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Arbeitsrecht
16.06.2016
Arbeitsrecht
BAG: Obligatorisches innerbetriebliches Schlichtungsverfahren - zulässige Antragstellung im Beschlussverfahren

BAG, Beschluss vom 23.2.2016 – 1 ABR 5/14

ECLI:DE:BAG:2016:230216.B.1ABR5.14.0

Volltext: BB-ONLINE BBL2016-1524-5

unter www.betriebs-berater.de

Orientierungssätze

1. Das Rechtsmittel der Beschwerde setzt voraus, dass eine in der angefochtenen Entscheidung liegende Beschwer beseitigt werden soll. Wird ein in erster Instanz abgewiesener Anspruch nur noch hilfsweise weiterverfolgt und werden im Übrigen im Wege der Antragsänderung bisher nicht gestellte neue Ansprüche in das Verfahren eingeführt, ist die Beschwerde nur insoweit zulässig, als der ursprüngliche Antrag unbedingt weiterverfolgt wird.

2. Haben die Betriebsparteien vereinbart, bei Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung und Auslegung einer Betriebsvereinbarung zunächst ein obligatorisches innerbetriebliches Konfliktlösungsverfahren durchzuführen, sind vor den Gerichten für Arbeitssachen erhobene Anträge unzulässig, wenn das vereinbarte Verfahren unterbleibt.

Sachverhalt

A. Die Beteiligten streiten über die Durchführung einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. 

Die Arbeitgeberin betreibt in Berlin an mehreren Standorten Krankenhäuser mit insgesamt etwa 11.500 Beschäftigten. Bei ihr ist der antragstellende Betriebsrat gebildet. Die Beteiligten haben am 23. Dezember 2009 eine „Rahmenbetriebsvereinbarung Arbeitszeit“ (nachfolgend BV 2009) geschlossen. Nach § 6 BV 2009 wird für die Beschäftigten ein persönliches Zeitkonto als „Ampelkonto“ geführt. Die Überschreitung eines Zeitguthabens von 60 Stunden - „Roter Bereich“ - ist nur mit Zustimmung des Vorgesetzten und des Betriebsrats möglich. Anschließend ist ein „Abbauplan zur Erreichung des grünen Bereichs abzustimmen“ (§ 6 Abs. 4 Buchst. c BV 2009). Nach § 6 Abs. 5 BV 2009 müssen „einmal innerhalb von zwölf Monaten … das Zeitdefizit und das Zeitguthaben auf dem persönlichen Zeitkonto komplett abgebaut sein“. Weiterhin heißt es in den §§ 4, 10 und 11 BV 2009:

„§ 4 Dienstplanerstellung

(1) Die Dienstplanung erfolgt jeweils für einen Monat nach Maßgabe der als Anlage 3 beigefügten Ausführungsbestimmungen zur Dienstplangestaltung. Die Dienstpläne werden spätestens vier Wochen vor Beginn ausgedruckt mit Unterschrift der/des Dienstplanverantwortlichen dem Betriebsrat zur Zustimmung vorgelegt. Zeitgleich werden diese in den Bereichen mit der Kennzeichnung ‚vorläufig‘ ausgelegt. Sofern der Betriebsrat nicht innerhalb von zwei Wochen schriftlich widerspricht, gilt die Zustimmung als erteilt. Stimmt der Betriebsrat nicht zu, ist das betriebliche Schlichtungsverfahren gemäß § 10 Abs. 1 durchzuführen.

…       

§ 10 Konfliktlösung, Geltungserhaltung

(1) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat über die Anwendung und Auslegung dieser Betriebsvereinbarung werden sich die Betriebsparteien bemühen, diese innerbetrieblich und einvernehmlich auszuräumen. Gelingt dies nicht, so entscheidet die Einigungsstelle.

…        

§ 11 Inkrafttreten, Kündigung, Übergangsregelungen

…       

(4) … Die gekündigte Betriebsvereinbarung sowie gekündigte Anlagen wirken für 1 Jahr nach Ablauf der Kündigungsfrist nach. …“

Der Betriebsrat macht geltend, Dienstpläne seien ihm entgegen § 4 Abs. 1 Satz 2 BV 2009 nicht oder nicht fristgerecht vorgelegt worden. Die Zeitkonten zahlreicher Beschäftigter befänden sich im „Roten Bereich“. Weiterhin würden Zeitguthaben entgegen § 6 Abs. 5 BV 2009 nicht innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten einmal vollständig abgebaut. 

