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Arbeitsrecht
01.03.2012
Arbeitsrecht
BAG: Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit nach billigem Ermessen











BAG, Urteil  vom 18.10.2011  Aktenzeichen 9 AZR 315/10

(Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg vom 14.04.2010 -
Aktenzeichen 10 Sa 59/09;
) (Vorinstanz: ArbG Freiburg vom
01.09.2009 - Aktenzeichen 8 Ca 109/09; )


Amtliche Leitsätze:
Der Arbeitgeber hat entsprechend § 315
Abs. 1
BGB
nach billigem Ermessen zu entscheiden, ob er die zur Verlängerung der Elternzeit
nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG erforderliche Zustimmung
erteilt.


BAG-Pressemitteilung Nr. 80/11








Tatbestand:
 






Die Klägerin verlangt von der Beklagten, ihre Elternzeit zu
verlängern.
RN 1






Die 1973 geborene, alleinerziehende Klägerin ist seit Oktober
2005 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt in Vollzeit. Am 3. Januar 2008 gebar
sie ihr fünftes Kind. Sie nahm für die Zeit vom 3. Januar 2008 bis zum 2. Januar
2009 Elternzeit in Anspruch. Mit dem am 8. Dezember 2008 bei der Beklagten
eingegangenen Schreiben vom 3. Dezember 2008 bat die Klägerin die Beklagte, ihre
bestehende Elternzeit um ein Jahr zu verlängern. Sie berief sich dabei auf ihren
Gesundheitszustand.
RN 2






Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 11. Dezember 2008
ab und forderte die Klägerin auf, am Montag, den 5. Januar 2009, spätestens zur
Kernzeit um 8:30 Uhr ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Die Klägerin blieb der
Arbeit fern. Die Beklagte erteilte ihr mit Schreiben vom 5. Februar 2009 eine
Abmahnung, weil sie seit dem 5. Januar 2009 unentschuldigt an ihrem Arbeitsplatz
fehle.
RN 3






Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, die von ihr
erklärte Verlängerung der Elternzeit bedürfe nicht der Zustimmung der Beklagten.
Sie hat behauptet, ihre Tochter sei Ende des Jahres 2008 ernsthaft und akut
erkrankt. Sie müsse deshalb ihre Elternzeit verlängern. Die Abmahnung sei
rechtsunwirksam, da sie aufgrund der fortbestehenden Elternzeit nicht zur
Arbeitsleistung verpflichtet sei.
RN 4






Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt
RN 5






festzustellen, dass ihr auch über den 2. Januar 2009 hinaus
bis auf Weiteres Elternzeit zustehe und genommen sei, und
 






festzustellen, dass die Arbeitgeberabmahnung vom "6. Februar
2009" wegen Fehlzeit rechtsunwirksam sei.
 






Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
RN 6






Das Arbeitsgericht gab der Klage wie folgt statt:
RN 7






1. Die Beklagte wird verurteilt, in die Verlängerung der
Elternzeit über den 2. Januar 2009 hinaus bis auf Weiteres, längstens bis zum 2.
Januar 2011 zuzustimmen.
 






2. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom "26.
Februar 2009" aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.
 






Die Klägerin hat nach Hinweis des Landesarbeitsgerichts sodann
in der Sache beantragt,
RN 8






die Beklagte zu verurteilen, der von ihr beantragten
Verlängerung der Elternzeit über den 2. Januar 2009 hinaus bis zum 2. Januar
2011 zuzustimmen;
 






die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom "26. Februar
2009" aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.
 






Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Verlängerung
der Elternzeit sei zustimmungsbedürftig. Sie müsse die Zustimmung schon deshalb
nicht erteilen, weil die Klägerin die siebenwöchige Ankündigungsfrist nicht
eingehalten habe. Zudem stehe die Zustimmung in ihrem freien Belieben. Sie habe
bereits personelle Dispositionen getroffen, die der von der Klägerin begehrten
Verlängerung der Elternzeit entgegenstünden. Die Abmahnung sei berechtigt, da
die Klägerin unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei.
RN 9






