BAG: Videoüberwachung - eingeschränkte Mitbestimmung durch Verwaltungsakt
BAG, Beschluss vom 11.12.2012 - 1 ABR 78/11
Leitsatz
Die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG wird durch einen Verwaltungsakt eingeschränkt, soweit dieser den Arbeitgeber verpflichtet, eine bestimmte Maßnahme vorzunehmen oder zu unterlassen.(Rn.20)(Rn.26)
§ 87 Abs 1 S 1 Halbs 1 BetrVG, § 87 Abs 1 Nr 6 BetrVG, § 10a SpielbkG BE
Sachverhalt
A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs.
Die Arbeitgeberin betreibt in Berlin eine öffentliche Spielbank. § 9 der ihr unter dem 1. Juli 2005 durch die Senatsverwaltung für Finanzen erteilten Betriebserlaubnis (BE) lautet:
„§ 9 Videoüberwachung und -aufzeichnung
(1)
Der Spielbankunternehmer hat den Spielverlauf und die hiermit verbundenen Kassen- und Zählvorgänge durch Videokameras zu überwachen (Videoüberwachung) und auf geeigneten Datenträgern aufzuzeichnen (Videoaufzeichnung). Die Maßnahme dient der Vermeidung von Manipulationen und der korrekten Erfassung des Bruttospielertrages.
(2)
Die Videoüberwachung umfasst
(3)
Die Videoaufzeichnungen sind auf Ersuchen der Steueraufsicht heranzuziehen und zur Klärung von Kulanzzahlungen, Streitsätzen, Jetondiebstahl und ähnlich gelagerten Fällen. Zu diesem Zweck können die aufsichtführenden Überwachungskräfte die Videoaufzeichnungen einsehen und auswerten.
Am 25. September 2010 beschloss eine Einigungsstelle durch Spruch eine „Betriebsvereinbarung über die Anwendung, Änderung und Erweiterung der Systeme der Videoüberwachung" (BV Video). Darin heißt es:
„§ 7 Videoüberwachungssystem
(3)
Anlässe und Verfahren für die Anzeige von Aufzeichnungen
Aufzeichnungen können ausschließlich aus folgenden Anlässen ohne vorherige Informationen des Betriebsrats angesehen werden:
- die Zuordnung von Spieleinsätzen an Spieltischen und Spielautomaten zu einem bestimmten Gast,
- die Überprüfung von Auszahlungen und Wechslungen, sofern es sich um die Reklamation eines Gastes handelt,
- Feststellung der Identität eines Gastes.
Aufzeichnungen können darüber hinaus bei dringendem Verdacht einer strafbaren Handlung nach vorheriger schriftlicher Information des Betriebsrats angesehen werden.
Die Information an den Betriebsrat hat stichwortartig die Gründe für die gewünschte Anzeige zu benennen. Der Betriebsrat ist über das Ergebnis unverzüglich schriftlich zu informieren, soweit Arbeitnehmer betroffen sind.
§ 79 BetrVG ist zu beachten.
(4)
Anlässe und Verfahren für die Live-Betrachtung
Eine Live-Betrachtung kann bei dringendem Verdacht einer strafbaren Handlung nach vorheriger schriftlicher Information des Betriebsrats durchgeführt werden.
Die Information an den Betriebsrat hat stichwortartig die Gründe für die gewünschte Live-Betrachtung zu benennen. Es muss dem Betriebsrat Gelegenheit gegeben werden, zur Live-Betrachtung ein Mitglied des Betriebsrats zu entsenden. Der Betriebsrat ist über das Ergebnis unverzüglich schriftlich zu informieren, soweit Arbeitnehmer betroffen sind.
Der Einigungsstellenvorsitzende übermittelte am 27. September 2010 den nicht unterzeichneten Spruch per Telefax an die Arbeitgeberin. Mit E-Mail vom selben Tage kündigte er die nachfolgende Übersendung des Einigungsstellenspruchs an. Den mit seiner Unterschrift versehenen Spruch versandte er am 12. Oktober 2010 auf dem Postweg.
Mit ihrem am 8. Oktober 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat die Arbeitgeberin die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs geltend gemacht und gemeint, dieser sei bereits wegen nicht formgerechter Zuleitung unwirksam. Er verstoße gegen höherrangiges Recht; die Regelung in § 7 BV Video berücksichtige ihre Interessen nur ungenügend.
Die Arbeitgeberin hat beantragt
festzustellen, dass der Einigungsstellenspruch vom 25. September 2010 rechtsunwirksam ist.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihm auf die Beschwerde der Arbeitgeberin entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betriebsrat die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung.
