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Steuerrecht
04.04.2024
Steuerrecht
BFH: Verfassungsmäßigkeit des SolZG 1995

BFH, Urteil vom 20.2.2024 – IX R 27/23 (II R 27/15)

ECLI:DE:BFH:2024:U.200224.IXR27.23.0

Volltext BB-Online BBL2024-789-1

Amtlicher Leitsatz

Die Erhebung des Solidaritätszuschlags für die Jahre 1999 bis 2002 ist verfassungsgemäß. Der Zuschlag stellt in diesem Zeitraum eine finanzverfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe gemäß Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes dar.

 

Sachverhalt

Streitig ist die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 (SolZG 1995) für die Jahre 1999 bis 2002.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten. Sie wurden für die Streitjahre 1999 bis 2002 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte für die Streitjahre neben Einkommensteuer jeweils Solidaritätszuschlag fest. Mit den hiergegen gerichteten Einsprüchen führten die Kläger im Kern an, das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 verletze wegen einer Übermaßbesteuerung das Grundgesetz (GG).

Während der Einspruchsverfahren ergingen für jedes Streitjahr mehrmals Änderungsfestsetzungen zur Einkommensteuer und ‑‑hieran anknüpfend‑‑ zum Solidaritätszuschlag, die die Kläger jeweils erneut mit dem Einspruch anfochten. Der insoweit jeweils letzte Änderungsbescheid vom 13.08.2007 wies Solidaritätszuschlag für das Jahr 1999 von … €, für 2000 von … €, für 2001 von … € sowie für 2002 von … € aus.

Die obersten Finanzbehörden der Länder erließen am 22.07.2008 eine Allgemeinverfügung gemäß § 367 Abs. 2b der Abgabenordnung (AO), mit der unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11.02.2008 - 2 BvR 1708/06 sämtliche am 22.07.2008 anhängige und zulässige Einsprüche gegen Festsetzungen des Solidaritätszuschlags zurückgewiesen wurden, soweit geltend gemacht worden war, das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 sei verfassungswidrig. Die Allgemeinverfügung wurde am 18.08.2008 im Bundessteuerblatt veröffentlicht (BStBl I 2008, 747). Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) haben die Kläger hiergegen keine Klage erhoben.

In der Folgezeit änderte das FA die Festsetzungen zur Einkommensteuer und folglich zum Solidaritätszuschlag ‑‑zum Teil mehrfach‑‑ erneut. Gegen die Bescheide legten die Kläger wiederum Einspruch ein.

Das FA wies die gegen den Solidaritätszuschlag gerichteten Einsprüche mit zusammengefasster Entscheidung vom 20.01.2012 zurück. Für die Streitjahre 1999, 2001 und 2002 seien die Einsprüche bereits deshalb unbegründet, da die letzten Festsetzungen des Solidaritätszuschlags betragsmäßig unter denen vom 13.08.2007 lägen und aufgrund der nicht angefochtenen Allgemeinverfügung vom 22.07.2008 Bestandskraft eingetreten sei (§ 351 Abs. 1 AO). Im Übrigen sei durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, dass das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 nicht verfassungswidrig sei.

Während des Klageverfahrens ergingen erneut geänderte Bescheide über den Solidaritätszuschlag. Für das Jahr 1999 setzte das FA den Zuschlag mit Bescheid vom 31.08.2012 auf … € herab. Der Solidaritätszuschlag für das Jahr 2000 wurde ebenfalls mit Bescheid vom 31.08.2012 in Höhe von … € festgesetzt, für das Jahr 2001 zuletzt mit Bescheid vom 24.10.2014 in Höhe von … € und für das Jahr 2002 zuletzt mit Bescheid vom 31.10.2012 in Höhe von … €.

Das FG wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1389 veröffentlichtem Urteil vom 25.09.2014 ab.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das angefochtene Urteil und die Festsetzungen des Solidaritätszuschlags für die Jahre 1999 bis 2002 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Es tritt der Revision entgegen.

Auch während des Revisionsverfahrens hat das FA den Solidaritätszuschlag jeweils erneut geändert. Für das Streitjahr 1999 (Bescheide vom 07.10.2015, 27.01.2017 und 21.02.2017) hat es den Zuschlag zuletzt mit … € festgesetzt, für 2000 (Bescheide vom 07.10.2015 und 27.01.2017) zuletzt in Höhe von … €, für 2001 (Bescheide vom 07.10.2015 und 27.01.2017) zuletzt in Höhe von … € sowie für 2002 (Bescheide vom 07.10.2015 und 21.01.2016) zuletzt in Höhe von … €.

Der seinerzeit für das vorliegende Revisionsverfahren geschäftsplanmäßig zuständige II. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat das Verfahren unter dem Aktenzeichen II R 27/15 mit Beschluss vom 22.10.2015 wegen des damals beim BVerfG anhängigen Normenkontrollverfahrens 2 BvL 6/14 ausgesetzt. Nach der Entscheidung des BVerfG vom 07.06.2023 - 2 BvL 6/14 ist das Revisionsverfahren wieder aufgenommen und durch den inzwischen geschäftsplanmäßig für Streitfragen zum Solidaritätszuschlaggesetz zuständig gewordenen IX. Senat des BFH unter dem vorliegenden Aktenzeichen fortgeführt worden.

Aus den Gründen

16        II. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben; einer Zurückverweisung an das FG bedarf es nicht (dazu unter 1.). In der Sache hat die Revision keinen Erfolg und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Klageabweisung (unter 2.).

 

17        1. Die angefochtenen Bescheide über den Solidaritätszuschlag sind für sämtliche Streitjahre ‑‑zum Teil mehrfach‑‑ während des Revisionsverfahrens geändert worden. Aus diesem Grund ist die vorinstanzliche Entscheidung aufzuheben. Einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG bedarf es aber nicht.

 

18        Die im Nachgang zur vorinstanzlichen Entscheidung vom 25.09.2014 erlassenen Bescheide über den Solidaritätszuschlag für das Streitjahr 1999 vom 07.10.2015, 27.01.2017 und 21.02.2017 sind Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden (§ 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1, § 127 FGO). Gleiches gilt für die die Streitjahre 2000 und 2001 betreffenden Bescheide jeweils vom 07.10.2015 und 27.01.2017 sowie für diejenigen des Streitjahres 2002 vom 07.10.2015 und 21.01.2016.

 

19        Dieser Umstand führt zur Aufhebung des Urteils aus verfahrensrechtlichen Gründen. Der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, hat sich geändert. Das vorinstanzliche Urteil ist gegenstandslos geworden (§ 127 FGO).

 

20        Allerdings sind die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen hierdurch nicht entfallen. Einer Zurückverweisung der Sache an das FG bedarf es nicht, da der Streitstoff unverändert geblieben und die Sache aufgrund der fortwirkenden Feststellungen des FG spruchreif ist. Der Senat entscheidet daher nach Maßgabe der Feststellungen des FG in der Sache selbst (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 100 FGO, statt vieler Senatsurteil vom 04.02.2020 - IX R 7/18, Rz 22).