Das Landesarbeitsgericht hat die Klage durch Teilurteil
abgewiesen, soweit die Klägerin die Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit
über den 2. Januar 2009 hinaus bis zum 2. Januar 2010 und die Entfernung der
Abmahnung begehrt. Darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Verlängerung
der Elternzeit über den 2. Januar 2010 bis zum 2. Januar 2011 hinaus
zuzustimmen, hat das Landesarbeitsgericht nicht entschieden. Mit der vom
Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag
auf Zustimmung zur Elternzeit über den 2. Januar 2009 hinaus bis auf Weiteres,
längstens bis zum 2. Januar 2011. Ferner begehrt sie weiterhin die Entfernung
der Abmahnung vom 5. Februar 2009 aus ihrer Personalakte, die sie unrichtig als
Abmahnung vom "6. Februar 2009" und das Arbeitsgericht ebenfalls unrichtig als
Abmahnung vom "26. Februar 2009" bezeichnen.
RN 10








Entscheidungsgründe:
 






Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt
zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562
Abs. 1
ZPO)
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563
Abs. 1
Satz 1 ZPO).
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts beruht auf revisiblen Rechtsfehlern.
Das Revisionsgericht kann nicht selbst in der Sache entscheiden. Die Sache ist
nicht zur Endentscheidung reif (§ 563
Abs. 3
ZPO),
weil tatsächliche Feststellungen nachzuholen und innerhalb des tatrichterlichen
Beurteilungsspielraums rechtlich zu würdigen sind.
RN 11






A. Die Revision ist auch hinsichtlich des vom
Landesarbeitsgericht abgewiesenen Antrags, die Abmahnung vom 5. Februar 2009 aus
der Personalakte der Klägerin zu entfernen, zulässig (§ 72
Abs. 5
ArbGG
iVm. § 551
Abs. 3
Satz 1 Nr. 2
ZPO),
obwohl die Klägerin ihre Revision insoweit nicht begründet hat.
RN 12






I. Sind mehrere Ansprüche betroffen, so muss der
Revisionsführer zu jedem einzelnen Klageanspruch darlegen, warum er die
Entscheidung des Berufungsgerichts für unrichtig hält. Wird zu einem Anspruch
nichts vorgetragen, so ist die Revision insoweit unzulässig.
RN 13






II. Die Revision zeigt nicht auf, ob und ggf. aus welchen
Gründen das Landesarbeitsgericht hinsichtlich des Streits über die Entfernung
der Abmahnung das Recht verletzt hat. Eine Auseinandersetzung mit den Gründen
des Berufungsurteils ist grundsätzlich auch insoweit erforderlich; denn es
handelt sich um einen von dem Antrag auf Zustimmung zur Verlängerung der
Elternzeit abtrennbaren Streitgegenstand. Abtrennbar ist ein Anspruch dann, wenn
es sich um einen rechtlich selbstständigen Teil des Gesamtstreitstoffs handelt,
über den auch durch Teilurteil entschieden werden könnte (BAG 19. April 2005 -
9
AZR 184/04
- zu I 2 der Gründe, AP BErzGG
§ 15
Nr. 43 = EzA BErzGG
§ 15
Nr. 14). Diese Voraussetzungen sind hier für den Antrag auf Entfernung einer
Abmahnung aus der Personalakte im Verhältnis zum Antrag auf Erklärung der
Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit erfüllt. Die Begründung der Revision
war bezogen auf den Streitgegenstand Abmahnung jedoch entbehrlich. Nach den
Gründen der angefochtenen Entscheidung hing die Begründetheit der beiden
Klageansprüche voneinander ab. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, da der
Klägerin kein Anspruch auf Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit zustehe,
habe sie seit dem 5. Januar 2009 unberechtigt gefehlt. Sie habe deshalb keinen
Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Es liegt deshalb ein
sog. uneigentliches Eventualverhältnis vor, das ausnahmsweise eine gesonderte
Auseinandersetzung mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts entbehrlich
macht (vgl. BAG 2. April 1987 - 2 AZR 418/86 -
zu B I 1 der Gründe, AP BGB
§ 626
Nr. 96 = EzA BGB
§ 626
nF Nr. 108).
RN 14






B. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des
Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht.
RN 15






I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, der
Verstoß des Arbeitsgerichts gegen § 308
Abs. 1
Satz 1 ZPO
sei durch den Antrag der Klägerin, die Berufung zurückzuweisen, geheilt
worden.
RN 16






1. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, der
Verlängerung der Elternzeit zuzustimmen, obwohl die Klägerin nur die
Feststellung beantragt hatte, dass ihr auch über den 2. Januar 2009 hinaus
Elternzeit zustehe. Diese Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung
(Zustimmung zur Verlängerung) verstößt gegen § 308
Abs. 1
Satz 1 ZPO.
Dass Arbeitsgericht hat der Klägerin gegenüber dem Feststellungsantrag
qualitativ etwas anderes zugesprochen. Das Gericht darf der klagenden Partei
weder quantitativ noch qualitativ etwas anderes zuerkennen. Ein in den
Vorinstanzen erfolgter Verstoß gegen § 308
Abs. 1
Satz 1 ZPO
ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten (BAG 28. Februar 2006 - 1
AZR 460/04
- Rn. 10, BAGE 117, 137).
RN 17






2. Dieser Verstoß gegen § 308
Abs. 1
Satz 1 ZPO
ist in zweiter Instanz geheilt worden. Die Verletzung des § 308
Abs. 1
Satz 1 ZPO
kann geheilt werden, wenn die klagende Partei sich die angefochtene Entscheidung
im zweiten Rechtszug durch den Antrag auf Zurückweisung der Berufung zu eigen
macht (BAG 28. Februar 2006 - 1
AZR 460/04
- Rn. 15 mwN, BAGE 117, 137).
Von einer solchen Heilung ist hier auszugehen. Die Klägerin hat vor dem
Landesarbeitsgericht vorbehaltlos beantragt, die Berufung der Beklagten
zurückzuweisen. Damit hat sie sich das erstinstanzliche Urteil zu eigen gemacht.
Die Beklagte hat hiergegen keine Einwendungen erhoben. Sie hat insbesondere
weder die Verletzung des § 308
Abs. 1
Satz 1 ZPO
gerügt, noch hat sie sich gegen die in dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung
etwa liegende Klageerweiterung gewandt.
RN 18






II. Die Klage auf Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit
ist zulässig. Streitgegenstand ist in der Revisionsinstanz nur die Verlängerung
der Elternzeit um ein Jahr. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht ein
klageabweisendes Teilurteil erlassen, das die Klägerin mit der Revision
angreift.
RN 19






Der erste Sachantrag ist so zu verstehen, dass die Beklagte
verurteilt werden soll, der Verlängerung der Elternzeit um zwei Jahre
zuzustimmen. § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG liegt keine Vertragslösung zugrunde;
vielmehr geht das Gesetz davon aus, dass zur Verlängerung der Elternzeit ebenso
wenig wie zur Inanspruchnahme der Elternzeit eine Änderung des Arbeitsvertrags
erforderlich ist. Der Arbeitnehmer erklärt gegenüber dem Arbeitgeber einseitig,
die Elternzeit in Anspruch zu nehmen oder zu verlängern. Es handelt sich deshalb
bei dem Verlängerungsverlangen um eine weitere Inanspruchnahme der Elternzeit
durch einseitige Gestaltungserklärung (Küttner/Reinecke Personalbuch 2011
Elternzeit Rn. 22; aA ErfK/Dörner/Gallner 11. Aufl. § 16 BEEG Rn. 6). Im
Gegensatz zur erstmaligen Inanspruchnahme nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG steht die
Verlängerung unter einem Zustimmungsvorbehalt. Sie wird nur wirksam, wenn der
Arbeitgeber hierzu seine Zustimmung erklärt. Wer mit der Verweigerung der
Zustimmung nicht einverstanden ist, kann - wie hier die Klägerin - auf die
Abgabe der Zustimmungserklärung klagen. Mit Rechtskraft eines obsiegenden
Urteils gilt dann die Zustimmungserklärung nach § 894
Satz 1 ZPO
als abgegeben.
RN 20






III. Das Landesarbeitsgericht durfte den Antrag auf Erklärung
der Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit nicht mit der gegebenen
Begründung abweisen. Es hat angenommen, der Arbeitgeber sei bis zur Grenze des
Rechtsmissbrauchs berechtigt, die Verlängerung der Elternzeit gemäß § 16 Abs. 3
Satz 1 BEEG abzulehnen. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht
stand.
RN 21






