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Arbeitsrecht
20.10.2017
Arbeitsrecht
LAG Baden-Württemberg: Geltendmachung einer Verzugsschadenspauschale im Arbeitsverhältnis

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 9.10.2017 – 4 Sa 8/17

Volltext:BB-ONLINE BBL2017-2548-2

unterwww.betriebs-berater.de

Leitsätze

1. Eine Verzugsschadenspauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB kann auch im Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden. Dem steht § 12a ArbGG nicht entgegen (Anschluss an LAG Baden-Württemberg 13. Oktober 2016 – 3 Sa 34/16)

2. Eine Regelung in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung, nach der das Monatsentgelt nach erbrachter Arbeitsleistung erst am 20. des Folgemonats fällig werden soll, ist wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Sachverhalt

Die Parteien streiten in der Berufung nur noch über Differenzvergütungsansprüche und über die Zahlung von Verzugsschadenspauschalen.

Der Kläger war bei der Beklagten beschäftigt von 25. August 2014 bis 15. Mai 2016 als Kraftfahrer auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 25. August 2014 (Bl. 5-6 der arbeitsgerichtlichen Akte), der hinsichtlich der Vergütung folgende Regelung traf:

„§ 11 Gehalt

Das Gehalt beträgt 1750 (inkl. Anwesenheitsgeld).-Euro, zahlbar bargeldlos am 15.-20. des Folgemonats. Er erhält für jeden Arbeitstag Es werden bis 8 Stunde 7,5.-EUR und bei mehr als 8 Std. werden 15.-EUR Tagesgeld bei Anwesenheit bezahlt, dieses Tagesgeld wird nicht bei Krankheit bezahlt, aber während es Urlaubs. Es werden 24.- Verpflegungsmehraufwand bezahlt, ein Fahrzeug mit Übernachtung wird gestellt. Die Abtretung von Geldansprüchen ist nur mit Zustimmung des Arbeitgebers zulässig. Bei Gehaltspfändungen zahlt der Arbeitgeber pro Pfändung zur Abgleitung von dessen Aufwendungen für die Bearbeitung der Pfändung einen Pauschalbetrag von Euro 30.-. Der Arbeitgeber ist berechtigt, diesen Betrag vorrangig vom Gehalt in Abzug zu bringen.“

Über das Vermögen des Klägers wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Göppingen vom 8. Februar 2016 (4 IK 29/16) das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat Restschuldbefreiung beantragt. Er befindet sich derzeit in der Wohlverhaltensphase. Er hat den pfändbaren Teil seiner Entgeltforderungen gemäß § 287 Abs. 2 InsO an den Insolvenzverwalter Robin Hezel abgetreten.

Die Beklagte zahlte an den Kläger für die Monate September 2014 bis Dezember 2014 jeweils einen „Monatslohn“ iHv. 1.500,00 Euro sowie in den Abrechnungen (Bl. 49-52 der arbeitsgerichtlichen Akte) als „Tagesgeld“ bezeichnete Leistungen in unterschiedlicher Höhe. Das Gesamtentgelt überstieg jeweils den Betrag von 1.750,00 Euro brutto.

Im Zeitraum Januar 2015 bis Februar 2016 zahlte die Beklagte jeweils einen „Monatslohn“ iHv. 1.600,00 Euro sowie in den Abrechnungen (Bl. 53-66 der arbeitsgerichtlichen Akte) als „Tagesgeld“ bezeichnete Leistungen in unterschiedlicher Höhe. Auch in diesem Zeitraum überstieg die Gesamtvergütung jeweils den Betrag von 1.750,00 Euro deutlich.

Im Monat März 2016 war der Kläger arbeitsunfähig krank, weshalb die Beklagte lediglich den „Monatslohn“ iHv. 1.600,00 Euro brutto abrechnete (Bl. 67 der arbeitsgerichtlichen Akte). Sie zahlte auch nur diesen Betrag ohne „Tagesgelder“ aus.

Für den (halben) Monat Mai 2016 rechnete die Beklagte einen „Monatslohn“ iHv. 693,33 Euro brutto ab (Bl. 69 der arbeitsgerichtlichen Akte) und zahlte auch nur diesen Betrag aus ohne „Tagesgelder“.