 

21        2. Im Revisionsverfahren ist die Klage erneut abzuweisen.

 

22        Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO in ihren Rechten. Für die Streitjahre 1999, 2001 und 2002 greift die Änderungssperre des § 351 Abs. 1 AO (dazu unter a). Im Übrigen steht die Festsetzung des Solidaritätszuschlags sowohl mit den einfachgesetzlichen Vorgaben des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 (unter b) als auch mit dem Verfassungsrecht (unter c) im Einklang.

 

23        a) Für die Streitjahre 1999, 2001 und 2002 steht einem Klageerfolg bereits die verfahrensrechtliche Regelung des § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 1 AO entgegen.

 

24        aa) Gemäß § 351 Abs. 1 AO können Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt.

 

25        Die Vorschrift begrenzt die Anfechtbarkeit und damit auch die durch den Einspruch bewirkte Änderbarkeit eines Änderungsbescheids auf den Umfang der Änderung und stellt damit unter anderem klar, dass es im Übrigen bei der zuvor eingetretenen Bestandskraft bleibt (BFH-Urteil vom 20.04.2023 - III R 25/22, BFHE 280, 393, BStBl II 2023, 823, Rz 17, m.w.N.). Für das finanzgerichtliche Verfahren stellt § 42 FGO klar, dass aufgrund der Abgabenordnung erlassene Änderungs- und Folgebescheide nicht in weiterem Umfang angegriffen werden können, als sie im außergerichtlichen Vorverfahren angefochten werden können.

 

26        bb) Nach diesen Maßstäben unterliegen die Festsetzungen des Solidaritätszuschlags für die Streitjahre 1999, 2001 und 2002 der Änderungssperre des § 351 Abs. 1 AO.

 

27        aaa) Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass die Kläger ihre Einsprüche gegen die Bescheide über die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für die Streitjahre mit der von ihnen angenommenen Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 begründet hatten. Diese Einsprüche wurden durch die am 18.08.2008 veröffentlichte Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden der Länder vom 22.07.2008 (BStBl I 2008, 747) gemäß § 367 Abs. 2b AO zurückgewiesen. Die Festsetzungen des Solidaritätszuschlags für die Streitjahre 1999 bis 2002 wurden nach Ablauf der Jahresfrist des § 367 Abs. 2b Satz 5 AO somit bestandskräftig und unterlagen im Umfang der letzten ‑‑vor der Allgemeinverfügung bekannt gegebenen‑‑ Festsetzung fortan grundsätzlich einer Änderungssperre gemäß § 351 Abs. 1 AO (1999: … €; 2000: … €; 2001: … €; 2002: … €). Die zuletzt ‑‑während des Revisionsverfahrens‑‑ ergangenen und nach §§ 68, 121 Satz 1 FGO maßgeblichen Festsetzungen liegen für die Jahre 1999, 2001 und 2002 jeweils betragsmäßig unter den vorgenannten Werten (1999: … € [Bescheid vom 21.02.2017]; 2001: … € [Bescheid vom 27.01.2017]; 2002: … € [Bescheid vom 21.01.2016]) und könnten selbst bei materieller Begründetheit keine weitere Herabsetzung erfahren.

 

28        Für die Ansicht des FG, die Änderungssperre des § 351 Abs. 1 AO sei nicht anwendbar, da die Kläger "vollumfänglich" und nicht nur mit verfassungsrechtlichen Erwägungen Einspruch gegen die Festsetzungen des Solidaritätszuschlags eingelegt hätten, besteht in Anbetracht der Einspruchsschreiben sowie der Angaben der Kläger sowohl im außergerichtlichen als auch im gerichtlichen Verfahren kein Raum. Zuletzt in der Revisionsbegründung haben die Kläger ausgeführt, die Festsetzung des Solidaritätszuschlags sei einfachgesetzlich nicht zu beanstanden. Dies hat zur Folge, dass die Einsprüche durch die Allgemeinverfügung vom 22.07.2008 in Gänze und nicht nur hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Gründe zurückgewiesen wurden; offene "Rest-Einsprüche" verblieben nicht (zu einer insoweit vergleichbaren Konstellation zutreffend FG Düsseldorf, Zwischenurteil vom 28.06.2008 - 9 K 2592/16 E,AO, EFG 2018, 1424, Rz 20 f, unter Hinweis auf BTDrucks 16/3368, S. 26; ebenso Seer in Tipke/Kruse, § 367 AO Rz 69; a.A. Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 367, Nr. 7.2).

 

29        bbb) Anderes gilt für das Streitjahr 2000. Der letzte Änderungsbescheid vom 27.01.2017 liegt mit einer Festsetzung des Solidaritätszuschlags von … € über der seinerzeit bestandskräftig gewordenen Festsetzung von … €. Soweit diese Änderung reicht, das heißt in Höhe von … €, greift § 351 Abs. 1 AO nicht.

 

30        b) Soweit es im vorliegenden Verfahren noch darauf ankommt (Streitjahr 2000), entspricht die mit dem letzten Änderungsbescheid vom 27.01.2017 erfolgte Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Jahr 2000 den einfachgesetzlichen Regelungen des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995.

 

31        aa) Der Solidaritätszuschlag beträgt nach § 4 Satz 1 SolZG 1995  5,5 % der Bemessungsgrundlage. Er bemisst sich nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG 1995 vorbehaltlich der Absätze 2 bis 5, soweit eine Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vorzunehmen ist, nach der nach Absatz 2 berechneten Einkommensteuer oder der festgesetzten Körperschaftsteuer für Veranlagungszeiträume ab 1998, vermindert um die anzurechnende oder vergütete Körperschaftsteuer, wenn ein positiver Betrag verbleibt. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ist Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag die Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre (§ 3 Abs. 2 SolZG 1995).

 

32        bb) Der festgesetzte Solidaritätszuschlag für das Jahr 2000 in Höhe von … € (= … DM) ist zutreffend aus der festgesetzten Einkommensteuer abgeleitet (festgesetzte Einkommensteuer … DM ./. anzurechnende Körperschaftsteuer … DM = … DM = … €).

 

33        cc) Über die Richtigkeit der vorgenannten Zahlen und der einfachgesetzlichen Rechtmäßigkeit der Ermittlung des festzusetzenden Solidaritätszuschlags bestand und besteht zwischen den Beteiligten ‑‑wie oben ausgeführt‑‑ keine Divergenz, sodass der Senat von weiteren Ausführungen absieht.

 

34        c) Die von den Klägern angeführten verfassungsrechtlichen Einwendungen greifen nicht durch. Der BFH hat bereits mehrfach ‑‑zuletzt im Jahr 2023‑‑ entschieden, dass aus seiner Sicht keine Veranlassung besteht, dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vorzulegen, ob die Regelungen des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 aus formellen und/oder materiellen Gründen gegen das Grundgesetz verstoßen.