1. Die Verlängerung der Elternzeit bedarf nach § 16 Abs. 3
Satz 1 BEEG der Zustimmung der Beklagten. Die Klägerin "beantragte" mit dem am
8. Dezember 2008 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 3. Dezember 2008,
die im Januar 2009 endende Elternzeit zu verlängern. In der Berufungsinstanz hat
sie klargestellt, dass die Elternzeit bis zur Vollendung des dritten
Lebensjahres des Kindes andauern soll.
RN 22






a) Die von der Klägerin begehrte Verlängerung der Elternzeit
ist zustimmungsbedürftig.
RN 23






aa) Ein Fall des § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG wird von der Klägerin
nicht geltend gemacht. Danach kann eine Verlängerung verlangt werden, wenn ein
vorgesehener Wechsel in der Anspruchsberechtigung nicht erfolgen kann. Gemeint
ist der Fall, dass die anspruchsberechtigten Eltern einen gegenseitigen Wechsel
in den Elternzeiten vorgesehen hatten, der sich plötzlich nicht mehr
verwirklichen lässt. Dieses "Verlangen" nach Verlängerung der Elternzeit ist
nicht an die Zustimmung des Arbeitgebers gebunden. Auf einen solchen Grund
stützt sich die alleinerziehende Klägerin nicht. § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG kann
auch nicht, über den dort geregelten Sonderfall hinaus, der allgemeine Grundsatz
entnommen werden, bei jedem vergleichbaren "gewichtigen" Grund könne der
Arbeitnehmer die in Anspruch genommene Elternzeit verlängern, ohne dass dies der
Zustimmung des Arbeitgebers bedürfe (so Kohte/Beetz jurisPR-ArbR 40/2011 Anm.
3). Dem steht schon der Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG entgegen, der es
ausdrücklich nur für den Sonderfall des gescheiterten Wechsels in der
Anspruchsberechtigung zulässt, dass der Arbeitnehmer ohne Zustimmung des
Arbeitgebers die Elternzeit verlängern kann.
RN 24






bb) Es handelt sich vorliegend auch nicht um eine
zustimmungsfreie Inanspruchnahme der Elternzeit nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEGG.
Danach hat der Arbeitnehmer die Elternzeit vom Arbeitgeber schriftlich zu
verlangen und zugleich zu erklären, für welche Zeiten er "innerhalb von zwei
Jahren" Elternzeit nehmen wird. Diese Anforderung ist dahin zu verstehen, dass
der Arbeitnehmer bei der ersten Inanspruchnahme "mindestens" den
Zweijahreszeitraum abdecken muss. Das trägt dem Interesse des Arbeitgebers an
Planungssicherheit Rechnung. Bleibt die mitgeteilte Elternzeit hinter diesem
Zeitraum zurück, kann der Arbeitnehmer eine Verlängerung der Elternzeit im
Rahmen des § 15 Abs. 2 BEEG daher nur mit Zustimmung des Arbeitgebers erreichen
(§ 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG) und gegen dessen Willen nach § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG
nur dann, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Anspruchsberechtigung aus einem
wichtigen Grund nicht erfolgen kann (vgl. zum BErzGG:
BAG 19. April 2005 - 9
AZR 233/04
- Rn. 28, BAGE 114, 206).
RN 25






b) Entgegen der Auffassung der Beklagten durfte sie die
Zustimmung nicht bereits deshalb verweigern, weil das Verlängerungsbegehren
nicht spätestens sieben Wochen vor Beginn der verlängerten Elternzeit bei der
Beklagten eingegangen war.
RN 26






Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG muss der Arbeitnehmer die
Elternzeit spätestens sieben Wochen vor deren Beginn schriftlich verlangen
(Anmeldefrist). Diese Frist gilt nicht für das Verlängerungsbegehren nach § 16
Abs. 3 Satz 1 BEEG, sondern nur für die Inanspruchnahme der Elternzeit gemäß §
16 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Die Frist wird in § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG
gesetzessystematisch weder wiederholt noch nimmt § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG
insoweit auf § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG Bezug. Die Einhaltung der Frist ist keine
Wirksamkeitsvoraussetzung für das Verlängerungsverlangen. § 16 Abs. 1 Satz 1
BEEG enthält eine Anmeldefrist. Diese soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, sich
frühzeitig auf den Ausfall des Arbeitnehmers während der Elternzeit
vorzubereiten (vgl. zum BErzGG:
BT-Drucks. 14/3553 S. 22) und entsprechende Dispositionen vorzunehmen. Sie ist
Ausgleich dafür, dass die Inanspruchnahme der Elternzeit dem Arbeitgeber nur
mitgeteilt wird, ohne dass sie seiner Zustimmung bedarf oder ihm ein
Ablehnungsrecht zusteht. Auch muss der Arbeitnehmer bei der Inanspruchnahme der
Elternzeit keine betrieblichen Interessen beachten. Der deshalb vom Gesetzgeber
für notwendig gehaltene zeitliche Schutz durch eine Anmeldefrist ist für das
Verlängerungsbegehren nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG nicht erforderlich. Denn die
Verlängerung kann nur mit Zustimmung des Arbeitgebers erfolgen. Insoweit ist
gewährleistet, dass betriebliche Interessen des Arbeitgebers Berücksichtigung
finden können.
RN 27






c) Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG kann die Elternzeit im Rahmen
des § 15 Abs. 2 BEEG nur verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Das
Gesetz schweigt darüber, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber die
Zustimmung verweigern darf oder erteilen muss. Das Landesarbeitsgericht schließt
daraus zu Unrecht, der Arbeitgeber sei bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs in
seiner Entscheidung frei, ob er der Verlängerung zustimme.
RN 28






aa) Der Senat hat zum Zustimmungserfordernis für die
Übertragung der Elternzeit von bis zu zwölf Monaten nach § 15
Abs. 2
Satz 4 BErzGG
(jetzt: § 15
Abs. 2
Satz 4 BEEG) bereits entschieden, der Arbeitgeber müsse entsprechend § 315
BGB
billiges Ermessen wahren, wenn er darüber entscheidet, ob er der Übertragung der
Elternzeit auf die Zeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes
zustimmt oder sie ablehnt (BAG 21. April 2009 - 9
AZR 391/08
- Rn. 45, BAGE 130, 225).
Nichts anderes kann für die Zustimmung nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG gelten. Wenn
ein Gesetz die im Interesse der Eltern notwendige Flexibilisierung der
Elternzeit im Einzelfall von der "Zustimmung" des Arbeitgebers abhängig macht,
darf ohne konkrete Anhaltpunkte im Wortlaut des Gesetzes nicht angenommen
werden, in einem Falle stehe die Entscheidung über die Zustimmung im freien
Belieben des Arbeitgebers, in dem anderen Fall müsse er eine Ermessensabwägung
vornehmen. Verwendet der Gesetzgeber für verschiedene Alternativen einen
bestimmten Rechtsbegriff, bringt er seinen Willen zum Ausdruck, dass dieser
jeweils denselben Inhalt haben soll.
RN 29






bb) Aus der Gesetzesbegründung folgt zudem, dass der
Gesetzgeber mit dem Zustimmungserfordernis lediglich deutlich machen wollte, es
solle kein Anspruch auf Verlängerung bestehen. Die berechtigten Interessen des
Arbeitgebers, seine für die in Anspruch genommene Elternzeit getroffenen
Dispositionen erhalten zu können, sollen einem vorbehaltslosen Rechtsanspruch,
wie etwa nach § 16
Abs. 3
Satz 2 BEEG, grundsätzlich entgegenstehen (vgl. zum BErzGG:
BT-Drucks. 14/3553 S. 23). Damit wird deutlich, dass es dem Gesetzgeber darauf
ankam, mit dem Zustimmungserfordernis einen Interessenausgleich zwischen
Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu gewährleisten. Dieser wird nur bei
entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 315
Abs. 1
BGB
ermöglicht. Danach soll der Arbeitgeber durch die Ausübung der ihm vorbehaltenen
Zustimmung nach billigem Ermessen darüber entscheiden können, ob die Elternzeit
verlängert wird oder nicht.
RN 30






cc) Dieses Ergebnis wird durch einen Vergleich mit der
Regelung in § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG bestätigt. Danach ist eine Verlängerung der
Elternzeit ohne Zustimmung des Arbeitgebers möglich, wenn ein vorgesehener
Wechsel in der Anspruchsberechtigung aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen
kann. Für diese Fälle räumt das Gesetz den Interessen der Eltern absoluten
Vorrang vor den Dispositionsinteressen des Arbeitgebers ein. Die Interessen des
Arbeitgebers sollen, wie etwa durch ein Zustimmungserfordernis, keine
Berücksichtigung finden. Demgegenüber gewährleistet § 16
Abs. 3
Satz 1 BEEG iVm. § 315
Abs. 1
BGB,
dass die betrieblichen Belange des Arbeitgebers Vorrang haben, soweit nicht die
besonderen Interessen von Kind und Eltern an der Verlängerung
überwiegen.
RN 31






dd) Eine andere Auslegung lässt sich auch nicht mit
unterschiedlichen Normzwecken von § 15 Abs. 2 Satz 4 BEEG und § 16 Abs. 3 Satz 1
BEEG begründen. Beide Regelungen dienen der weiteren Flexibilisierung der
Elternzeit.
RN 32