Der Kläger vertrat die Auffassung, das „Anwesenheitsgeld“, welches nach der vertraglichen Regelung im Gehalt enthalten sein solle, sei etwas anderes als die gezahlten „Tagesgelder“. Ihm stehen daher noch Ansprüche zu iHv. der Differenz zwischen den gezahlten „Monatslöhnen“ und 1.750,00 Euro. Die vertragliche Regelung seit zumindest intransparent oder unklar. Dies gehe zu Lasten der Beklagten.

Der Kläger begehrte zudem eine Urlaubsabgeltung für nicht genommene elf Urlaubstage iHv. 727,48 Euro sowie eine Verzugsschadenspauschale iHv. je 40,00 Euro monatlich wegen unzureichender Entgeltzahlungen im Zeitraum September 2014 bis Mai 2016.

Der Kläger hat erstinstanzlich nach teilweisen Klagerücknahmen und -änderungen (zuletzt) beantragt:

1.  Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 3.250,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils EUR 250,00 seit 01.10.2014, 01.11.2014, 01.12.2014 und 01.01.2015 und aus jeweils EUR 150,00 ab dem 01.01.2015, 01.02.2015, 01.03.2015, 01.04.2015, 01.05.2015, 01.06.2015, 01.07.2015, 01.08.2015, 01.09.2015, 01.10.2015, 01.11.2015, 01.12.2015, 01.01.2016, 01.02.2016, 01.03.2016 und 01.04.2016 zu bezahlen.

2.  Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 363,33 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2016 zu bezahlen.

3.  Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 181,67 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2016 zu bezahlen.

4.  Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 727,48 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

5.  Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 840,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Sie vertrat die Auffassung, die Vertragsregelung in § 11 des Arbeitsvertrags sei klar und verständlich. Es sei klar, dass die gezahlten „Tagesgelder“ dasselbe seien wie die vertraglichen „Anwesenheitsgelder“. Der Anspruch des Klägers sei sogar übererfüllt worden.

Die Beklagte räumte ein, dem Kläger für März 2016 150,00 Euro brutto, für April 2016 363,33 Euro brutto und für Mai 2016 181,67 Euro brutto zu wenig gezahlt zu haben sowie die geltend gemachte Urlaubsabgeltung zu schulden.

Sie meinte, für eine Verzugsschadenspauschale gebe es keine Veranlassung.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 8. Dezember 2016 entsprechend den Anträgen des Klägers zur Zahlung verurteilt. Das Arbeitsgericht führte aus, die Vertragsregelung des § 11 des Arbeitsvertrags sei unklar, was gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwenderin gehe. Zwar sei ersichtlich, dass die Begriffe „Anwesenheitsgeld“ und „Tagesgeld“ synonym verwendet worden seien. Der Vertragsregelung lasse sich aber nicht entnehmen, wie hoch das Entgelt ohne das „Anwesenheitsgeld“ sein solle. Insbesondere bei der Entgeltfortzahlung für den Krankheitsfall und dem Urlaubsentgelt sei unklar, ob das Grundentgelt bei 1.750,00 Euro verbleibe oder ob die „Anwesenheitsgelder“ abgezogen oder hinzuaddiert werden müssten. Die Verzugsschadenspauschale beruhe auf § 288 Abs. 5 BGB. Die Verzinsung wurde jeweils ab dem Ersten des Folgemonats zugesprochen.

Dieses Urteil wurde der Beklagten am 27. Dezember 2016 zugestellt. Hiergegen richtet sich die vorliegende Berufung der Beklagten, die am 26. Januar 2017 beim Landesarbeitsgericht einging und am 27. Februar 2017 begründet wurde. Die Berufung beschränkt sich auf das Unterliegen der Beklagten iHv. 3.100,00 Euro nebst Zinsen für die Monate September 2014 bis Februar 2016 sowie auf das Unterliegen iHv. 840,00 Euro betreffend die Verzugsschadenspauschale.

Die Beklagte rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung.

