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Steuerrecht
02.10.2014
Steuerrecht
BFH: Unwirksames Urteil bei unbestimmtem Tenor; erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG

BFH, Urteil vom 26.2.2014 – I R 47/13

Leitsatz der Redaktion

1. Die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG kann nicht gewährt werden, wenn das letzte Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert und nicht mehr ausschließlich Grundbesitz verwaltet wird. Die Tätigkeiten zur Abwicklung der Grundstücksveräußerung und die Erfüllung von Pflichten aus dem Veräußerungsvertrag über das Ende des Erhebungszeitraums hinaus führten – unabhängig von ihrem Umfang und der Komplexität des Grundstücksgeschäfts – nicht zu einer Weiternutzung eigenen Grundbesitzes. Auch die Vorbereitung oder Anbahnung eines (erneuten) Grundstückserwerbs stellten noch keine Grundstücksnutzung in diesem Sinne dar.

2. Lässt sich auch unter Heranziehung des übrigen Urteilsinhalts aus der Urteilsformel (§ 105 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht entnehmen, wie über die Anträge der Beteiligten entschieden worden ist, ist das Urteil unwirksam.

GewStG § 9 Nr. 1

Sachverhalt

I. In der Sache ist streitig, ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Streitjahr 2008 die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 des Gewerbesteuergesetzes 2002 i. d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.8.2007 (BGBl. I 2007, 1912, BStBl. I 2007, 630) – GewStG 2002 n. F. – zustand.

Unternehmensgegenstand der in 2006 gegründeten Klägerin, einer GmbH, ist die „Verwaltung eigenen Vermögens“. Sie erwarb im selben Jahr von ihren Geschäftsführern das Grundstück X-Straße und Y-Weg in Z. Das Grundstück war mit zwei Plattenbauten mit 90 Wohnungen bebaut, deren Vermietung die Klägerin weiterführte. Das Grundstück war im Streitjahr nicht von der Grundsteuer befreit; diese wurde gemäß § 42 des Grundsteuergesetzes anhand der Ersatzbemessungsgrundlage festgesetzt. Ein Einheitswert war für das Grundstück nicht festgestellt. Weitere Grundstücke besaß die Klägerin im Streitjahr nicht. Sie war zwar bereits seit dem Jahr 2007 um den Ankauf verschiedener Objekte mit dem Ziel der anschließenden Vermietung bemüht. Ihre Erwerbsbestrebungen waren aber erst im Jahr 2010 erfolgreich.

Mit Verträgen vom 31.5.2008 gewährte die Klägerin unter anderem Darlehen an ihre damalige Alleingesellschafterin, die A-GmbH, in Höhe von 783 278,69 Euro, an ihre Geschäftsführer B und C in Höhe von jeweils 96 000 Euro sowie an die B & C GbR in Höhe von 350 000 Euro und 335 052,51 Euro, die sie sukzessive im Zeitraum von Juni bis November 2008 ausreichte. Aus den Darlehensverträgen flossen der Klägerin im Streitjahr Zinsen zu.

Mit Kaufvertrag vom 26.6.2008 veräußerte die Klägerin das Grundstück X-Straße und Y-Weg zu einem Kaufpreis von 2 330 000 Euro an die D-GmbH (Käuferin). Die Vertragsparteien erklärten zugleich die Auflassung. Das Grundstück wurde der Käuferin mit Wirkung zum 16.8.2008 übergeben. Zu diesem Termin gingen nach dem Kaufvertrag auch Nutzen und Lasten, die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache sowie die Ansprüche auf Zahlung des Mietzinses und der Nebenkosten aus den übernommenen Mietverhältnissen auf die Käuferin über. Der Kaufvertrag sah ferner vor, dass die Klägerin die Betriebs- und Nebenkosten für den Abrechnungszeitraum 1.7.2007 bis 30.6.2008 auf eigene Kosten mit den Mietern abrechnet. Etwaige sich daraus zugunsten der Mieter ergebende Guthaben hatte die Klägerin an die Mieter zu erstatten, etwaige Nachforderungen standen im Gegenzug der Klägerin zu.