Die flexibilisierte Elternzeit (Begrenzung der zwingenden
zeitlichen Festlegung auf zwei Jahre und Möglichkeit der Aufteilung in mehrere
Zeitabschnitte gemäß § 15 Abs. 2 und Abs. 3 BEEG) soll nach dem Willen des
Gesetzgebers zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen und die
berufliche Motivation junger Eltern erhöhen. Dies lasse sich nach der
Gesetzesbegründung ohne Verlängerung der Gesamtdauer vielfach auch mit den
Interessen von mittelständischen Betrieben vereinbaren (vgl. zum BErzGG:
BT-Drucks. 14/3553 S. 21). Deshalb wurde der zwingend anzugebende Zeitraum für
die Inanspruchnahme von vormals drei Jahren Erziehungsurlaub (jetzt: Elternzeit)
auf nunmehr zwei Jahre Elternzeit verkürzt. Der Gesetzgeber hat damit den
Interessen von Eltern Rechnung getragen, die oft bei der Geburt eines Kindes
Umfang und Dauer der erforderlichen Kindesbetreuung nicht abschätzen können. Die
Regelung beruhte außerdem auf der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit (§ 15
Abs. 2
Satz 1 BErzGG
in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung und § 15
Abs. 2
Satz 4 BErzGG
in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung), das dritte Jahr der Elternzeit mit
Zustimmung des Arbeitgebers auf einen Zeitpunkt nach Vollendung des dritten bis
zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes zu übertragen. § 16
Abs. 3
BEEG ergänzt diesen Flexibilisierungsrahmen (vgl. zum BErzGG:
BT-Drucks. 14/3553 S. 21) und dient deshalb denselben Normzwecken.
RN 33






2. Das Landesarbeitsgericht hat aus seiner Sicht konsequent
nicht geprüft, ob die Verweigerung der Zustimmung durch die Beklagte billigem
Ermessen entsprach.
RN 34






a) Die Grenzen billigen Ermessens sind gewahrt, wenn der
Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls
abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Ob
die Entscheidung des Arbeitgebers billigem Ermessen entspricht, unterliegt der
gerichtlichen Kontrolle nach § 315
Abs. 3
Satz 1 BGB.
Hierfür gilt ein objektiver Maßstab. Der Arbeitgeber hat alle Umstände zu
berücksichtigen, die zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem er die
Ermessensentscheidung zu treffen hat. Soweit die Entscheidung
ermessensfehlerhaft ist, tritt entsprechend § 315
Abs. 3
Satz 2 BGB
an ihre Stelle das Urteil des Gerichts (BAG 14. Oktober 2008 - 9
AZR 511/07
- Rn. 18, AP TVG
§ 1
Altersteilzeit Nr. 41 = EzA TVG
§ 4
Altersteilzeit Nr. 29).
RN 35






b) Die Klägerin hat sich darauf berufen, sie müsse die
Elternzeit wegen einer Erkrankung ihres Kindes verlängern. Dem hat die Beklagte
entgegengehalten, sie habe bereits anders disponiert. Das Landesarbeitsgericht
wird deshalb aufzuklären haben, welche Interessen der Parteien im Rahmen des §
315
Abs. 3
BGB
gegeneinander abzuwägen sind und welchen gegebenenfalls der Vorrang einzuräumen
ist.
RN 36






IV. Da das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die der
Klägerin erteilte Abmahnung sei zu Recht erfolgt, weil sie keinen Anspruch auf
Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit gehabt und deshalb unentschuldigt
gefehlt habe, ist das Berufungsurteil auch insoweit aufzuheben und die Sache
zurückzuverweisen. Mit dieser Begründung durfte die Klage auf Entfernung der
Abmahnung nicht abgewiesen werden.
RN 37
 

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