BAG: Ordnungsgemäße Unterrichtung bei Umgruppierung
BAG , Beschluss vom 12.01.2011 - Aktenzeichen 7 ABR 25/09 (Vorinstanz: ArbG Hannover vom 21.09.2007 - Aktenzeichen 8 BV 24/06; ) (Vorinstanz: LAG Niedersachsen vom 13.01.2009 - Aktenzeichen 3 TaBV 1/08; ) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Leitsätze: Orientierungssätze: 1. Nach der auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren Bestimmung des § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO enthält ein verfahrensbeendender Beschluss eine Beschlussformel. Bei dem Beschluss, der einem Antrag stattgibt, ist der Inhalt des Ausspruchs regelmäßig in der Beschlussformel wiederzugeben. Wird ein Antrag abgewiesen, muss er nach der im Beschlussverfahren ebenfalls anwendbaren Bestimmung des § 313 Abs. 2 Satz 1 ZPO im tatbestandlichen Teil des Beschlusses wiedergegeben sein. 2. Das Erfordernis der Bestimmtheit der Beschlussformel dient der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Der Umfang der materiellen Rechtskraft iSv. § 322 Abs. 1 ZPO und damit die Entscheidungswirkungen müssen festgestellt werden können. Der Entscheidungsausspruch muss in der Regel aus sich selbst heraus bestimmbar sein. Auf eine Anlage darf nur verwiesen werden, wenn das Gebot effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise eine Lockerung des Erfordernisses der Bestimmtheit des Entscheidungsausspruchs verlangt. Das ist anzunehmen, wenn es unmöglich oder nur unter unverhältnismäßig erschwerten Umständen möglich ist, alle Teile des Entscheidungsausspruchs in der Entscheidungsformel selbst wiederzugeben. 3. Anders als - im Regelfall - die Entscheidungsformel darf sich der Sachantrag in einer Antragsschrift auf eine beigefügte Anlage beziehen, wenn der Verfahrensgegenstand dadurch ausreichend individualisiert wird. Dem steht kein Verfahrensrecht entgegen. 4. Voraussetzung für den Eintritt der gesetzlichen Fiktion des § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ist eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber. Nur diese setzt die Frist für die Zustimmungsverweigerung in Lauf. 5. Der Arbeitgeber kann in den Fällen, in denen der Betriebsrat auf eine unvollständige Unterrichtung hin seine Zustimmung verweigert hat, auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren durch Schriftsatz die fehlenden Informationen nachholen. 6. Die Zustimmungsverweigerungsfrist kann von den Betriebsparteien einvernehmlich verlängert werden. Eine erhebliche Fristverlängerung - hier um mehr als sieben Monate - ist jedenfalls dann unbedenklich, wenn sie besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung trägt. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Normenkette: BetrVG § 99 Abs. 1 bis 4; ZPO § 253 Abs. 1 ; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 313; Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 1; Redaktionelle Normenkette: BetrVG § 99 Abs. 1 bis 4; ZPO § 253 Abs. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 313 Abs. 1 Nr. 4; ZPO § 313 Abs. 2 Satz 1;
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Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat gemeint, er sei nicht hinreichend über die konkreten Tätigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer informiert worden. Es fehle damit bereits an einer ordnungsgemäßen Unterrichtung durch die Arbeitgeberin über die Umgruppierungen. Die lediglich paraphierten Überleitungs- und TKM-Listen genügten nicht dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG und seien deshalb keine verbindlichen Tarifbestimmungen, mit der die Arbeitgeberin die Umgruppierungen begründen könne. | RN 14 |
