R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Arbeitsrecht
19.11.2021
Arbeitsrecht
BAG: Beitragspflichten zu dem Sozialkassensystem der Bauwirtschaft – betrieblicher Geltungsbereich der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) - Bauträgerbetrieb

BAG, Urteil vom 14.7.2021 – 10 AZR 190/20

ECLI:DE:BAG:2021:140721.U.10AZR190.20.0

Volltext: BB-Online BBL2021-2803-2

Orientierungssätze

1.Um zu beurteilen, ob ein Betrieb dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes unterfällt, weil überwiegend die in § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V der Verfahrenstarifverträge genannten Leistungen erbracht werden, ist grundsätzlich auf die arbeitszeitlich überwiegend versehene Tätigkeit der Arbeitnehmer abzustellen. Einzubeziehen sind gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte. Angestellte können nicht „als neutral“ unberücksichtigt bleiben (Rn. 23).

2.Von Angestellten versehene Tätigkeiten, die isoliert betrachtet nicht als baugewerblich einzuordnen sind, können baugewerblichen Charakter haben, wenn sie im Zusammenhang mit baugewerblichen Tätigkeiten erbracht werden. Bei den in § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 der Verfahrenstarifverträge genannten regelmäßig von Angestelltenversehenen Tätigkeiten kann es sich ua. dann um Tätigkeiten mit baulichem Charakter handeln, wenn sie in einem Betrieb im Zusammenhang mit baugewerblichen Tätigkeiten ausgeführt werden. In diesem Fall sind keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen (Rn. 37).

3.Die klagende Sozialkasse ist darlegungs- und ggf. beweisbelastet dafür, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten erbracht werden. Behauptet sie, dass von Angestellten versehene Arbeiten den Charakter der baulichen Tätigkeiten teilen, muss sie Tatsachen vortragen, aus denen sich ergibt, in welchem Zusammenhang die baugewerblichen und die nicht baugewerblichen Tätigkeiten stehen (Rn. 25).

4.Ein Betrieb, in dem sich die Arbeitnehmerarbeitszeitlich überwiegend damit befassen, Grundstücke zu entwickeln, sie zu beplanen, darauf durch Subunternehmen Gebäude errichten zu lassen, sie zu vermarkten und zu veräußern, unterliegt als Bauträgerbetrieb nicht der Beitragspflicht zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft. Die versehenen Arbeiten sind nicht baugewerblich iSd. Verfahrenstarifverträge (Rn. 29 ff.).

Leitsatz

1. Ein Betrieb unterfällt dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes, wenn in ihm überwiegend die in § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V der Verfahrenstarifverträge genannten Leistungen erbracht werden. Um dies zu beurteilen, kommt es grundsätzlich auf die arbeitszeitlich überwiegend versehene Tätigkeit der Arbeitnehmer an. Dafür ist sowohl die Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer als auch die der Angestellten zu berücksichtigen.

 

2. Ein Betrieb, in dem die Arbeitnehmer arbeitszeitlich überwiegend Grundstücke entwickeln, beplanen, durch Subunternehmen bebauen lassen, vermarkten und veräußern, wird als Bauträgerbetrieb nicht von den Verfahrenstarifverträgen der Bauwirtschaft erfasst. Die versehenen Tätigkeiten sind nicht baugewerblicher Natur im Sinn der Verfahrenstarifverträge.▄

 

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet. Er nimmt die Beklagte auf der Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 idF vom 24. November 2015 (VTV 2015) noch auf Beiträge für sieben Angestellte in Anspruch. Für die Zeit von Januar bis November 2016 verlangt er Beiträge iHv. insgesamt 6.121,50 Euro. Bei den erhobenen Beitragsansprüchen handelt es sich um die tarifvertraglichen Festbeiträge iHv. monatlich 79,50 Euro für jeden Angestellten.

Der im Klagezeitraum geltende VTV 2015 wurde für allgemeinverbindlich erklärt. Der Senat hat entschieden, dass die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV 2015 vom 4. Mai 2016 wirksam ist (AVE VTV 2016; BAG 20. November 2018 – 10 ABR 12/18 -).

Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie unterhält im niedersächsischen L einen Gewerbebetrieb. Nach ihrem Tätigkeitsspektrum beschaffte sie im Streitzeitraum Grundstücke, entwickelte und steuerte Projekte, plante die Projektentwicklung und die Baubetreuung. Darüber hinaus versah sie Vertriebs-, Mietverwaltungs- und Buchhaltungsaufgaben sowie Hausreinigungs- und Gartenpflegearbeiten.

Auf den Baustellen vor Ort waren regelmäßig zwei gewerbliche Arbeitnehmer tätig. Zum einen kontrollierten sie die Bauarbeiten und beschafften Material, zum anderen fuhren sie zumindest auch einen Kran auf den Baustellen. Ihre Tätigkeit machte im streitigen Zeitraum 20 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit aus.

Daneben waren neun Angestellte in Voll- und Teilzeit mit unterschiedlichen Tätigkeiten beschäftigt. Sie assistierten der Geschäftsführung und erledigten Buchhaltungs- sowie Verwaltungsarbeiten, darunter die Mietverwaltung. Sie planten Veranstaltungen, führten Musterhausbesichtigungen durch und übernahmen den Vertrieb von Immobilien. Teilweise überwachten sie Baustellen, führten Ausschreibungen durch, prüften Eingangsrechnungen, waren Ansprechpartner für Kunden und erstellten Planungs- sowie Ausführungspläne.

