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Steuerrecht
01.02.2019
Steuerrecht
BFH: Umsatzsteuer im Eismuseum

BFH, Urteil vom 22.11.2018V R 29/17

ECLI:DE:BFH:2018:U.221118.VR29.17.0

Volltext BB-Online BBL2019-277-4

Leitsätze

Die steuersatzbegünstigte Eintrittsberechtigung für Museen erfasst auch Kunstsammlungen, die eigens für die Ausstellung zusammengestellt wurden.

Sachverhalt

I. 

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Organträger einer GmbH. Die GmbH veranstaltete während der Wintermonate im Streitjahr (2010) zwei Ausstellungen mit Eisskulpturen, die von internationalen Künstlern geschaffen wurden, zu den Themen "Willkommen im ..." und "im Wald ...". Die Ausstellungen konnten gegen Eintrittsgeld von der Öffentlichkeit betrachtet werden.

Der Kläger begehrte die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nicht und setzte die Umsatzsteuervorauszahlungen Januar und Februar 2010 nach Maßgabe des Regelsteuersatzes fest. Während des hiergegen geführten Einspruchsverfahrens erging der Umsatzsteuerjahresbescheid 2010, der gemäß § 365 Abs. 3 der Abgabenordnung Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde.

Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1127 veröffentlichten Urteil handelte es sich um eine Eintrittsberechtigung für die Ausstellungen, nicht aber für eine benachbarte Eisbahn. Dabei sah es die Ausstellungen nicht als Museum an. Zwar handele es sich bei den Eisskulpturen um Kunstgegenstände, es liege aber keine Sammlung vor. Der Kläger unterhalte keine eigene Sammlung, sondern stelle nur vorübergehend aus. Abweichendes ergebe sich auch nicht aus Art. 98 und Anhang III Kategorie 7 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) sowie der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Das FG sei zutreffend von einer entgeltlichen Eintrittsberechtigung für die Eisskulpturenausstellung ausgegangen. Maßgeblich sei die grundlegende Definition in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 3 UStG. Lägen die weiteren Voraussetzungen von § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 oder 2 UStG nicht vor, sei die Steuersatzermäßigung anzuwenden. Es seien Kunstwerke im Original und nicht nur Repliken ausgestellt worden. Es habe sich auch um eine Kunstsammlung gehandelt. Entgegen dem Urteil des FG stehe dem Vorliegen einer Sammlung nicht entgegen, dass die Eisskulpturen vergänglich seien und nur vorübergehend ausgestellt werden könnten. Aus der maßgeblichen Verbrauchersicht entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) komme es nicht darauf an, ob der Ausstellungsveranstalter die Kunstwerke selbst gesammelt hat oder ob Künstler Werke für eine Ausstellung zur Verfügung stellen. Für den Besucher als den Begünstigten der Steuersatzermäßigung sei dies ohne Bedeutung. Entgegen dem Urteil des FG liege somit eine Sammlung vor. Es komme nicht auf eine eigene und ständige Sammlung an. Eine enge Auslegung sei zudem unionsrechtswidrig. Der Begriff der Kunstsammlung sei nicht gesichert, so dass nicht zwischen Kunstsammlungen und Kunstansammlungen zu unterscheiden sei. Aus Verbrauchersicht komme es nicht darauf an, ob in einer Kunstausstellung Kunstgegenstände ausgestellt würden, die zuvor von Sammlern gesammelt worden seien. Die nationale Regelung entspreche den Vorgaben des Unionsrechts.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung des den Umsatzsteueränderungsbescheid 2010 vom 6. Januar 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2013 die Umsatzsteuer 2010 um ... EUR niedriger auf ... EUR festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Es müsse sich um die Ausstellung einer Kunstsammlung und nicht nur um die Ausstellung von Kunstwerken handeln. Der Begriff der Kunstsammlung gehe über den der Kunstausstellung hinaus. Im Streitfall liege nur eine Ansammlung von Kunstwerken vor. Der Begriff des Museums sei für Zwecke der Steuerfreiheit und der Steuersatzermäßigung einheitlich zu verstehen. Zu unterscheiden sei aber zwischen Sammlung und Ansammlung. Aus dem Begriff der Sammlung folge ein Erfordernis der Dauerhaftigkeit. Im Streitfall würden keine Kunstwerke gesammelt. Hierfür spreche auch die internationale Museumsdefinition, die der deutsche Museumsbund übernommen habe. Die bloße Präsentierung von Kunstgegenständen reiche nicht aus. Der Durchschnittsverbraucher sehe eine nur vorübergehende Ausstellung nicht als Museum an. Eine temporäre Ausstellung und eine dauerhaft angelegte Kunstsammlung sei nicht gleichartig. Eine Gleichbehandlung entspreche nicht der selektiven Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Die Kunstwerke seien auch nicht für eine Sammlung vorgesehen gewesen.