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,

I. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, für die im Beschluss des Landesarbeitsgerichts (Seite 17 bis 23) für bestimmte Krankenhäuser im Einzelnen namentlich benannten Ärztinnen und Ärzte sowie die Beschäftigten der Antragsgegnerin - mit Ausnahme von leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG, Chefärztinnen/Chefärzte - Arbeitsstunden anzuordnen, zu vereinbaren oder zu dulden, bis die Plusstunden auf den jeweiligen persönlichen Arbeitszeitkonten bis auf Null abgebaut worden sind;

hilfsweise der Arbeitgeberin aufzugeben,

I.1. mit der Beschäftigten Frau E (Klinikum N, Kinder und Jugendmedizin) den Zeitausgleich so zu planen und umzusetzen, dass neun Monate nach Rechtskraft das Arbeitszeitkonto keine Plusstunden aufweist;

I.2. mit den im Antrag zu I. genannten Beschäftigten, mit Ausnahme der Frau E, den Zeitausgleich so zu planen und umzusetzen, dass sechs Monate nach Rechtskraft dieses Verfahrens das jeweilige Arbeitszeitkonto der im Antrag zu I. genannten Beschäftigten keine Plusstunden aufweist;

weiter hilfsweise

I.3. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, ohne Zustimmung des Betriebsrats und ohne den die Zustimmung des Betriebsrats ersetzenden Spruch der Einigungsstelle für die im Beschluss des Landesarbeitsgerichts (Seite 23 bis 29) für bestimmte Krankenhäuser im Einzelnen namentlich benannten Ärztinnen und Ärzte sowie die Beschäftigten der Antragsgegnerin - mit Ausnahme von leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG, Chefärztinnen/Chefärzte - Arbeitsstunden anzuordnen, zu vereinbaren oder zu dulden, bis die Plusstunden auf den jeweiligen persönlichen Arbeitszeitkonten bis auf Null abgebaut worden sind;

I.4. der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Verpflichtungen aus dem Antrag zu I. und den Hilfsanträgen ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 Euro anzudrohen;

II. der Arbeitgeberin aufzugeben, dem Betriebsrat Dienstpläne nach § 4 Abs. 1 BV Arbeitszeit spätestens vier Wochen vor Beginn ausgedruckt mit Unterschrift der/des Dienstplanverantwortlichen zur Zustimmung vorzulegen;

II.1. der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Verpflichtungen aus dem Antrag zu II. und den Hilfsanträgen ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 Euro anzudrohen;

äußerst hilfsweise

III. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, betreffend die Beschäftigten der Arbeitgeberin mit Ausnahme von leitenden Angestellten iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG, Chefärztinnen/Chefärzten sowie Beschäftigten, die mittels Personalgestellung bei einem anderen Unternehmen tätig sind, Arbeitsstunden anzuordnen, zu vereinbaren oder zu dulden, welche dazu führen, dass die persönlichen Arbeitszeitkonten der Beschäftigten 60 Plusstunden bzw. in entsprechender Höhe für Teilzeitkräfte gemäß § 6 Abs. 10 der BV Arbeitszeit überschreiten, soweit keine Zustimmung des Betriebsrats bzw. kein die Zustimmung ersetzender Spruch der Einigungsstelle vorliegt und sofern kein Ausnahmetatbestand iSv. § 6 Abs. 4c sowie § 4 Abs. 2, Abs. 5, Abs. 6, Abs. 7 und Abs. 8 der BV Arbeitszeit vorliegt;

IV. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen nach Ablauf des in § 6 Abs. 5 der BV Arbeitszeit festgelegten Ausgleichszeitraums für die bei ihr Beschäftigten - mit Ausnahme von leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG, Chefärztinnen/Chefärzte, soweit diese nicht in dem Antrag zu I. bereits namentlich benannt worden sind - Arbeitsstunden anzuordnen, mit ihnen Arbeitsstunden zu vereinbaren oder deren Erbringung zu dulden, sofern nicht das jeweils geführte Arbeitszeitkonto zum Ende des festgelegten Ausgleichszeitraums vollständig ausgeglichen ist (Kontostand: mindestens Null);

hilfsweise zum Antrag zu IV.

