BAG: "Tarifliche ordentlich unkündbar" - außerordentliche Änderungskündigung dennoch möglich
BAG , Urteil vom 28.10.2010 - Aktenzeichen 2 AZR 688/09 (Vorinstanz: LAG Saarland vom 16.09.2009 - Aktenzeichen 2 Sa 116/08; ) (Vorinstanz: ArbG Saarbrücken vom 09.09.2008 - Aktenzeichen 64 Ca 1/08; ) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Leitsätze: Orientierungssätze: 1. Der entsprechenden Anwendung der §§ 2, 4 Satz 2 KSchG auf außerordentliche Änderungskündigungen steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG auch in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung keine Verweisung auf § 2 KSchG enthält. 2. § 34 TVöD sieht mit Wirkung ab 1. Oktober 2005 keine mit § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT vergleichbare Regelung mehr vor. Diese Regelung ist nicht weiter anzuwenden. Etwas Anderes folgt nicht aus § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD. Nach dieser Bestimmung verbleibt es für die bislang Beschäftigten nur bei der tariflichen Unkündbarkeit als solcher, nicht auch bei deren einzelnen Modalitäten. 3. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD gilt auch für Änderungskündigungen. 4. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Änderungskündigung setzt voraus, dass die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig ist und die geänderten Bedingungen dem gekündigten Arbeitnehmer zumutbar sind. Ein wichtiger Grund kann dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Umständen, die in seiner Sphäre liegen (hier: körperliche Beschwerden), zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung (hier: Schwimmmeister mit Rettungsaufgaben) auf unabsehbare Dauer nicht mehr in der Lage ist. 5. Ist die ordentliche Kündbarkeit tariflich ausgeschlossen, kann eine außerordentliche Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist berechtigt sein. Besondere Bedeutung kommt im Fall eines tariflich unkündbaren Arbeitnehmers der Verpflichtung des Arbeitgebers zu, die Kündigung - wenn möglich - durch andere Maßnahmen abzuwenden. 6. Ob der Arbeitnehmer in eine ihm angesonnene Änderung billigerweise einwilligen muss, richtet sich nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zumutbar ist eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen insbesondere dann, wenn dies die einzige Möglichkeit darstellt, den Arbeitnehmer überhaupt weiterzubeschäftigen. 7. Wenn neben der Tätigkeit auch die Vergütung des Arbeitnehmers geändert werden soll, sind beide Elemente des Änderungsangebots am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Eine gesonderte Rechtfertigung des Vergütungsangebots ist nur dann entbehrlich, wenn sich dieses aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt. In diesem Fall kann auch eine Herabgruppierung um mehrere Entgeltgruppen zumutbar sein. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Normenkette: BGB § 626; KSchG § 2; KSchG § 4 S. 2; KSchG § § 13 Abs. 1 S. 2; TVöD § 34; Redaktionelle Normenkette: BGB § 626; KSchG § 2; KSchG § 4 S. 2; KSchG § § 13 Abs. 1 S. 2; TVöD § 34; DB 2011, 476 NZA 2011, 368 NZA-RR 2011, 167
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