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Arbeitsrecht
22.06.2012
Arbeitsrecht
LAG Düsseldorf: Wirksame Bezugnahme auf mehrgliederige Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche

LAG Düsseldorf, Urteil vom 8.12.2011 - 11 Sa 852/11


Leitsatz


Einem Arbeitnehmer, auf dessen Arbeitsverhältnis kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme u. a. der zwischen der Interessengemeinschaft Nordbayrischer Zeitarbeitsunternehmen e. V. (INZ) und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) geschlossene Manteltarifvertrag in den Jahren 2007 bis 2009 Anwendung fand, war es zumutbar, bereits nach der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 7.12.2009 - 23 TabV 1016/09 - (nachfolgend BAG 14.12.2010 - 1 ABR 19/10 - BB 2011, 827 m. BB-Komm. Huke) ihm u. U. zustehende "equal-pay" Entgeltansprüche für den vorgenannten Zeitraum geltend zu machen, um die zur Anwendung kommende tarifliche Ausschlussfrist zu wahren.


Sachverhalt


Der Kläger, Leiharbeitnehmer der Beklagten, verlangt von dieser nach § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG das gleiche Arbeitsentgelt, welches vergleichbaren Arbeitnehmern der S. AG - an dieses Unternehmen wurde der Kläger im streitbefangenen Zeitraum ausschließlich entliehen - gezahlt worden ist.


Der Kläger ist seit dem 18.6.2004 - zunächst aufgrund eines bis zum 31.12.2004 befristeten schriftlichen Arbeitsvertrages - bei der Beklagten als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Bei dieser handelt es sich um ein Unternehmen der Zeitarbeitsbranche, das Arbeitnehmer auf der Grundlage der durch das Landesarbeitsamt NRW am 24.3.1977 erteilten Erlaubnis "verleiht".


Der unter dem 18.2.2005 zwischen den Parteien mit Wirkung vom 1.1.2005 geschlossene Arbeitsvertrag, auf den im Übrigen ausdrücklich Bezug genommen wird, enthält in Ziffer 1 in dem mit "Entgeltgruppe: AWE3+" überschriebenen Teil zu Beginn folgende Regelung:


"Die Rechte und Pflichten der Parteien dieses Arbeitsvertrages bestimmen sich nach den nachstehenden Regelungen sowie nach den zwischen der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e.V. (INZ) und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) geschlossenen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag (MTV), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgelttarifvertrag (ETV) und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeschSiTV)."


Der in Bezug genommene Tarifvertrag zwischen der INZ und der CGZP wurde am 09.05.2005 geschlossen.


Mit Beschluss vom 7.12.2009 (- 23 TaBV 1016/09 -) stellte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg fest, dass die CGZP nicht tariffähig sei. Das Bundesarbeitsgericht wies mit Beschluss vom 14.12.2010 (- 1 ABR 19/10 - BB 2011, 827 m. BB-Komm. Huke) die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde zurück.


Unter dem 26.4.2010 schlossen die Parteien eine "Zusatzvereinbarung zum geltenden Arbeitsvertrag", die folgende Regelung enthält:


"Zwischen den Vertragsparteien besteht Einigkeit, dass ab dem 1.1.2010 (bei späterem Eintritt ab Beginn des Arbeitsverhältnisses) auf das bestehende Arbeitsverhältnis die Tarifverträge zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und den Einzelgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden. Diese bestehen derzeit aus Manteltarifvertrag (MTV), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgelttarifvertrag (ETV) und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeschSiTV). Der Tarifvertragspartner CGB tritt somit an die Stelle der unter Ziffer 1. des geschlossenen Arbeitsvertrages genannten Tarifvertragspartei Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP)."


Der in Bezug genommene Manteltarifvertrag (im Folgenden: MTV) wurde unter dem 15.3.2010 mit Wirkung vom 1.1.2010 zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) einerseits und der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP), der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), dem DHV - Die Berufsgenossenschaft e. V. (DHV), dem Beschäftigtenverband J., Gewerbe, Dienstleistung (BIGD), dem Arbeitnehmerverband land- und ernährungswirtschaftlicher Berufe (ALEB) sowie medsonet. Die Gesundheitsgewerkschaft (medsonet) andererseits geschlossen. Auf die Präambel des MTV sowie seine Regelungen im Einzelnen wird ausdrücklich Bezug genommen.