Aus den Gründen
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B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag der Arbeitgeberin zu Recht stattgegeben. Der Einigungsstellenspruch vom 25. September 2010 ist unwirksam.
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I. Der Einigungsstellenspruch entspricht allerdings den formalen Anforderungen des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG.
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1. Nach dieser Vorschrift sind die Beschlüsse der Einigungsstelle schriftlich niederzulegen, vom Vorsitzenden zu unterschreiben und Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten.
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Die Einhaltung dieses betriebsverfassungsrechtlichen Formerfordernisses ist Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Einigungsstellenspruch. Es dient in erster Linie der Rechtssicherheit. Die Unterschrift des Vorsitzenden beurkundet und dokumentiert den Willen der Einigungsstellenmitglieder. Für die Betriebsparteien und für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer wird damit rechtssicher bestätigt, dass das vom Vorsitzenden unterzeichnete Schriftstück das von der Einigungsstelle beschlossene Regelwerk enthält. Die Beurkundung und Dokumentation ist erforderlich, weil der Einigungsstellenspruch die fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt und ihm erst dann die gleiche normative Wirkung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG) zukommt wie einer von den Betriebsparteien geschlossenen Betriebsvereinbarung (BAG 13. März 2012 - 1 ABR 78/10 - Rn. 18, AP BetrVG 1972 § 87 Nr. 18 = EzA SGB IX § 84 Nr. 10). Die Unterzeichnung des Einigungsstellenspruchs durch den Vorsitzenden kann weder durch die elektronische Form (§ 126a BGB) noch durch die Textform (§ 126b BGB) ersetzt werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Formwirksamkeit ist der Zeitpunkt, in dem der Einigungsstellenvorsitzende den Betriebsparteien den Spruch mit der Absicht der Zuleitung iSd. § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG übermittelt hat (BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 19, BAGE 135, 377).
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2. Der Einigungsstellenspruch vom 25. September 2010 ist formwirksam.
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Die am 27. September 2010 erfolgte Übermittlung des nicht unterzeichneten Spruchs per Telefax steht seiner wirksamen Zuleitung nicht entgegen. Der Einigungsstellenvorsitzende hat der Arbeitgeberin die beabsichtigte Übersendung des unterzeichneten Spruchs durch eine E-Mail vom gleichen Tag angekündigt. Hiernach sollte erst diese und nicht bereits das Fax vom 27. September 2010 die Zuleitung des Einigungsstellenspruchs bewirken. Diese Umstände lassen nicht den Schluss zu, der Einigungsstellenvorsitzende habe bereits mit der vorherigen Übermittlung per Fax eine Zuleitung iSd. § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG vornehmen wollen. Anderweitige Feststellungen hat auch das Landesarbeitsgericht nicht getroffen.
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II. Der Einigungsstellenspruch vom 25. September 2010 ist unwirksam, weil die Einigungsstelle bei der Ausgestaltung der Videoüberwachung ihre Regelungsmacht überschritten hat.
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1. Der Betriebsrat hat bei der Videoüberwachung der Betriebsräume der Arbeitgeberin nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitzubestimmen.
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Die Betriebsparteien und damit auch die Einigungsstelle sind grundsätzlich befugt, Regelungen über die Einführung und Ausgestaltung einer Videoüberwachung zu treffen. Dies folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Eine Videoüberwachungsanlage ist eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (vgl. BAG 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 13, BAGE 127, 276). Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
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2. Nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG hat der Betriebsrat nur mitzubestimmen, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht.
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a) Der Eingangshalbsatz in § 87 Abs. 1 BetrVG beruht auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr verbleibt, wenn eine den Arbeitgeber bindende und abschließende gesetzliche oder tarifliche Vorschrift vorliegt. Wird der Mitbestimmungsgegenstand durch diese inhaltlich und abschließend geregelt, fehlt es an einer Ausgestaltungsmöglichkeit durch die Betriebsparteien. Verbleibt dem Arbeitgeber trotz der bestehenden normativen Regelung ein Gestaltungsspielraum, ist ein darauf bezogenes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eröffnet (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 63/10 - Rn. 22, AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 42 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 6).