Sie meint weiterhin, § 11 des Arbeitsvertrags sei keineswegs unklar. Es sei vielmehr eindeutig, dass nur 1.750,00 Euro geschuldet sein sollten. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Vertragsregelung. Lediglich habe sich die Beklagte, für den Kläger erkennbar, nicht an den Vertrag gehalten, sondern diesem sogar mehr gezahlt als geschuldet gewesen sei. Diese Überzahlung könne aber nicht zu einer Änderung der vertraglichen Vereinbarung führen.

Die Beklagte beanstandet, dass ausweislich des Arbeitsvertrags die Vergütung erst zwischen dem 15. und dem 20. des Folgemonats fällig gewesen sei. Die Verzinsung habe daher nicht schon ab dem Ersten des Folgemonats zugesprochen werden dürfen.

Da die Hauptforderungen jeweils pünktlich und vollständig bezahlt worden seien, stünden dem Kläger auch keine Verzugsschadenspauschalen zu. Zumindest habe die Beklagte etwaige Minderzahlungen nicht verschuldet, da der Kläger die Abrechnungen jeweils ohne Beanstandungen hingenommen habe. Die Beklagte habe von einer Rechtmäßigkeit und Vollständigkeit ihrer Zahlungen ausgehen können.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Aalen, Aktenzeichen 9 Ca 242/16 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit

in Ziffer 1 die Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger EUR 3.100,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils EUR 250,00 seit 01.10.2014, 01.11.2014, 01.11.2014, 01.12.2014 und 01.01.2015 und aus jeweils EUR 150,00 seit 01.02.2015, 01.03.2015, 01.04.2015, 01.05.2015, 01.06.2015, 01.07.2015, 01.08.2015, 01.09.2015, 01.10.2015, 01.11.2015, 01.12.2015, 01.01.2016 und 01.02.2016 zu bezahlen;

in Ziffer 5 verurteilt wurde, an den Kläger EUR 840,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18.06.2016 zu bezahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines bereits erstinstanzlichen Vorbringens.

Nachdem im Berufungstermin am 23. August 2017 erstmals die Frage der Aktivlegitimation des Klägers thematisiert wurde, trug der Kläger innerhalb der ihm nachgelassene Schriftsatzfrist vor, dass er vom Insolvenzverwalter ermächtigt worden sei, die streitigen Entgeltforderungen im eigenen Namen und mit Zahlung an sich selbst geltend zu machen. Die Ermächtigung vom 18. September 2017 wurde vorgelegt (Bl. 69 der LAG-Akte). Der Kläger meint, daraus ergebe sich nun seine Aktivlegitimation.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 64 Abs. 7 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schrift-sätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Aus den Gründen

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist weitestgehend begründet. Über den mit der Berufung nicht angegriffenen und somit rechtskräftigen Teil des arbeitsgerichtlichen Urteils hinaus war lediglich die Verurteilung zu 120,00 Euro Verzugsschadenspauschale aufrechtzuerhalten. Im Übrigen war das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Differenzvergütung für den Zeitraum September 2014 bis Februar 2016 iHv. jeweils der Differenz zwischen 1.750,00 Euro brutto und den jeweils bezahlten „Monatslöhnen“ iHv. 1.500,00 Euro brutto bzw. 1.600,00 Euro brutto. Der Kläger kann einen solchen Anspruch nicht auf § 11 des Arbeitsvertrags stützen.

1. Der Kläger vermochte schon nicht seine Aktivlegitimation hinreichend darzulegen.

a) Über das Vermögen des Klägers wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Göppingen vom 8. Februar 2016, somit bereits vor Klageerhebung, das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Verfahren war deshalb nicht nach § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen. Der Kläger hat die Restschuldbefreiung beantragt. Er befindet sich derzeit in der Wohlverhaltensphase und hat gemäß § 287 Abs. 2 InsO den pfändbaren Teil seiner Arbeitseinkünfte an den Insolvenzverwalter abgetreten. Aufgrund dieser Abtretung ist der Kläger nicht mehr Inhaber der pfändbaren Entgeltansprüche. Die Inhaberschaft ist auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Mit dem Übergang der Inhaberschaft über die pfändbaren Entgeltbestandteile hat der Kläger auch die Aktivlegitimation über diese verloren.

