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Arbeitsrecht
02.03.2023
Arbeitsrecht
BAG: Betriebliche Altersversorgung – Allgemeine Geschäftsbedingungen – Zusage laufender Rentenzahlung – Kapitalwahlrecht – Ersetzungsbefugnis

BAG, Urteil vom 17.1.2023 – 3 AZR 220/22

ECLI:DE:BAG:2023:170123.U.3AZR220.22.0

Volltext: BB-Online BBL2023-563-2

Orientierungssätze

1. Einer negativen Feststellungsklage fehlt es an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse nicht, wenn zwar eine bezifferte Widerklage erhoben ist und über diese bereits verhandelt wurde, aber die negative Feststellungsklage weiterreicht als die Widerklage. Eine negative Feststellungsklage die das Nicht(mehr)bestehen des Versorgungsverhältnisses insgesamt zum Gegenstand hat, reicht weiter als die bezifferte Widerklage auf laufende monatliche Rentenzahlungen (Rn. 18).

2. Meldet der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei einem mittelbaren Versorgungsträger an und teilt dies letzterer dem Arbeitnehmer mit, ist damit regelmäßig eine betriebs-rentenrechtliche Versorgungszusage erteilt (Rn. 20).

3. Gibt eine Versorgungszusage dem Versorgungsschuldner die Möglichkeit, die vertraglich zugesagte Zahlung monatlicher Altersrenten durch die Zahlung einer einmaligen Kapitalabfindung zu ersetzen, liegt eine sog. Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa) vor. Diese eröffnet die Möglichkeit, das bestehende Schuldverhältnis nachträglich inhaltlich zu ändern (Rn. 26).

4. Eine Klausel in einer Versorgungszusage, wonach anstelle einer lebenslangen Altersrente eine Kapitalleistung erbracht werden kann, ist für den Versorgungsempfänger unzumutbar i. S. v. § 308 Nr. 4 BGB, wenn sie eine Ersetzung durch eine nicht mindestens (bar)wertgleiche Kapitalleistung vorsieht (Rn. 29).

 

 

 

 

▄Leitsatz

Ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versorgungsschuldners geregeltes Recht, nach seiner Entscheidung anstelle der Zahlung laufender Renten eine einmalige Kapitalzahlung zu leisten, ist mit § 308 Nr. 4 BGB unvereinbar und unwirksam, wenn die Kapitalleistung nicht mindestens dem versicherungsmathematisch ermittelten Barwert der laufenden Renten entspricht.●

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger berechtigt ist, anstelle einer laufenden Altersrente eine einmalige Kapitalzahlung zu erbringen.

Die 1956 geborene Beklagte war vom 1. Oktober 1994 bis zum 30. November 2019 beim Kläger, der einen Pflegedienst betreibt, als Krankenpflegehelferin beschäftigt. Im Dezember 2000 erhielt sie ein an sie gerichtetes Schreiben der Gruppen-Unterstützungseinrichtung für Berater e.V. (im Folgenden GUB), das auszugsweise lautet:

„A. BETRIEBLICHE ALTERSVERSORGUNG

Die Firma A (nachstehend ‚Unternehmen‘ genannt), hat über uns (im folgenden ‚Versorgungskasse‘ genannt) eine betriebliche Altersversorgung eingerichtet. Dafür gelten die folgenden Grundsätze und der nachstehende Leistungsplan.

B. LEISTUNGSPLAN

1. KREIS DER BEGÜNSTIGTEN

Jeder Arbeitnehmer vom 30. Lebensjahr bis zum vollendeten 50. Lebensjahr kann zum 1. Dezember eines Jahres Leistungsanwärter werden.

2. ART UND HÖHE DER VERSORGUNG

Die Kasse gewährt Altersrenten. Alle Renten werden monatlich im voraus gezahlt. Altersrente erhält ein Begünstigter ab dem Ersten des Monats, der der Vollendung des 65. Lebensjahres folgt. Die Altersente beträgt 761,42 DM und erhöht sich um eine Anwartschaftsdynamik von 5 % pro künftiges Dienstjahr.

Die Versorgungskasse behält sich vor, anstelle einer laufenden Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der 10-fachen Jahresrente zu zahlen.

