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Arbeitsrecht
25.03.2021
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Streitwert - Gegenstandswert - Zustimmungsersetzungsverfahren - Bindung an Antrag

LAG Nürnberg, Beschluss vom 18.1.2021 – 2 Ta 152/20

Volltext: BB-Online BBL2021-819-2

Leitsatz

Im Verfahren nach § 33 RVG muss sich Beschwerdeentscheidung auf den Beschwerdeantrag oder bei nicht formuliertem Antrag auf das erkennbare Beschwerdeziel beschränken.

§§ 23, 33 RVG, 308 ZPO

Sachverhalt

A.

Die Beteiligten stritten um Zustimmungsersetzung zu einer auf ein Jahr befristeten Einstellung einer Mitarbeiterin als Verkaufskraft mit einer Wochenstundenzahl von 25 nach § 99 Abs. 4 BetrVG die Feststellung der Dringlichkeit der vorläufigen Einstellung nach § 100 BetrVG.

Nach Erledigterklärung der Beteiligten stellte das Arbeitsgericht das Verfahren ein.

Mit Beschluss vom 24.08.2020 setzte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert auf 3.750 € fest. Da es sich um ein befristetes Teilzeitarbeitsverhältnis handelte, legte das Arbeitsgericht für den Zustimmungsersetzungsantrag den halben Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zugrunde, also 2.500,- € und für den Feststellungsantrag 1.250,- €, insgesamt also 3.750,- €.

Gegen diesen ihnen am 28.08.2020 zugestellten Beschluss legten die Vertreter des antragsgegnerischen Betriebsrats mit Schriftsatz vom 11.09.2020, eingegangen beim Arbeitsgericht am selben Tag, Beschwerde ein. Bei der Bemessung des Gegenstandswertes sei von 5.000,- € auszugehen. Die vom Arbeitsgericht begründete Absenkung aufgrund der Befristung und dem zeitlichen Umfang der Arbeitsverhältnisse stellten mangels Bezug zum Streitgegenstand keinen wertbildenden Faktor dar.

Das Arbeitsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 10.12.2020 nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.

Das Landesarbeitsgericht räumte den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis 15.01.2020 ein. Auf die Stellungnahmen wird verwiesen.

Aus den Gründen

B.

I.

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ist zulässig.

Gegen einen Beschluss, durch den der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit gemäß § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt worden ist, findet gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG eine Beschwerde dann statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt. Auf Grund der Begründung im Festsetzungsantrag geht das Gericht davon aus, dass eine Erhöhung des Gegenstandswerts auf 6.250,- € begehrt wird (5.000,- € je Mitarbeiter für die Zustimmungsersetzungsanträge, je 1250,- € für die Feststellungsanträge). Bereits die einfache Gebührendifferenz nach Anlage 2 zum RVG in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung beliefe sich dann auf 153,- €. Es sind jedoch mehrere Gebühren angefallen. Die Beschwerde ist auch innerhalb von zwei Wochen nach Zuleitung des angegriffenen Beschlusses beim Erstgericht eingegangen, § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG. Den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners steht ein eigenes Beschwerderecht zu, § 33 Abs. 2 Satz 1 RVG. Zwar ist die Beschwerde nach ihrem Wortlaut namens und in Vollmacht des Antragsgegners erhoben und nicht in eigenem Namen. Der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts ist aber in eigenem Namen erhoben („beantragen wir“). Und aus der Begründung der Beschwerde ergibt sich, dass eindeutig eine Erhöhung des Gegenstandswerts erstrebt wird. Mit diesem Ziel könnte der Antragsgegner selbst eine Beschwerde mangels Beschwer nicht zulässig erheben (LAG Köln 21.10.2013 - 7 Ta 231/13 juris; Schleusener in GK-ArbGG, § 12 ArbGG, Stand Nov. 2020, Rn 490). Das Beschwerdegericht legt die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten daher als im eigenen Namen erhoben aus.

II.

Die Beschwerde ist begründet.

1. Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg berücksichtigt im Rahmen des ihr nach §§ 33 Abs. 3, 23 Abs. 3 Satz 2 RVG eingeräumten Ermessens die Vorschläge der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.

a. Die Anträge auf Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG und Feststellung nach § 100 BetrVG sind nach ständiger Rechtsprechung des LAG Nürnberg und insbesondere der erkennenden Beschwerdekammer nichtvermögensrechtlicher Natur. Dabei sind entscheidend für die Bewertung die Aspekte des Einzelfalls, z.B. Dauer und Bedeutung der Maßnahme und die wirtschaftlichen Auswirkungen, die zur Erhöhung oder Verminderung des Wertes führen können. Ausgangspunkt für die Bewertung ist dabei der Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG und nicht das zu zahlende Entgelt (z.B. LAG Nürnberg 20.12.2013 - 2 Ta 156/13; 21.09.2015 - 4 Ta 113/15; 15.01.2016 - 7 Ta 123/15; vgl. II.14.1. und 14.2.1 Streitwertkatalog).

b. Zutreffend hat das Arbeitsgericht den Wert des im gleichen Verfahren anhängigen Antrags nach § 100 BetrVG mit 50% des Ausgangswertes angesetzt (s. Streitwertkatalog II.14.5). Dies ist auch sachgerecht, da der Antrag nach § 100 BetrVG weit weniger reicht als der Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG.

c. Da die Dauer der beabsichtigen Einstellung typischer Weise auch mit deren wirtschaftlicher Bedeutung korrespondiert, vertritt die Beschwerdekammer in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass bei einer Einstellung bis zu drei Monaten 1/3 des Hilfswertes, von über drei Monaten bis zu sechs Monaten 2/3 des Hilfswertes und von über sechs Monaten der volle Hilfswert angesetzt werden kann (z.B. LAG Nürnberg 20.12.2013 - 2 Ta 156/13; vgl. auch LAG Nürnberg 21.09.2015 - 4 Ta 113/15 und 15.01.2016 - 7 Ta 123/15).

d. Eine (ggf. weitere) Herabsetzung des Gegenstandswerts wegen der Teilzeitbeschäftigung ist nur bei geringfügig Beschäftigten (sog. Minijobbern) angezeigt (vgl. auch LAG Düsseldorf 21.09.2020 - 4 Ta 284/20 Rn 18, juris). Hier ist einerseits die grundsätzliche Wertung des Betriebsverfassungsgesetzes zu beachten, das für die Größe des Betriebsrats sowie für verschiedene Schwellenwerte (etwa in §§ 99, 111 BetrVG) stets auf die Kopfzahl der Arbeitnehmer abstellt. Andererseits ist die wirtschaftliche Bedeutung der Beschäftigung eines Minijobbers regelmäßig deutlich geringer als eine reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Für die Einstellung von Minijobbern hält die Beschwerdekammer daher eine weitere Herabsetzung von 50% des Ausgangswertes für angemessen.

2. In Anwendung dieser Grundsätze wäre im vorliegenden Fall ein Gegenstandswert von 7.500,- € festzusetzen. Die Mitarbeiterin sollte für ein Jahr eingestellt werden bei einer Wochenstundenzahl von 25. Es bleibt daher für das Zustimmungsersetzungsverfahren beim Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, also bei 5.000,- €. Für den Feststellungsantrag käme ein Betrag in Höhe des Ausgangswertes hinzu, hier also ein Betrag von 2.500,- €. Insgesamt ergäbe sich somit ein Gegenstandswert von 7.500,- €.

3. Dennoch war der Gegenstandswert auf 6.250,- € festzusetzen. Das Verfahren nach § 33 RVG ist im Gegensatz zum Festsetzungsverfahren nach § 63 GKG iVm § 32 RVG, in dem die Festsetzung auch von Amts wegen festgesetzt und geändert werden kann, ein Antragsverfahren. Das Beschwerdegericht ist deshalb entsprechend § 308 Abs. 1 ZPO an den Beschwerdeantrag gebunden (LAG Düsseldorf 25.11.2016 - 4 Ta 634/16 - Rn 13, juris; LAG Baden-Württemberg 22.09.2008 - 3 Ta 182/08 - Rn 3, juris) und kann deshalb auch nicht mehr zusprechen, als beantragt. Die Beschwerdeentscheidung muss sich auf den Beschwerdeantrag oder bei nicht formuliertem Antrag auf das erkennbare Beschwerdeziel beschränken (Zöller/Heßler, ZPO 33. Aufl., § 572 ZPO Rn 45, ähnlich Riedel/Sußbauer/Potthoff, RVG 10. Aufl., § 33 RVG, Rn 80). Mit Schreiben vom 23.06.2020 hatten die Beschwerdeführer die Festsetzung des Gegenstandswerts auf 6.250,- € beantragt und hierbei für den Feststellungsantrag ¼ des Wertes des Zustimmungsersetzungsantrags, den sie mit 5.000,- € bezifferten, zu Grunde gelegt. Mit der Beschwerde haben die Beschwerdeführer hieran festgehalten.

III.

Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.

IV.

Eine Kostenentscheidung ist Hinblick auf § 33 Abs. 9 RVG nicht veranlasst.

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