R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Arbeitsrecht
15.10.2015
Arbeitsrecht
LAG Berlin-Brandenburg: Berücksichtigung einer nachträglich eingetretenen wesentlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Beschwerdeverfahren

LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7.9.2015 – 21 Ta 1277/15

Volltext: BB-ONLINE BBL2015-2611-1

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

1. Eine nachträglich eingetretene wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse einer Prozesskostenhilfepartei ist im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen, wenn dies aus prozessökonomischen Gründen sachdienlich ist.

2. Aus prozessökonomischen Gründen sachdienlich ist die Berücksichtigung jedenfalls dann, wenn die Prüfung einer weiteren Ratenzahlungsverpflichtung ohne zusätzliche aufwendige Ermittlungen möglich ist.

§ 11a Abs 1 ArbGG, § 114 Abs 1 ZPO, § 115 Abs 2 ZPO, § 120a Abs 1 ZPO

Aus den Gründen

I.

Der frühere Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Kläger) wendet sich gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur gegen Ratenzahlung.

In dem dem Prozesskostenhilfeverfahren zugrundeliegenden Rechtsstreit u. a. über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung beantragte der Kläger zeitgleich mit dem Eingang der Klage die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich. In dem Vergleich verständigten sich die Parteien u. a. auf die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 2015.

Mit Beschluss vom 15. Juni 2015 hat das Arbeitsgericht dem Prozesskostenhilfeantrag stattgegeben mit der Maßgabe, dass hinsichtlich der Prozesskosten monatliche Raten aus dem Einkommen in Höhe von 82,00 EUR zu zahlen sind. Die Berechnung der Höhe der Raten hat es auf der Grundlage der am 16. Juni 2015 fälligen Vergütung des Klägers für den Monat Mai 2015 vorgenommen.

Gegen diesen dem Kläger am 18. Juni 2015 zugestellten Beschluss hat er mit am 29. Juni 2015 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Er sei nicht in der Lage, einen Eigenanteil an den Prozesskosten zu erbringen, da er nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit seinem früheren Arbeitgeber noch keinen neuen Arbeitsplatz gefunden habe und deshalb Leistungen vom Jobcenter beziehe. Diese beliefen sich auf monatlich 633,90 Euro einschließlich Miete. Mit Beschluss vom 16. Juli 2015 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, hinsichtlich der maßgeblichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse sei auf den Zeitpunkt der Bewilligung abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger noch über ein Einkommen in Höhe von 1.090,00 Euro netto verfügt.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist an sich statthaft (§ 11a Abs. 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) sowie frist- und formgerecht eingelegt worden (§ 11a Abs. 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO, § 569 ZPO). Die danach zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

a) Das Arbeitsgericht geht zunächst zu Recht davon aus, dass für die Ermittlung des nach § 115 Abs. 1 ZPO einzusetzenden monatlichen Einkommens und der davon nach § 115 Abs. 2 ZPO zu zahlenden Raten grundsätzlich auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Prozesskostenhilfepartei zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abzustellen ist. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 120 Abs. 4 ZPO a.F. und nunmehr des § 120a Abs. 1 ZPO, da nach dieser Vorschrift bei einer wesentlichen Änderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisses der Prozesskostenhilfepartei ein eigenständiges Abänderungsverfahren in der Zuständigkeit der Rechtspflegerin oder des Rechtspflegers (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c RPflG) vorgesehen ist (vgl. LAG-Berlin-Brandenburg vom 17.07.2008 - 21 Ta 1105/08 - Rn. 6 zitiert juris). Der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung ist nur dann maßgeblich, wenn der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erstinstanzlich zurückgewiesen worden ist und Prozesskostenhilfe erstmals im Rahmen des Beschwerdeverfahrens bewilligt wird (vgl. zum Ganzen LAG Berlin-Brandenburg vom 17.01.2014 - 21 Ta 2032/13 - Rn. 13 f. zitiert nach juris m. w. N.).

Allerdings steht der Umstand, dass nach § 120a Abs. 1 ZPO für Änderungen der Prozesskostenhilfebewilligung die Rechtspflegerin oder der Rechtspfleger zuständig ist, einer Berücksichtigung von wesentlichen Änderungen in den Verhältnissen der Prozesskostenhilfepartei im Beschwerdeverfahren dann nicht entgegen, wenn es sich um eine wesentliche Verschlechterung handelt (a. A. noch LAG Berlin-Brandenburg vom 17.07.2008 - 21 Ta 1105/08 -, a. a. O.). Dies ergibt sich aus den Wertungen des § 6 RPflG, wonach die gesamte Angelegenheit von der Richterin oder dem Richter bearbeitet werden soll, wenn ein der Rechtspflegerin oder dem Rechtspfleger übertragenes Geschäft in einem so engen Zusammenhang mit einem von der Richterin oder dem Richter wahrzunehmenden Geschäft steht, dass eine getrennte Bearbeitung nicht sachdienlich ist. Wendet sich eine Prozesskostenhilfepartei im Beschwerdeverfahren gegen die ihr auferlegte Ratenzahlungsverpflichtung, ist es, wenn sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei zwischenzeitlich wesentlich verschlechtert haben, schon aus prozessökonomischen Gründen regelmäßig sachdienlich, die Partei nicht auf das Abänderungsverfahren nach § 120a Abs. 1 ZPO zu verweisen, sondern die wesentliche Verschlechterung bereits im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen und die Raten gegebenenfalls ab dem Zeitpunkt der Änderung neu festzusetzen (LAG Berlin-Brandenburg vom 17.01.2014 - 21 Ta 2032/13 -, a. a. O.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Prüfung, ob und in welcher Höhe die Partei trotz der wesentlichen Verschlechterung zur Ratenzahlung verpflichtet ist, ohne weiteres möglich ist und nicht erst noch weitere aufwendige Ermittlungen erforderlich sind.

Eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse kann im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hingegen nicht berücksichtigt werden, da das erstentscheidende Gericht im Rahmen der Abhilfeentscheidung nach § 572 Abs. 1 ZPO und das Beschwerdegericht im Rahmen der Entscheidung über die Beschwerde anders als die Rechtspflegerin oder der Rechtspfleger im Rahmen des Abänderungsverfahrens wegen des rechtsmittelrechtlichen Verschlechterungsverbots, gehindert sind, höhere als die ursprünglich festgesetzten Raten festzusetzen. Insoweit ist die Entscheidung über die Änderung der Prozesskostenhilfebewilligung allein der Rechtspflegerin oder dem Rechtspfleger vorbehalten (vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 17.01.2014 - 21 Ta 2032/13 - Rn. 15 zitiert nach juris m. w. N.).

b) In Anwendung dieser Grundsätze war der Bewilligungsbeschluss des Arbeitsgerichts Cottbus vom 15. Juni 2015 dahin abzuändern, dass der Kläger auf die Prozesskosten vorläufig keine Raten zu leisten hat.

Seit dem Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 15. Juni 2015 haben sich die Einkommensverhältnisse des Klägers wesentlich verschlechtert. Der Kläger ist seit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit seinem früheren Arbeitgeber am 31. Mai 2015 arbeitslos und erhält lediglich Grundsicherungsleistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 633,90 Euro monatlich. Zieht man hiervon nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 ZPO den persönlichen Freibetrag in Höhe von 462,00 Euro und die Kosten für Wohnung und Heizung in Höhe von 234,90 Euro ab, verbleibt dem Kläger kein Einkommen, welches er nach § 115 Abs. 2 ZPO für die Prozesskosten einsetzen müsste.

2. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand nach § 72 Abs. 2, § 78 Satz 2 ArbGG kein Anlass.

stats