Die Tätigkeiten der Klägerin zur Abwicklung des Kaufvertrages und zur Erfüllung der hieraus resultierenden Pflichten erstreckten sich bis in das Jahr 2009; dazu zählten Mitteilungen an Versorger, Entgegennahme von Abrechnungen der Versorger für den Abrechnungszeitraum bis 15.8.2008, Zuarbeiten zu laufenden Mietzahlungen gegenüber der Käuferin, Abarbeitung von Nachfragen der Käuferin zu einzelnen Mietverhältnissen, Klärung von Abwicklungsdifferenzen aus dem Kaufvertrag, Klärung von Mietabweichungen, eine Kaufpreisanpassung, Bearbeitung städtischer Gebührenbescheide bis zum Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung – am 28.9.2009 –, Bearbeitung der Betriebs- und Nebenkostenabrechnungen für den Zeitraum bis 30.6.2008 und Abwicklung der Nebenkostenabrechnungen mit Mietern.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (dasFA) versagte die der Klägerin für das Streitjahr zunächst antragsgemäß gewährte erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG 2002 n. F. und setzte den Gewerbesteuermessbetrag entsprechend fest. Aufgrund der Veräußerung des einzigen Grundstücks sei keine Grundstücksverwaltung mehr betrieben, sondern nur noch eigenes Kapitalvermögen verwaltet worden. Auch eine Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG 2002 n. F. ließ das FA nicht zu, da mangels Einheitswertbescheides hierzu keine Angaben gemacht werden könnten.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Sächsische FG der Klage im Urteil vom 23.5.2013 – 2 K 1014/12, abgedruckt in EFG 2014, 371, teilweise statt. Zwar sei § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG 2002 n. F. nicht einschlägig. Das FA habe aber die gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG 2002 n. F. zu Unrecht unberücksichtigt gelassen. In der Hauptsache tenorierte das FG unter Klageabweisung im Übrigen: „Der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 vom 22. März 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2012 ist dahingehend abzuändern, dass bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrages die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 Prozent des Einheitswertes zum Feststellungszeitpunkt 1. Januar 2008 des zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes zu kürzen ist.“

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass ihrem Antrag auf erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages entsprochen und der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 Euro festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Aus den Gründen

10        II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FGO). Das angefochtene Urteil ist unwirksam. Sein Tenor ist unbestimmt und kann auch nicht in einem bestimmten Sinn ausgelegt werden.

11        1. Ein Urteil ist wirkungslos, wenn sich aus ihm keine eindeutige Entscheidung ergibt. Wesentlicher Bestandteil eines jeden Urteils ist die Urteilsformel (§ 105 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Aus ihr muss sich entnehmen lassen – erforderlichenfalls unter Heranziehung des übrigen Urteilsinhalts –, wie über die Anträge der Beteiligten entschieden worden ist (Urteil des BFH vom 27. Juli 1993 VIII R 67/91, BFHE 173, 480, BStBl. II 1994, 469). Einen solchen Mangel hat das Revisionsgericht auch ohne Rüge von Amts wegen zu beachten, da es sich um einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens handelt (BFH-Urteil vom 19.2.1991 – VIII R 8/86, BFH/NV 1992, 175).