 

35        aa) So hat der BFH befunden, dass der Solidaritätszuschlag den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Ergänzungsabgabe im Sinne von Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG genügt. Insbesondere ist es ‑‑abweichend zur Ansicht der Kläger‑‑ nicht geboten, eine solche Abgabe, die die Funktion hat, einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf des Bundes ohne Erhöhung der Verbrauchsteuern zu decken, von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben; die Ergänzungsabgabe darf lediglich kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein (vgl. hierzu ausführlich Senatsurteil vom 17.01.2023 - IX R 15/20, BFHE 279, 403, BStBl II 2023, 351, Rz 34 ff., m.w.N.; ebenso Beschlüsse des BVerfG vom 09.02.1972 - 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; vom 19.11.1999 - 2 BvR 1167/96, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2000, 134, unter III.1.b aa; vom 08.09.2010 - 2 BvL 3/10, Rz 3, 14).

 

36        Nach diesen Vorgaben hat der BFH die Festsetzung und Erhebung des Solidaritätszuschlags für den Veranlagungszeitraum 2005 (BFH-Urteil vom 21.07.2011 - II R 50/09), für den Veranlagungszeitraum 2007 (BFH-Urteil vom 21.07.2011 - II R 52/10, BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43), für den Veranlagungszeitraum 2011 (BFH-Urteile vom 14.11.2008 - II R 63/15, BFHE 266, 133, BStBl II 2021, 184 sowie vom 14.11.2018 - II R 64/15, BFHE 263, 35, BStBl II 2019, 289) und zuletzt für die Veranlagungszeiträume bis 2021 (Senatsurteil vom 17.01.2023 - IX R 15/20, BFHE 279, 403, BStBl II 2023, 351) für finanzverfassungsrechtlich gerechtfertigt gehalten. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest, zumal sich die Kläger mit den Erwägungen des BFH nicht auseinandergesetzt haben und im Streitfall Veranlagungszeiträume betroffen sind, die denen der vorgenannten Judikate zeitlich zum Teil deutlich vorgelagert sind.

 

37        bb) Das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

 

38        aaa) Soweit die Kläger meinen, ein solcher Verstoß ergebe sich daraus, dass sich bei steuerpflichtigen Einzelunternehmern oder Mitunternehmern, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 Abs. 1 EStG erzielen, nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SolZG 1995 i.V.m. § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag im Hinblick auf die Gewerbesteuerbelastung durch die Steuerermäßigung nach § 35 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2000 geltenden Fassung mindert, während bei den anderen Einkunftsarten eine solche Steuerermäßigung nicht beansprucht werden kann, haben sie sich nicht mit der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt.

 

39        So hat der BFH in seiner Entscheidung vom 21.07.2011 - II R 50/09 ausgeführt, dass die (mittelbare) Ungleichbehandlung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gegenüber anderen Einkunftsarten durch die Kompensation der Zusatzbelastung aufgrund der Gewerbesteuer gerechtfertigt ist. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Minderung der Einkommensteuer, sondern auch hinsichtlich der daran anknüpfenden Minderung der Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag. Durch die Ermäßigung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags erhalten die gewerblichen Unternehmer/Mitunternehmer einen Ausgleich dafür, dass wegen ihres Gewerbebetriebs Gewerbesteuer erhoben wird und damit ihre Einkünfte bereits durch eine Steuer belastet sind (dort Rz 40). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an.

 

40        bbb) Der weitere ‑‑nicht näher substantiierte‑‑ Einwand der Kläger, § 3 SolzG 1995 verletze Art. 3 Abs. 1 GG auch insoweit, als ausländische Einkünfte bei der Bemessung des Solidaritätszuschlags im Hinblick auf die insoweit unter den Voraussetzungen des § 34c EStG bzw. § 26 des Körperschaftsteuergesetzes zu gewährende Steuerermäßigung gegenüber inländischen Einkünften ungerechtfertigterweise privilegiert würden, berücksichtigt nicht, dass jene Ermäßigung nur deshalb gewährt wird, weil der betroffene Steuerpflichtige zusätzlich mit einer ausländischen Steuer belastet wird. Für eine etwaige Ungleichbehandlung bestünde somit eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung (vgl. hierzu auch Beschluss des BVerfG vom 07.06.2023 - 2 BvL 6/14, Rz 56).

 

41        cc) Darüber hinaus hat der BFH bereits mehrfach entschieden, dass der Solidaritätszuschlag nicht die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Entscheidung des BFH vom 21.07.2011 - II R 50/09, Rz 45 ff. sowie auf sein Senatsurteil vom 17.01.2023 - IX R 15/20 (BFHE 279, 403, BStBl II 2023, 351, Rz 76). Bislang rechtlich noch nicht gewürdigte weitere Einwendungen hierzu haben die Kläger nicht vorgebracht.

 

42        dd) Die Rüge der Kläger, die Festsetzung und Erhebung des Solidaritätszuschlags sei unverhältnismäßig, greift ebenfalls nicht durch. Eine übermäßige Belastung geht mit einem Zuschlag von 5,5 % der Bemessungsgrundlage nicht einher (vgl. Senatsurteil vom 17.01.2023 - IX R 15/20, BFHE 279, 403, BStBl II 2023, 351, Rz 76 mit Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom 18.01.2006 - 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97).

 

43        ee) Anhaltspunkte dafür, dass die Regelungen zum Solidaritätszuschlaggesetz 1995 die Berufsausübungsfreiheit der Kläger gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verletzten, bestehen nicht (vgl. bereits BFH-Urteil vom 21.07.2011 - II R 50/09, Rz 48). Die Revisionsbegründung enthält hierzu keine näheren Ausführungen.

 

44        d) Soweit sich die Kläger mit Schreiben vom 16.07.2018 auch gegen die Zinsfestsetzung zur Einkommensteuer für die Jahre 1999 bis 2002 wenden, betrifft dies ersichtlich nicht das vorliegende Revisionsverfahren.

 

45        3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

 

 

 

 

BFH: Zum Umfang der Fiktion des § 7 Satz 3 GewStG

§ 7 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes fingiert keinen Gewerbebetrieb, sondern setzt das Bestehen eines solchen voraus. Gewinne aus Sondervergütungen im Sinne des § 5a Abs. 4a Satz 3 des Einkommensteuergesetzes, die auf den Zeitraum nach der Einstellung der werbenden Tätigkeit einer Personengesellschaft entfallen, gehören daher nicht zum Gewerbeertrag.

BFH, Urteil vom 22.2.2024 – IV R 14/21

(amtlicher Leitsatz)

Volltext BB-Online BBL2024-789-2

Urteil vom 22. Februar 2024, IV R 14/21

Zum Umfang der Fiktion des § 7 Satz 3 GewStG

 

ECLI:DE:BFH:2024:U.220224.IVR14.21.0

 

BFH IV. Senat

 

GewStG § 7 S 3, EStG § 5a Abs 4a, GewStG § 2 Abs 1, GewStG § 7 S 3, GewStG § 36 Abs 3, EStG § 5a Abs 1, EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 2, EmoFöuaÄndG Art 8 Nr 2, GewStG VZ 2016 , EStG VZ 2016 , GG Art 2 Abs 1, GG Art 20 Abs 3

 

vorgehend FG Hamburg, 04. Mai 2021, Az: 2 K 61/19

 

Leitsätze

§ 7 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes fingiert keinen Gewerbebetrieb, sondern setzt das Bestehen eines solchen voraus. Gewinne aus Sondervergütungen im Sinne des § 5a Abs. 4a Satz 3 des Einkommensteuergesetzes, die auf den Zeitraum nach der Einstellung der werbenden Tätigkeit einer Personengesellschaft entfallen, gehören daher nicht zum Gewerbeertrag.