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b) Nach der Senatsrechtsprechung kann sich eine die Mitbestimmung einschränkende Bindung der Betriebsparteien auch aufgrund eines Verwaltungsaktes ergeben, wenn dieser den Arbeitgeber verpflichtet, eine bestimmte Maßnahme vorzunehmen bzw. zu unterlassen. Verbleibt dem Arbeitgeber kein Gestaltungsspielraum, kann der Betriebsrat nicht unter Berufung auf sein Mitbestimmungsrecht eine vom Verwaltungsakt abweichende Regelung verlangen (BAG 9. Juli 1991 - 1 ABR 57/90 - zu B II 1 b der Gründe, BAGE 68, 127; 26. Mai 1988 - 1 ABR 9/87 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 58, 297). Insoweit steht eine den Arbeitgeber bindende behördliche Entscheidung in ihren Auswirkungen auf das Mitbestimmungsrecht den in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG genannten normativen Regelungen gleich. Wo für den Arbeitgeber nichts zu entscheiden ist, gibt es für den Betriebsrat nichts mitzubestimmen (BAG 23. Juni 2009 - 1 ABR 30/08 - Rn. 23, AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 59).
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3. Vorliegend ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Ausgestaltung der Videoüberwachung nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt.
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a) In der für die Arbeitgeberin einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift Spielhallen, Spielcasinos und Automatensäle von Spielbanken vom 1. April 1997 (BGV C 3) wird die Einrichtung und der Betrieb einer Videoüberwachung für die Betriebsräume verbindlich festgelegt. Die BGV C 3 ist aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 15 Abs. 1 SGB VII als autonomes Satzungsrecht der Unfallversicherungsträger erlassen worden. Danach muss jedes Spielcasino und jeder Automatensaal von Spielbanken mit einer optischen Raumüberwachungsanlage ausgerüstet sein (§ 6 Abs. 1 BGV C 3). Der Unternehmer hat bei Verwendung von Videoanlagen zur optischen Raumüberwachung dafür zu sorgen, dass diese während der gesamten Arbeitszeit in Betrieb sind (§ 19 Abs. 1 BGV C 3).
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b) Nach § 10a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken in Berlin (Spielbankengesetz - SpBG) vom 8. Februar 1999 (GVBl. S. 70) ist die Arbeitgeberin zur Durchführung einer laufenden videotechnischen Aufzeichnung und Speicherung der hierdurch erworbenen Daten in den in der Vorschrift genannten Räumen verpflichtet. In § 10a Abs. 2 und Abs. 4 SpBG Berlin hat der Landesgesetzgeber den Zugriff auf die aufgezeichneten und gespeicherten Daten sowie die Vorgaben für die videotechnischen Aufnahmen näher ausgestaltet.
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aa) Nach § 10a Abs. 4 SpBG Berlin darf der Zugriff auf die aufgezeichneten und gespeicherten Daten ausschließlich erfolgen durch den Spielbankunternehmer und die von ihm hierfür bestimmten Personen, die Aufsichtsbehörden (§ 12 SpBG Berlin) sowie die Strafverfolgungsbehörden, soweit sie nach dem für sie maßgeblichen Recht hierzu befugt sind. § 10a Abs. 2 SpBG Berlin verlangt, dass die Aufzeichnung und Speicherung ausschließlich für Zwecke der Gewährleistung des ordnungsgemäßen Spielbetriebs, zur korrekten Erfassung des Bruttospielertrags, zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten sowie zur Klärung von Streitfällen mit Gästen verwendet werden darf. § 10a Abs. 4 SpBG Berlin regelt auch das Betrachten der in Echtzeit aufgezeichneten Daten. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, der den Zugriff sowohl auf die aufgezeichneten als auch auf die gespeicherten Daten erlaubt. Dies entspricht § 10a Abs. 1 Satz 1 SpBG Berlin, der eine Verpflichtung des Erlaubnisinhabers zur laufenden videotechnischen Aufzeichnung und Speicherung vorsieht. Der Landesgesetzgeber hat danach eine Regelung sowohl für das Betrachten der Aufzeichnung als auch der gespeicherten Videoaufnahmen getroffen. Diese ermöglicht den in § 10a Abs. 4 SpBG Berlin bezeichneten Personen und Stellen eine Live-Betrachtung des Spielbetriebs zu den in § 10a Abs. 2 SpBG Berlin genannten Zwecken.
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bb) Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht danach nur, soweit das Betrachten der aufgezeichneten und gespeicherten Daten nicht den in § 10a Abs. 2 SpBG Berlin genannten Zwecken dient. Dies gilt auch, soweit die Tätigkeit von Arbeitnehmern von den Aufnahmen erfasst wird. Die Mitarbeiter der Arbeitgeberin unterliegen insoweit den gleichen Einschränkungen ihres durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechts wie andere Besucher der Spielbank. Dies begegnet insbesondere deshalb keinen durchgreifenden Bedenken, weil die Arbeitgeberin die Erkenntnisse, die sie aus einer Ansicht der Aufnahmen auf der Grundlage von § 10a Abs. 2 SpBG Berlin gewinnt, nur zu den in dieser Vorschrift ausdrücklich aufgeführten Zwecken verwenden darf. Die Leistungs- oder Verhaltenskontrolle von Arbeitnehmern zählt nicht dazu.