…      

C. GRUNDSÄTZE

1. LEISTUNGEN DER KASSE

Die Leistungsempfänger erhalten die Leistung von der Kasse. Satzungsgemäß muß die Kasse ihre Leistungen jedoch einstellen, wenn das Unternehmen die erforderlichen Finanzierungsmittel der Kasse nicht bzw. nicht mehr zur Verfügung stellt. Sollte dem Mitarbeiter in diesem Falle trotz der grundsätzlichen Freiwilligkeit der Leistung ein Rechtsanspruch auf Versorgungsleistungen zustehen, so richtet sich der Anspruch nicht gegen die Kasse, sondern nur gegen das Unternehmen.“

Entsprechende Schreiben der GUB erhielten auch andere vom Kläger dort angemeldete Arbeitnehmer. Bei der GUB handelt es sich um eine Gruppenunterstützungskasse, die in der Anwartschaftsphase die von den Arbeitgebern zu leistenden Beiträge wieder an diese als verzinsliche Darlehen ausgibt.

Mit Schreiben vom 19. Februar 2021 beantragte die Beklagte beim Kläger und bei der GUB ihre betriebliche Altersrente. Mit Schreiben vom 26. Februar 2021 wandte sich der Kläger an die GUB und teilte dieser mit, dass er beabsichtige, die Rentenzahlung an die Beklagte durch die einmalige Zahlung in Höhe der zehnfachen Jahresrente abzugelten. Der Kläger bat um Bestätigung des mitgeteilten Betrags und Erläuterung, ua. wie die Kapitalabfindung durchgeführt werde.

Bei einem Leistungsbeginn im April 2021 belief sich die nach dem Leistungsplan der GUB geschuldete monatliche Altersrente auf 1.030,41 Euro brutto, der zehnfache Jahresbetrag folglich auf 123.649,20 Euro brutto. Letzterer Betrag ist niedriger als der versicherungsmathematische Barwert der monatlichen Altersrente.

Unter dem 17. März 2021 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er beabsichtige ihren Versorgungsanspruch durch die Zahlung einer zehnfachen Jahresrente abzugelten und die Auszahlung mit den Entgeltabrechnungen Ende April/Anfang Mai 2021 vorzunehmen.

Mit Schreiben vom 28. April 2021 lehnte die Beklagte die vom Kläger angekündigte Kapitalzahlung ab und verlangte eine monatliche Rentenzahlung.

Am 30. April 2021 führte der Kläger Lohn- und Kirchensteuer iHv. 17.172,95 Euro an das Finanzamt ab und zahlte an die Beklagte 106.476,25 Euro netto aus. Die Beklagte zahlte diesen Betrag umgehend an den Kläger zurück.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er nach dem Leistungsplan der GUB berechtigt sei, den Versorgungsanspruch der Beklagten durch die einmalige Zahlung des zehnfachen Jahresbetrags der Altersrente zu erfüllen.

Der Kläger hat – soweit für die Revision von Interesse – zuletzt beantragt

festzustellen, dass er durch einmalige Kapitalleistung vom 30. April 2021 über 123.649,20 Euro brutto den Anspruch der Beklagten aus der Betriebsrentenzusage erfüllt hat und keine Ansprüche aus Versorgungszusage von Dezember 2000 mehr bestehen;

hilfsweise festzustellen, dass er die Versorgungszusage aus Dezember 2000 gegenüber der Beklagten durch Zahlung einer zehnfachen Jahresrente erfüllen darf.

Die Beklagte hat Klageabweisung und widerklagend beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an sie eine monatliche Rente iHv. 1.030,41 Euro beginnend ab dem 1. April 2021 zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Aus den Gründen

14        Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende und der Widerklage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet, wohingegen die zulässige Widerklage begründet ist.

 

15        I. Die Klage ist im Hauptantrag in der gebotenen Auslegung zulässig.

 

16        1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird.

17        Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass zwischen ihm und der Beklagten kein Versorgungsverhältnis mehr besteht und verfolgt damit einen zulässigen negativen Feststellungsantrag.

 

18        2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO bejaht und erkannt, dass der Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage nicht entgegensteht, dass die Beklagte bereits im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens eine bezifferte Widerklage auf die monatliche Rentenzahlung ab April 2021 erhoben hat (vgl. BGH 22. Januar 1987 – I ZR 230/85 – zu II 1 der Gründe, BGHZ 99, 340). Der negative Feststellungsantrag des Klägers reicht weiter als die bezifferte Widerklage der Beklagten, denn es soll mit ihm über das Versorgungsverhältnis insgesamt bzw. dessen Nicht(mehr)bestehen entschieden werden und nicht lediglich über die Pflicht zur Zahlung der monatlichen Ausgangsrente ab April 2021.