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 04.05.2021 - 2 K 61/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Haftungsvergütung der Komplementärin einer nach der Tonnage besteuerten Schifffahrtsgesellschaft auch insoweit Bestandteil des fiktiven Gewerbeertrags im Sinne von § 7 Satz 3 Alternative 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist, als sie auf die Zeit nach Einstellung der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft entfällt.

 

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ‑‑eine GmbH‑‑ war zunächst die einzige Komplementärin der zwischenzeitlich aufgelösten X-GmbH & Co. KG (KG), einer sogenannten Einschiffpersonengesellschaft. Sie war am Vermögen der KG sowie an dem Gewinn und Verlust nicht beteiligt.

 

Gegenstand des Unternehmens der KG war der Erwerb und Betrieb von Seeschiffen, alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte und Tätigkeiten sowie gegebenenfalls die Veräußerung von Seeschiffen. Die KG hatte mit Vertrag vom 03.06.2007 den Bau eines Handelsschiffs in Auftrag gegeben und das Schiff am xx.xx.2011 übernommen. Das Schiff wurde am selben Tag in das deutsche Seeschiffsregister eingetragen und fortan von der KG im internationalen Schiffshandelsverkehr eingesetzt. Die KG optierte mit Wirkung zum 01.01.2011 zur Gewinnermittlung nach der im Betrieb geführten Tonnage gemäß § 5a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit Vertrag vom 26.02.2016 veräußerte die KG das Schiff, das sie am 21.04.2016 an den Erwerber übergab. Weitere Geschäftstätigkeiten übte sie nach der Veräußerung des Schiffs nicht mehr aus. Zum 31.12.2016 ging die KG in Liquidation.

 

Die Klägerin wurde zunächst zur Liquidatorin der KG bestellt und ist ‑‑nach Ausscheiden der alleinigen Kommanditistin und Übernahme der Aktiva und Passiva‑‑ deren Rechtsnachfolgerin. Seit 2017 befindet sich die Klägerin ebenfalls in Liquidation.

 

Die Klägerin erhielt gemäß § 5 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrags als persönlich haftende Gesellschafterin der KG für die Übernahme der Haftung eine jährliche Vergütung in Höhe von 2.500 € zuzüglich etwaiger gesetzlicher Umsatzsteuer.

 

In ihrer Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2016 (Streitjahr) erklärte die KG einen Gewerbeertrag in Höhe von … €, der sich aus einem nach § 5a Abs. 1 EStG pauschal ermittelten Gewinn in Höhe von … € sowie nach § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG hinzuzurechnenden Sondervergütungen in Höhe von … € zusammensetzte. Als Teil der Sondervergütungen war auch die Haftungsvergütung erfasst, allerdings nur anteilig für den Zeitraum vor der Übergabe des Schiffs (Januar bis April) und damit in Höhe von 833 €.

 

Im Gewerbesteuermessbescheid 2016 vom 15.05.2018 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Haftungsvergütung ‑‑abweichend von der Erklärung‑‑ jedoch in vollem Umfang als hinzuzurechnende Sondervergütung.

 

Zur Begründung des hiergegen gerichteten Einspruchs verwies die KG darauf, dass ihr Gewerbebetrieb mit der Veräußerung des Schiffs beendet worden sei, sodass die auf den Zeitraum nach der Veräußerung entfallende Haftungsvergütung nicht mehr der Gewerbesteuer unterliege.

 

Nachdem am 19.12.2018 aus nicht streiterheblichen Gründen ein Änderungsbescheid ergangen war, wies das FA den Einspruch am 15.02.2019 als unbegründet zurück. Die Fiktionsregelung des § 7 Satz 3 Alternative 1 GewStG habe konstitutive Wirkung nicht nur für den Gewerbeertrag, sondern auch für das Bestehen eines Gewerbebetriebs.

 

Der hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 04.05.2021 statt.

 

Zur Begründung seiner Entscheidung stellte das FG maßgebend darauf ab, dass die Haftungsvergütung, soweit diese auf die Zeit nach dem Verkauf und der Übergabe des Schiffs entfalle, nicht zum fiktiven Gewerbeertrag gemäß § 7 Satz 3 GewStG zähle. Dabei ließ es offen, ob die gemäß § 36 Abs. 3 GewStG angeordnete rückwirkende Einbeziehung der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4a EStG in § 7 Satz 3 GewStG durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) ‑‑WElektroMobFördG‑‑ verfassungsgemäß ist. Die Hinzurechnung nach § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG erfasse zwar auch Sondervergütungen, die erst nach Betriebsveräußerung oder -aufgabe entstünden, jedoch erstrecke sich die Fiktionswirkung des § 7 Satz 3 Alternative 1 GewStG nicht auf die nach § 5a EStG ermittelten Gewinne oder Verluste einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG, die erst nach Einstellung der werbenden Tätigkeit entstünden. Die Norm setze voraus, dass noch ein Gewerbebetrieb bestehe.

 

Während des Klageverfahrens sind ‑‑aus vorliegend nicht streitigen Gründen‑‑ am 09.05.2019 und am 01.04.2020 geänderte Gewerbesteuermessbescheide für das Streitjahr ergangen.

 

Seine gegen das Urteil gerichtete Revision begründet das FA mit der Verletzung von Bundesrecht. Entgegen der Auffassung des FG sei die nach Beendigung des laufenden Betriebs der KG gezahlte Haftungsvergütung in Höhe von 1.667 € von der Fiktion des § 7 Satz 3 Alternative 1 GewStG umfasst. Die Regelung fingiere nicht nur den Gewerbeertrag, sondern unterstelle auch die sachliche Gewerbesteuerpflicht beziehungsweise den "tätigen" ("laufenden" oder "werbenden") Gewerbebetrieb. Überdies sei der Verweis auf die Vorschriften des § 5a Abs. 1, 4 und 4a EStG in § 7 Satz 3 Alternative 1 GewStG aufgrund der Sonderstellung und rechtlichen Spezialitäten der Tonnagebesteuerung so zu verstehen, dass das hiernach ermittelte Ergebnis als Ganzes den § 7 Satz 3 Alternative 1 GewStG ausfülle.

 

Das FA beantragt, das Urteil des FG Hamburg vom 04.05.2021 - 2 K 61/19 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Aus den Gründen

16        II. Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat den Gewerbeertrag zutreffend um 1.667 € gemindert und dementsprechend den streitigen Gewerbesteuermessbetrag auf … € herabgesetzt. Es hat der Klage damit im Ergebnis zu Recht in vollem Umfang stattgegeben.

