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Arbeitsrecht
28.05.2015
Arbeitsrecht
BAG: Kündigung im Kleinbetrieb - mutterschutzrechtliches Kündigungsverbot - Beginn der Schwangerschaft bei In-vitro-Fertilisation - Diskriminierung wegen des Geschlechts - Beweislastregel

Das BAG hat mit Urteil vom 26.3.2015 — 2 AZR 237/14 wie folgt entschieden:

1. Bei natürlicher Empfängnis bestimmt sich der Beginn der Schwangerschaft iSv. § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG in der Weise, dass entsprechend § 5 Abs. 2 Satz 1 MuSchG von dem ärztlich festgestellten voraussichtlichen Tag der Entbindung um 280 Tage zurückgerechnet wird.

2. Im Fall einer Schwangerschaft aufgrund einer Befruchtung außerhalb des Körpers (In-vitro-Fertilisation) greift das Kündigungsverbot des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG bereits ab dem Zeitpunkt der Einsetzung einer befruchteten Eizelle in die Gebärmutter (Embryonentransfer) und - ebenso wie bei natürlicher Empfängnis - nicht erst ab dem Zeitpunkt ihrer Einnistung (Nidation).

3. Der Zeitpunkt des Embryonentransfers ist Gegenstand tatrichterlicher Würdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO. Die Arbeitnehmerin kommt ihrer Darlegungslast zunächst durch die Vorlage einer ihn ausweisenden ärztlichen Bescheinigung nach.

4. Eine außerhalb des zeitlichen oder betrieblichen Anwendungsbereichs des KSchG ausgesprochene Kündigung ist nach § 134 BGB iVm. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG aufgrund einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts nichtig, wenn sie wegen der - beabsichtigten - Durchführung einer In-vitro-Fertilisation und der damit einhergehenden Möglichkeit einer Schwangerschaft erklärt wird.

5. Die Beweislastregel des § 22 AGG wirkt sich auf die Verteilung der Darlegungslast aus. Es genügt, wenn die Arbeitnehmerin Indizien vorträgt und im Streitfall beweist, die eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Ist dies der Fall, muss der Arbeitgeber das Gegenteil beweisen. Die Würdigung des wechselseitigen Parteivorbringens obliegt den Tatsachengerichten. Sie ist nur beschränkt revisibel.

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