IV.1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen ohne Zustimmung des Betriebsrats und ohne den die Zustimmung des Betriebsrats ersetzenden Spruch der Einigungsstelle nach Ablauf des in § 6 Abs. 5 der BV Arbeitszeit festgelegten Ausgleichszeitraums für die bei ihr Beschäftigten - mit Ausnahme von leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG, Chefärztinnen/Chefärzte, soweit diese nicht in dem Antrag zu I. bereits namentlich benannt worden sind - Arbeitsstunden anzuordnen, mit ihnen Arbeitsstunden zu vereinbaren oder deren Erbringung zu dulden, sofern nicht das jeweils geführte Arbeitszeitkonto zum Ende des festgelegten Ausgleichszeitraums vollständig ausgeglichen ist (Kontostand: mindestens Null);

IV.2. der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Verpflichtungen aus dem Antrag zu IV. bzw. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den ersten Hilfsantrag zu IV. ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 Euro anzudrohen;

weiter hilfsweise

V. festzustellen, dass es die Arbeitgeberin zu unterlassen hat, nach Ablauf des in § 6 Abs. 5 der BV Arbeitszeit festgelegten Ausgleichszeitraums für die bei ihr Beschäftigten - mit Ausnahme von leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG, Chefärztinnen/Chefärzte, soweit diese nicht in dem Antrag zu I. bereits namentlich benannt worden sind - Arbeitsstunden anzuordnen, mit ihnen Arbeitsstunden zu vereinbaren oder deren Erbringung zu dulden, sofern nicht das jeweils geführte Arbeitszeitkonto zum Ende des festgelegten Ausgleichszeitraums vollständig ausgeglichen ist (Kontostand: mindestens Null);

hilfsweise zum Antrag zu V.

V.1. festzustellen, dass es die Arbeitgeberin zu unterlassen hat, ohne Zustimmung des Betriebsrats und ohne den die Zustimmung des Betriebsrats ersetzenden Spruch der Einigungsstelle nach Ablauf des in § 6 Abs. 5 der BV Arbeitszeit festgelegten Ausgleichszeitraums für die bei ihr Beschäftigten - mit Ausnahme von leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG, Chefärztinnen/Chefärzte, soweit diese nicht in dem Antrag zu I. bereits namentlich benannt worden sind - Arbeitsstunden anzuordnen, mit ihnen Arbeitsstunden zu vereinbaren oder deren Erbringung zu dulden, sofern nicht das jeweils geführte Arbeitszeitkonto zum Ende des festgelegten Ausgleichszeitraums vollständig ausgeglichen ist (Kontostand: mindestens Null).

Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Anträge begehrt.

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen zu II. und III. stattgegeben und alle weiteren Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat sowohl die Beschwerde der Arbeitgeberin als auch die des Betriebsrats, der lediglich dem vom Arbeitsgericht abgewiesenen Antrag zu I.3. weiterverfolgt und im Übrigen in der Beschwerdeinstanz neue Anträge gestellt hat, zurückgewiesen. Die Arbeitgeberin hat die BV 2009 zum 31. Januar 2015 gekündigt. Am 1. Februar 2016 ist eine „Rahmenbetriebsvereinbarung Arbeitszeit“ in Kraft getreten (nachfolgend BV 2016). Der § 4 Abs. 1, die §§ 6, 10 BV 2009 sind unverändert Inhalt der BV 2016. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat - unter Erweiterung seiner Anträge um die zu II.1., V. und V.1. - sein Begehren weiter. Die Arbeitgeberin begehrt mit ihrer Rechtsbeschwerde die vollständige Abweisung der Anträge.

Aus den Gründen

7          B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet, die des Betriebsrats ist unbegründet. Die Anträge sind sämtlich unzulässig. Hinsichtlich der Anträge zu I. einschließlich der beiden ersten hierzu gestellten Hilfsanträge ist die Beschwerde des Betriebsrats bereits unzulässig. Die weiteren Anträge zu I.3. sowie zu II., III. bis IV.1., V. und V.1. sind nicht zulässig. Der Betriebsrat konnte ein Beschlussverfahren, dessen Streitgegenstände die Durchführung der BV 2016 betreffen, erst nach Abschluss des in § 10 Abs. 1 BV 2016 vorgesehenen Schlichtungsverfahrens einleiten. Die Anträge über die Androhung eines Ordnungsgelds (zu I.4., II.1. und IV.2.) sind in der Folge nicht angefallen. Sie sind nur für den Fall des Obsiegens mit einem der darin genannten Anträge gestellt.