12        Der Tenor des angefochtenen FG-Urteils bezieht sich auf den zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht festgestellten Einheitswert des zum Grundvermögen der Klägerin gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes auf den Feststellungszeitpunkt 1.1.2008. Diesem Urteilstenor lässt sich – auch unter Heranziehung der Urteilsgründe – nicht entnehmen, in welchem Umfang die diesbezügliche gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG 2002 n. F. vorzunehmen ist und in welcher Höhe der Gewerbesteuermessbetrag nach der Entscheidung festgesetzt sein soll. Der Tenor, die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags „ist dahingehend abzuändern, dass“, ist aber dahin zu verstehen, dass das FG im Rahmen der erhobenen Anfechtungsklage den Gewerbesteuermessbetrag nach § 100 Abs. 2 S. 1 FGO selbst bestimmen wollte (sog. Reformation, Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 100 FGO Rz 16). Aus einem derartigen Gestaltungsurteil muss sich ergeben, inwieweit der angefochtene Bescheid abgeändert wird, woran es hier fehlt.

13        Nichts anderes ergibt sich, wenn man den Tenor dahin verstünde, dass das FG im Hinblick auf den nach den Urteilsgründen erst noch festzustellenden Einheitswert – ohne die Vorschrift anzusprechen – nach § 100 Abs. 2 S. 2 FGO die Ermittlung des (dann) festzusetzenden Messbetrags dem FA übertragen wollte. Denn in Anwendung des § 100 Abs. 2 S. 2 FGO darf nur noch die rechnerische Ermittlung des Betrags offenbleiben (BFH-Urteil vom 12.12.2000 – VIII R 34/94, BFH/NV 2001, 757, unter II.). Da das FG die Berechnungsgrundlagen für die abweichende Festsetzung des zutreffenden Messbetrags aber nicht vollständig mitgeteilt hat, konnte das FA den Messbetrag nicht „auf Grund der Entscheidung errechnen“. Ein Verstoß gegen § 100 Abs. 2 S. 2 FGO stellt ebenfalls einen zur Urteilsaufhebung führenden Verfahrensfehler dar, der von Amts wegen zu beachten ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 757, unter II.).

14        Das Urteil des FG lässt sich auch nicht als Grundurteil i. S. des § 99 FGO verstehen. Unabhängig davon, ob ein solches im Streit über einen Gewerbesteuermessbetrag überhaupt zulässig wäre (ablehnend: BFH-Beschluss vom 20.11.2008 – IV B 7/08, juris) und ob dessen Voraussetzungen hier vorlägen, hat das FG weder eine diesbezügliche Ermessensausübung erkennen lassen noch sonst zum Ausdruck gebracht, dass es sich nicht um ein Endurteil handeln sollte. Dies wird nicht zuletzt auch an der Kostenentscheidung deutlich, die nach § 143 Abs. 1 FGO nur bei verfahrensbeendenden Urteilen und damit nicht bei Grundurteilen zu erfolgen hat (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 143 Rz. 2).

15        2. Die Streitsache ist nach § 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FGO an das FG zurückzuverweisen, da dem Senat eine Entscheidung in der Sache mangels festgestellten Einheitswerts für die Anwendung des § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG 2002 n. F. nicht möglich ist. Hierauf kommt es aber an. Denn das FG ist in der Sache zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrages nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG 2002 n. F. nicht erfüllt, bei ihr aber die pauschale Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG 2002 n. F. vorzunehmen ist.

16        a) Gemäß § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG 2002 n. F. wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 Prozent des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt. An Stelle der Kürzung nach Satz 1 tritt nach Satz 2 auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.

17        b) Wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, liegen diese Voraussetzungen aufgrund der unterjährigen Veräußerung des einzigen Grundstücks der Klägerin nicht vor (vgl. auch FG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 12.12.2012 – 12 K 12280/11, EFG 2013, 1420, und vom 3.9.2013 – 6 K 6111/11, EFG 2013, 1950; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 1.10.2013 – 1 K 2605/10, EFG 2014, 153).