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c) Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG werden auch durch die in der Betriebserlaubnis vom 1. Juli 2005 enthaltenen Auflagen eingeschränkt. Nach § 9 Abs. 3 Satz 2 BE sind die Videoaufzeichnungen auf Ersuchen der Steueraufsicht zur Klärung von Kulanzzahlungen, Streitsätzen, Jetondiebstahl und ähnlich gelagerten Fällen heranzuziehen. Die Betriebserlaubnis ist ein Verwaltungsakt, der mit Auflagen über Sicherheitsvorkehrungen versehen werden kann (§ 2 Abs. 1, Abs. 7 Nr. 5 SpBG Berlin). Entgegen der Auffassung des Betriebsrats ist die Bindung der Arbeitgeberin an die in der Betriebserlaubnis enthaltenen Vorgaben über die Videoüberwachung und -aufzeichnung (§ 9 BE) nicht entfallen. Die Einfügung von § 10a SpBG Berlin im Jahr 2010 führt nicht zur Nichtigkeit von § 9 BE. Dies folgt aus § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, der gem. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung vom 8. Dezember 1976 (GVBl. S. 2735) für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden Berlins gilt. Danach hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Die Möglichkeit, in Bezug auf die von § 10a SpBG Berlin erfassten Nebenbestimmungen in der Betriebserlaubnis ggf. einen auf das Wiederaufgreifen des Verfahrens gerichteten Antrag zu stellen, schließt die Annahme der Nichtigkeit als Folge der Änderung des SpBG Berlin aus.
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4. Die Einigungsstelle hat bei der Ausgestaltung der Videoüberwachung in § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BV Video die sich aus § 10a SpBG Berlin und § 9 Abs. 3 Satz 2 BE ergebende Einschränkung des Mitbestimmungsrechts nicht beachtet.
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a) Der Anwendungsbereich von § 7 Abs. 3 BV Video beschränkt sich auf die von der Arbeitgeberin gespeicherten Aufnahmen. Für das Betrachten aufgezeichneter Daten in Echtzeit enthält § 7 Abs. 4 BV Video eine gesonderte Regelung. Nach den Festlegungen im Einigungsstellenspruch können die gespeicherten Aufnahmen nur unter den in § 7 Abs. 3 Satz 1 BV Video bestimmten Voraussetzungen ohne vorherige Information des Betriebsrats angesehen werden. Liegen diese nicht vor, ist eine Betrachtung nur bei dringendem Tatverdacht einer strafbaren Handlung und einer vorherigen schriftlichen Information des Betriebsrats unter Angabe der Gründe zulässig. Nach § 7 Abs. 4 BV Video darf eine Live-Überwachung nur bei dringendem Verdacht einer strafbaren Handlung nach vorheriger schriftlicher Information des Betriebsrats unter Beifügung einer stichwortartigen Begründung durchgeführt werden. Es muss dem Betriebsrat Gelegenheit gegeben werden, zur Live-Betrachtung ein Betriebsratsmitglied zu entsenden (§ 7 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 Satz 1 BV Video).
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b) Durch § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BV Video werden die im SpBG Berlin eröffneten Möglichkeiten für das Betrachten der aufgezeichneten und gespeicherten Videoaufnahmen beschränkt. Die nach § 7 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 BV Video zulässigen Tatbestände für die Ansicht der Videoaufzeichnungen bleiben hinter den gesetzlich bestimmten Zugriffsmöglichkeiten zurück. Diese sind der Arbeitgeberin und den Aufsichtsbehörden zu den in § 10a Abs. 2 SpBG Berlin genannten Zwecken einschränkungslos und ohne das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts gestattet. Die Einigungsstelle hat überdies die in § 9 Abs. 3 Satz 2 BE enthaltenen Vorgaben zugunsten der Steueraufsicht sowie die Rechte der Strafverfolgungsbehörden (§ 10a Abs. 4 Nr. 3 SpBG Berlin) nicht berücksichtigt. Eine Trennung nach dem Zugriffszweck ist in § 7 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 BV Video nicht vorgesehen.
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5. Die Unwirksamkeit von § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BV Video führt zur Unwirksamkeit des gesamten Einigungsstellenspruchs. Für die Anwendung des verbleibenden Teils bleibt ohne die Ausgestaltung der Voraussetzungen, unter denen ein Betrachten der Videoaufnahmen zulässig ist, kein Raum.