Im Blickpunkt
Amazon kommt nicht zur Ruhe. Nachdem das Verwaltungsgericht Hannover dem Onlinehändler Amazon kürzlich den Einsatz von Handscannern in dessen Logistikzentrum in Winsen (Luhe) zur Erfassung bestimmter Arbeitsschritte innerhalb der jeweiligen Prozesspfade von Warenein- bis Warenausgang bestätigte und darin keinen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Grundlagen sah (Urteil vom 9.2.2023 – 10 A 6199/20), hatte sich das Arbeitsgericht Lüneburg jüngst ebenfalls mit einem Sachverhalt bei dem Versandhändler zu befassen (Beschluss vom 5.4.2023 – 2 BV 6/22). Das Arbeitsgericht erteilte dem Versandhändler erstinstanzlich die Erlaubnis zur fristlosen Kündigung eines Betriebsratsvorsitzenden in seinem Logistikzentrum Winsen (Luhe). Da der örtliche Betriebsrat die Maßnahme abgelehnt hatte, war vom Unternehmen gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG eine sog. Zustimmungsersetzung beantragt worden, welche das Gericht aussprach. Nach der Entscheidung ist – nachvollziehbar – das eigenmächtige vorzeitige Verlassen eines Betriebsrätetages durch einen Betriebsratsvorsitzenden, um privaten Interessen nachzugehen, in der Zusammenschau mit dem Verdacht einer versuchten Täuschung über stattdessen geleistete Betriebsratstätigkeit geeignet, das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers tiefgreifend zu erschüttern. Ein solches Verhalten rechtfertigt, so das Arbeitsgericht, den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung. Bereits das eigenmächtige Verlassen stelle einen schwerwiegenden Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten dar. Darüber hinaus bestand nach Überzeugung der Kammer zumindest der dringende Verdacht, dass der Betriebsratsvorsitzende in seinem Arbeitszeitnachweis bewusst falsche Angaben gemacht hatte. Die vom Betriebsratsvorsitzenden abgegebene Begründung, anderweitige Betriebsratsarbeit geleistet zu haben, hielt die Kammer nicht für glaubhaft. Sie stehe auch im Widerspruch zu Erklärungen, die der Betriebsratsvorsitzende nach der Rückkehr gegenüber anderen mitgereisten Betriebsratsmitgliedern abgegeben hatte. Ob das Verfahren in die Berufung geht und mit welcher Begründung, bleibt abzuwarten.
Prof. Dr. Christian Pelke, Ressortleiter Arbeitsrecht