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Die Beschwerdeentscheidung ist nicht schon deswegen aufzuheben, weil die Beschlussformel auf eine Anlage verweist. Eine solche Handhabung genügt zwar nicht den Erfordernissen des § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Der angefochtenen Entscheidung fehlt auch ein ordnungsgemäßer tatbestandlicher Teil iSv. § 313 Abs. 2 ZPO. Die gestellten Anträge sind nicht ausreichend dargestellt. Diese Verfahrensfehler zwingen jedoch nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung. Sie können im Rechtsbeschwerdeverfahren behoben werden. Die Beschwerdeentscheidung ist aber deshalb aufzuheben, weil mit der Begründung des Beschwerdegerichts nicht angenommen werden kann, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der noch vom Antrag erfassten Arbeitnehmer als erteilt gilt. Für eine abschließende Entscheidung fehlen erforderliche Tatsachenfeststellungen. Die Sache ist daher zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. | RN 16 |
I. Der angefochtene Beschluss verstößt gegen § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Dieser von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensfehler zwingt aber nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Er kann im Rechtsbeschwerdeverfahren behoben werden. | RN 17 |
1. Nach der auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren Bestimmung des § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO enthält ein verfahrensbeendender Beschluss eine Beschlussformel. Bei dem Beschluss, der einem Antrag stattgibt, ist der Inhalt des Ausspruchs regelmäßig in der Beschlussformel wiederzugeben. Wird ein Antrag abgewiesen, muss er nach der im Beschlussverfahren ebenfalls anwendbaren Bestimmung des § 313 Abs. 2 Satz 1 ZPO im tatbestandlichen Teil des Beschlusses wiedergegeben sein. Der gerichtlichen Entscheidung muss sich grundsätzlich auch ohne Kenntnis der Akten und der im Verfahren gewechselten Schriftsätze entnehmen lassen, worüber das Gericht entschieden hat. | RN 18 |
a) Das Erfordernis der Bestimmtheit der Beschlussformel dient der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Der Umfang der materiellen Rechtskraft iSv. § 322 Abs. 1 ZPO und damit die Entscheidungswirkungen müssen festgestellt werden können. Der Entscheidungsinhalt muss deshalb äußerlich in einer Weise niedergelegt werden, die es gewährleistet, dass er auch danach bestimmbar bleibt. Sonst können nach Rechtskraft der Entscheidung Unsicherheiten entstehen. Aus diesem Grund muss der Entscheidungsausspruch in aller Regel aus sich selbst heraus oder gegebenenfalls im Zusammenhang mit seiner Begründung bestimmbar sein. Der Entscheidungsinhalt ist grundsätzlich in einer einheitlichen Urkunde festzulegen (vgl. BGH 14. Oktober 1999 - I ZR 117/97 - [Musical-Gala] zu I 2 a der Gründe mwN, BGHZ 142, 388). | RN 19 |
Lockerungen sind etwa geboten, wenn zu einer Unterlassung verurteilt wird, die nicht mit Worten umschrieben werden kann, weil es auf nicht mit Worten zu beschreibende oder auch nur abzubildende Eigenschaften eines Gegenstands ankommt. In anderen Fällen kann der Gegenstand, auf den sich der Unterlassungsausspruch bezieht, nach Art und Umfang nicht oder nur unverhältnismäßig erschwert in das Urteil aufgenommen werden, wie das zB bei Unterlassungstiteln, die sich auf Kino- und Fernsehfilme oder Software beziehen, der Fall ist. In diesen Sonderfällen kann in der Entscheidungsformel auch auf Anlagen, die zu den Akten gegeben worden sind, verwiesen werden (vgl. BGH 14. Oktober 1999 - I ZR 117/97 - [Musical-Gala] zu I 2 a der Gründe mwN, BGHZ 142, 388; in dem anderen Zusammenhang der Bestimmtheit des Antrags iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch 23. Januar 2003 - I ZR 18/01 - [Innungsprogramm] zu II 1 a der Gründe mwN, NJW-RR 2003, 910). |