In Ziff. 19 ("Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis") MTV vom 15.3.2010 heißt es u. a.:


"19.2Beide Arbeitsvertragsparteien können sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur schriftlich innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit geltend machen.


19.3Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, dass der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutender Sorgfalt verhindert war, diese Frist einzuhalten. Diese Ausschlussfrist gilt nicht für Ansprüche, die auf eine unerlaubte Handlung gestützt werden.


19.4 Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird."


Der Kläger wird von der Beklagten seit Beginn des Arbeitsverhältnisses ausschließlich bei der S. AG im Kundenaußendienst als Ableser eingesetzt. Für das Jahr 2007 erhielt er eine Bruttovergütung in Höhe von insgesamt 20.212,68 Euro, für das Jahr 2008 in Höhe von insgesamt 20.955,17 Euro, für das Jahr 2009 in Höhe von insgesamt 20.706,56 Euro, für das Jahr 2010 in Höhe von insgesamt 20.701,12 Euro sowie für das Jahr 2011 (Januar und Februar) in Höhe von insgesamt 3.181,60 Euro, jeweils ohne vermögenswirksame Leistungen.


Mit seiner beim Arbeitsgericht Düsseldorf Ende Dezember 2010 eingereichten und der Beklagten am 3.1.2011 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst die Zahlung von 10.025,32 Euro brutto als Vergütungsdifferenz für das Jahr 2007 nebst Zinsen begehrt. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 12.01.2011, dessen Erhalt die Beklagte zweitinstanzlich bestritten hat, forderte der Kläger diese zur Zahlung einer weiteren Vergütungsdifferenz für die Jahre 2008, 2009 und 2010 (bis 30.11.) in Höhe von insgesamt 29.318,36 Euro brutto unter Fristsetzung bis zum 31.1.2011 auf. Mit Schriftsatz vom 16.3.2011, der Beklagten am 21.3.2011 zugestellt, hat der Kläger insgesamt 41.568,37 Euro brutto als Vergütungsdifferenz für die Jahre 2008, 2009 und 2010 sowie für Januar 2011 nebst Zinsen verlangt. Mit Schriftsatz vom 25.3.2011, der Beklagten am 31.3.2011 zugestellt, begehrt der Kläger nunmehr für den vorgenannten Zeitraum als Vergütungsdifferenz insgesamt 43.620,87 Euro brutto nebst Zinsen. Wegen der Zusammensetzung der jeweiligen Forderungsbeträge im Einzelnen wird ausdrücklich auf die vorerwähnten Schriftsätze bzw. das Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 12.1.2011 verwiesen.


Der Kläger hat im Wesentlichen geltend gemacht:


Die S. AG selbst beschäftige mit ihm vergleichbare Ableser im Außendienst. Diese würden im ersten bis dritten Jahr ihrer Beschäftigung ein tarifliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.277,-- Euro, ab dem vierten Jahr ein tarifliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.368 Euro erhalten. Außerdem zahle die S. AG jährlich ein 13. Bruttomonatsgehalt sowie eine jährliche Einmalzahlung in Höhe von 300,-- Euro brutto gemäß dem dort geltenden Tarifvertrag. Im Übrigen arbeite er 40 Stunden in der Woche. Die mit ihm vergleichbare Stammbelegschaft der S. AG arbeite 38 Stunden in der Woche und erziele einen tariflichen Überstundenzuschlag in Höhe von 25 % je Überstunde. Das Bundesarbeitsgericht habe mit seiner Entscheidung vom 14.12.2010 (- 1 ABR 19/10 - BB 2011, 827 m. BB-Komm. Huke) rückwirkend festgestellt, dass der CGZP die Tariffähigkeit fehle. Von der CGZP geschlossene Tarifverträge seien unwirksam. Auch die Tariffähigkeit bzw. -zuständigkeit der anderen Einzelgewerkschaften des CGB, die den MTV vom 15.3.2010 - geschlossen hätten, sei nicht grundsätzlich gegeben. In Ermangelung eines wirksamen, abweichende Regelungen im Sinne des § 9 Nr. 2 AÜG zulassenden Tarifvertrages würden ihm die begehrten Beträge, die erst mit der vorerwähnten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts fällig geworden seien, nach dem "Equal-pay-Grundsatz" zustehen.