 

19        II. Der Hauptantrag ist unbegründet. Es kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass das im Leistungsplan der GUB geregelte Recht, anstelle der zugesagten Altersrente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der zehnfachen Jahresrente zu zahlen, auch ihm zusteht. Die Klausel enthält jedoch keine Wahlschuld iSv. § 262 BGB, sondern bestimmt eine Ersetzungsbefugnis. Diese ist, da es sich bei dem Leistungsplan der GUB um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB handelt, ua. an § 308 Nr. 4 BGB zu messen und ist mangels Wertgleichheit der Kapitalabfindung unwirksam. Eine grundsätzlich denkbare ergänzende Vertragsauslegung kann der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.

 

20        1. Der Kläger hat der Beklagten eine Versorgungszusage erteilt, die über die GUB – eine Unterstützungskasse iSv. § 1b Abs. 4 BetrAVG – durchgeführt wird und deren Inhalt sich durch den Leistungsplan der GUB bestimmt. Davon gehen die Parteien übereinstimmend zu Recht aus. Zwar existiert keine ausdrückliche Zusage des Klägers an die Beklagte. Indem der Kläger die Beklagte mit ihrem Wissen bei der GUB angemeldet hat, hat er ihr jedoch konkludent ein betriebsrentenrechtliches Versorgungsversprechen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG erteilt (vgl. BAG 3. Juni 2020 – 3 AZR 166/19 – Rn. 40 mwN). Das Wissen der Beklagten ergibt sich daraus, dass ihr die GUB mit Schreiben aus Dezember 2000 mitgeteilt hat, der Kläger habe über sie, die GUB, eine betriebliche Altersversorgung eingerichtet, für die die dort genannten Grundsätze und der darin mitgeteilte Leistungsplan gölten. Dies konnte die Beklagte nur so verstehen, dass ihr der Kläger eine Versorgungszusage erteilt hatte.

 

21        2. Es kann zugunsten des Klägers angenommen werden, dass das im Leistungsplan der GUB geregelte Recht, anstelle der zugesagten Altersrente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der zehnfachen Jahresrente zu zahlen, auch ihm zusteht und von ihm ausgeübt werden kann. Die Klausel enthält jedoch keine Wahlschuld iSv. § 262 BGB, sondern bestimmt eine Ersetzungsbefugnis. Das ergibt die Auslegung des Leistungsplans der GUB nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Regeln.

 

22        a) Bei den im Leistungsplan der GUB getroffenen Abreden handelt es sich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts um vom Arbeitgeber gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB.

 

23        b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind – ausgehend vom Vertragswortlaut – nach ihrem objektiven Inhalt und typischem Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., zB BAG 30. Januar 2019 – 5 AZR 43/18 – Rn. 26 mwN, BAGE 165, 205; BGH 14. Juli 2004 – VIII ZR 339/03 – Rn. 14). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der uneingeschränkten Prüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BAG 9. Februar 2022 – 5 AZR 368/21 – Rn. 14).

 

24        c) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass es sich bei dem im Leistungsplan formulierten Vorbehalt, anstelle einer laufende Altersrente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der zehnfachen Jahresrente zu zahlen, um eine Ersetzungsbefugnis und nicht um eine Wahlschuld iSv. § 262 BGB handelt.

 

25        aa) Eine Wahlschuld liegt vor, wenn mehrere verschiedene Leistungen, die als spezifizierte Einzelleistungen gedacht sind, in der Weise geschuldet werden, dass nach späterer Wahl des Schuldners oder Gläubigers nur eine, die gewählte, zu bewirken ist. Der Schuldner ist nur zu einer Leistung verpflichtet, der Gläubiger hat nur eine Forderung. Die schuldrechtliche Bindung umfasst zunächst alle Einzelleistungen, zu erbringen ist jedoch nur die gewählte; diese gilt nach der Wahl als die von Anfang an allein geschuldete, § 263 Abs. 2 BGB (vgl. statt vieler nur MüKoBGB/Krüger 9. Aufl. § 262 Rn. 2 mwN). Das Wahlschuldverhältnis ist daher ein einheitliches Schuldverhältnis mit zunächst relativ unbestimmtem, aber bestimmbarem Inhalt. Die Wahlschuld konkretisiert sich auf eine der geschuldeten Leistungen erst nach der Ausübung dieses Wahlrechts (BAG 15. Juli 2020 – 10 AZR 123/19 – Rn. 26, BAGE 171, 280).