c) Lässt sich der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht zweifelsfrei entnehmen, welchem Antrag es stattgegeben oder welchen Antrag es abgewiesen hat, ist der darin liegende Verfahrensfehler im Rechtsbeschwerdeverfahren auch ohne Rüge von Amts wegen zu beachten. Sonst besteht die Gefahr, dass die objektiven Grenzen der Rechtskraft der Entscheidung später nicht mehr zuverlässig feststellbar sind. Das Rechtsbeschwerdegericht kann den Verfahrensfehler beheben, indem es die Anträge, über die das Landesarbeitsgericht entschieden hat, in seinem Beschluss wiedergibt, sofern das anhand der ihm vorliegenden Akten möglich ist (vgl. zum fehlenden oder unvollständigen Tatbestand BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - Rn. 15 f. mwN, AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5). | RN 21 |
II. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hat jedoch aus anderen Gründen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann aufgrund der getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob der Antrag der Arbeitgeberin begründet ist. | RN 23 |
1. Die Rechtsbeschwerde stützt sich in erster Linie darauf, das Landesarbeitsgericht habe die Abrede der Betriebsparteien über eine Zustimmungsverweigerungsfiktion nach Nr. 4 der Regelungsvereinbarung vom 6. Dezember 2005 rechtsfehlerhaft für unwirksam erachtet. Dieser Angriff ist unbegründet. Die Betriebsparteien können nicht wirksam vereinbaren, dass die Zustimmung des Betriebsrats als verweigert gilt, wenn zwischen ihnen bis zum Ablauf der Äußerungsfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG oder einer vereinbarten längeren Stellungnahmefrist kein Einvernehmen über eine vom Arbeitgeber beantragte Umgruppierung erzielt wird. Für den damit verbundenen Eingriff in das Zustimmungsersetzungsverfahren des § 99 Abs. 4 BetrVG fehlt ihnen die Regelungskompetenz (vgl. BAG 5. Mai 2010 - 7 ABR 70/08 - Rn. 19 mwN, EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 16). | RN 24 |
2. Das Rechtsbeschwerdegericht ist bei einer zulässigen Rechtsbeschwerde aber nicht darauf beschränkt, die ausdrücklich geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe zu prüfen. Der angefochtene Beschluss ist in vollem Umfang auf seine materiell-rechtliche Richtigkeit zu überprüfen (vgl. BAG 5. Mai 2010 - 7 ABR 70/08 - Rn. 20 mwN, EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 16). Dieser Prüfung hält die Beschwerdeentscheidung nicht stand. | RN 25 |
aa) Der Antrag ist hinreichend bestimmt. | RN 27 |
(1) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss ein Antrag auch im Beschlussverfahren so bestimmt sein, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung iSv. § 322 Abs. 1 ZPO zwischen den Parteien entschieden werden kann (BAG 27. Juli 2010 - 1 ABR 74/09 - Rn. 11 mwN). Der Antrag muss aus sich heraus verständlich sein. Nur dann kann eine der materiellen Rechtskraft zugängliche Sachentscheidung ergehen (vgl. BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 75/07 - Rn. 22, BAGE 128, 358). Die Gerichte sind allerdings gehalten, Anträge nach Möglichkeit dahin auszulegen, dass eine Sachentscheidung über sie ergehen kann. Dabei ist gegebenenfalls die Antragsbegründung heranzuziehen (vgl. BAG 12. August 2009 - 7 ABR 15/08 - Rn. 12, AP BetrVG 1972 § 34 Nr. 2 = EzA BetrVG 2001 § 34 Nr. 1). | RN 28 |
(2) Diesen Anforderungen wird der Antrag gerecht. In ihm ist genau bezeichnet, gegen wen er sich richtet, um welche personellen Einzelmaßnahmen es sich handelt, auf welcher Rechtsgrundlage die Umgruppierungen vorgenommen werden sollen und - durch die Bezugnahme - für welche umzugruppierenden Arbeitnehmer die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt werden soll. Die Anlage ist eindeutig gekennzeichnet. Anders als - im Regelfall - die Entscheidungsformel darf sich der Antrag auf eine Anlage beziehen, wenn der Verfahrensgegenstand dadurch ausreichend individualisiert wird (vgl. etwa BAG 25. April 1989 - 3 AZR 35/88 - zu I 1 der Gründe, AP BGB § 611 Betriebsgeheimnis Nr. 7 = EzA BGB § 611 Betriebsgeheimnis Nr. 2; BGH 22. November 2007 - I ZR 12/05 - Rn. 24 f., GRUR 2008, 357). Dem steht kein Verfahrensrecht entgegen. Das Antragsziel kann mithilfe der Anlage ermittelt werden. Den insbesondere mit Blick auf § 322 Abs. 1 ZPO zu schützenden Belangen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit kann Rechnung getragen werden, indem der Inhalt der Anlage in die Entscheidungsformel oder - im Fall der Antragsabweisung - in den tatbestandlichen Teil des Beschlusses aufgenommen wird. Die nach § 253 Abs. 1 ZPO nötige Schriftform ist durch die Unterschrift unter dem Schriftsatz und die in der Antragsschrift enthaltene Bezugnahme auf die Anlage gewahrt. | RN 29 |