18        aa) Soweit das Gesetz die ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes fordert, ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass der Begriff der Ausschließlichkeit gleichermaßen qualitativ, quantitativ wie zeitlich zu verstehen ist (vgl. Senatsurteil vom 19.10.2010 – I R 1/10, BFH/NV 2011, 841, m. w. N.; zustimmend Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz. 76; kritisch Jesse, FR 2004, 1085, 1093; Schlegel, Neue Wirtschaftsbriefe 2012, 4223, 4225). Zwar ist nicht erforderlich, dass die Grundstücksverwaltung während des gesamten Erhebungszeitraums bestanden hat. Sie kann auch vorzeitig enden. Aber solange das Unternehmen – wie im Streitfall – während des Erhebungszeitraums überhaupt tätig ist, muss seine Haupttätigkeit durchgängig in der schlichten Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes bestehen, um begünstigt zu sein (Senatsurteil vom 20.1.1982 – I R 201/78, BFHE 135, 327, BStBl. II 1982, 477, BB 1982, 1037). Dies folgt aus dem Wesen der Gewerbesteuer als Jahressteuer (Senatsurteil vom 29.3.1973 – I R 199/72, BFHE 109, 138, BStBl. II 1973, 563, BB 1973, 1017). Die erweiterte Kürzung kann daher nicht gewährt werden, wenn das letzte Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert wird und nicht mehr ausschließlich Grundbesitz verwaltet wird (Senatsurteile in BFH/NV 2011, 841; vom 19.12.2007 – I R 46/07, BFH/NV 2008, 930; in BFHE 135, 327, BStBl. II 1982, 477; Senatsbeschlüsse vom 14.4.2000 – I B 104/99, BFH/NV 2000, 1497; vom 12.7.1999 – I B 5/99, BFH/NV 2000, 79); eine nur „technisch“ bedingte Ausnahme liegt hier ersichtlich nicht vor (vgl. dazu Senatsurteil vom 11.8.2004 – I R 89/03, BFHE 207, 40, BStBl. II 2004, 1080). An dieser Rechtsprechung hält der Senat weiterhin fest.

19        bb) Im Streitfall war der Klägerin die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG 2002 n. F. zu versagen, weil sie seit dem Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten an ihrem einzigen Grundstück am 16.8.2008 – und damit vor Ablauf des Erhebungszeitraums, § 14 S. 2 GewStG 2002 n. F. – keinen eigenen Grundbesitz mehr genutzt hat, aber weiterhin werbend tätig blieb. Soweit sie noch eigenes Kapitalvermögen in Form der ausgegebenen Darlehen verwaltete, erfolgte dies nicht mehr (unschädlich) zeitlich neben der Grundstücksnutzung, sondern danach.

20        cc) Aus der von der Revision vorgetragenen besonderen Situation der Klägerin ergibt sich nichts anderes.

21        Die nach dem Wortlaut des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG 2002 n. F. erforderliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes grenzt die Vermögensverwaltung auf der einen Seite von gewerblichen Tätigkeiten ab. Auf der anderen Seite erfordert der Wortlaut aber ausdrücklich, dass während des gesamten Erhebungszeitraums eine „Nutzung“ des Grundstücks – im Sinne einer Fruchtziehung (vgl. Senatsbeschluss vom 18.10.2007 – I B 148/07, BFH/NV 2008, 542) – erfolgt. Eine solche Fruchtziehung aus eigenem Grundbesitz nahm die Klägerin aber seit dem Verlust des wirtschaftlichen Eigentums an dem Grundstück (vgl. auch § 20 Abs. 1 S. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung) nicht mehr vor. Die Tätigkeiten zur Abwicklung der Grundstücksveräußerung und die Erfüllung von Pflichten aus dem Veräußerungsvertrag über das Ende des Erhebungszeitraums hinaus führten – unabhängig von ihrem Umfang und der Komplexität des Grundstücksgeschäfts – nicht zu einer Weiternutzung eigenen Grundbesitzes. Auch die Vorbereitung oder Anbahnung eines (erneuten) Grundstückserwerbs stellten noch keine Grundstücksnutzung in diesem Sinne dar. Hierüber können auch der Gesellschaftszweck und die Absicht, neuen Grundbesitz zur eigenen Nutzung zu erwerben (vgl. bereits BFH-Urteil vom 7.4.1967 – VI R 285/66, BFHE 89, 215, BStBl. III 1967, 616), nicht hinweghelfen. Daher ist für die Frage der durchgängigen Grundstücksnutzung unerheblich, ob sich die Klägerin bis zum Ablauf des streitigen Erhebungszeitraums in Liquidation befand oder nicht.