b) Der neue Vortrag des Klägers mit Schriftsatz vom 19. September 2017 vermochte hieran nichts zu ändern. Die nunmehr vorgelegte Ermächtigung des Insolvenzverwalters Robin Hezel wäre zwar grundsätzlich geeignet, dem Kläger eine Prozessführungsbefugnis in gewillkürter Prozessstandschaft zu vermitteln (vergl. hierzu: BAG 23. September 2009 - 5 AZR 518/08). Eine gewillkürte Prozessstandschaft zeichnet sich dadurch aus, dass ein fremder Anspruch im eigenen Namen geltend gemacht werden kann, in der Regel verbunden mit einer Antragstellung, dass die Zahlung an den Anspruchsinhaber zu erfolgen hat. Der Kläger macht aber vorliegend keinen fremden Anspruch des Insolvenzverwalters geltend, sondern einen (behaupteten) eigenen Anspruch. Eine (teilweise) Klageänderung, dass nunmehr (teilweise) ein fremder Anspruch im eigenen Namen geltend gemacht werde, ist bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung nicht erfolgt.

c) Der Kläger hat aber bis zuletzt nichts zu den Pfändungsvoraussetzungen vorgetragen, auch nicht im nachgelassenen Schriftsatz vom 19. September 2017. Es konnte somit insbesondere mangels Kenntnis des sich aus 1.750,00 Euro brutto ergebenden Nettobetrags und mangels Kenntnis der Unterhaltsverpflichtungen des Klägers der pfändungsfreie Betrag nach der Tabelle im Anhang zu § 850c ZPO nicht ermittelt werden. Es blieb daher bis zuletzt unklar, ob bzw. in welcher Höhe die streitigen Entgeltdifferenzen pfändbar waren. Ist aber nicht ermittelbar, welche Beträge unpfändbar sind, ist auch nicht ermittelbar, ob der geltend gemachte Differenzbetrag dem Kläger noch zusteht.

2. Aber selbst wenn man annehmen wollte, dass der Kläger hinsichtlich der geltend gemachten Differenzvergütungsansprüche ganz oder teilweise aktivlegitimiert gewesen wäre, stünde ihm ein solcher Anspruch nicht zu.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers und des Arbeitsgerichts ist die Vertragsklausel des § 11 des Arbeitsvertrages nicht unklar. § 305c Abs. 2 BGB greift daher nicht.

aa) Bei § 11 des Arbeitsvertrags handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten. Zumindest aber unterfällt diese Vertragsklausel über § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB einer Überprüfung nach § 305c Abs. 2 BGB.

bb) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss . Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keine den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht. § 305c Abs. 2 BGB ist unanwendbar, wenn sich zwei Klauseln inhaltlich widersprechen und deshalb unwirksam sind.

cc) Auch wenn die Formulierung in § 11 des Arbeitsvertrags etwas holprig ist, ist sie in ihrem Kerngehalt aber eindeutig. Bereits in seinem Eingangssatz heißt es, dass das Gehalt (inkl. Anwesenheitsgeld) 1.750,00 Euro beträgt. Das bedeutet, dass dem Kläger ein Gehalt von1.750,00 Euro zusteht und „Anwesenheitsgelder“ nicht zusätzlich bezahlt werden, sondern darin enthalten sind.

Im Folgesatz wird das „Anwesenheitsgeld“ sodann als „Tagesgeld bei Anwesenheit“ bezeichnet. Daraus lässt sich ohne jeglichen Zweifel entnehmen, dass die Vertragsparteien die Begriffe „Anwesenheitsgeld“ und „Tagesgeld“ synonym verwendet haben.

Dem Kläger mag zwar einzuräumen sein, dass eine gesonderte Ausweisung der Höhe des „Anwesenheitsgelds“/„Tagesgelds“ zwar auf dem ersten Blick keinen Sinn ergibt, wenn dieses ohnehin im Gehalt inkludiert sein soll. Der Zweck der gesonderten Ausweisung erschließt sich jedoch, wenn man den Satz zu Ende liest. Ein „Anwesenheitsgeld“ soll nämlich bei Krankheit nicht gezahlt werden. Die Ausweisung der „Tagesgeld“-Beträge diente somit dem Zweck, die Höhe der Abzugsposten im Falle einer Entgeltfortzahlung vertraglich zu fixieren. Ein solcher Abzug von „Tagesgeldern“ bei der Entgeltfortzahlung wäre zwar rechtswidrig. Das macht aber die Klausel nicht zweideutig oder unklar.