 

26        bb) Der Kläger schuldet nach der Versorgungszusage nicht „mehrere Leistungen“ iSv. § 262 BGB. Die Versorgungszusage verleiht dem Kläger vielmehr das Recht, die vertraglich vereinbarte Zahlung monatlicher Altersrenten durch die Zahlung einer einmaligen Kapitalabfindung zu ersetzen. Es ist bereits eine bestimmte Leistung vereinbart, nämlich die Zahlung einer Rente, ohne dass es zuvor der Ausübung eines Wahlrechts bedürfte. Beim Vorbehalt, eine einmalige Kapitalabfindung statt der Rente zu zahlen, handelt es sich um eine sog. Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa), die im Gesetz nicht geregelt, als Rechtsfigur indes anerkannt ist. Dogmatisch bedeutet die Ersetzungsbefugnis das Recht, ein bestimmtes Schuldverhältnis nachträglich inhaltlich zu ändern (vgl. MüKoBGB/Krüger 9. Aufl. § 262 Rn. 8 mwN). Im Unterschied zur Wahlschuld ist bei der Ersetzungsbefugnis das Schuldverhältnis von Anfang an bestimmt. Die Leistungspflicht des Schuldners ist konkret festgelegt; nur eine Leistung wird geschuldet, nicht mehrere dem Schuldner zur Wahl gestellte Leistungen. Allerdings ist dem Schuldner – durch Vertrag oder Gesetz – das Recht eingeräumt, die geschuldete Leistung durch eine andere zu ersetzen und sich so von seiner Verbindlichkeit zu befreien (vgl. BAG 22. Dezember 2009 – 3 AZR 814/07 – Rn. 31, BAGE 133, 50; 17. Januar 1995 – 3 AZR 399/94 – zu II 2 a der Gründe, BAGE 79, 104; MüKoBGB/Krüger 9. Aufl. § 262 Rn. 8 f.; Grüneberg/Grüneberg 82. Aufl. § 262 Rn. 6 ff.; Staudinger/Bittner/Kolbe [2019] § 262 Rn. 11).

 

27        3. Die im Leistungsplan enthaltene Klausel mit der Ersetzungsbefugnis unterliegt der Klauselkontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB. Sie ist für die Beklagte unzumutbar und daher unwirksam.

 

28        a) Nach § 308 Nr. 4 BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. § 308 Nr. 4 BGB erfasst Leistungsänderungs- und Leistungsabweichungsvorbehalte des Verwenders und damit nur Vorbehalte des Arbeitgebers, die sich auf eine Änderung oder Abweichung, nicht aber eine bloße Konkretisierung der Leistung beziehen (CKK/Roloff 2. Aufl. BGB § 308 Rn. 46). Der Begriff der Zumutbarkeit in § 308 Nr. 4 BGB verlangt eine Abwägung zwischen den Interessen des Klauselverwenders an der Möglichkeit einer Änderung seiner Leistung und denen des anderen Vertragsteils an deren Unveränderlichkeit. Die Zumutbarkeit einer Leistungsänderungsklausel ist zu bejahen, wenn die Interessen des Verwenders die für das jeweilige Geschäft typischen Interessen des anderen Vertragsteils überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind (BAG 18. Mai 2017 – 2 AZR 721/16 – Rn. 27 mwN, BAGE 159, 148; BGH 21. September 2005 – VIII ZR 284/04 – zu II 1 b der Gründe).

 

29        b) Danach ist die Klausel im Leistungsplan, wonach anstelle einer lebenslangen Altersrente eine Kapitalleistung in Höhe der zehnfachen Jahresrente geleistet werden kann, für die Beklagte unzumutbar iSv. § 308 Nr. 4 BGB. Die durch die Ersetzung der laufenden Altersrenten zu zahlende Kapitalleistung bleibt nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hinter dem Barwert der zugesagten Altersrente zurück. Das bedeutet, dass der Versorgungsempfänger nicht eine andere – gleichwertige – Leistung, sondern eine andere geringerwertige Leistung erhalten soll. Eine solche Klausel, die eine Ersetzung durch eine nicht mindestens (bar)wertgleiche Kapitalleistung, sondern eine geringere Kapitalleistung vorsieht, ist für den Versorgungsempfänger unzumutbar. Damit würde dem Versorgungsempfänger bereits erdientes Entgelt im Nachhinein, nämlich kurz vor Eintritt des Versorgungsfalls, zumindest teilweise wieder entzogen, obschon er seine Gegenleistungen während des bestehenden Arbeitsverhältnisses bereits vollständig erbracht hat. Betriebliche Altersversorgung hat Versorgungs-, aber auch Entgeltcharakter, sie stellt eine Gegenleistung für die Beschäftigungszeit dar und damit auch für die während der Beschäftigung erbrachte Tätigkeit des Arbeitnehmers (BAG 23. Februar 2021 – 3 AZR 618/19 – Rn. 50, BAGE 174, 116).