Der Kläger hat beantragt,


die Beklagte zu verurteilen, an ihn 43.620,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung zu zahlen.


Die Beklagte hat beantragt,


die Klage abzuweisen.


Die Beklagte hat vor allem die Auffassung vertreten:


Das Bundesarbeitsgericht habe die Tarifunfähigkeit der CGZP nur gegenwartsbezogen festgestellt. Die Bezugnahme auf den zwischen dem AMP und den Einzelgewerkschaften des CGB geschlossenen MTV sei wirksam, sodass jedenfalls seitdem keine Differenzansprüche mehr bestehen würden. Ansprüche hinsichtlich früherer Zeiträume seien wegen der tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen, überdies verwirkt.


Mit seinem am 6.6.2011 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:


Der Klageantrag, mit dem der Kläger die Zahlung eines Bruttobetrages verlange, sei unbegründet. Die hinsichtlich des Zeitraums 2007 bis 2009 geltend gemachten Differenzansprüche seien nach der wirksam vereinbarten Ausschlussfrist in Ziff. 19.2 und 19.3 MTV jedenfalls erloschen. Für den Zeitraum ab dem 1.1.2010 würden keine Differenzansprüche bestehen, da die Arbeitsvertragsparteien wirksam die Anwendung tarifvertraglicher abweichender Regelungen im Sinne des § 9 Nr. 2 3. und 4. Halbs. AÜG vereinbart hätten.


Wegen der Einzelheiten der Begründung wird ausdrücklich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.


Gegen das ihm am 10.6.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit einem bei Gericht am 5.7.2011 eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 5.10.2011 - mit einem hier am 5.10.2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.


Der Kläger macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:


Entgegen der Auffassung der Vorinstanz seien die streitgegenständlichen Vergütungsansprüche für die Jahre 2007 bis 2009 nicht erloschen, da die Ausschlussfrist in Ziff. 19.2 und 3 MTV keine Anwendung finde. Die Bezugnahme auf den Manteltarifvertrag in Ziff. 1 des Arbeitsvertrages vom 18.2.2005 sowie in der Zusatzvereinbarung vom 26.4.2010 sei unwirksam, da der ursprüngliche Manteltarifvertrag und auch sein Nachfolger, der nicht von der CGZP allein, sondern von einer Tarifgemeinschaft, bestehend aus CGZP und anderen Christlichen Gewerkschaften, abgeschlossen worden sei, ebenfalls nichtig seien. Letzteres gelte unabhängig davon, ob ein sog. mehrgliedriger Tarifvertrag vorliege. Soweit das Arbeitsgericht darauf abstelle, dass gerade auch ein unwirksamer Tarifvertrag arbeitsvertraglich in Bezug genommen werden könne, könne dies nicht nachvollzogen werden. Schließlich hätte er seine Ansprüche für die Jahre 2007 bis 2009 rechtzeitig geltend gemacht, da der Lauf der tarifvertraglichen Ausschlussfristen frühestens mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 begonnen hätte.


Der Kläger beantragt,


das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 6.6.2011, AZ: 4 Ca 8180/10, abzuändern und entsprechend der Schlussanträge zu entscheiden.


Die Beklagte beantragt,


die Berufung zurückzuweisen.