Der Kläger hat behauptet, die im Betrieb beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer hätten im Kalenderjahr 2016 zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit Maurer- und Betonarbeiten sowie damit im Zusammenhang stehende Vor-, Neben- und Nachbereitungstätigkeiten erbracht. Dabei hätten sie zB Material beschafft sowie Pläne und Aufmaße erstellt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte unterliege der Beitragspflicht nach dem VTV 2015. Der von ihr unterhaltene Bauträgerbetrieb sei baugewerblicher Natur. Es komme entscheidend auf die betriebliche Zweckbestimmung und das Gepräge des Betriebs an. Bei einem Bauträgerunternehmen gehe es darum, Objekte zu errichten, um sie zu verkaufen oder zu vermieten. Der Erwerb von Grundstücken, die Planung, Erstellung und Verwaltung von Gebäuden seien darauf ausgelegt. Die Tätigkeit, um diesen Zweck zu erreichen, die schlüsselfertige Erstellung eines Bauwerks, sei baugewerblicher Natur. Angestellte seien grundsätzlich als neutral einzuordnen, weil für sie nur geringere Beiträge anfielen. Sofern, wie im Streitfall, Angestellte in einem Betrieb zahlenmäßig die Mehrheit bildeten, müssten zumindest diejenigen Angestellten, die Vorbereitungs- und Zusammenhangstätigkeiten für gewerbliche Arbeitnehmer verrichteten, als baugewerblich bewertet werden. Mit Blick auf die geltend gemachte Zwecksetzung des Betriebs seien auch die Angestellten zu berücksichtigen, die Akquise betrieben, Besichtigungen durchführten, Materialien für den Bau einkauften, Subunternehmen beauftragten und Zusammenhangstätigkeiten mit den zu erstellenden Bauten verrichteten. Zudem müsse der erfolgte Einsatz von Subunternehmen einbezogen werden, wenn das Gepräge des Betriebs ermittelt werde. Ohne den Einsatz von Subunternehmen hätte die Beklagte eigene gewerbliche Arbeitnehmer einsetzen müssen. Daher seien die Subunternehmen gemeinsam mit den gewerblichen Arbeitnehmern der Beklagten gegenüber ihren Angestellten zu berücksichtigen.

Der Kläger hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.121,50 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, sie sei nicht für die Angestellten beitragspflichtig. Sie unterhalte einen Bauträgerbetrieb und keinen Baubetrieb. Wesentliche Tätigkeit des Bauträgers sei es, dem Erwerber das Eigentum an einem Grundstück und dem darauf errichteten Gebäude als fertiges Produkt zu verschaffen. Arbeitszeitlich betrachtet hätten die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer überwiegend baufremde Tätigkeiten versehen. Die baufremden Tätigkeiten der Angestellten hätten mit 80 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit den überwiegenden Anteil ausgemacht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage teilweise stattgegeben. Der betriebliche Geltungsbereich sei bezogen auf den Gesamtbetrieb nicht eröffnet. Es handle sich um einen Bauträgerbetrieb, für den die Tätigkeit der Angestellten mit einem Anteil von 80 % an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit prägend sei. Im Vordergrund stehe der Verkauf des Grundstücks zusammen mit dem schlüsselfertigen Bauobjekt. Die eigentlichen Bauarbeiten lasse der Bauträger grundsätzlich durch Subunternehmen erledigen. Damit unterscheide sich der Betriebszweck von dem eines reinen Baubetriebs oder auch von Bauherren, die für den Eigenbedarf bauten. Soweit die Angestellten zum Teil auch bauliche Zusammenhangsarbeiten versehen hätten, führten diese Arbeiten nicht dazu, dass der gesamte Betrieb als baugewerblich einzuordnen sei. Ebenso wenig sei die Arbeitszeit der bei den beauftragten Subunternehmen beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer hinzuzurechnen. Eine unternehmensübergreifende Betrachtungsweise scheide aus. Eine Beitragspflicht bestehe jedoch für die beiden gewerblichen Arbeitnehmer, die eine selbständige Betriebsabteilung iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV 2015 bildeten.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Beitragsklage für die sieben Angestellten weiter. Er ist der Auffassung, dass der Gesamtbetrieb dem VTV 2015 unterfalle und die Beklagte auch für die Angestellten Beiträge zu entrichten habe.

Aus den Gründen

13        Die zulässige Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung konnte das Landesarbeitsgericht die Klage auf Beiträge für Angestellte nicht abweisen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen steht nicht fest, dass der Betrieb der Beklagten nicht dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes unterfällt. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Das Urteil ist nicht aus anderen Gründen richtig (§ 561 ZPO). Die Klage ist – noch – hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Mit den Mahnanträgen hat der Kläger die tarifliche Ausschlussfrist gewahrt. Der Senat kann in der Sache nicht selbst nach § 563 Abs. 3 ZPO entscheiden. Mit Blick darauf, dass zwei Arbeitnehmer bauliche Tätigkeiten versehen haben, ist nicht ausgeschlossen, dass diese Tätigkeiten mit Zusammenhangstätigkeiten, die von Angestellten ausgeführt wurden, im Streitzeitraum den überwiegenden Teil der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht haben. Das Landesarbeitsgericht hat keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob und ggf. welche Angestelltentätigkeiten im Zusammenhang mit den versehenen baugewerblichen Tätigkeiten stehen. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

14        A. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die auf Beiträge für Angestellte gerichtete Klage nicht abgewiesen werden. Da im Betrieb der Beklagten neben den für einen Bauträger charakteristischen Aufgaben auch baugewerbliche Tätigkeiten versehen wurden, ist nicht ausgeschlossen, dass der Betrieb in seiner Gesamtheit den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes unterfällt.

15        I. Die Beklagte ist an den VTV 2015 nach § 5 Abs. 4 TVG iVm. der wirksamen AVE VTV 2016 gebunden. Daneben ergibt sich die Bindung aus § 7 Abs. 1 iVm. der Anlage 26 SokaSiG.