 

17        Das FG ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Klägerin klagebefugt ist (hierzu unter 1.) und die sachliche Gewerbesteuerpflicht der KG mit dem Verkauf und der Übergabe ihres einzigen Schiffs am 21.04.2016 endete (hierzu unter 2.). Hieraus hat das FG zutreffend gefolgert, dass die streitgegenständliche Sondervergütung in Höhe von 1.667 € ‑‑das heißt jener Teil der Haftungsvergütung, der auf die Zeit nach dem Ende der sachlichen Gewerbesteuerpflicht der KG entfällt‑‑ nicht zum Gewerbeertrag zählt, da § 7 Satz 3 Alternative 1 GewStG keinen Gewerbebetrieb fingiert, sondern das Bestehen eines solchen voraussetzt (hierzu unter 3.). Allerdings hat das FG übersehen, dass der Messbetrag infolge der unterjährigen Beendigung der sachlichen Gewerbesteuerpflicht des Betriebs der KG für einen abgekürzten Erhebungszeitraum (§ 14 Satz 3 GewStG) festzusetzen gewesen wäre (hierzu unter 4.). Da diese Rechtsverletzung jedoch keinen Einfluss auf die Höhe der Messbetragsfestsetzung hat und damit für die Vorentscheidung nicht kausal geworden ist, erweist sich die FG-Entscheidung als im Ergebnis zutreffend (hierzu unter 5.).

 

18        1. Ohne Rechtsfehler ist das FG (stillschweigend) davon ausgegangen, dass die Klägerin klagebefugt ist. Nach dem Ausscheiden der alleinigen Kommanditistin hat die Klägerin das Geschäft der KG mit allen Aktiva und Passiva im Wege der Anwachsung übernommen. Sie ist somit Gesamtrechtsnachfolgerin der KG geworden. Die ursprünglich bestehende Befugnis der KG, den streitgegenständlichen Gewerbesteuermessbescheid 2016 mit der Klage anzufechten, ist damit auf die Klägerin übergegangen (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 16.12.2009 - IV R 49/07, BFH/NV 2010, 945, unter II.1.; vom 22.01.2015 - IV R 62/11, Rz 13; vom 15.06.2023 - IV R 30/19, BFHE 281, 90, BStBl II 2023, 1050, Rz 43). Dass sich die Klägerin selbst in Liquidation befindet, berührt ihre Beteiligtenfähigkeit nicht (z.B. BFH-Urteil vom 07.09.2000 - III R 41/97, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2001, 597, unter II.1. [Rz 11]).

 

19        2. Das FG hat ‑‑ebenfalls frei von Rechtsfehlern‑‑ festgestellt, dass die KG mit dem Verkauf und der Übergabe ihres einzigen Schiffs am 21.04.2016 ihre werbende Tätigkeit eingestellt hat und damit ihre sachliche Gewerbesteuerpflicht endete.

 

20        a) Im Gewerbesteuermessbescheid wird mit der Festsetzung des Steuermessbetrags auch über die sachliche und persönliche Steuerpflicht entschieden (§ 184 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑). Während die persönliche Gewerbesteuerpflicht die Steuerschuldnerschaft im Sinne des § 5 GewStG beschreibt, betrifft die sachliche Steuerpflicht die Feststellung, ob ein Steuergegenstand (laufender Betrieb) im Sinne des § 2 Abs. 1 GewStG gegeben ist. Im Gewerbesteuermessbescheid wird insbesondere auch über Beginn und Ende des laufenden Betriebs entschieden (BFH-Urteil vom 07.09.2016 - IV R 31/13, BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, Rz 25).

 

21        b) Nach § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer (nur) der stehende Gewerbebetrieb. Einzelunternehmen und Mitunternehmerschaften ‑‑wie die KG‑‑ sind daher sachlich gewerbesteuerpflichtig nur, wenn und solange sie einen Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuerrechts unterhalten. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht endet deshalb mit der dauerhaften Einstellung der werbenden Tätigkeit (Betriebseinstellung oder Betriebsbeendigung, vgl. BFH-Urteile vom 18.05.2017 - IV R 30/15, Rz 18; vom 07.09.2016 - IV R 31/13, BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, Rz 35 f.). Maßnahmen zur Vermögensverwertung nach Einstellung des Betriebs werden danach ‑‑anders als bei Kapitalgesellschaften, deren Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt‑‑ nicht mehr von der Steuerpflicht erfasst (BFH-Urteil vom 18.05.2017 - IV R 30/15, Rz 18, m.w.N.).

 

22        aa) Ob jemand seine werbende Tätigkeit dauerhaft eingestellt hat, ist unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu ermitteln und kann für die verschiedenen Betriebsarten unterschiedlich zu bestimmen sein (z.B. BFH-Urteile vom 07.09.2016 - IV R 31/13, BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, Rz 37; vom 03.04.2014 - IV R 12/10, BFHE 245, 306, BStBl II 2014, 1000, Rz 70 f., m.w.N.). Der Begriff der (gewerbesteuerrechtlichen) Betriebseinstellung beurteilt sich unabhängig davon, ob einkommensteuerrechtlich der Tatbestand des § 16 EStG erfüllt ist. Einkommensteuerrechtlich kann eine den Fortbestand des Betriebs unberührt lassende Betriebsunterbrechung vorliegen (heute: § 16 Abs. 3b Satz 1 EStG), während gewerbesteuerrechtlich die werbende Tätigkeit dauerhaft eingestellt ist (vgl. BFH-Urteil vom 07.09.2016 - IV R 31/13, BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, Rz 37).

 

23        bb) Bei einer Personengesellschaft ist für die Bestimmung des Endes der sachlichen Steuerpflicht auf die von der Personengesellschaft ausgeübte werbende Tätigkeit abzustellen. Denn der Steuergegenstand, die gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 EStG, wird durch die Tätigkeit der Personengesellschaft bestimmt (BFH-Urteil vom 07.09.2016 - IV R 31/13, BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, Rz 38).