 

30        Es sind keine Interessen des Klägers ersichtlich, außer dem Interesse an einer Reduzierung der von ihm zugesagten Versorgungsleistungen, die dem Interesse der Beklagten am Erhalt des Wertes der zugesagten Versorgungsleistungen gleichwertig wären oder dieses überwiegen könnten.

 

31        4. Es kann dahinstehen, ob vorliegend eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht kommt (vgl. BAG 2. Dezember 2021 – 3 AZR 123/21 – Rn. 72 f. mwN), denn eine solche würde dem negativen Feststellungsantrag nicht zum Erfolg verhelfen können.

 

32        a) Eine ergänzende Auslegung des Leistungsplans, die eine Ersetzung der Rentenleistung durch die Kapitalleistung in Höhe des zehnfachen Jahresbetrags der Rente zum Gegenstand hat, ist ausgeschlossen. Die Kapitalleistung in dieser Höhe ist gerade nicht (bar)wertgleich. Da die Klage im Hauptantrag aber darauf gerichtet ist festzustellen, dass das Versorgungsverhältnis durch die Zahlung des zehnfachen Jahresbetrags der Rente erloschen ist, kann sie auch nach einer ergänzenden Vertragsauslegung keinen Erfolg haben. Eine ergänzende Auslegung der Vertragsklausel mit einer fehlenden Wertgleichheit, scheidet von vornherein aus. Die fehlende (Bar)Wertgleichheit führt gerade zur Unzumutbarkeit der Klausel für die Beklagte. Sie kann folglich auch nicht durch eine ergänzende Auslegung doch noch wirksam werden.

 

33        b) Eine ergänzende Auslegung der Klausel dahingehend, dass die Ersetzung der monatlichen Altersrente durch eine einmalige Kapitalleistung in der Höhe des Barwerts erfolgen kann, führte ebenfalls nicht zum Erfolg der negativen Feststellungsklage. Ein solcher Vorbehalt wurde vor dem Eintritt des Versorgungsfalls weder erklärt noch ausgeübt. Ein Kapitalwahlrecht kann jedoch nur bis zum Beginn des Leistungszeitraums ausgeübt werden. Andernfalls handelte es sich um eine Abfindung bereits laufender Rentenleistungen, so dass die Voraussetzungen von § 3 BetrAVG erfüllt sein müssten. Ein durch die Versorgungsregelung vorgesehenes Kapitalwahlrecht des Arbeitgebers ist in § 3 BetrAVG indes nicht privilegiert (Wortmann in Tschöpe Arbeitsrecht 12. Aufl. Teil 2 E Rn. 389).

 

34        III. Der wegen der Unbegründetheit des Hauptantrags dem Senat zur Entscheidung anfallende Hilfsantrag, mit dem der Kläger festgestellt wissen will, dass er die Versorgungszusage durch Zahlung eines Betrags in Höhe der zehnfachen Jahresrente erfüllen darf, ist zulässig. Mit ihm festgestellt werden, dass dem Kläger die Erfüllung der Versorgungszusage durch eine solche Zahlung möglich ist. Dieser Antrag erfüllt zwar die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO. Allerdings ist er nach dem zum Hauptantrag Gesagten ebenfalls unbegründet, denn durch die Zahlung eines Betrags in Höhe der zehnfachen Jahresrente kann die Versorgungszusage nicht erfüllt werden.

 

35        IV. Die als Klage auf wiederkehrende Leistungen nach § 258 ZPO zulässige Widerklage ist begründet. Der Beklagten und Widerklägerin steht gegen den Kläger nach der Versorgungszusage iVm. dem Leistungsplan und § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG ein Anspruch auf eine monatliche Altersrente ab dem 1. April 2021 in der von ihr verlangten – und zwischen den Parteien auch nicht umstrittenen – Höhe von 1.030,41 Euro brutto zu.

 

36        V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

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