bb) Der Arbeitgeberin kommt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zu. In ihrem Unternehmen sind in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Anlass für eine nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Umgruppierung kann auch die Änderung der bisherigen Einreihung bei unveränderter Tätigkeit des Arbeitnehmers sein, die auf einer Modifikation des bislang geltenden Vergütungsschemas beruht (vgl. BAG 5. Mai 2010 - 7 ABR 70/08 - Rn. 21 mwN, EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 16). | RN 30 |
b) Die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts, der Antrag der Arbeitgeberin sei begründet, weil die Zustimmung des Betriebsrats zu den Umgruppierungen der in der Anlage A1 zur Antragsschrift genannten Arbeitnehmer nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG wegen nicht ordnungsgemäßer Zustimmungsverweigerung als erteilt gelte, hält einer rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung nicht stand. | RN 31 |
aa) Nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt die Zustimmung des Betriebsrats zu personellen Einzelmaßnahmen als erteilt, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung der Zustimmung nicht frist- und formgerecht mitteilt. Voraussetzung für den Eintritt dieser gesetzlichen Fiktion, wie auch für eine gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG, ist eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber. Nur diese setzt die Frist für die Zustimmungsverweigerung in Lauf. Dazu hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG über die beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen ausreichend zu unterrichten (BAG 5. Mai 2010 - 7 ABR 70/08 - Rn. 23 mwN, EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 16). | RN 32 |
(1) Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat so unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt. In den Fällen der Ein- und Umgruppierung besteht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 und 2 BetrVG in einem Recht auf Mitbeurteilung der Rechtslage im Sinne einer Richtigkeitskontrolle. Die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG soll dazu beitragen, dass dabei möglichst zutreffende Ergebnisse erzielt werden. Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats aus § 99 BetrVG reicht nicht weiter als die Notwendigkeit zur Rechtsanwendung durch den Arbeitgeber. Wo keine abstrakten Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsordnung auf die mit einer konkreten Arbeitsstelle verbundenen Tätigkeitsaufgaben zur korrekten Einreihung des Arbeitnehmers anzuwenden sind, besteht kein Erfordernis der Beurteilung der Rechtslage durch den Arbeitgeber und damit kein Erfordernis der Mitbeurteilung durch den Betriebsrat. Das ist zB dann der Fall, wenn schon die Urheber der Vergütungsordnung selbst die betreffende Stelle mit bindender Wirkung für den Arbeitgeber in ihr abstraktes Vergütungsschema eingereiht haben. Ihre Einreihung ist in einem solchen Fall für die Betriebsparteien selbst dann maßgeblich, wenn die Anwendung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führen würde. Dabei wird die Kompetenz der Betriebsparteien bei einer Ein- oder Umgruppierung nach § 99 BetrVG nicht in rechtswidriger Weise beschnitten. Angesichts der verbindlichen tariflichen Stellenbewertung ist die rechtsanwendende Beurteilung der Betriebsparteien aber auf die Frage beschränkt, ob die ein- oder umzugruppierenden Arbeitnehmer die von den Tarifvertragsparteien bewertete Stelle tatsächlich innehaben und die dort zu leistenden Tätigkeiten und Aufgaben der Stellenbeschreibung entsprechen (vgl. BAG 6. Oktober 2010 - 7 ABR 80/09 - Rn. 17 mwN). | RN 33 |