 

24        aaa) Was als werbende Tätigkeit anzusehen ist, richtet sich nach dem von der Gesellschaft verfolgten Gegenstand ihrer Tätigkeit. Dabei kann auch auf den im Gesellschaftsvertrag beschriebenen Gegenstand des Unternehmens zurückgegriffen werden. Allerdings handelt es sich insoweit lediglich um ein Indiz; letztlich maßgebend ist die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit (z.B. BFH-Urteil vom 22.01.2015 - IV R 10/12, Rz 28). Dies gilt bei Personengesellschaften unabhängig von der Rechtsform ihrer Gesellschafter (z.B. BFH-Urteil vom 22.01.2015 - IV R 10/12, Rz 28 f., m.w.N.). Bei einer Personengesellschaft ist jedoch zu beachten, dass sie ‑‑anders als ein Einzelunternehmer‑‑ (gleichzeitig) nur einen Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG unterhalten kann (BFH-Urteil vom 25.06.1996 - VIII R 28/94, BFHE 181, 133, BStBl II 1997, 202, unter II.2.); dies gilt auch dann, wenn sie gleichzeitig sachlich an sich selbständige Tätigkeiten ausübt (BFH-Urteil vom 07.09.2016 - IV R 31/13, BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, Rz 39). Spätestens mit der dauerhaften Einstellung aller im bisherigen Betrieb ausgeübten werbenden Tätigkeiten endet die sachliche Steuerpflicht und damit die Unternehmensidentität. Dies gilt gleichermaßen für eine KG, an der eine GmbH als einzige Komplementärin beteiligt ist, ungeachtet der Frage, ob die KG (auch) originär gewerblich tätig oder ein Gewerbebetrieb nur aufgrund der Fiktion in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG anzunehmen ist (BFH-Urteil vom 07.09.2016 - IV R 31/13, BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, Rz 39; vgl. auch BFH-Urteil vom 20.09.2012 - IV R 36/10, BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498, Rz 17).

 

25        bbb) Allerdings setzt eine Einstellung des bisherigen Gewerbebetriebs bei einer Personengesellschaft nicht notwendigerweise voraus, dass ihre persönliche Steuerpflicht (vgl. § 5 GewStG) wegfällt. Eine Personengesellschaft, auch eine gewerblich geprägte im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG, kann ‑‑ebenso wie ein Einzelunternehmer‑‑ nacheinander mehrere Betriebe betreiben (z.B. BFH-Urteil vom 10.02.2022 - IV R 6/19, BFHE 276, 159, BStBl II 2023, 756, Rz 29). Dabei ist zu beachten, dass die Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 7 GewStG bei Annahme zweier nacheinander bestehender Gewerbebetriebe zu einem anderen Ergebnis führt als bei Annahme eines während des gesamten Jahres bestehenden Gewerbebetriebs (BFH-Urteil vom 10.02.2022 - IV R 6/19, BFHE 276, 159, BStBl II 2023, 756, Rz 41).

 

26        c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG angenommen hat, die sachliche Gewerbesteuerpflicht der KG habe mit dem Verkauf und der Übergabe ihres einzigen Schiffs am 21.04.2016 geendet. Zu diesem Zeitpunkt hat die KG ihre werbende Tätigkeit endgültig eingestellt. Da sie ‑‑ausgehend von den Feststellungen des FG‑‑ nach der Veräußerung des Schiffs keine weiteren Geschäftstätigkeiten mehr ausübte, fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass sie einen neuen Gewerbebetrieb aufgenommen hat.

 

27        3. Während der Gewinn aus Sondervergütungen im Sinne des § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG, der auf den Zeitraum vor der Einstellung der werbenden Tätigkeit einer KG entfällt, nach § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG ‑‑die Verfassungsmäßigkeit dessen durch § 36 Abs. 3 GewStG angeordneter rückwirkender Anordnung vorausgesetzt‑‑ als Gewerbeertrag fingiert wird (hierzu unter a), gilt jener Gewinn aus Sondervergütungen, der auf den Zeitraum nach der Einstellung der werbenden Tätigkeit entfällt, nicht als Gewerbeertrag (hierzu unter b). Auch dies hat das FG zutreffend erkannt.

 

28        a) Die Haftungsvergütung der Klägerin in Höhe von 833 €, die auf den Zeitraum vor der Einstellung der werbenden Tätigkeit der KG entfällt, gilt gemäß § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG (aber auch gemäß § 7 Satz 3 GewStG a.F.) als Gewerbeertrag und unterliegt damit der Gewerbesteuer.

 

29        aa) § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG bestimmt, dass der nach § 5a EStG ermittelte Gewinn einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4 und 4a EStG und das nach § 8 Abs. 1 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes ermittelte Einkommen als Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG gelten. Gemäß § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG sind dem nach § 5a Abs. 1 EStG ermittelten Gewinn Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG hinzuzurechnen.

 

30        Zuvor hatte § 7 Satz 3 GewStG a.F. lediglich vorgesehen, dass der nach § 5a EStG ermittelte Gewinn als Gewerbeertrag gemäß § 7 Satz 1 GewStG gilt. Die BFH-Rechtsprechung verstand § 7 Satz 3 GewStG a.F. allerdings dahin, dass auch der Gewinn aus den Sondervergütungen nach § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG, ohne Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und Kürzungen nach § 9 GewStG, als Gewerbeertrag fingiert werde und als solcher der Gewerbesteuer zugrunde zu legen sei (z.B. BFH-Urteil vom 04.12.2014 - IV R 27/11, BFHE 247, 441, BStBl II 2015, 278, Rz 28).

 

31        bb) Die streitige Haftungsvergütung stellt nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten eine Vergütung für eine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dar. Es handelt sich folglich um eine dem nach § 5a Abs. 1 EStG ermittelten Gewinn hinzuzurechnende Sondervergütung im Sinne des § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG (vgl. auch BFH-Urteil vom 03.04.2014 - IV R 12/10, BFHE 245, 306, BStBl II 2014, 1000, Rz 39).

 

32        cc) Dementsprechend gilt die Haftungsvergütung ‑‑dies ist ebenfalls zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf keiner weitergehenden Erörterung‑‑ insoweit gemäß § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG als Gewerbeertrag, als sie auf den Zeitraum vor der Einstellung der werbenden Tätigkeit der KG entfällt. Sie unterliegt somit in Höhe von 833 € der Gewerbesteuer. Zum gleichen Ergebnis gelangt man nach Maßgabe der Rechtsprechungsgrundsätze bei Anwendung des § 7 Satz 3 GewStG a.F. (z.B. BFH-Urteil vom 04.12.2014 - IV R 27/11, BFHE 247, 441, BStBl II 2015, 278, Rz 28, m.w.N.), sodass der Senat dahingestellt lassen kann, ob die in § 36 Abs. 3 GewStG angeordnete rückwirkende Anwendung des § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG verfassungsgemäß ist (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 15.04.2020 - IV B 9/20 (AdV)).

 

33        b) Die Haftungsvergütung in Höhe von 1.667 €, die auf den Zeitraum nach der Einstellung der werbenden Tätigkeit der KG entfällt, unterliegt demgegenüber ‑‑wie das FG zutreffend entschieden hat‑‑ nicht (mehr) der Gewerbesteuer.

 

34        Aus § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG kann nichts anderes hergeleitet werden. Entgegen der Auffassung des FA fingiert § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG keinen Gewerbebetrieb, sondern setzt ‑‑wie allgemein für die Ermittlung des Gewerbeertrags‑‑ das Bestehen eines solchen voraus (ebenso Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., § 7 Rz 117; Specker in Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 7 Rz 14; vgl. BFH-Urteil vom 30.08.2012 - IV R 54/10, BFHE 238, 198, BStBl II 2012, 927, Rz 27, zu § 7 Satz 2 GewStG; anderer Ansicht Bruns, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2018, 441).