8          I. Die erstmals in der Rechtsbeschwerdeinstanz vom Betriebsrat geltend gemachten Feststellungsanträge zu V. und V.1. sind zulässig.

9          1. Zwar sind Antragsänderungen in der Rechtsbeschwerdeinstanz wegen § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht mehr möglich. Aber ebenso wie eine Antragsbeschränkung durch Übergang von einem Leistungs- zu einem Feststellungsantrag statthaft ist (BAG 30. September 2008 - 1 ABR 54/07 - Rn. 14, BAGE 128, 92), kann ein Beteiligter neben den in den Tatsacheninstanzen gestellten Anträgen in der Rechtsbeschwerdeinstanz Hilfsanträge stellen, wenn es sich um eine Einschränkung jener Anträge handelt.

10        2. Danach sind vom Betriebsrat in der Rechtsbeschwerdeinstanz hilfsweise gestellten Anträge zu V. und V.1. zulässig. Die bereits in den Tatsacheninstanzen gestellten Leistungsanträge zu IV. und IV.1. werden nunmehr mit diesem Inhalt zum Gegenstand von Feststellungsbegehren.

11        II. Die Rechtsbeschwerde ist hinsichtlich des Antrags zu I. sowie der beiden ersten hierzu gestellten Hilfsanträge unbegründet, weil bereits die Beschwerde des Betriebsrats insoweit unzulässig gewesen ist.

12        1. Das Rechtsmittel der Beschwerde setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer die Beseitigung einer in der angefochtenen Entscheidung liegenden Beschwer erstrebt. Ein lediglich im Wege der Klageänderung neuer, bisher nicht gestellter Anspruch kann nicht das alleinige Ziel eines Rechtsmittels sein (BAG 10. Februar 2005 - 6 AZR 183/04 - zu 1 a der Gründe mwN). Der Anspruch kann auch nicht mit der Begründung in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden, aufgrund eines in erster Instanz geltend gemachten, nunmehr hilfsweise weiterverfolgten Anspruchs entstehe eine nachträgliche objektive Antragshäufung. Die Zulässigkeit eines Hauptantrags folgt nicht aus der eines Hilfsantrags, der nur für den Fall gestellt wird, dass der Hauptantrag ohne Erfolg ist. In der Folge ist eine Beschwerde nur insoweit zulässig, als der ursprüngliche Antrag unbedingt weiterverfolgt wird (vgl. BGH 11. Oktober 2000 - VIII ZR 321/99 - zu II 2 c der Gründe mwN).

13        2. Die Anträge zu I., I.1. und I.2. sind danach unzulässig. Mit ihnen hat der Betriebsrat neue prozessuale Ansprüche geltend gemacht. Der von den erstinstanzlich gestellten und abgewiesenen Anträgen allein noch weiterverfolgte Antrag zu I.3. wird nur noch hilfsweise weiterverfolgt. Bei dem Antrag zu I. handelt es sich auch nicht um eine Antragsweiterung iSd. § 264 Nr. 2 ZPO im Verhältnis zum Antrag zu I.3., sondern er betrifft einen anderen Streitgegenstand.

14        III. Die weiteren, dem Senat zur Entscheidung angefallenen Anträge (zu I.3., II., III., IV.1., V., V.1.) sind unzulässig, weil das in § 10 Abs. 1 BV 2016 vereinbarte Konfliktlösungsverfahren nicht durchgeführt wurde.

15        1. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei den erstmals in der Beschwerdeinstanz im Wege der Antragserweiterung gestellten Anträgen zu IV. und IV.1. jedoch weder um eine nach § 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2, § 81 Abs. 3 ArbGG unzulässige Antragsänderung noch um eine unzulässige, weil bedingte Anschlussbeschwerde.

16        a) Die Antragsänderung, der die Arbeitgeberin widersprochen hat, ist sachdienlich. Es wird kein völlig neuer Streitstoff in das Verfahren eingeführt, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Verfahrensführung berücksichtigt werden kann (dazu BAG 15. März 2011 - 1 ABR 112/09 - Rn. 32). 

