Regierungsentwurf zur Umsetzung des Public Country by Country Reporting on Taxes – mehr Steuertransparenz, möglichst wenig zusätzliche Bürokratie
Der Regierungsentwurf setzt das durch die Richtlinie vorgegebene Transparenzziel möglichst schonend um.
Am 7.12.2022 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2101 (ABlEU vom 1.12.2021, L 429, 1) im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen beschlossen. Herzstück des Gesetzentwurfs ist ein neuer Unterabschnitt im Vierten Abschnitt des Dritten Buchs des Handelsgesetzbuchs, der die Richtlinienvorgaben für eine öffentliche Berichterstattung über Ertragsteuerinformationen (sog. Public Country by Country Reporting on Taxes) umsetzen soll. Betroffen sind multinationale Unternehmen und Konzerne mit Umsatzerlösen von mehr als 750 Mio. Euro in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren, wenn sie in Deutschland ansässig sind oder ihren Sitz in einem Drittstaat und hierzulande Tochterunternehmen oder Zweigniederlassungen einer bestimmten Größe haben. Die zu erstellenden Ertragsteuerinformationsberichte müssen – aufgeschlüsselt nach Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums und bestimmten weiteren (teilweise als “Steueroasen” bezeichneten) Steuerhoheitsgebieten – die Art der Geschäftstätigkeiten, die Anzahl der Arbeitnehmer, die Erträge, den Gewinn oder Verlust vor Ertragsteuern, die zu zahlende und die gezahlte Ertragsteuer sowie die einbehaltenen Gewinne angeben. Die Berichte sind im Unternehmensregister offenzulegen und grundsätzlich auch auf der Unternehmenswebsite zu veröffentlichen. Ziel ist eine informierte öffentliche Debatte darüber, ob die betroffenen Unternehmen und Konzerne ihren Beitrag zum Gemeinwohl auch dort leisten, wo sie tätig sind und Gewinne erwirtschaften. Die Richtlinie ist bis zum 22.6.2023 umzusetzen.
Mehrere Jahre hatte es gedauert, bis sich die EU-Gesetzgeber auf die neuen Vorgaben zur Steuertransparenz einigen konnten. Groß waren die Bedenken mancher gewesen, die öffentliche Berichterstattung könnte erhebliche zusätzliche Kosten für die berichtspflichtigen EU-Unternehmen und Konzerne verursachen und sie gegenüber ihren nichteuropäischen Wettbewerbern ungerechtfertigt benachteiligen (s. dazu auch Freiberg, BB 47/2022, Die Erste Seite). Indes: Die neue handelsrechtliche Berichtspflicht soll die betroffenen Unternehmen und Konzerne nicht über Gebühr belasten. Daher dürfen die Berichtersteller bei entsprechender Begründung Angaben, die den in den Ertragsteuerinformationsbericht einzubeziehenden Unternehmen einen erheblichen Nachteil zufügen würden, für maximal fünf Jahre bei der Berichterstattung weglassen. Der Gesetzentwurf macht insoweit in größtmöglichem Umfang von einem in der Richtlinie vorgesehenen Mitgliedstaatenwahlrecht Gebrauch. Darüber hinaus haben die Berichtersteller die Möglichkeit, für die Erfüllung der handelsrechtlichen Berichtspflicht auf diejenigen Angaben zurückzugreifen, die sie im Einklang mit den Berichterstattungsvorgaben der EU-Amtshilferichtlinie (Richtlinie 2011/16/EU, ABlEU vom 11.3.2011, L 64, 1) gem. § 138a AO an die Finanzverwaltung übermitteln. Insgesamt setzt der Gesetzentwurf das durch die Richtlinie (EU) 2021/2101 vorgegebene Transparenzziel möglichst schonend um.
Mit den neuen Vorgaben zur handelsrechtlichen Steuertransparenz nimmt eine Entwicklung ihren Fortgang, die mit der durch das Bilanzrechtsreformgesetz vom 4.12.2004 (BGBl. I, 3166) eingeführten Lageberichterstattung zu nichtfinanziellen Leistungsindikatoren ihren Ausgangspunkt nahm und die seither durch eine Reihe gesetzlicher Änderungen vorangetrieben wurde. Zu nennen sind hier insbesondere die Einführung der Pflicht zur Abgabe einer Erklärung zur Unternehmensführung durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 25.5.2009 (BGBl. I, 1102), die Einführung einer Pflicht zur Zahlungsberichterstattung für bestimmte Unternehmen des Rohstoffsektors durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 17.7.2015 (BGBl. I, 1245) sowie die Erweiterung der Pflicht zur nichtfinanziellen Berichterstattung für bestimmte große Unternehmen durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz vom 11.4.2017 (BGBl. I, 802). Das mit “Handelsbücher” überschriebene Dritte Buch des Handelsgesetzbuchs entwickelt sich kontinuierlich weiter zu einem Recht der (breit angelegten) Unternehmensberichterstattung, das mehr und mehr Berichtsvorgaben zu Nachhaltigkeitsaspekten umfasst. Auch die Berichterstattung über Ertragsteuerinformationen ist im weiteren Sinne Nachhaltigkeitsberichterstattung: Investoren, Beschäftigte, öffentliche Institutionen, die Zivilgesellschaft – allgemein alle Interessierten – sollen sich ein Bild davon machen können, ob multinationale umsatzstarke Unternehmen und Konzerne ihren Beitrag zum Wohl der Allgemeinheit leisten. Diese Entwicklung des Handelsbilanzrechts von einem “Accounting Law” hin zu einem “Corporate Reporting Law” schreitet in rasantem Tempo voran. Ende letzten Jahres, am 16.12.2022, wurde die Corporate Sustainabilty Reporting Directive (Richtlinie (EU) 2022/2464) im Amtsblatt der EU (L 322, 15) verkündet. Die Umsetzung dieser Richtlinie muss bis zum 6.7.2024 erfolgen. Nach der Umsetzung der Steuertransparenzvorgaben ist daher vor der Umsetzung weiterer umfassender Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung!
Dr. Christian Eichholz ist Leiter des Referats für Bilanzrecht und Recht der Abschlussprüfung im Bundesministerium der Justiz in Berlin. Dort war er zuvor in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht, Beteiligungsführung und Bürokratieabbau tätig. Der Beitrag stellt seine persönliche Meinung dar.