 

35        aa) § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG enthält ‑‑wie bereits § 7 Satz 3 GewStG a.F.‑‑ für den Bereich der Besteuerung nach der Tonnage eine Fiktion des Gewerbeertrags, wie der Wortlaut ("gilt") zeigt. Dass die Norm darüber hinaus ‑‑wie das FA meint‑‑ für den Bereich der Besteuerung nach der Tonnage das Bestehen eines Gewerbebetriebs fingiert, ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen. § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG erwähnt die sachliche Gewerbesteuerpflicht (§ 2 GewStG) nicht und lässt auch im Übrigen nicht erkennen, dass eine Regelung zum Beginn oder zum Ende der sachlichen Gewerbesteuerpflicht getroffen werden soll. Statt dessen verweist § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG (unverändert) auf § 7 Satz 1 GewStG, der nach allgemeiner Auffassung das Bestehen eines Gewerbebetriebs voraussetzt. Nach dem Ende der werbenden Tätigkeit des Betriebs entstehende Gewinne oder Verluste zählen dementsprechend nicht mehr zum Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.05.2017 - IV R 30/15, Rz 18).

 

36        bb) Gegen das vom FA für zutreffend erachtete Normverständnis spricht zudem die systematische Stellung der Vorschrift, die im (zweiten) Abschnitt über die Bemessung der Gewerbesteuer angesiedelt ist, während die Regelungen zum Gewerbebetrieb als sachlichem Steuergegenstand dem ersten Abschnitt des Gewerbesteuergesetzes zugeordnet sind.

 

37        cc) Der Gesetzesbegründung kann ebenfalls nicht entnommen werden, dass § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG ‑‑neben einem fiktiven Gewerbeertrag‑‑ auch einen fiktiven Gewerbebetrieb bestimmt.

 

38        Mit der Änderung des § 7 Satz 3 GewStG durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften hat der Gesetzgeber auf das Urteil des BFH vom 25.10.2018 - IV R 35/16 (BFHE 263, 22, BStBl II 2022, 412) reagiert (vgl. BTDrucks 19/14909, S. 49), mit dem dieser ‑‑in Änderung seiner Rechtsprechung zur gewerbesteuerlichen Behandlung des Gewinns aus der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags gemäß § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 bis 3 EStG‑‑ entschieden hatte, dass jener Gewinn nicht der Fiktion des Gewerbeertrags gemäß § 7 Satz 3 GewStG a.F. unterfällt und daher ‑‑bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen‑‑ um 80 % nach § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG gekürzt werden kann. Um diese Rechtsfolge zu verhindern, hat der Gesetzgeber § 7 Satz 3 GewStG a.F. angepasst. Die ausdrückliche Erwähnung der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4 EStG in § 7 Satz 3 GewStG sollte sicherstellen, dass diese ‑‑wie vor der Rechtsprechungsänderung‑‑ ungekürzt in den Gewerbeertrag eingehen. Gleiches sollte entsprechend für die Hinzurechnungen gemäß § 5a Abs. 4a EStG ‑‑und damit für die vorliegend streitigen Sondervergütungen‑‑ gelten. Auch diese sollten (weiterhin) ungekürzt in den Gewerbeertrag eingehen. Demgegenüber findet sich in der Gesetzesbegründung keinerlei Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber § 7 Satz 3 GewStG auch dahin verstanden wissen wollte, dass dieser nicht nur den Gewerbeertrag, sondern auch den Gewerbebetrieb fingiert. Hierfür sprechen weder das Motiv für die Gesetzesänderung noch der sonstige Begründungstext, in dem allein von der Fiktion des Gewerbeertrags gemäß § 7 Satz 3 GewStG die Rede ist (vgl. BTDrucks 19/14909, S. 49). Auch die Gesetzesbegründung zu § 7 Satz 2 GewStG a.F. (BTDrucks 13/10710, S. 5) gibt hierfür keinen Anhalt.

 

39        dd) Das vom FA für zutreffend erachtete Normverständnis widerspräche zudem dem Wesen der Gewerbesteuer als einer auf den tätigen Gewerbebetrieb bezogenen Sachsteuer (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.2016 - IV R 1/13, BFHE 255, 65, BStBl II 2017, 489, Rz 25). Gegenstand der Gewerbesteuer ist nur der auf den laufenden Betrieb entfallende, durch eigene gewerbliche Leistungen entstandene Gewinn (BFH-Urteile vom 30.08.2022 - X R 17/21, BFHE 278, 327, BStBl II 2023, 396, Rz 17; vom 12.05.2016 - IV R 1/13, BFHE 255, 65, BStBl II 2017, 489, Rz 25).

 

40        ee) Entgegen der Auffassung des FA rechtfertigen die Besonderheiten der Gewinnermittlung nach der Tonnage gemäß § 5a EStG keine andere Beurteilung. § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG knüpft ‑‑wie schon § 7 Satz 3 GewStG a.F.‑‑ zwar an die Gewinnermittlungsvorschrift des § 5a EStG an und bestimmt so den pauschal ermittelten Gewinn aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr zur gewerbesteuerlich maßgeblichen Bezugsgröße. Aus dem Umstand, dass § 5a EStG eine pauschale Gewinnermittlung vorsieht, die von der objektiven Ertragskraft des Gewerbebetriebs ‑‑an der sich die Gewerbesteuer orientiert‑‑ weitgehend losgelöst ist, kann indes nicht hergeleitet werden, dass es im Bereich der Besteuerung nach der Tonnage ‑‑entgegen dem Wesen der Gewerbesteuer und der Regelung in § 2 Abs. 1 GewStG‑‑ auf das tatsächliche Bestehen eines Gewerbebetriebs nicht ankommt. Hierfür sprechen ‑‑wie dargelegt‑‑ weder Wortlaut noch Systematik oder Entstehungsgeschichte des § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG.

 

41        ff) Anders als das FA meint, können auch die für Kapitalgesellschaften geltenden Regelungen nicht auf Mitunternehmerschaften übertragen werden. Dies folgt bereits daraus, dass die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften ‑‑anders als die der Personengesellschaften und Einzelunternehmen‑‑ nach der ausdrücklichen Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt. Die Gewerbesteuerpflicht knüpft bei Kapitalgesellschaften allein an die Rechtsform an, während für Personengesellschaften ‑‑auch wenn diese ihren Gewinn gemäß § 5a EStG nach der Tonnage ermitteln‑‑ § 2 Abs. 1 GewStG gilt. Eine Regelung, nach der Personengesellschaften, die ihren Gewinn nach § 5a EStG ermitteln, wie Kapitalgesellschaften stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gelten, enthält das Gesetz gerade nicht. Die Herausrechnung jener Sondervergütungen, die erst nach Einstellung der werbenden Tätigkeit der KG angefallen sind, aus dem Gewerbeertrag ist demnach ‑‑anders als das FA meint‑‑ nicht inkonsequent, sondern nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 GewStG geboten.