16        II. Eine Pflicht der Beklagten, Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft zu leisten, kann für den streitigen Zeitraum vom 1. Januar bis 30. November 2016 aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nr. 20 und Nr. 23, Abschn. IV Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a, § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV 2015 folgen.

17        III. Der im niedersächsischen L gelegene Betrieb der Beklagten unterfällt nach § 1 Abs. 1 VTV 2015 dessen räumlichem Geltungsbereich. Die bei der Beklagten beschäftigten Angestellten werden vom persönlichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VTV 2015 erfasst.

18        IV. Ob der Betrieb der Beklagten in seiner Gesamtheit dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV 2015 unterfällt, ist offen. Als Betrieb, in dem bauliche und nicht bauliche Tätigkeiten versehen werden, wird er möglicherweise von § 1 Abs. 2 VTV 2015 erfasst.

19        1. Ein Betrieb wird vom Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes erfasst, wenn in den Kalenderjahren des Anspruchszeitraums in ihm arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt wurden, die unter § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V der Verfahrenstarifverträge fallen. Werden baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinn erbracht, sind ihnen diejenigen Nebenarbeiten zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst und auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an (st. Rspr., zB BAG 27. Januar 2021 – 10 AZR 138/19 – Rn. 17; 13. Oktober 2020 – 10 AZR 103/19 – Rn. 14; 15. Juli 2020 – 10 AZR 337/18 – Rn. 28 mwN).

20        a) Für den Anwendungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes reicht es aus, wenn in dem Betrieb überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. IV und V der Verfahrenstarifverträge genannten Tätigkeiten ausgeübt werden. Der Betrieb wird dann stets von dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge erfasst, ohne dass die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III zusätzlich geprüft werden müssen. Nur wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend nicht die in den Abschnitten IV und V genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt werden, muss darüber hinaus festgestellt werden, ob die ausgeführten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III erfüllen (st. Rspr., zB BAG 27. Januar 2021 – 10 AZR 138/19 – Rn. 17; 13. Oktober 2020 – 10 AZR 103/19 – Rn. 14; 15. Juli 2020 – 10 AZR 337/18 – Rn. 28 mwN).

21        b) Nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang von § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes wird der betriebliche Geltungsbereich in seinen Abschnitten I bis V positiv nach den verrichteten baulichen Tätigkeiten bestimmt. Abschnitt VI regelt, auf welche betriebliche Einheit abzustellen ist und wie die Zuordnung bei verschiedenen Tätigkeiten zu erfolgen hat (sog. Mischbetriebe). Nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 1 der Verfahrenstarifverträge fallen danach Betriebe grundsätzlich als Ganzes unter den Tarifvertrag, soweit die in den Abschnitten I bis V genannten Leistungen überwiegend erbracht werden. Der betriebliche Geltungsbereich wird erweitert durch § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 2 der Verfahrenstarifverträge für den Fall, dass in einem Mischbetrieb überwiegend zwar baufremde, in einer selbständigen Betriebsabteilung aber bauliche Leistungen der Abschnitte I bis V erbracht werden (BAG 25. November 2009 – 10 AZR 737/08 – Rn. 21, BAGE 132, 283). Eine weitere Ausdehnung erfährt der betriebliche Geltungsbereich durch § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 der Verfahrenstarifverträge. Danach gilt als selbständige Betriebsabteilung – und damit als Betrieb im tariflichen Sinn – auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die außerhalb der stationären Betriebsstätte eines nicht von den Abschnitten I bis IV erfassten Betriebs baugewerbliche Arbeiten ausführt. Eine Gesamtheit im Sinn dieser Vorschrift ist eine Gruppe von Arbeitnehmern, die koordiniert, dh. geführt und geleitet, außerhalb der stationären Betriebsstätte arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Arbeiten ausführt (BAG 22. Juni 2016 – 10 AZR 536/14 – Rn. 15).

22        c) Ein Betrieb iSd. Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes ist eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Mit Blick auf § 1 Abs. 3 der Verfahrenstarifverträge setzt ein Betrieb in diesem Sinn voraus, dass mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt wird (BAG 22. Januar 2020 – 10 AZR 387/18 – Rn. 30, BAGE 169, 285; 30. Oktober 2019 – 10 AZR 177/18 – Rn. 35, BAGE 168, 290).

23        d) Für die nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 1 der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes erhebliche Frage, ob in einem Betrieb die unter den Abschnitten I bis V genannten Leistungen überwiegend erbracht werden, kommt es grundsätzlich auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer an (BAG 22. Januar 2020 – 10 AZR 387/18 – Rn. 31, BAGE 169, 285; 9. Dezember 2009 – 10 AZR 850/08 – Rn. 23 mwN; 18. August 1993 – 10 AZR 177/91 – zu II 1 der Gründe). Mit Blick darauf, dass die Verfahrenstarifverträge nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 auch Angestellte erfassen, ist auch deren Tätigkeit erheblich (BAG 22. Januar 2020 – 10 AZR 387/18 – Rn. 36, aaO; vgl. auch BAG 24. August 1994 – 10 AZR 980/93 – zu II 2 b der Gründe). Sie sind nicht „als neutral“ zu werten. Handelt es sich bei den von den Angestellten versehenen Arbeiten um sog. Zusammenhangstätigkeiten zu den baulichen Tätigkeiten, teilen sie den baulichen Charakter des Gesamtbetriebs (BAG 25. November 2009 – 10 AZR 737/08 – Rn. 12, BAGE 132, 283; 20. September 1995 – 10 AZR 609/94 – zu II 3 a der Gründe; 24. August 1994 – 10 AZR 980/93 – aaO).