22        dd) Weder der Verweis auf verfassungsrechtliche Vorgaben noch auf den Sinn und Zweck des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG 2002 n. F. führen zu einem anderen Ergebnis.

23        Die vom Senat vorgenommene Auslegung der „Ausschließlichkeit“ und der „Nutzung und Verwaltung eigenen Grundbesitzes“ begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; insbesondere nicht im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Die rechtsformbedingte Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber einer natürlichen Person oder einer Personengesellschaft resultiert bereits aus der gesetzgeberischen Grundentscheidung, dass § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG 2002 n. F. – wie auch § 8 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 – die Tätigkeit von Kapitalgesellschaften stets und in vollem Umfang als gewerblich qualifiziert. Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Senatsurteil in BFHE 109, 138, BStBl. II 1973, 563; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.3.2010 – 1 BvR 2130/09, FR 2010, 670). Der Senat hat ferner bereits entschieden, dass die – verfassungsrechtlich nicht unbedingt gebotene – Begünstigung von engen tatbestandlichen Erfordernissen abhängig und der Gesetzgeber grundsätzlich darin frei ist, tatbestandliche Voraussetzungen und Erfordernisse zu normieren, die erfüllt sein müssen, um in den Genuss einer steuerlichen Begünstigung, wie der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrages, zu gelangen (vgl. Senatsurteil vom 19.10.2010 – I R 67/09, BFHE 232, 194, BStBl. II 2011, 367, BB 2011, 1189). Auch wenn es dem ursprünglichen Zweck des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG 2002 n. F. entspricht, Grundstücksunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft vergleichbar tätigen Personengesellschaften gleichzustellen, erzwingt dies dennoch keine uneingeschränkte Gleichbehandlung, vielmehr nur eine solche, die spezifisch darauf beruht, dass entsprechende Gewinne bei Personengesellschaften nicht mit Gewerbesteuer belastet sind (Senatsbeschluss in BFH/NV 2000, 1497), was hier nicht der Fall ist. An dieser Rechtsprechung hält der Senat ebenfalls fest. Eine Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs der Kürzungsvorschrift gegen ihren ausdrücklichen Wortlaut kommt daher nicht in Betracht.

24        c) Das FG ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG 2002 n. F. dem Grunde nach erfüllt sind (ebenso Schnitter in Frotscher/Maas, KStG/GewStG/UmwStG, § 9 GewStG Rz. 37; Roser in Lenski/ Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Rz. 98; Renner in Bergemann/Wingler, GewStG, § 9 Rz. 25; FG Berlin, Urteil vom 16.9.1998 – 6 K 6278/96, EFG 1999, 246 und wohl auch R 9.2 Abs. 1 S. 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien 2009). Soweit gegen die Anwendung des Satzes 1 in der Literatur Einwendungen erhoben werden, wenn ein Antrag nach Satz 2 gestellt ist (Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz. 50; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl., § 9 Nr. 1 Rz. 32), kann sich dies nur auf Fälle beziehen, in denen die Voraussetzungen des Satzes 2 zumindest für Teile des Grundbesitzes erfüllt sind. Liegen aber – wie hier – die Voraussetzungen des Satzes 2 insgesamt nicht vor, tritt dieser auch nicht an die Stelle des Satzes 1 und verdrängt diesen nicht; der Antrag geht dann ins Leere.

25 3. Die Kostenentscheidung wird dem FG übertragen (§ 143 Abs. 2 FGO).

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