(2) Bei Umgruppierungen gehört zu einer vollständigen Unterrichtung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Angabe der bisherigen und der vorgesehenen Vergütungsgruppe sowie die Erläuterung der Gründe, weshalb der Arbeitnehmer anders als bisher einzureihen ist. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber auch über alle ihm bekannten Umstände zu informieren, die die Vergütungsordnung betreffen. Ein Grund für die Zustimmungsverweigerung zu einer Ein- oder Umgruppierung kann nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gegeben sein, wenn der Arbeitgeber die Ein- oder Umgruppierung in einen nicht zur Anwendung kommenden Tarifvertrag vornehmen will (vgl. BAG 6. Oktober 2010 - 7 ABR 80/09 - Rn. 27; 5. Mai 2010 - 7 ABR 70/08 - Rn. 24 mwN, EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 16). | RN 34 |
(3) Die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird grundsätzlich auch dann nicht in Lauf gesetzt, wenn der Betriebsrat es unterlässt, den Arbeitgeber auf die offenkundige Unvollständigkeit der Unterrichtung hinzuweisen. Durfte der Arbeitgeber dagegen davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben, kann es Sache des Betriebsrats sein, innerhalb der Frist um Vervollständigung der Auskünfte zu bitten. Gelten die für die Ein- oder Umgruppierung maßgeblichen Tarifverträge - etwa mangels Unterzeichnung - noch nicht, ist der Arbeitgeber prinzipiell verpflichtet, dies dem Betriebsrat ebenso mitzuteilen wie die Gründe dafür, dass die Ein- oder Umgruppierung gleichwohl erfolgen soll. Kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass diese Umstände bekannt sind, ist es Sache des Betriebsrats, weitere Informationen zu verlangen, wenn er nicht über alle für die Ausübung seines Mitbeurteilungsrechts erforderlichen Angaben verfügt (vgl. BAG 5. Mai 2010 - 7 ABR 70/08 - Rn. 25 mwN, EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 16). | RN 35 |
(4) Hier durfte die Arbeitgeberin zunächst davon ausgehen, ihre Pflicht zur Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vollständig erfüllt zu haben. Erst aufgrund der Rüge des Betriebsrats, die innerhalb der wirksam bis 30. Juni 2006 verlängerten Zustimmungsverweigerungsfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfolgte, musste die Arbeitgeberin erkennen, dass der Betriebsrat nicht über alle zur Beurteilung der Umgruppierung erforderlichen Informationen verfügte (vgl. BAG 5. Mai 2010 - 7 ABR 70/08 - Rn. 26, EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 16). | RN 36 |
(a) Die Arbeitgeberin durfte annehmen, den Betriebsrat hinreichend unterrichtet zu haben. Sie begründete in ihrem Schreiben vom 9. November 2005 die Notwendigkeit der Umgruppierungen mit der beabsichtigten Einführung des neuen Vergütungssystems für die im Bodendienst beschäftigten Arbeitnehmer. Die betroffenen Arbeitnehmer waren in der am 14. November 2005 nachgereichten Überleitungsliste mit ihrer Personalnummer namentlich aufgeführt und damit hinreichend individualisiert. Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat die Tarifgruppe der betroffenen Arbeitnehmer mit und gab an, welcher Vergütungsgruppe nach dem TV VS Boden diese nun zugeordnet werden sollten. Durch die Angaben in der Überleitungsliste war der Betriebsrat weiter darüber informiert, welche Tätigkeiten die von dem Antrag betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich ausübten und welchen neuen Tätigkeitsmerkmalen diese entsprechen sollten. Die Arbeitgeberin durfte insoweit davon ausgehen, dem Betriebsrat alle für die Umgruppierung erforderlichen Umstände vollständig mitgeteilt zu haben (vgl. BAG 6. Oktober 2010 - 7 ABR 80/09 - Rn. 30; 5. Mai 2010 - 7 ABR 70/08 - Rn. 27 mwN, EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 16). | RN 37 |