17        Die Anträge zu IV. und zu IV.1. stellen zu den bisher erhobenen Anträgen eine Antragsänderung (§ 81 Abs. 3 ArbGG) in Form der Antragserweiterung dar. Die zuvor auf namentlich benannte Beschäftigte begrenzte Unterlassungsverpflichtung der Arbeitgeberin (Antrag zu I. und I.3.) wird auf einen weiteren Beschäftigtenkreis erstreckt. Ebenso wie beim Antrag zu I.3., über den sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht in der Sache entschieden haben, ist für die in den Anträgen zu IV. und IV.1. enthaltenen Unterlassungsbegehren vor allem maßgebend, ob sich aus § 6 BV 2016 und namentlich aus § 6 Abs. 5 BV 2016 auch ein Durchführungsanspruch des Betriebsrats gegenüber der Arbeitgeberin ergibt. 

18        b) Der Betriebsrat hat keine Anschlussrechtsbeschwerde erhoben. Er hat nach seinem Vorbringen im Schriftsatz vom 23. Oktober 2013 die Antragserweiterungen im Rahmen der von ihm bereits eingelegten Beschwerde ohne eine prozessual unzulässige Bedingung in das Verfahren eingeführt. Soweit er weiterhin ausgeführt hat, dies geschehe „hilfsweise im Wege der Abschlussbeschwerde“, sollte dies nur für den Fall gelten, dass verfahrensrechtliche Gründe dem von ihm gewählten prozessualen Vorgehen entgegenstehen. Das ist aber - wie ausgeführt - nicht der Fall.

19        2. Die Unzulässigkeit der Anträge folgt allerdings nicht aus dem Umstand, dass die Nachwirkung der BV 2009 vor dem Termin zur mündlichen Anhörung vor dem Senat mit Ablauf des 31. Januar 2016 endete. Bei der seit dem 1. Februar 2016 geltenden BV 2016 handelt es sich um betriebliche Normen, deren Inhalt von den Gerichten für Arbeitssachen nach § 293 Satz 2 ZPO als Bestandteil des auf den Sachverhalt anzuwendenden Rechts auch ohne ausdrücklichen Hinweis eines Beteiligten daraufhin zu überprüfen ist, ob sie den erhobenen Anspruch betrifft (BAG 11. Februar 2014 - 1 ABR 76/12 - Rn. 21). Mit der Änderung der Rechtslage geht keine Antragsänderung im Rechtsbeschwerdeverfahren einher (dazu BAG 25. Januar 2005 - 1 ABR 61/03 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 113, 218). Die maßgebenden Regelungen der §§ 4 und 6 BV 2009/2016, auf die der Betriebsrat sein Begehren stützt, sind inhaltlich gleichbleibend.

20        3. Der Senat ist an einer Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen für die Durchführungs- und Unterlassungsanträge nicht nach § 93 Abs. 2 iVm. § 65 ArbGG gehindert. Diese Vorschriften gelten nicht für das Verhältnis der Arbeitsgerichte zu den nach dem Betriebsverfassungsgesetz errichteten Stellen für eine innerbetriebliche Streitschlichtung (BAG 11. Februar 2014 - 1 ABR 76/12 - Rn. 13 mwN).

21        4. Ein Antrag im Beschlussverfahren zur Klärung einer betriebsverfassungsrechtlichen Meinungsverschiedenheit ist unzulässig, wenn sich die Betriebsparteien verpflichtet haben, in einem solchen Fall zunächst eine innerbetriebliche Einigung in einem von ihnen vereinbarten Verfahren zu versuchen, und dies unterblieben ist. Ein solches Vorverfahren ist keine nach § 4 ArbGG unzulässige Schiedsvereinbarung, sondern eine dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat durch § 76 Abs. 6 BetrVG eröffnete Möglichkeit, zwischen ihnen bestehende Meinungsverschiedenheiten vorrangig einer innerbetrieblichen Konfliktlösung zuzuführen und erst nach deren Scheitern der anderen Betriebspartei die Einleitung eines Beschlussverfahrens zu ermöglichen. Das gilt auch dann, wenn Gegenstand einer im Konfliktfall anzurufenden Einigungsstelle keine Regelungs-, sondern eine Rechtsfrage ist, für die diese außerhalb der ihr gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen keine Entscheidungsbefugnis hat. Eine von den Betriebsparteien begründete Zuständigkeit der Einigungsstelle für die gegenwärtige Auslegung einer Betriebsvereinbarung verpflichtet Arbeitgeber und Betriebsrat daher, zunächst deren Entscheidung herbeizuführen, bevor sie über diese Rechtsfrage die Gerichte für Arbeitssachen zur Streitentscheidung anrufen (BAG 11. Februar 2014 - 1 ABR 76/12 - Rn. 14 mwN). Eine Aufhebung dieser Verfahrensregelung haben die Beteiligten nicht vereinbart. Vielmehr haben sie diese in § 10 Abs. 1 BV 2016 inhaltlich unverändert fortgeführt.

