BFH: Ortsübliche Miete im Fall der verbilligten Überlassung von Wohnraum
BFH, Urteil vom 10.5.2016 – IX R 44/15
Volltext: BB-Online BBL2016-2198-1
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Amtlicher Leitsatz
Unter ortsüblicher Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung ist die ortsübliche Bruttomiete – d.h. die Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten – zu verstehen.
Sachverhalt
I. Die Beteiligten streiten um den Werbungskostenabzug bei verbilligter Vermietung nach § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielten im Streitjahr 2011 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer in L. gelegenen Wohnung. Die Wohnung war an die Mutter des Klägers vermietet. Die im Jahr 2011 vereinnahmte Kaltmiete betrug 2.900,04 EUR. Nebenkostenvorauszahlungen wurden in Höhe von 1.829,27 EUR geleistet. Die Kläger erklärten in ihrer Anlage V Einnahmen in Höhe von 3.024 EUR sowie Werbungskosten in Höhe von 11.228 EUR.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 2011 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die von den Klägern ermittelten negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 8.204 EUR im Einkommensteuerbescheid 2011 vom 18. März 2013 nicht.
Der dagegen eingelegte Einspruch hatte teilweise Erfolg. Das FA berücksichtigte in der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2014 negative Vermietungseinkünfte in Höhe von ./. 2.378 EUR. Zur Begründung führte es aus: Die Werbungskosten für die Vermietung der Wohnung könnten nur in Höhe von 62,28 % von 11.183 EUR = 6.965 EUR berücksichtigt werden. Denn die von der Mutter des Klägers gezahlte Kaltmiete in Höhe von 2.900,04 EUR habe nur 62,28 % der ortsüblichen Kaltmiete in Höhe von 4.656 EUR betragen. Da die Überschussprognose für einen Zeitraum von 30 Jahren negativ sei, seien die Werbungskosten anteilig aufzuteilen. Zudem könne ein Teil der Kosten nicht anerkannt werden.
Das Finanzgericht (FG) wies die von den Klägern dagegen erhobene Klage ab. Zur Begründung führte es aus, das FA habe zu Recht die geltend gemachten Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung nur in Höhe von 62,28 % berücksichtigt. Das Entgelt für die Überlassung der Wohnung habe 62,28 % der ortsüblichen Marktmiete betragen. Die durchgeführte Überschussprognose sei negativ ausgefallen. Vergleichsmiete i.S. des § 21 Abs. 2 EStG sei die ortsübliche Kaltmiete, nicht die Warmmiete. Betriebskosten seien nicht in die Vergleichsrechnung einzubeziehen.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie bringen vor, bei der Berechnung nach § 21 Abs. 2 EStG seien die Warmmieten und nicht die Kaltmieten zugrunde zu legen. Da die ortsübliche Kaltmiete auf der Grundlage des Mietspiegels für die Wohnung 4.080 EUR betrage, liege unter Berücksichtigung der Betriebskosten in Höhe von 1.829,67 EUR die Entgeltlichkeitsquote bei 80,03 % und damit über 75 % der ortsüblichen Vergleichsmiete. Die Werbungskosten seien daher in vollem Umfang abzugsfähig.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 22. Juni 2015 4 K 2268/14 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 18. März 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2014 dahingehend abzuändern, dass aus der Vermietung der Wohnung Werbungskosten in Höhe von insgesamt 11.183 EUR zu berücksichtigen sind.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das FA führt aus, richtigerweise sei auf die Warmmiete abzustellen. Allerdings betrage die Entgeltlichkeitsquote nur 72,92 %. Denn die ortsübliche Miete für die Wohnung betrage unter Berücksichtigung des ortsüblichen Mietspiegels nicht 4.080 EUR, sondern sei vielmehr auf der Grundlage der Feststellungen des FG mit 4.656 EUR anzusetzen. Daher sei nur in Höhe der Differenz von knapp 10 % der Werbungskostenabzug noch zu gewähren. Allerdings habe das FG keine Feststellungen zu der im Mietspiegel enthaltenen Mietpreisspanne getroffen.
Aus den Gründen
10 II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
11 1. Das FG hat rechtsfehlerhaft im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG für die Berechnung der Entgeltlichkeitsquote die ortsübliche Kalt- anstelle der Warmmiete zugrunde gelegt. Dabei ist unter ortsüblicher Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung die ortsübliche Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung --BetrKV-- (vom 25. November 2003, BGBl I 2003, 2346) umlagefähigen Kosten zu verstehen (vgl. u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juli 2000 IX R 6/97, BFH/NV 2001, 305, m.w.N.; R 21.3 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008; Oberfinanzdirektion --OFD-- Frankfurt/M. vom 22. Januar 2015, ofix HE EStG/21/23, unter 1.; OFD Karlsruhe vom 1. Februar 2013, ESt-Kartei BW § 21 EStG Fach 6 Nr. 3.1; Blümich/Schallmoser, EStG, § 21 Rz 543; Eggers in Korn, § 21 EStG Rz 135; Schmidt/Kulosa, 34. Aufl., § 21 Rz 159; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 21 Rz 77; Kanzler/Kraft/Bäuml, § 21 EStG Rz 156; Pfirrmann in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG, § 21 EStG Rz 206).
12 2. Das Urteil des FG kann daher keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Die Sache ist allerdings nicht spruchreif. Das FG hat Feststellungen zur ortsüblichen Miete nachzuholen. Dazu hat es die ortsübliche Kaltmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung unter Einbeziehung der Spannen des örtlichen Mietspiegels zuzüglich der nach der BetrKV umlagefähigen Kosten festzustellen. Auf dieser Grundlage hat es die Entgeltlichkeitsquote und damit die Höhe des Werbungskostenabzugs im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung neu zu ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 2002 IX R 48/01, BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646).
13 3. Die Kostenentscheidung bleibt dem FG vorbehalten (§ 143 Abs. 2 FGO).