24        e) Ist ein sog. Mischbetrieb gegeben, der bauliche Tätigkeiten einschließlich der hierzu erforderlichen Nebenarbeiten und nicht baulichen Tätigkeiten ausführt, richtet sich die Geltung der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes danach, ob die baulichen Leistungen und die hinzuzurechnenden Zusammenhangstätigkeiten oder die sonstigen, nicht baugewerblichen Leistungen arbeitszeitlich überwiegen (BAG 16. Juni 2010 – 4 AZR 934/08 – Rn. 32; 20. März 2002 – 10 AZR 507/01 – zu II 2 b ee der Gründe).

25        f) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt dem Kläger. Sein Sachvortrag ist schlüssig, wenn er Tatsachen vorträgt, die den Schluss zulassen, der Betrieb des Arbeitgebers werde vom betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes erfasst. Dazu gehört neben der Darlegung von Arbeiten, die sich § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge zuordnen lassen, auch die Darlegung, dass diese Tätigkeiten insgesamt arbeitszeitlich überwiegen (st. Rspr., zB BAG 27. Januar 2021 – 10 AZR 138/19 – Rn. 18; 15. Juli 2020 – 10 AZR 337/18 – Rn. 29; 22. Januar 2020 – 10 AZR 387/18 – Rn. 32 mwN, BAGE 169, 285). Handelt es sich um Angestelltentätigkeiten zB der in § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 VTV 2015 genannten Art, die isoliert betrachtet nicht als baugewerbliche Arbeiten einzuordnen sind, erfordert ein schlüssiger Vortrag des Klägers, dass er ausführt, in welchem Zusammenhang die von den Angestellten versehenen Arbeiten mit baugewerblichen Tätigkeiten stehen. Ist entsprechender Tatsachenvortrag gehalten, hat sich der Arbeitgeber hierzu nach § 138 Abs. 2 ZPO zu erklären. Regelmäßig obliegt ihm die Last des substantiierten Bestreitens, weil der Kläger außerhalb des Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen hat, während der Arbeitgeber sie kennt und ihm die entsprechenden Angaben zuzumuten sind. Das substantiierte Bestreiten kann sich auf die Art und/oder den Umfang der verrichteten Arbeiten beziehen. Um feststellen zu können, welche Tätigkeiten in welchem Umfang ausgeübt wurden, muss der Arbeitgeber im Rahmen des substantiierten Bestreitens entsprechende Tatsachen vortragen. Dazu gehört die Darlegung der zeitlichen Anteile der verschiedenen Tätigkeiten (st. Rspr., zB BAG 22. Januar 2020 – 10 AZR 387/18 – aaO; 18. Dezember 2019 – 10 AZR 141/18 – Rn. 20). Bei Angestelltentätigkeiten wie der in § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 VTV 2015 genannten Art, die nach der Behauptung des Klägers im Zusammenhang mit baugewerblichen Arbeiten standen, erfordert ein substantiiertes Bestreiten zusätzlich die Darlegung, welchen Zwecken die Angestelltentätigkeiten dienten und welche zeitlichen Anteile darauf entfielen. Nur so kann geklärt werden, ob und ggf. in welchem zeitlichen Umfang ein Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten der Angestellten und den baugewerblichen Arbeiten bestand.

26        2. Ausgehend davon konnte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht mit der Begründung abweisen, dass für den Betrieb der Beklagten die Tätigkeit als Bauträgerin prägend sei und es aufgrund des unzureichenden Vortrags des Klägers nicht möglich sei, die nicht baugewerblichen Tätigkeiten der Angestellten den baugewerblichen hinzuzurechnen. Das Landesarbeitsgericht ist unzutreffend davon ausgegangen, dass es Sache des Klägers sei vorzutragen, wie sich die Tätigkeiten der Angestellten konkret auf den Bereich „Bau“ und „Bauträgergeschäft“ verteilten.

27        a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass die in einem Bauträgerbetrieb anfallenden Tätigkeiten der Entwicklung, der Planung, der Verwaltung und des Vertriebs von Grundstücken und Gebäuden nicht baugewerblicher Natur sind. Der gegenläufigen Auffassung des Klägers stimmt der Senat nicht zu.

28        aa) Wesentlicher Inhalt der Tätigkeit eines Bauträgers ist, dass er sich dazu verpflichtet, ein Bauwerk auf einem eigenen oder von ihm noch zu beschaffenden Grundstück zu errichten und dem Erwerber das Eigentum am Grundstück und dem darauf erstellten Gebäude zu verschaffen. Der Bauträger tritt im Regelfall im eigenen Namen auf, sodass Vertragspartner des Bauunternehmers der Bauträger selbst und nicht der Erwerber wird. Das Bauträgerunternehmen fungiert damit nicht als bloßer Bauherr oder Letztbesteller, der lediglich einen Eigenbedarf befriedigt. Bauleistungen in Auftrag zu geben, ist vielmehr wesentlicher, unmittelbarer Gegenstand des Unternehmens. Der Bauträger baut nicht aus privaten Gründen oder um durch den Bau anderen eigenen gewerblichen Zwecken zu dienen, sondern um die errichteten Gebäude vor, während oder spätestens nach Abschluss der Bauarbeiten gewinnbringend zu veräußern. Dabei erfüllt er mit der Bautätigkeit eine, ggf. vorweggenommene, eigene Leistungspflicht gegenüber dem Erwerber, die sich bei einem Erwerb während der Bauphase in eine unmittelbare Leistungspflicht umwandelt. Diese Leistungspflicht kann er entweder durch eigenes Personal erfüllen oder – typischerweise – an ein anderes Unternehmen weitergeben (BAG 16. Oktober 2019 – 5 AZR 241/18 – Rn. 20, BAGE 168, 113; 16. Mai 2012 – 10 AZR 190/11 – Rn. 20 f., BAGE 141, 299).