22        5. Für die auf Durchführung der BV 2016 gerichteten Anträge ist daher unabhängig davon, ob die Arbeitgeberin die Durchführung verlangt hat, das Konfliktlösungsverfahren nach § 10 Abs. 1 BV 2016 durchzuführen.

23        a) Gegenstand der in § 10 Abs. 1 BV 2016 getroffenen Regelung ist die Klärung von Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung und Auslegung dieser Betriebsvereinbarung. Für diese Streitigkeiten haben die Betriebsparteien ein obligatorisches Schlichtungsverfahren geregelt. Danach bemühen sich die Betriebsparteien um eine innerbetriebliche Ausräumung der Meinungsverschiedenheiten. Gelingt dies nicht, schließt sich ein Verfahren vor der Einigungsstelle an, die dann entscheidet. Eine Dispositionsmöglichkeit über die Durchführung des in § 10 Abs. 1 BV 2016 vorgesehenen Verfahrens haben die Betriebsparteien nicht vereinbart.

24        b) Von dem in § 10 Abs. 1 BV 2016 geregelten obligatorischen Konfliktlösungsverfahren werden auch Leistungsanträge erfasst, in denen über die sich aus der Betriebsvereinbarung ergebenden Rechte und Pflichten gestritten wird, soweit es sich nicht um Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt (ausf. BAG 11. Februar 2014 - 1 ABR 76/12 - Rn. 17 ff.).

25        c) Das Konfliktlösungsverfahren ist auch für die Verpflichtung zur Vorlage der Dienstpläne nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BV 2016 nicht entbehrlich. Etwas anderes folgt nicht aus der gesonderten Erwähnung dieses Verfahrens in § 4 Abs. 1 Satz 5 BV 2016. Bei einer Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zu einem Dienstplan (§ 4 Abs. 1 Satz 5 BV 2016) handelt es sich nicht um eine Meinungsverschiedenheit iSd. § 10 Abs. 1 Satz 1 BV 2016. Hier entscheidet die Einigungsstelle bereits nach § 87 Abs. 2 BetrVG. Durch § 4 Abs. 1 Satz 5 BV 2016 wird aber einem solchen Einigungsstellenverfahren das „innerbetriebliche Bemühen“ um eine Verständigung vorgeschaltet. Davon unberührt bleiben Meinungsverschiedenheiten über die Vorlage der Dienstpläne. Hier gilt § 10 Abs. 1 BV 2016 unmittelbar.

26        6. Danach erweisen sich die Anträge zu I.3., II., III., IV.1., V. und V.1. als unzulässig. Der Betriebsrat musste vor Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens das in § 10 Abs. 1 BV 2016 vorgesehene Konfliktlösungsverfahren durchführen. Daran fehlt es.

27        a) Nach dem Vorbringen des Betriebsrats haben bisher für einzelne Kliniken lediglich Sitzungen von Einigungsstellen stattgefunden, ohne dass es zu verfahrensbeendenden Sprüchen oder Vereinbarungen gekommen ist.

28        b) Unerheblich ist es, dass die Beteiligten für einzelne Bereiche des Krankenhauses N Betriebsvereinbarungen über einen Abbau von „Plusstunden“ geschlossen haben. Auch insoweit ist in Bezug auf die zwischen den Beteiligten streitig gebliebenen Ansprüche des vorliegenden Verfahrens das nach § 10 Abs. 1 Satz 2 BV 2016 erforderliche Einigungsstellenverfahren nicht durchgeführt.

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