Grundstück S. Der wirtschaftliche Grund für die Gestaltung liege darin, dass der Vater der Klägerinnen mit dem Verlust der Übertragung des Eigentums an dem Haus auch von den Schulden habe entlastet werden sollen. Ein rechtsgültig zustande gekommenes Rechtsgeschäft könne nicht lediglich infolge des Austausches von Gläubigern oder Schuldnern zu einer missbräuchlichen Gestaltung i.S. von § 42 AO führen.
Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des FG aufzuheben, soweit es die Klage abgewiesen hat, und die Feststellungsbescheide für die Jahre 1997 bis 1999 vom 6. Juni 2002, den Feststellungsbescheid für das Jahr 2000 vom 7. März 2002 und den Feststellungsbescheid für das Jahr 2001 vom 10. März 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. März 2003 dahin zu ändern, dass die Zinsaufwendungen der Klägerinnen aus den wechselseitigen Darlehen betreffend das Grundstück S anerkannt werden.
Das FA beantragt sinngemäß,
die Revision der Klägerinnen zurückzuweisen.
Aus den Gründen:
II.
Die Revisionen des FA und der Klägerinnen sind unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zu Recht hat das FG einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO lediglich in der wechselseitigen Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten des Vaters gegenüber den Klägerinnen hinsichtlich des Grundstücks S, nicht aber hinsichtlich des Grundstücks B bejaht und den Ansatz der entsprechenden Zinsen als Sondereinnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verneint.
1. a) Es steht auch Angehörigen frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten (ständige Rechtsprechung; vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Dezember 2003 IX R 91/00, BFH/NV 2004, 1272; IX R 105/00, BFH/NV 2004, 1273, jeweils m.w.N.). Ein Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO ist aber gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die --gemessen an dem erstrebten Ziel-- unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung; z.B. BFH-Urteil vom 17. Dezember 2003 IX R 56/03, BFHE 205, 70, BStBl II 2004, 648, m.w.N.). Die Rechtsprechung hat es insbesondere als rechtsmissbräuchlich beurteilt, wenn die Beteiligten durch zivilrechtlich mögliche Gestaltungen zwar wechselseitige Zahlungsverpflichtungen begründen, damit aber ihre jeweilige Position weder tatsächlich noch wirtschaftlich verändern (so BFH-Urteil in BFHE 205, 70, BStBl II 2004, 648, unter II. 1. c).
b) Einen Gestaltungsmissbrauch ausschließende nichtsteuerliche Gründe hat das FG hinsichtlich der wechselseitigen Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten bezüglich des Grundstücks B zutreffend aus der Einbindung des Ehemanns der Klägerin zu 1 abgeleitet. Der Ehemann hatte ein beachtliches wirtschaftliches Interesse daran, als Mitglied der Gläubigergemeinschaft mit seiner Ehefrau nicht einen dritten Schuldner zu verlieren. Die Klägerin zu 2 als Schuldnerin bedeutete für ihn gegenüber einer alleinigen Schuldnerschaft der Klägerin zu 1 als Ehefrau, mit der er eine Wirtschaftsgemeinschaft bildet, ein Mehr an schuldender Liquidität. Diese Wertung kommt auch in der Regelung des § 415 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Ausdruck.
Wenn sich aber die Klägerin zu 2 der Klägerin zu 1 und ihrem Ehemann als Schuldnerin zur Verfügung stellte, dann musste auch die Klägerin zu 1 im Gegenzug Gleiches gegenüber der Klägerin zu 2 tun.
c) Ein beachtlicher außensteuerlicher Grund fehlt aber bei dem das Grundstück S betreffenden Darlehen. Zwecksetzung der die streitigen Darlehen betreffenden Vertragsbeziehungen zwischen den Klägerinnen und ihrem Vater war es, mit der Grundstücksübertragung den Vater auch von der Darlehensschuld zu befreien. Dem diente die wechselseitige Darlehensgewährung der Klägerinnen jedoch nicht. Vielmehr erforderte die bezweckte Freistellung des Vaters lediglich, dass die Klägerinnen ihre Darlehensforderungen ihm gegenüber aufgaben, d.h. den jeweiligen Erlass der Darlehensschulden des Vaters durch die Töchter.
Die Begründung einer Schuld gegenüber der jeweiligen Schwester diente demgegenüber alleine der Aufrechterhaltung des Schuldzinsenabzugs. Das FG hat zu Recht keine relevanten außersteuerlichen Gründe für die wechselseitige Übernahme der Darlehensschulden gesehen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerinnen, die Gestaltung sei aus angeblichen Pietätsgründen gegenüber der Großmutter gewählt worden; das von dieser verfolgte Ziel einer gleichmäßigen Zuwendung an die Klägerinnen war unabhängig vom Fortbestand der Forderungen erreicht.
Für den Abschluss der gegenläufigen, sich wirtschaftlich neutralisierenden Geschäfte sind damit ausschließlich steuerliche Gründe ersichtlich. Der jeweilige Steueranspruch gegenüber den Klägerinnen entstand mithin gemäß § 42 AO so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre. In diesem Fall wären die auf dem Grundvermögen insoweit ruhenden Verbindlichkeiten des Vaters den Klägerinnen gegenüber in Höhe von jeweils 45 000 DM erloschen, so dass die angesetzten Zinsaufwendungen der Besteuerung nicht zugrunde zu legen waren.
2. Die Schuldzinsen aus dem Darlehen hinsichtlich des Grundstücks B sind auch nicht durch dessen Vermietung veranlasst, sondern durch die Kapitalüberlassung zur Nutzung.
Zutreffend hat das FG entschieden, dass allein der Gläubigerwechsel nicht zu einer Umqualifizierung der Einkünfte führt.