29        bb) Die Tätigkeit als Bauträger, die sich im Wesentlichen aus Planungsarbeiten, Auftragsvergabe, Vertrieb, Baustellenbesichtigung, Buchhaltung, Rechnungsprüfung und sonstigen Verwaltungsaufgaben zusammensetzt, ist durch nicht baugewerbliche Aufgaben geprägt, die von Angestellten versehen werden. Die verrichteten Arbeiten sind weder als Hochbauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 20 der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes noch als Maurerarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 23 der Verfahrenstarifverträge zu qualifizieren.

30        cc) Sie sind auch nicht als baugewerbliche Tätigkeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes anzusehen.

31        (1) § 1 Abs. 2 Abschn. II der Verfahrenstarifverträge erfasst Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Darunter sind alle Arbeiten zu verstehen, die irgendwie – wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet – der Errichtung und Vollendung von Bauwerken oder auch der Instandsetzung oder Instandhaltung von Bauwerken zu dienen bestimmt sind, sodass diese in vollem Umfang ihre bestimmungsgemäßen Zwecke erfüllen können. Die Tarifvertragsparteien wollten nicht nur das Bauhauptgewerbe erfassen, sondern auch das sog. Baunebengewerbe. Darüber hinaus ist erforderlich, dass die Arbeiten baulich geprägt sind. Das ist der Fall, wenn sie nach Herkommen und Üblichkeit oder nach den verwendeten Werkstoffen, Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden des Baugewerbes ausgeführt werden (st. Rspr., vgl. BAG 27. Januar 2021 – 10 AZR 384/18 – Rn. 48; 15. Juli 2020 – 10 AZR 337/18 – Rn. 58 mwN).

32        (2) Für die den Betrieb prägende Zweckbestimmung ist der Zweck der Gesamtleistung entscheidend. Die Zweckbestimmung richtet sich nicht allein nach den zeitlichen Anteilen der einzelnen Tätigkeiten an der Gesamtarbeitszeit (BAG 24. August 1994 – 10 AZR 974/93 – zu II 1 der Gründe; 18. August 1993 – 10 AZR 273/91 – zu II 1 c der Gründe). Das wird etwa dann erheblich, wenn eine Tätigkeit, die isoliert betrachtet als baugewerblich anzusehen ist, eine Zusammenhangstätigkeit zu der nicht baugewerblichen Tätigkeit darstellt. Ebenso wie den eigentlichen baugewerblichen Arbeiten auch diejenigen Nebenarbeiten zuzurechnen sind, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind, führen umgekehrt auch Tätigkeiten baugewerblicher Art, die als Nebenarbeiten für die ordnungsgemäße Erledigung einer nichtbaugewerblichen Tätigkeit erforderlich sind, nicht dazu, diesen Betrieb zu einem solchen des Baugewerbes zu machen (vgl. BAG 24. August 1994 – 10 AZR 974/93 – aaO).

33        (3) Der Hauptzweck der Tätigkeit eines reinen Bauträgerbetriebs liegt darin, Grundstücke zu entwickeln und Bauwerke erstellen zu lassen, um sie zu veräußern. Auch wenn es dafür erforderlich ist, ein Bauwerk auf dem Grundstück zu errichten, liegt der Schwerpunkt darin, die Objekte zu vermarkten, dh. sie dem Verkauf zuzuführen. Tätigkeiten, die unmittelbar darauf gerichtet sind, ein Bauwerk zu errichten, führt ein klassischer Bauträgerbetrieb nicht aus. Dass die im Betrieb versehenen Tätigkeiten im Zusammenhang mit Bauwerken oder im Umfeld von Bauten erbracht werden, reicht für eine baugewerbliche Tätigkeit iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes nicht aus (BAG 24. August 1994 – 10 AZR 974/93 – zu II 1 der Gründe mwN).

34        (4) Zudem sind die Arbeiten des reinen Bauträgerbetriebs nicht baulich geprägt. Für die versehenen Entwicklungs-, Planungs-, Verwaltungs- und Vertriebstätigkeiten werden weder Werkstoffe des Baugewerbes verwendet, noch werden dessen Arbeitsmittel und Arbeitsmethoden angewandt.

35        (5) Dass die Bauträgertätigkeiten in Form von Entwicklung, Planung, Verwaltung und Vertrieb von Grundstücken mit Bauwerken nicht baulicher Natur sind, ergibt sich zudem aus der Systematik der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes.

36        (a) In § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 der Verfahrenstarifverträge ist vorgesehen, dass deren betrieblichem Geltungsbereich auch solche Betriebe unterfallen, die im Rahmen eines mit Betrieben des Baugewerbes bestehenden Zusammenschlusses ausschließlich oder überwiegend für die angeschlossenen Betriebe des Baugewerbes ua. die kaufmännische Verwaltung, den Vertrieb, Planungsarbeiten oder Prüfarbeiten übernehmen, soweit sie nicht von einem spezielleren Tarifvertrag erfasst werden. Wären die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen, dass alle Betriebe, die solche für die Erbringung baulicher Leistungen unerlässlichen „Vorarbeiten“ versehen, unabhängig von ihrem Zusammenschluss mit Betrieben des Baugewerbes als Betriebe des Baugewerbes gelten, wäre die Regelung des § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 der Verfahrenstarifverträge überflüssig (BAG 24. August 1994 – 10 AZR 974/93 – zu II 1 der Gründe).