 

42        gg) Auch aus der BFH-Rechtsprechung lässt sich kein anderes Verständnis des § 7 Satz 3 GewStG i.d.F. des WElektroMobFördG herleiten.

 

43        aaa) Das Senatsurteil vom 13.12.2007 - IV R 92/05 (BFHE 220, 482, BStBl II 2008, 583, unter II.2.) hatte die Frage zum Gegenstand, ob der sich aus der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 EStG ergebende Gewinn der Gewerbesteuer unterliegt, wenn der Verkauf des Schiffs im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe erfolgt. Der Senat bejahte diese Frage, weil Veräußerungs- und Aufgabegewinne nach § 5a Abs. 5 EStG von der pauschalen Gewinnermittlung umfasst und deshalb auch Bestandteil des fiktiven Gewerbeertrags nach § 7 Satz 2 GewStG a.F. seien.

 

44        Soweit der Senat in diesem Kontext auf den fiktiven Charakter des unter Anwendung der Besteuerung nach der Tonnage ermittelten Gewerbeertrags nach § 7 Satz 2 GewStG a.F. sowie die Rechtslage bei Kapitalgesellschaften (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) eingegangen ist, kann hieraus nicht hergeleitet werden, er habe § 7 Satz 2 GewStG a.F. dahin verstanden, dass dieser die Regelung zur sachlichen Gewerbesteuerpflicht einer Personengesellschaft in § 2 Abs. 1 GewStG modifiziert oder gar außer Kraft setzt. Vielmehr hat der Senat seinerzeit lediglich entschieden, dass der nach § 5a EStG ermittelte Gewinn, der ‑‑wie sich aus § 5a Abs. 5 Satz 1 EStG ergibt‑‑ auch Veräußerungs- und Aufgabegewinne im Sinne des § 16 EStG umfasst, als Gewerbeertrag gemäß § 7 Satz 2 GewStG a.F. gilt und deshalb insgesamt der Gewerbesteuer unterliegt. Maßgebend war dabei nicht, dass § 7 Satz 2 GewStG a.F. einen tätigen Gewerbebetrieb fingiert (so aber Bruns, DStR 2018, 441, 443), sondern dass Veräußerungs- und Aufgabegewinne von der pauschalen Gewinnermittlung umfasst sind.

 

45        Hinzu kommt, dass es sich vorliegend nicht um Gewinne handelt, die im Zuge der Betriebsaufgabe erzielt wurden, sondern um Gewinne aus Sondervergütungen, die auf den Zeitraum nach der Einstellung der werbenden Tätigkeit entfallen und die dem gemäß § 5a Abs. 1 EStG pauschal ermittelten Gewinn hinzugerechnet werden (§ 5a Abs. 4a Satz 3 EStG).

 

46        bbb) Auch im Übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteile vom 06.07.2005 - VIII R 72/02, BFHE 221, 235, BStBl II 2010, 828; vom 26.06.2014 - IV R 10/11, BFHE 246, 76, BStBl II 2015, 300) kein anderes Normverständnis. Dies gilt ebenfalls in Bezug auf das Urteil vom 06.02.2014 - IV R 19/10 (BFHE 244, 379, BStBl II 2014, 522), das sich nicht zu gewerbesteuerlichen Fragen, sondern allein zu § 5a EStG verhält. Auch aus dem Urteil vom 13.04.2017 - IV R 49/15 (BFHE 257, 441, BStBl II 2022, 674) folgt nichts anderes. Dieser Entscheidung kann ebenfalls nicht entnommen werden, dass im Anwendungsbereich des § 7 Satz 3 GewStG a.F. das Bestehen eines Gewerbebetriebs fingiert wird. Dies zeigt sich bereits daran, dass der BFH auch in diesem Urteil zunächst das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 GewStG geprüft und bejaht und sich erst im Anschluss hieran mit der Frage des Gewerbeertrags gemäß § 7 Satz 1 bzw. Satz 3 GewStG a.F. befasst hat.

 

47        4. Gleichwohl ist die angefochtene Entscheidung nicht ohne Rechtsfehler, denn das FG hat übersehen, dass der Messbetrag infolge der unterjährigen Beendigung der sachlichen Gewerbesteuerpflicht des Betriebs der KG für einen abgekürzten Erhebungszeitraum (§ 14 Satz 3 GewStG) festzusetzen gewesen wäre.

 

48        a) Gemäß § 14 GewStG wird der Steuermessbetrag für den Erhebungszeitraum festgesetzt (Satz 1). Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr (Satz 2). Besteht die Gewerbesteuerpflicht nicht während eines ganzen Kalenderjahrs, so tritt an dessen Stelle der Zeitraum der Steuerpflicht (abgekürzter Erhebungszeitraum, Satz 3).

 

49        b) Danach ist der Steuermessbetrag für einen abgekürzten Erhebungszeitraum festzusetzen, wenn die sachliche Steuerpflicht nur für diesen Zeitraum bestanden hat (z.B. BFH-Urteil vom 19.12.2019 - IV R 8/17, BFHE 267, 425, BStBl II 2020, 401, Rz 23).

 

50        Dementsprechend wäre auch für die KG der Steuermessbetrag für einen abgekürzten Erhebungszeitraum festzusetzen gewesen, da die sachliche Gewerbesteuerpflicht mit der Übergabe des Schiffs an den Erwerber endete. Dem streitigen Gewerbesteuermessbescheid liegt jedoch eine Messbetragsfestsetzung für das gesamte Jahr 2016 zugrunde. Dies hat das FG ‑‑wie auch der Entscheidungstenor bestätigt, der lediglich die Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrags bestimmt‑‑ übersehen.

 

51        5. Trotz dieses Rechtsfehlers erweist sich die angefochtene Entscheidung als im Ergebnis zutreffend (§ 126 Abs. 4 FGO). Die festgestellte Rechtsverletzung war nämlich für die Vorentscheidung nicht kausal (vgl. BFH-Urteil vom 13.11.2002 - VI R 82/01, BFHE 201, 93, BStBl II 2004, 62, unter II.2.c), denn dass der abgekürzte Erhebungszeitraum Einfluss auf die allein streitige Höhe der Messbetragsfestsetzung der KG gehabt hat, tragen weder die Beteiligten vor, noch ist dies nach Aktenlage ersichtlich.

 

52        6. Der erstmalig in der mündlichen Verhandlung erhobene Einwand des FA, das FG habe eine gemäß § 177 AO gebotene Saldierung übersehen, da das Bereederungsentgelt unzutreffenderweise lediglich in Höhe von 426,52 € in die Ermittlung der Sondervergütungen eingeflossen sei, ist unbeachtlich. Zur Höhe des Bereederungsentgelts und dessen ‑‑bis dahin zwischen den Beteiligten unstreitiger‑‑ Behandlung fehlt es an Feststellungen des FG. Die Ausführungen des FA sind damit als neuer Sachvortrag anzusehen, der im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27.11.2019 - XI R 35/17, BFHE 267, 542, BStBl II 2021, 252, Rz 54, m.w.N.).

 

53        7. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 2 FGO.

 

 

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