Die Beklagte verteidigt in erster Linie das angefochtene Urteil und macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend:


Die Berufung sei bereits unzulässig, da sie sich nicht in der gebotenen Form mit den tragenden Gründen des angegriffenen Urteils auseinandersetze. Jedenfalls aber sei die Berufung unbegründet. Zum einen könne der Kläger aus dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 (- 1 ABR 19/10 - BB 2011, 827 m. BB-Komm. Huke) nichts für ihn Günstiges bezogen auf die Bewertung des MTV vom 15.3.2010 herleiten. Zum anderen sei kein Grund ersichtlich, der einer wirksamen Einbeziehung dieses MTV durch die Zusatzvereinbarung vom 26.4.2010 entgegenstehe. Dem Arbeitsgericht sei darin zu folgen, dass selbst bei einer etwaigen Unwirksamkeit eines Tarifvertrages dieser sehr wohl in Bezug genommen werden könne. Auch der Vorgängertarifvertrag des MTV vom 15.3.2010, nämlich der Änderungstarifvertrag vom 9.7.2008 zum Manteltarifvertrag vom 29.11.2004 habe - unstreitig - eine dreimonatige Verfallfrist auf der ersten Stufe enthalten. Zu Recht habe das Arbeitsgericht angenommen, dass der Kläger seine Ansprüche nicht erst nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 habe geltend machen können. Schließlich sei der Kläger einen Vortrag zu einem Einsatz vergleichbarer Stammarbeitnehmer der S. AG mit einem identischen Tätigkeitsprofil schuldig geblieben, auch habe er die Grundlage der der Höhe nach geltend gemachten Ansprüche nicht ansatzweise dargelegt.


Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird ausdrücklich auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.


Aus den Gründen


A. Die Berufung des Klägers ist erfolglos. Dabei kann dahinstehen, ob sie aus den von der Beklagten vorgetragenen Gründen bereits unzulässig ist. Jedenfalls ist sie unbegründet.


I. Zutreffend ist die Vorinstanz zu der Feststellung gelangt, dass der Kläger für die Jahre 2007, 2008 und 2009 keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Gesamtbetrages in Höhe von 31.280,39 € brutto (Restvergütungen, 13. Monatsgehälter, Überstundenzuschläge sowie Einmalzahlungen) hat.


1. Ob der Kläger nach § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG den streitgegenständlichen Anspruch für die genannten Jahre auf Bezahlung des gleichen Arbeitsentgelts, wie es vergleichbaren Arbeitnehmern der Entleiherfirma, der S. AG, gezahlt wurde, dem Grunde und der Höhe nach wegen Unwirksamkeit der einzelvertraglich in Bezug genommenen Entgelttarifverträge (vgl. § 9 Nr. 2 1. und 3. Halbs. AÜG) hat, kann dahinstehen. Insbesondere kann offenbleiben, ob der im streitgegenständlichen Zeitraum geltende Entgelttarifvertrag zwischen der INZ und der CGZP deshalb unwirksam war, weil nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 (- 1 ABR 19/10 - BB 2011, 827 m. BB-Komm. Huke = NZA 2011, 289 ff.) schon in dem vorgenannten Zeitraum, also auch bei Abschluss des Entgelttarifvertrages vom 9.7.2008, von der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP auszugehen war (vgl. z. B. LAG Berlin-Brandenburg 20.9.2011 - 7 Sa 1318/11 - unter 2.2.1 der Gründe) oder ob zur Frage der damaligen Tariffähigkeit der CGZP erneut ein Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG mit der Folge der Aussetzung dieses Rechtsstreits (so z. B. LAG Baden-Württemberg 21.6.2011 - 11 Ta 10/11 - juris) durchzuführen ist. Etwaige Ansprüche sind jedenfalls erloschen.


2. Die streitgegenständlichen Entgeltansprüche für die Jahre 2007 bis 2009 sind mangels rechtzeitiger Geltendmachung nach Ziff. 19.2 und 19.3 MTV vom 15.03.2010 verfallen und damit erloschen (vgl. zu dieser Rechtsfolge nur BAG 18.8.2011 - 8 AZR 187/10 - Rz. 19 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 200 m. w. N.). Auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis findet die in Ziff. 19.2 MTV vom 15.3.2010 enthaltene Ausschlussfrist kraft der in der Zusatzvereinbarung vom 26.4.2010 enthaltenen Bezugnahmeklausel Anwendung. Danach können beide Arbeitsvertragsparteien sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur schriftlich innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit geltend machen.


a) Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers von einer Tarifunfähigkeit der CGZP in den vorgenannten Jahren ausgehen und daraus eine Unwirksamkeit des MTV vom 15.3.2010 zwischen dem AMP und der CGZP folgen würde, hätte, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, dies nicht die Unwirksamkeit der Bezugnahme auf diesen MTV in der Zusatzvereinbarung vom 26.4.2010 zur Folge. Ist der ausdrücklich in Bezug genommene Tarifvertrag mangels Tariffähigkeit einer Vertragspartei unwirksam, berührt dies nicht die Wirkungen der Verweisung (BAG 7.12.1977 - 4 AZR 474/96 - AP Nr. 9 zu § 4 TVG Nachwirkung; BAG 22.1.2002 - 9 AZR 601/00 - BB 2002, 1920 = NZA 2002, 1041, 1042; HWK/ Henssler, 4. Aufl. 2010, § 3 TVG Rz. 20; vgl. auch Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl. 2004, § 3 Rz. 258). Nur wenn die Unwirksamkeit des Tarifvertrages aus einem Verstoß gegen höherrangiges Recht oder allgemeine Rechtsprinzipien folgt, geht die Bezugnahme ins Leere (HWK/Henssler, § 3 TVG Rz. 20). Von beidem kann bezogen auf den MTV vom 15.3.2010 nicht ausgegangen werden.


b) Mit der wirksamen Bezugnahme auf den MTV vom 15.3.2010 wurde, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, auch die Anwendung der in Ziff. 19.2 - 4 dieses MTV enthaltenen Regelungen betreffend Ausschlussfristen vereinbart. Jedenfalls die in Ziff. 19.2 MTV geregelte "erste Stufe", die eine schriftliche Geltendmachung fälliger Ansprüche binnen drei Monaten verlangt, ist wirksam.


aa) Dabei kann dahinstehen, ob diese Ausschlussfrist wie eine individualvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unterliegt oder die Kontrolle gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 BGB unterbleiben muss, da auf einen Tarifvertrag insgesamt verwiesen worden ist (vgl. dazu HWK/Henssler, § 3 TVG Rz. 18). Eine einzelvertraglich vereinbarte Ausschlussklausel, wonach Ansprüche innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit geltend gemacht werden müssen, ist wirksam. Sie benachteiligt den Arbeitnehmer nicht nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen (BAG 25.5.2005 - 5 AZR 572/04 - BB 2005, 2131 = NZA 2006, 149, 152 f.; BAG 12.3.2008 - 10 AZR 152/07 - BB 2008, 1627 = NZA 2008, 699, 701).


bb) Die insoweit wirksame erste Stufe der in Ziff. 19.2 MTV vom 15.3.2010 enthaltenen Ausschlussklausel ist nicht etwa deshalb unwirksam, weil die in Ziff. 19.4 dieses MTV auf der zweiten Stufe geregelte Ausschlussklausel - zugunsten des Klägers unterstellt, sie unterläge der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB - mit einem Monat zu kurz bemessen ist und deshalb den Kläger unangemessen benachteiligt. Eine Auslegung mittels des sog. "blauen Stifts" führt trotz Wegfalls der zweiten Stufe dazu, dass die erste Stufe der Verfallklausel verständlich und folglich erhalten bleibt. Eine unwirksame kürzere als dreimonatige Verfallfrist auf der zweiten Stufe führt deshalb nicht auch zur Unwirksamkeit der Verfallfrist auf der ersten Stufe. Die Unwirksamkeit der zweiten Stufe der Ausschlussklausel hat nach § 306 Abs. 1 und 2 BGB ihren ersatzlosen Wegfall bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrages im Übrigen, d. h. bei Aufrechterhaltung der ersten Stufe der Ausschlussklausel, zur Folge (vgl. BAG 12.3.2008 - 10 AZR 152/07 - BB 2008, 1627 = NZA 2008, 699, 701).


cc) Die in Bezug genommene Ausschlussfrist in Ziff. 19.2 MTV vom 15.03.2010 umfasst auch Ansprüche, die u. U. vor Inkrafttreten dieses MTV am 1.1.2010 entstanden sind. Dies ergibt die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung der Ziff. 19.2 MTV vom 15.3.2010, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich Bezug genommen wird. Der Kläger ist dieser Auslegung in zweiter Instanz nicht entgegengetreten. Im Übrigen war die dreimonatige Ausschlussfrist bereits in Ziff. 19.2 MTV vom 29.11.2004 i. d. F. des Änderungstarifvertrages zum Manteltarifvertrag vom 9.7.2008 enthalten.