37        (b) Daraus ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien die in § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes aufgezählten Angestelltentätigkeiten als nicht bauliche Tätigkeiten eingestuft haben. Sie können allerdings baulichen Charakter haben, wenn sie mit eigenen baulichen Tätigkeiten im Zusammenhang stehen oder sie – wie es § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 der Verfahrenstarifverträge vorsieht – ausschließlich oder überwiegend für einen Betrieb des Baugewerbes versehen werden (vgl. BAG 10. September 2014 – 10 AZR 959/13 – Rn. 33, BAGE 149, 84; 15. Januar 2014 – 10 AZR 669/13 – Rn. 20 f.). Mit der Regelung in § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 der Verfahrenstarifverträge bringen die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, dass eine letztlich „nur auf dem Papier vollzogene“ Trennung von baulicher Haupttätigkeit und damit im Zusammenhang stehender Angestelltentätigkeit nicht dazu führt, dass der Arbeitgeber für die Arbeitnehmer, die die Zusammenhangstätigkeiten versehen, nicht beitragspflichtig ist. Dem liegt zugrunde, dass die genannten Tätigkeiten – wenn sie im eigenen Betrieb im Zusammenhang mit eigenen baugewerblichen Tätigkeiten verrichtet werden – ohne weitere Voraussetzungen als Zusammenhangstätigkeiten erfasst sind. Auf die Voraussetzungen, die der Senat für andere, in den Verfahrenstarifverträgen nicht ausdrücklich aufgeführte Zusammenhangstätigkeiten aufgestellt hat, kommt es nicht an (BAG 18. Dezember 2019 – 10 AZR 141/18 – Rn. 34; 5. Juni 2019 – 10 AZR 214/18 – Rn. 33). Um die in § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 der Verfahrenstarifverträge genannten Angestelltentätigkeiten als Zusammenhangstätigkeiten mit baugewerblichen Leistungen berücksichtigen zu können, ist es daher nicht erforderlich, dass sie unmittelbar zur Ausführung der jeweiligen Bautätigkeit erforderlich sind, dieser üblicherweise von ihrer Wertigkeit her untergeordnet sind und deshalb regelmäßig auch von ungelernten Hilfskräften verrichtet werden können.

38        (6) Auch der Einsatz von Subunternehmen führt allein nicht dazu, dass die Bauträgertätigkeit als bauliche Tätigkeit einzustufen ist. Etwas anderes kann gelten, wenn dem Arbeitgeber, der einen Bauträgerbetrieb unterhält, die baulichen Hauptleistungen des Subunternehmens zugerechnet werden müssen.

39        (a) Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Arbeitgeber die Hauptleistungen einem Subunternehmen anvertraut, sie beaufsichtigt und mit den von ihm selbst erbrachten Nebenleistungen koordiniert. Werden Nebenleistungen und Bauleistungen in einem engen organisatorischen Zusammenhang einheitlich geleitet, kann durch eine „nur auf dem Papier stehende“, für die Arbeitspraxis folgenlose Trennung der Nebenarbeiten von den Hauptarbeiten nicht vermieden werden, dass die Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes zur Anwendung kommen. Dabei ist nicht entscheidend, welches der mehreren zusammenwirkenden Unternehmen als „Subunternehmen“ anzusehen ist, wer wen mit welchen Tätigkeiten beauftragt hat und welche Abrechnungswege dabei gewählt werden. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Zusammenarbeit die Voraussetzungen erfüllt, die von der Rechtsprechung daran gestellt werden, um einen gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen (Gemeinschaftsbetrieb) annehmen zu können. Maßgeblich ist, ob die baulichen Hauptleistungen und die Nebenleistungen unter einer einheitlichen Leitung im Wesentlichen so organisiert werden, wie das in einem Baubetrieb der Fall ist, in dem sie nicht getrennten Unternehmen zugewiesen sind. Diese Voraussetzung ist regelmäßig gegeben, wenn die Arbeitsanweisungen auf den Baustellen für die Bauleistungen und die Nebenleistungen von ein und derselben Person oder von mehreren Personen koordiniert ausgeübt werden. Ist das der Fall, spricht alles dafür, dass die sachgerechte Ausführung der baulichen Arbeit die Koordination der Bauleistungen und der Nebenleistungen erfordert (BAG 27. Januar 2021 – 10 AZR 138/19 – Rn. 46 f.).

40        (b) Die Zurechnung der baulichen Haupttätigkeit des Subunternehmens führt entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht dazu, dass die Arbeitsstunden der gewerblichen Arbeitnehmer des Subunternehmens zu der betrieblichen Gesamtarbeitszeit des in Anspruch genommenen Arbeitgebers gehören. Bezugspunkt, um die betriebliche Gesamtarbeitszeit zu ermitteln, ist der Betrieb des Arbeitgebers, der Beiträge leisten soll. Schaltet er ein Subunternehmen ein, kann ihm unter den genannten Voraussetzungen allein der bauliche Charakter der Tätigkeit des Subunternehmens zugerechnet werden. Auf diese Weise wird es ermöglicht, Zusammenhangsarbeiten, die der Betrieb des Arbeitgebers erbringt, auch ohne eigene bauliche Haupttätigkeit als baugewerbliche Tätigkeit zu qualifizieren.