Aus den Gründen

II. 

8          Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat den Begriff des Museums in § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG verkannt. Die hierfür erforderliche Sammlung liegt im Streitfall vor, so dass der Klage stattzugeben ist.

9          1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Steuer für die Eintrittsberechtigung für Museen. Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 98 Abs. 1 und 2 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwenden. Dabei kann nach Anhang III Kategorie 7 MwStSystRL ein ermäßigter Steuersatz zugunsten der Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen, Theater, Zirkus, Jahrmärkte, Vergnügungsparks, Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und Einrichtungen eingeführt werden.

10        2. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG definiert den Begriff des Museums nicht. Bei der Auslegung dieses Begriffs kann auf die Begriffsdefinition in anderen Gesetzesvorschriften zurückgegriffen werden.

11        a) Nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG in seiner im Streitjahr geltenden Fassung sind die Umsätze bestimmter Einrichtungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände steuerfrei. Dabei handelt es sich um Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, Museen, botanische Gärten, zoologische Gärten, Tierparks, Archive, Büchereien sowie Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst (Satz 1). Das Gleiche gilt für die Umsätze gleichartiger Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in Satz 1 bezeichneten Einrichtungen erfüllen (Satz 2). Museen i.S. dieser Vorschrift sind wissenschaftliche Sammlungen und Kunstsammlungen (Satz 3).

12        b) Im Hinblick auf die zwischen der Steuersatzermäßigung und der Steuerfreiheit bestehenden Unterschiede ist der Museumsbegriff in § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG nicht mit dem in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 bis 3 UStG identisch. Es ist lediglich die grundlegende Begriffsdefinition in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 3 UStG zu beachten.

13        aa) Die Steuersatzermäßigung in § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG erfasst nur die Eintrittsberechtigung für Museen und damit für die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 3 UStG genannten Sammlungen, während die Steuerbefreiung in § 4 Nr. 20 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG auf alle Umsätze mit Kulturbezug eines Museums anzuwenden ist. Steuerfrei sind daher nicht nur Eintrittsberechtigungen, sondern z.B. auch andere "typische Museumsleistungen" (vgl. hierzu Abschn. 4.20.3. Abs. 3 Satz 3 ff. des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--).

14        Dieser leistungsbezogene Unterschied wirkt sich auch auf die Begriffsdefinition des Museums aus. Im Hinblick auf die umfassende Steuerfreiheit bedarf der Museumsbegriff in § 4 Nr. 20 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG einer weitergehenden Verfestigung, als er sich aus § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 3 UStG als Grundtatbestand ergibt. Dies zeigt sich auch daran, dass es für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG auf die Erfüllung gleicher kultureller Aufgaben ankommt wie bei den in Satz 1 benannten Museen und anderen kulturellen Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Eine derartige Verfestigung i.S. einer auf Dauer angelegten Tätigkeit ist § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG fremd, und zwar entgegen dem Urteil des FG, das hierfür zu Unrecht einen Vergleich mit den weiteren in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen wie Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, Museen, botanische Gärten, zoologische Gärten, Tierparks und Archive, Büchereien sowie Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst angeführt hat.