b) Die Vertragsklausel ist auch nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen Intransparenz unwirksam.

aa) Widersprüchliche Klauseln sind nicht klar und verständlich iSd. Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach dieser Vorschrift kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB.

bb) Wie bereits oben dargestellt, wurde durch die Verwendung der Begrifflichkeiten „Anwesenheitsgeld“, „Tagesgeld bei Anwesenheit“ und „Tagesgeld“ im selben Kontext deutlich gemacht, dass diese Begrifflichkeiten synonym gemeint waren. Durch die Bezugnahme des zweiten Satzes auf den vorangegangenen ersten Satz ist deutlich gemacht, dass dem Kläger kein vom „Anwesenheitsgeld“ unabhängiger zusätzlicher Anspruch auf ein „Tagesgeld“ zugesagt werden sollte. Eine Widersprüchlichkeit ist nicht erkennbar.

cc) Ebenfalls intransparent ist eine Regelung in einer allgemeinen Geschäftsbedingung, wenn sich aus ihr nicht erkennen lässt, welche Arbeitsleistung in welchem zeitlichen Umfang für das zugesagte Entgelt erbracht werden muss, wenn also das Synallagma zwischen geschuldeter Leistung und Entgelt unklar bleibt (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 331/11).

dd) Vorliegend ist aber in § 11 des Arbeitsvertrags deutlich beschrieben, dass die Vergütung pro Monat 1.750,00 Euro betragen soll.

Unklar könnte allenfalls die Regelung in § 4 des Arbeitsvertrags zur Arbeitszeit sein, als darin geregelt wurde, dass die wöchentliche Arbeitszeit je nach Anforderung unterschiedliche Stunden betrage. Die mögliche Intransparenz und Unwirksamkeit der Arbeitszeitregelung schlägt aber nicht auf die Entgeltregelung durch.

Im Übrigen macht der Kläger auch nicht geltend, dass er mehr als geschuldet gearbeitet hätte. Der Kläger macht keine höhere als die geschuldete Monatsgrundvergütung geltend. Überstunden sind nicht streitgegenständlich.

c) Gründe für eine Unwirksamkeit der Vertragsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB sind nicht ersichtlich.

3. Da die Beklagte im noch streitigen Zeitraum September 2014 bis Februar 2016 unter Hinzurechnung der „Tagesgeldern“ jeweils eine höhere Gesamtvergütung als 1.750,00 Euro brutto monatlich gezahlt hat, hat sie die Zahlungsansprüche des Klägers bereits erfüllt.

II.

Dem Kläger steht jedoch noch ein Anspruch zu auf Zahlung einer Verzugsschadenspauschale wegen nicht rechtzeitiger vollständiger Zahlung der Vergütungsansprüche für die Monate März 2016 bis Mai 2016 iHv. je 40,00 Euro, insgesamt somit 120,00 Euro. Der Anspruch beruht auf § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf eine Verzugsschadenspauschale hat der Kläger jedoch nicht.

1. Da dem Kläger für die Monate September 2014 bis Februar 2016 kein Anspruch auf ein höheres Entgelt zusteht, siehe oben, befand sich die Beklagte mit einer solchen Differenzvergütung auch nicht im Verzug.

2. Mit den Entgeltforderungen des Klägers für die Monate März bis Mai 2016 befand sich die Beklagte iHv. 150,00 Euro, 363,33 Euro und 181,67 Euro in Verzug. Insoweit hat die Beklagte das arbeitsgerichtliche Urteil nicht angegriffen. Dass dem Kläger diese Ansprüche zustehen, ist somit rechtskräftig.

Die Beklagte hat diesen Verzug auch zu vertreten. Sie wusste, dass sie in diesen Monaten weniger zahlte als die vertraglich schuldete.

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 288 Abs. 5 BGB mangels Bereichsausnahme auch im Arbeitsverhältnis anwendbar. Auch § 12a ArbGG steht einer Anwendung des § 288 Abs. 5 BGB im Arbeitsverhältnis nicht entgegen. Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg an (LAG Baden-Württemberg 13. Oktober 2016 - 3 Sa 34/16; ebenso: LAG Berlin-Brandenburg 22. März 2017 - 15 Sa 1992/16).