41        b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen könnte die Beklagte jedoch auch für die Angestellten der Beitragspflicht nach den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes unterliegen. Dies wäre der Fall, wenn es sich um einen rein baugewerblichen Betrieb handelte. Dafür müssten die als Bauträgertätigkeit dargestellten Arbeiten Zusammenhangsarbeiten zu baulichen Hauptleistungen sein. Zudem müssten diese Arbeiten insgesamt arbeitszeitlich überwiegend versehen werden. Der betriebliche Geltungsbereich wäre auch eröffnet, wenn es sich um einen sog. Mischbetrieb handelte und in dem Betrieb der Beklagten neben der klassischen Bauträgertätigkeit auch baugewerbliche Tätigkeiten versehen würden und die baugewerblichen Arbeiten einschließlich der mit ihnen zusammenhängenden Angestelltentätigkeiten arbeitszeitlich den überwiegenden Anteil an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausmachten. In beiden Konstellationen steht dem nicht entgegen, dass das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen ist, die beiden gewerblichen Arbeitnehmer bildeten eine selbständige Betriebsabteilung iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV 2015. Da die Beklagte gegen die stattgebende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts keinen Rechtsbehelf eingelegt hat und kein Rechtsmittel einlegen konnte, ist die Verpflichtung, Beiträge für die beiden im Streitzeitraum beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer zu leisten, in Rechtskraft erwachsen. Dies ist bei der Annahme, die gewerblichen Arbeitnehmer bildeten eine selbständige Betriebsabteilung, nicht der Fall. Insoweit handelt es sich um ein bloßes Urteilselement, das von der Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 1 ZPO nicht erfasst wird (vgl. BAG 15. November 2018 – 6 AZR 522/17 – Rn. 32, BAGE 164, 168). Schließlich wäre der betriebliche Geltungsbereich auch eröffnet, wenn die gewerblichen Arbeitnehmer – wie vom Landesarbeitsgericht angenommen – als selbständige Betriebsabteilung iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 der Verfahrenstarifverträge anzusehen wären und der die Angestellten umfassende Betrieb einen Zusammenschluss iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 der Verfahrenstarifverträge mit der selbständigen Betriebsabteilung bildete. Erforderlich wäre in diesem Fall, dass die in der Tarifnorm aufgezählten Tätigkeiten im Betrieb von den Angestellten überwiegend oder ausschließlich für die selbständige Betriebsabteilung erbracht würden.

42        aa) Die als klassische Bauträgertätigkeiten definierten Arbeiten sind nach der Systematik der Verfahrenstarifverträge zwar grundsätzlich als nicht bauliche Leistungen eingestuft. Werden sie jedoch im Zusammenhang mit einer baulichen Haupttätigkeit versehen, stellen sie Zusammenhangstätigkeiten dar, denen baulicher Charakter zukommt. Das ergibt sich aus § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 der Verfahrenstarifverträge.

43        bb) Nach der nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Beweiswürdigung durch das Landesarbeitsgericht hat der Senat davon auszugehen, dass einer der auf den Baustellen eingesetzten Arbeitnehmer zu 70 % Kran- und Maschinenführertätigkeiten im Zusammenhang mit Maurer- und Hochbauarbeiten erbracht hat. Diese Arbeiten werden von den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes als Hochbauarbeiten nach deren § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 20 und als Maurerarbeiten nach deren § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 23 erfasst. Der weitere auf den Baustellen tätige Arbeitnehmer hat damit im Zusammenhang stehende Kontroll- und Koordinationsaufgaben versehen.

44        cc) Das Landesarbeitsgericht hat zwar erkannt, dass die von den Angestellten der Beklagten versehenen Tätigkeiten auch die baulichen Leistungen betreffen können. Es hat die Tätigkeiten jedoch nicht dahin überprüft, ob sie Teil der Bauträgertätigkeiten sind und/oder mit den baugewerblichen Arbeiten zusammenhängen. Der Senat stimmt der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht zu, es sei Sache des Klägers anzugeben, wie sich die Arbeiten der Angestellten auf die baulichen und nicht baulichen Leistungen verteilen. Das kann der außerhalb des Betriebs stehende Kläger regelmäßig nicht. Der Kläger genügt daher seiner Darlegungslast, wenn er – ohne Behauptungen ins Blaue hinein aufzustellen – Anhaltspunkte für einen Baubetrieb nennt und behauptet, die versehenen Angestelltentätigkeiten stünden im Zusammenhang mit den baulichen Leistungen. Im Rahmen des substantiierten Bestreitens nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegt es dem in Anspruch genommenen Arbeitgeber, entsprechende Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang welche Tätigkeiten ausgeübt wurden und welchem Zweck sie dienten (Rn. 25 dieses Urteils).

45        B. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist nicht aus anderen Gründen richtig (§ 561 ZPO). Die Klage wahrt die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger hat die Ansprüche zudem rechtzeitig geltend gemacht.

46        I. Die klageabweisende Entscheidung ist nicht deshalb aufrecht zu erhalten, weil die Klage nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist.

47        1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben einem bestimmten Antrag auch eine bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Ob der Streitgegenstand hinreichend bestimmt ist, ist auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (BAG 15. Juli 2020 – 10 AZR 337/18 – Rn. 16; 30. Oktober 2019 – 10 AZR 177/18 – Rn. 15, BAGE 168, 290; 26. Januar 2017 – 8 AZR 848/13 – Rn. 29). Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Dazu hat sie den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat. Bei mehreren im Weg einer objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO in einer Klage verfolgten Ansprüchen muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die „Gesamtklage“ zusammensetzt (BAG 17. Juni 2020 – 10 AZR 322/18 – Rn. 11; 27. November 2019 – 10 AZR 476/18 – Rn. 11 mwN, BAGE 168, 374).

48        2. Der prozessuale Anspruch einer Klage der Sozialkasse auf Beiträge für Angestellte ist jeweils der auf der Grundlage der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes für jeden einzelnen beschäftigten Angestellten in einem Kalendermonat anfallende Beitrag.