c) Der Kläger hat die dreimonatige Frist zur schriftlichen Geltendmachung nicht eingehalten, obwohl er bei Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt nicht an der Fristeinhaltung verhindert war (vgl. Ziff. 19.3 MTV vom 15.3.2010).


aa) Nach Ziff. 6.4 des Arbeitsvertrages vom 18.2.2005, wonach die Vergütung nach Abzug der gesetzlichen Beiträge, wie Steuern und Sozialversicherung, monatlich bis spätestens zum 20. des Folgemonats auf ein vom Mitarbeiter anzugebendes Konto überwiesen wird, i. V. m. § 271 Abs. 2 BGB werden Ansprüche auf Arbeitsentgelt spätestens am 20. des Folgemonats fällig. Ein Anspruch ist allerdings regelmäßig erst dann i. S. einer Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann. Dies ist unter Zugrundelegung der Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB dann der Fall, wenn dem Gläubiger alle seinen Anspruch begründenden Tatsachen bekannt sind (BAG 20.6.2002 - 8 AZR 488/01 - NZA 2003, 268, 271; Sächs. LAG 23.8.2011 - 1 Sa 322/11 - Rz. 43 juris).


bb) Die anspruchsbegründenden Tatsachen für die von ihm geltend gemachten Entgeltansprüche für die Jahre 2007 bis 2009 waren dem Kläger jedenfalls am 20.12.2009 bzw. an jedem 20. der Vormonate, in denen der Kläger seit dem 1.1.2007 die von ihm gegenüber der Beklagten geschuldete Ablesetätigkeit bei der S. AG erbracht hat, bekannt. Insbesondere wäre er ohne weiteres in der Lage gewesen, schon damals seine Ansprüche zu beziffern. Die etwaige fehlerhafte Bewertung des Klägers, ob der in der Bezugnahmeklausel in Ziff. 1. des Arbeitsvertrages vom 18.02.2005 bzw. der in der Zusatzvereinbarung vom 26.4.2010 ausdrücklich erwähnte Entgelttarifvertrag (ETV) wirksam war bzw. ist, stellt keinen Irrtum über die anspruchsbegründenden Tatsachen, sondern allenfalls einen unbeachtlichen Rechtsirrtum dar (Sächs. LAG 23.8.2011 - 1 Sa 322/11 - Rz. 43 juris).


d) Dem Erlöschen der streitgegenständlichen Ansprüche für die Jahre 2007 bis 2009 steht nicht etwa entgegen, dass es ihm - wie der Kläger meint - unzumutbar war, seine Ansprüche bereits nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7.12.2009 (- 23 TaBV 1016/09 -) geltend zu machen.


aa) Nach Ziff. 19.3 des in der Zusatzvereinbarung vom 26.4.2010 in Bezug genommenen MTV vom 15.3.2010, der, wie dargestellt, Inhalt des Arbeitsvertrages der Parteien war, verfallen Ansprüche, die nicht innerhalb der dreimonatigen Verfallfrist der Ziff. 19.2 MTV geltend gemacht worden sind, nicht, wenn der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, diese Frist einzuhalten. Der Kläger befand sich jedenfalls allerspätestens seit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7.12.2009 (- 23 TaBV 1016/09 -) nicht in einem unverschuldeten Rechtsirrtum. Seit dieser Entscheidung hätte dem Kläger klar sein müssen, dass der u. a. im Arbeitsvertrag in Bezug genommene Entgelttarifvertrag zwischen der INZ und der CGZP wegen deren Tarifunfähigkeit unwirksam ist (vgl. Sächs. LAG 23.8.2011 - 1 Sa 322/11 - Rz. 45 juris).


bb) Die allerspätestens ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnende dreimonatige Verfallfrist hat der Kläger für die von ihm für die Jahre 2007, 2008, und 2009 geltend gemachten Ansprüche nicht eingehalten. Insoweit kann auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil auf Seite 14 (unter cc.) verwiesen werden, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Beklagte das Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 12.1.2011 überhaupt erhalten hat.