4. Die Pauschale ist für jeden Monat neu zu zahlen (LAG Berlin-Brandenburg 22. März 2017 - 15 Sa 1992/16).

III. Nebenentscheidungen

1. Der Ausspruch zur Verzinsung beruht auf dem Gesichtspunkt des Verzugs. Die Zinshöhe ergibt sich aus § 88 Abs. 1 BGB.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Arbeitsgericht den Zinslauf richtigerweise bereits jeweils ab dem Ersten des Folgemonats beginnen lassen. Zwar ist in § 11 des Arbeitsvertrags geregelt, dass die Entgeltansprüche erst zwischen dem 15. und dem 20. des Folgemonats fällig seien. Diese Klausel ist jedoch wegen unangemessener Benachteiligung des Klägers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

a) Gemäß § 614 Satz 1 BGB ist die Vergütung nach der Leistung der Dienste zu entrichten. Bei einer vereinbarten Monatsvergütung ist das Entgelt somit jeweils am Monatsletzten zu zahlen. Zwar ist § 614 BGB abdingbar. Ist die Abweichung jedoch in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung geregelt, darf diese nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Dienstberechtigten führen (MüKoBGB/Müller-Glöge 7. Aufl. § 614 Rn. 2; HWK/Gotthardt 6. Aufl. BGB Anh. §§ 305-310 Rn. 16). Ein Abweichen ist demnach nur dann möglich, wenn dieses durch schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist. Solche schutzwürdigen Interessen liegen insbesondere dann vor, wenn der Arbeitgeber die Vergütungsbestandteile monatlich jeweils neu berechnen muss. In einem solchen Fall wird ein Hinausschieben bis zum 15. des Folgemonats noch als angemessen angesehen (Schaub/Linck Arbeitsrechtshandbuch 16. Aufl. § 35 Rn. 65; HWK/Gotthardt 6. Aufl. BGB Anh. §§ 305-310 Rn. 16), jedenfalls dann, wenn dem Arbeitnehmer zuvor wenigstens noch ein Abschlag gezahlt wird (HWK/Gotthardt 6. Aufl. BGB Anh. §§ 305-310 Rn. 16).

b) Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so ist festzustellen, dass dem Kläger ein monatliches Grundentgelt zugesagt wurde iHv. 1.750,00 Euro, in welchem die „Anwesenheitsgelder“ bereits enthalten waren. Es bedurfte somit für eine vertragskonforme Erfüllung keiner monatlich wechselnden Abrechnungen.

Außerdem hat die Beklagte die Zumutbarkeitsschwelle 15. des Folgemonats auch überschritten, indem sie sich vorbehalten hat, das Entgelt selbst noch bis zum 20. des Folgemonats abrechnen und zahlen zu dürfen.

Abschlagszahlungen waren vertraglich ebenfalls nicht vorgesehen und wurden auch nicht erbracht.

c) War somit die Beklagte ab dem Ersten des Folgemonats mit der Entgeltzahlung in Verzug, war sie es ab dem Ersten des Folgemonats auch mit der Verzugsschadenspauschale, die wegen des Verzugs fällig wurde.

2. Die Kostenverteilung errechnet sich wie folgt:

a) Der Kläger hatte ursprünglich 7.413,48 Euro eingeklagt. Obsiegt hat er mit 1.542,48 Euro. Dies entspricht 20 %. Im Übrigen hat er die Klage entweder zurückgenommen oder er ist unterlegen. Er hat die Kosten erster Instanz daher zu 80 % zu tragen gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

b) Zweitinstanzlich wurde nur noch über eine Beschwer der Beklagten iHv. 3.940,00 Euro gestritten. Der Kläger hat nur mit 120,00 Euro obsiegt, was einem Anteil von 4 % entspricht. Er hat die Kosten der Berufung deshalb zu 96 % zu tragen.

3. Soweit die Beklagte unter Nr. I 5 des Urteilstenors zu 120,00 Euro Verzugsschadenspauschale nebst Zinsen verurteilt wurde, war die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Gründe für eine Revisionszulassung zugunsten des Klägers liegen nicht vor.

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