(b) Der Betriebsrat beanstandete mit Schreiben vom 29. Juni 2006 jedoch zu Recht, er sei für die Mitbeurteilung der Umgruppierungen noch nicht hinreichend unterrichtet. Ihm fehlten insbesondere Informationen dazu, dass die anzuwendenden Tarifverträge noch nicht unterschrieben und auch die Überleitungslisten von den Tarifvertragsparteien weder unterzeichnet noch paraphiert waren. Diesen Umstand griff der Betriebsrat mit Schreiben vom 29. Juni 2006 auf und beanstandete, dass ihm zu seiner Entscheidungsfindung noch wichtige Informationen - namentlich die von den Tarifvertragsparteien abgezeichneten Überleitungslisten sowie die beschlossenen Tätigkeits- und Funktionsprofile - fehlten. Damit machte er deutlich, dass und weshalb er sich für die Mitbeurteilung der Umgruppierungen noch nicht als hinreichend informiert erachtete. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Tarifverträge und Überleitungslisten von den Tarifvertragsparteien am 29. Juni 2006 noch nicht (end-)unterzeichnet waren, ist diese Rüge berechtigt. Dem Betriebsrat fehlten Informationen über die Entwicklung und den Stand der Tarifverhandlungen. Nur bei einer vervollständigten Unterrichtung war er in der Lage zu prüfen, ob die beabsichtigten Umgruppierungen den tariflichen Vorgaben entsprachen. Die Arbeitgeberin durfte nun nicht mehr davon ausgehen, ihrer Unterrichtungspflicht durch das Schreiben vom 9. November 2005, die Übermittlung der Überleitungsliste am 14. November 2005 und die dem Betriebsrat im weiteren Verlauf überreichten korrigierten Überleitungslisten in dem Zeitraum vom 14. November 2005 bis 11. August 2006 vollständig genügt zu haben. Die dem Betriebsrat mit Schreiben der Arbeitgeberin vom 11. August 2006 vorgelegte ergänzte und geänderte Überleitungsliste setzte die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht in Lauf. Die Arbeitgeberin machte nach den festgestellten Umständen nicht ausreichend deutlich, mit der nachgereichten Überleitungsliste ihrer Verpflichtung zur vollständigen Unterrichtung aufgrund der Rüge des Betriebsrats nachkommen zu wollen. Es fehlten noch immer die verlangten (aktuellen) Tätigkeits- und Funktionsprofile und die Unterrichtung über den Stand des Tarifabschlusses. | RN 38 |
(5) Die Rüge des Betriebsrats war nicht deshalb unbeachtlich, weil sie außerhalb der gesetzlichen Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfolgte. Die Betriebsparteien verlängerten die Zustimmungsverweigerungsfrist wirksam bis 30. Juni 2006. | RN 39 |
(a) Die einvernehmliche Verlängerung der Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG durch die Betriebsparteien ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig. Das Fristende muss allerdings anhand der getroffenen Abreden eindeutig bestimmbar sein (vgl. BAG 6. Oktober 2010 - 7 ABR 80/09 - Rn. 34; 5. Mai 2010 - 7 ABR 70/08 - Rn. 30 mwN, EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 16). | RN 40 |
(b) Die Betriebsparteien verhandelten unmittelbar im Anschluss an die Übergabe der Überleitungsliste am 14. November 2005 über eine Verlängerung der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Sie einigten sich am 18. November 2005 zunächst auf eine Fristverlängerung bis 31. März 2006. In der Regelungsvereinbarung vom 6. Dezember 2005 war erneut die Fristverlängerung bis 31. März 2006 vorgesehen. Der Betriebsrat nutzte die nach Nr. 4 Satz 1 der Regelungsvereinbarung - wegen der bis dahin nicht erfolgten vollständigen Beurteilung der korrekten Umgruppierung - mögliche weitere Fristverlängerung bis 30. Juni 2006. Der Eintritt der bereits in der Regelungsvereinbarung vom 6. Dezember 2005 festgelegten Bedingung für die Fristverlängerung bis 30. Juni 2006 wurde mit der Regelungsvereinbarung vom 5. September 2006 bestätigt. | RN 41 |