15        bb) Hieraus folgt, dass es sich bei den in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 3 UStG genannten Kunstsammlungen auch um die einer anderen Person handeln kann. Darüber hinaus können diese Sammlungen auch eigens für die Ausstellung, für die die Eintrittsberechtigung gewährt wird, zusammengestellt sein. Nicht vereinbar mit dem Museumsbegriff ist aber auch bei § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 3 UStG und damit bei § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG eine Begünstigung von Ausstellungen, die statt von kulturellen und bildenden Zwecken bloßen Verkaufszwecken dienen (zutreffend Abschn. 4.20.3. Abs. 3 UStAE). Entgegen dem Urteil des FG kommt es somit nicht darauf an, dass Sonderausstellungen entweder komplett aus den Sammlungsbeständen anderer Einrichtungen oder privater Leihgeber zusammengestellt sind oder aber nur zu einem geringen Anteil aus der eigenen Sammlung bestückt werden.

16        Im Normverhältnis der §§ 4 und 12 UStG führt dies dazu, dass ein Museum i.S. von § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 3 UStG, das die Voraussetzungen des § 4 Nr. 20 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG nicht erfüllt, nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG bei der Gewährung von Eintrittsberechtigungen steuersatzermäßigt ist.

17        cc) Hierfür spricht auch die Rechtsprechung des EuGH zur Steuersatzermäßigung. Denn nach der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers (EuGH-Urteil Pro Med Logistik und Pongratz vom 27. Februar 2014 in den verbundenen Rechtssachen C-454/12 und C-455/12, EU:C:2014:111, BStBl II 2015, 437, Rz 57) handelt es sich bei der Ausstellung einer bereits anderweitig bestehenden Sammlung --in Abgrenzung zu einer für eine Ausstellung eigens zusammengestellten Sammlung-- nicht um einen konkreten und spezifischen Aspekt des Begriffs der Sammlung (zu diesem Erfordernis vgl. EuGH-Urteil Pro Med Logistik und Pongratz, EU:C:2014:111, BStBl II 2015, 437, Rz 45).

18        c) Die hiergegen gerichteten Einwendungen des FA greifen nicht durch. Insbesondere steht der Steuersatzermäßigung nicht entgegen, dass Anhang III Kategorie 7 MwStSystRL neben den Museen auch Ausstellungen als eigenständigen Begriff nennt. Zwar ist es zutreffend, dass § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG die danach bestehende Ermächtigung zur Schaffung einer Steuersatzermäßigung für Ausstellungen als solche nicht ausgeübt hat. Dies betrifft aber vorrangig die Eintrittsberechtigung für Verkaufsausstellungen, die auch von der Steuerfreiheit ausgeschlossen sind (s. oben II.2.b bb), nicht aber die Auslegung des Museumsbegriffs als Ausstellungen von Kunstsammlungen, die auch eigens für die Ausstellung zusammengestellt worden sein können.

19        Aus dem Begriff der Sammlung folgt zudem kein Erfordernis der Dauerhaftigkeit, da sonst Kunstausstellungen, die eigens für eine Ausstellung oder Ausstellungsreise zusammengestellt werden, nicht den Anforderungen des Museumsbegriffs entsprächen. Im Übrigen kommt es auf internationale Museumsdefinitionen nicht an. Schließlich kommt es aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers entgegen der Auffassung des FA nicht darauf an, ob Gegenstand der Ausstellung eine bereits anderweitig bestehende Sammlung ist.

20        3. Danach ist das Urteil des FG aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die für den Museumsbegriff erforderliche Sammlung liegt im Hinblick auf die vom Kläger selbst vorgenommene Zusammenstellung vor. Da das FG zu Recht die Kunstwerkeigenschaft der ausgestellten Objekte bejaht hat, ist der Klage stattzugeben.

21        4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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