BAG: Druckkündigung nach außerdienstlicher Straftat
Das BAG hat mit Urteil vom 15.12.2016 – 2 AZR 431/15 – wie folgt entschieden:
1. Das ernstliche Verlangen der Belegschaft, die unter Androhung von Nachteilen vom Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers fordert, kann auch dann einen Grund zur Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bilden, wenn es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung fehlt. Eine solche „echte“ Druckkündigung unterliegt jedoch strengen Anforderungen. Insbesondere muss sich der Arbeitgeber schützend vor den Betroffenen stellen und alles Zumutbare versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Nur wenn trotz seiner Bemühungen die Verwirklichung der Drohung in Aussicht gestellt wird und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden.
2. Dem Arbeitgeber stehen bei einer Drohung der Belegschaft mit Arbeitsniederlegungen andere Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung als bei einer Drohung mit Eigen- oder Auftragskündigungen. Arbeitnehmer, die ihre Arbeit verweigern, weil der Arbeitgeber einem - unberechtigten - Kündigungsverlangen nicht nachkommt, verletzen ihre arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten. Es ist dem Arbeitgeber stets zumutbar, sie darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten einen schwer wiegenden, nach Abmahnung ggf. zur Kündigung berechtigenden Vertragsbruch darstellt und ihnen für die ausfallende Arbeit kein Entgelt zusteht.
3. Hat der Arbeitgeber bereits unwirksam gekündigt und soll der Arbeitnehmer nach erfolgreichem Kündigungsschutzprozess wieder beschäftigt werden, ist der Arbeitgeber außerdem gehalten, dem aufgrund der vorausgegangenen Kündigung möglichen subjektiven Eindruck der weiter eine Entlassung fordernden Mitarbeiter entgegenzuwirken, eine Druckausübung komme ihm „gerade recht“, um doch noch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen. Er muss deshalb auch dem Kündigungsverlangen als solchem entgegentreten. Der Arbeitgeber muss deutlich machen, dass es für eine Entlassung keinen Grund gibt und dass aus seiner Sicht eine Entlassung ohne das Vorliegen objektiv geeigneter Kündigungsgründe ausgeschlossen ist.
4. Diese Obliegenheiten des Arbeitgebers entfallen nicht etwa dann, wenn Anlass für die Druckausübung eine als moralisch besonders verwerflich empfundene Straftat des Arbeitnehmers ist, die jedoch keinerlei Bezug zu seiner dienstlichen Tätigkeit hat. Der Arbeitgeber ist auch in einem solchen Fall gehalten, dem möglichen Eindruck entgegen zu wirken, er habe für das - unberechtigte - Entlassungsverlangen Verständnis.