49        a) Dabei handelt es sich um einen festen Betrag, der grundsätzlich monatlich für jeden Angestellten anfällt. Nur wenn das Arbeitsverhältnis eines Angestellten im Lauf des Monats beginnt oder endet, schuldet der Arbeitgeber einen der Beschäftigungszeit entsprechenden anteiligen Beitrag (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 1 VTV 2015). Im Unterschied zu den Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer macht die Sozialkasse bei Beiträgen für Angestellte für die einzelnen Monate keinen einheitlichen Beitragsanspruch, sondern im Weg der objektiven Klagehäufung zusammengefasste Einzelansprüche für die jeweilige Zahl der beschäftigten Angestellten geltend. Erforderlich ist es daher, die Zahl der beschäftigten Angestellten unter Angabe des jeweiligen Monats zu benennen. Nur im Fall einer nicht den ganzen Kalendermonat umfassenden Beschäftigung ist zusätzlich die Zahl der davon betroffenen Angestellten unter Angabe der jeweiligen Arbeitstage im maßgeblichen Monat zu bezeichnen (BAG 17. Juni 2020 – 10 AZR 322/18 – Rn. 13; 27. November 2019 – 10 AZR 476/18 – Rn. 25, BAGE 168, 374).

50        b) Demgegenüber muss die Sozialkasse die Angestellten, für die sie Beiträge erstrebt, nicht namentlich benennen oder in anderer Weise individualisieren, um den Streitgegenstand zu bestimmen. Die Beiträge für Angestellte bestimmen sich allein nach der Zahl der beschäftigten Angestellten und der Beschäftigungstage im Kalendermonat, wobei im Regelfall von einem vollen Kalendermonat auszugehen ist. Auf darüber hinausgehende individuelle Eigenschaften kommt es nicht an (BAG 27. November 2019 – 10 AZR 476/18 – Rn. 26, BAGE 168, 374).

51        3. Unter Berücksichtigung dessen sind die mit den Mahnanträgen verfolgten Ansprüche in einer § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO – noch – genügenden Weise individualisiert. Die Mahnanträge enthalten die jeweiligen Monate, die Angabe, dass es sich um Beiträge für Angestellte handelt, und die Beitragssummen. Nicht angegeben ist die Zahl der Angestellten. Allerdings kann mit Hilfe des Festbeitrags, auf den die Anspruchsbegründungen auf der Rückseite der Mahnanträge verweisen, ermittelt werden, um wie viele Angestellte es sich handelt. Mangels anderweitiger Angaben kann zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass für jeden Monat eine gleichbleibende Zahl an Angestellten zugrunde zu legen ist.

52        II. Die Klageabweisung kann ferner nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger die tarifliche Ausschlussfrist versäumt hat. Er hat die Ansprüche rechtzeitig und hinreichend individualisiert geltend gemacht.

53        1. Der Verfall der Ansprüche richtet sich nach § 21 Abs. 1 VTV 2015. Die Verfallfrist beträgt danach vier Jahre. § 199 BGB ist anzuwenden. Für den Beginn der Verfallfrist ist auf den Zeitpunkt der Fälligkeit abzustellen, weil ein Anspruch iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB regelmäßig entsteht, wenn er nach § 271 BGB fällig ist (vgl. BAG 27. Januar 2021 – 10 AZR 138/19 – Rn. 56; 16. September 2020 – 10 AZR 9/19 – Rn. 23 mwN).

54        2. Die Beitragsansprüche wurden jeweils innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist anhängig und damit geltend gemacht. Der älteste Beitragsanspruch für Januar 2016 war nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV 2015 mit Montag, dem 22. Februar 2016, fällig (vgl. zu der Verschiebung bei Fälligkeit an einem Samstag, Sonn- oder Feiertag auf den nächsten Werktag BAG 24. Februar 2021 – 10 AZR 236/19 – Rn. 40). Damit begann die Verfallfrist mit dem Schluss des Jahres 2016 zu laufen und endete am 31. Dezember 2020. Durch den am 27. Juni 2016 eingereichten Mahnantrag wurde der Anspruch rechtzeitig geltend gemacht (- 6 Ba 3615/16 -).

55        3. Aus den Gründen, die dafür sprechen, dass die Mahnanträge noch hinreichend bestimmt sind, waren die Ansprüche auch ausreichend individualisiert, um die Verfallfrist zu hemmen (vgl. zu diesem Erfordernis BAG 24. Februar 2021 – 10 AZR 43/19 – Rn. 46 mwN).

56        C. Auf der Grundlage des vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts kann der Senat in der Sache nicht nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob und ggf. in welchem Umfang die Angestelltentätigkeiten den baugewerblichen Leistungen hinzuzurechnen sind. Es hat nicht geprüft, ob die Arbeitnehmer der Beklagten im Streitzeitraum dadurch arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten versehen haben.

57        I. Der Vortrag des Klägers ist bereits nicht schlüssig. Die im Betrieb der Beklagten auch versehenen Tätigkeiten eines Bauträgers können allein nicht begründen, dass der Betrieb der Beklagten den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes unterfällt. Für die in Betracht kommende Zusammenrechnung der Angestelltentätigkeiten mit den ebenfalls versehenen baugewerblichen Tätigkeiten fehlen entsprechende Tatsachenbehauptungen. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass und in welchem Zusammenhang die von den Angestellten versehenen Tätigkeiten mit den baugewerblichen Tätigkeiten stehen. Da der Senat diese Voraussetzung erstmals aufstellt, kann die Klage nicht ohne entsprechenden Hinweis nach § 139 Abs. 2 Satz 2 ZPO abgewiesen werden. Dem Kläger ist Gelegenheit zu geben, hierzu Sachvortrag zu halten.

58        II. Entsprechendes gilt für die Beklagte. Auch ihr ist mit Blick auf die vom Senat aufgestellten Anforderungen an das substantiierte Bestreiten iSv. § 138 Abs. 2 ZPO Gelegenheit zu geben, ggf. entsprechende Tatsachen vorzutragen.

stats