II. Der Kläger kann auch nicht die von ihm zuletzt für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum 31.1.2011 geltend gemachten Entgeltansprüche in Höhe von insgesamt 12.340,48 Euro brutto gemäß § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG verlangen. Zu Recht hat die Vorinstanz angenommen, dass die Parteien dieses Rechtsstreits wirksam nach § 9 Nr. 2 2. und 3. Halbs. AÜG die Anwendbarkeit des MTV v. 15.3.2010 und der in ihm genannten einzelnen Tarifverträge, u. a. Entgelttarifverträge, vereinbart haben und der Kläger deshalb gemäß § 10 Abs. 4 S. 2 AÜG in der Zeit vom 1.1.2010 bis zum 31.1.2011 nur die tarifvertraglich vereinbarten Arbeitsentgelte verlangen konnte.


1. Die Parteien haben mit der Zusatzvereinbarung vom 26.4.2010 die Anwendung des jeweils gültigen MTV zwischen dem AMP und den Einzelgewerkschaften des CGB und der in diesem MTV erwähnten Tarifverträge, u. a. den Entgelttarifvertrag (ETV), mit Wirkung vom 1.1.2010 verabredet. Zu Recht ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass der MTV vom 15.3.2010 wirksam ist. Aus der der CGZP bei Abschluss dieses MTV möglicherweise fehlenden Tariffähigkeit folgt nicht, dass der MTV vom 15.03.2010 insgesamt unwirksam wäre. Es handelt sich nämlich bei ihm um einen sog. "mehrgliedrigen Tarifvertrag im engeren Sinne" in der Gestalt, dass mit dem Abschluss eines solchen Tarifvertrages nur mehrere gleichlautende Tarifverträge verschiedener Tarifvertragsparteien miteinander äußerlich in einer Urkunde verknüpft werden sollen, auch wenn sie einheitlich bekannt gemacht worden sind (BAG 8.11.2006 - 4 AZR 590/05 - Rz. 23 NZA 2007, 576, 577). Die Parteien des MTV vom 15.03.2010 haben zudem ausdrücklich klargestellt, dass es sich um einen solchen "mehrgliedrigen Tarifvertrag im engeren Sinne" handele.


2. Wegen der danach bestehenden Eigenständigkeit der im MTV vom 15.03.2010 zusammengefassten Tarifverträge verschiedener Tarifvertragsparteien führt die etwaige Unwirksamkeit des MTV vom 15.3.2010 zwischen dem AMP und der CGZP nicht zur Unwirksamkeit der in der Urkunde zusammengefassten übrigen MTVe. Das gilt insbesondere für den MTV zwischen dem AMP und dem Beschäftigtenverband J., Gewerbe, Dienstleistung (= BIGD). Für eine Tarifunfähigkeit des BIGD, der sich - von dem Kläger unwidersprochen - wie von der Vorinstanz dargestellt, als Organisation für alle Beschäftigten in J., Gewerbe und Dienstleistung begreift, für die keine spezielle Gewerkschaft im CGB besteht, hat der Kläger in seiner Berufungsbegründung nichts konkretes vorgetragen. Er hat sich lediglich pauschal unter Verweis auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Erfurt vom 4.5.2011 (- 2 Ca 144/11 -) auf den Hinweis beschränkt, es würden auch hinsichtlich des CGB Bedenken bestehen, dass ein wirksamer Tarifvertrag hätte abgeschlossen werden können bzw. es sei fraglich, ob der CGB tatsächlich für die einzelnen christlichen Gewerkschaften einen Tarifvertrag hätte abschließen können. Ebenso wenig hat er die von ihm geübte Kritik, die erstinstanzlich angenommene Folgerung, dass nunmehr der Tarifvertrag im Verhältnis zwischen dem AMP und dem BIGD weitergelten solle, könne nicht nachvollzogen werden, näher begründet.


B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG.


Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision für den Kläger an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.


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