(c) Eine Fristverlängerung um mehr als sieben Monate unterscheidet sich von der gesetzlichen Konzeption der einwöchigen Zustimmungsverweigerungsfrist erheblich. Sie begegnet im Streitfall aber keinen Bedenken. Sie trägt angesichts der Zahl der Umgruppierungen nachvollziehbaren praktischen Bedürfnissen Rechnung. Die Tarifvertragsparteien stimmten die Überleitungs- und TKM-Listen außerdem noch während der verlängerten Frist ab und sahen zugleich vor, das neue Vergütungssystem rückwirkend zum 1. Dezember 2005 in Kraft zu setzen. In Anbetracht dieser Umstände ist es angemessen, bei der dem Betriebsrat eingeräumten Frist die noch nicht endgültig abgeschlossenen Verhandlungen der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen (vgl. BAG 6. Oktober 2010 - 7 ABR 80/09 - Rn. 36; 5. Mai 2010 - 7 ABR 70/08 - Rn. 31, EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 16). | RN 42 |
(6) Dem Betriebsrat ist es nicht etwa im Hinblick auf die Regelungsvereinbarung vom 6. Dezember 2005 und die ergänzende Regelungsvereinbarung vom 5. September 2006 verwehrt, sich auf die unvollständige Unterrichtung zu berufen. Weder aus der vereinbarten Verlängerung der Zustimmungsverweigerungsfrist noch aus der übereinstimmenden Äußerung, die Zustimmung des Betriebsrats gelte als verweigert und das Zustimmungsersetzungsverfahren sei nun durchzuführen, folgt, dass sich der Betriebsrat wegen des Gebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit in § 2 Abs. 1 BetrVG nicht mehr auf sein Unterrichtungsrecht berufen kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass er durch den Abschluss dieser Vereinbarungen ein schützenswertes Vertrauen der Arbeitgeberin erzeugte, er werde die Unvollständigkeit der ihm erteilten Informationen nicht geltend machen. | RN 43 |
bb) Der Senat kann anhand der festgestellten Tatsachen nicht beurteilen, ob die Unterrichtung des Betriebsrats im Verlauf des Zustimmungsersetzungsverfahrens vervollständigt und dadurch die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Lauf gesetzt wurde. | RN 44 |
(1) In Fällen, in denen der Betriebsrat auf eine unvollständige Unterrichtung hin seine Zustimmung verweigert hat, kann der Arbeitgeber auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren die fehlenden Informationen nachholen. Mit der Nachholung der Unterrichtung und der Vervollständigung der Informationen wird nun die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Lauf gesetzt. Für den Betriebsrat muss allerdings erkennbar sein, dass der Arbeitgeber die Informationen während des Zustimmungsersetzungsverfahrens auch deswegen vervollständigt, weil er seiner gegebenenfalls noch nicht vollständig erfüllten Unterrichtungspflicht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG nachkommen möchte. Das muss nicht ausdrücklich geschehen, sondern kann sich aus den Umständen der nachgereichten Informationen ergeben. Das Zustimmungsersuchen muss nicht wiederholt werden. Ein Hinweis darauf, dass jetzt die Zustimmungsverweigerungsfrist für den Betriebsrat erneut zu laufen beginnt, ist nicht erforderlich (vgl. BAG 6. Oktober 2010 - 7 ABR 80/09 - Rn. 39; 5. Mai 2010 - 7 ABR 70/08 - Rn. 34, EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 16). Die ergänzende Information des Betriebsrats kann auch durch einen in einem gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren eingereichten Schriftsatz oder ihm beigefügte Anlagen erfolgen. Dem steht nicht entgegen, dass unmittelbarer Adressat nicht der Betriebsrat, sondern das Gericht ist. In einem solchen Fall besteht allerdings die erhebliche Gefahr, dass der Betriebsrat die Mitteilung nicht als ergänzende abschließende Unterrichtung versteht und auch nicht als solche verstehen muss. In einem derartigen Fall beginnt der Lauf der Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zudem erst dann, wenn die Mitteilung beim Vorsitzenden des Betriebsrats eingeht. Das Risiko einer verspäteten oder unterbliebenen Weiterleitung trägt daher der Arbeitgeber. | RN 45 |