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Steuerrecht
15.05.2008
Steuerrecht
: Option, Verfall einer Option, privates Veräußerungsgeschäft, vergebliche Werbungskosten

BFH, Urteil vom 19.12.2007 - IX R 11/06

Vorinstanz: FG Münster vom 7. Dezember 2005 10 K 5715/04 F (EFG 2006, 669)


Leitsatz:

Wer erworbene Optionen verfallen lässt, erfüllt nicht den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG.


EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4; FGO § 68, § 121



Sachverhalt:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) machte in seiner Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember des Streitjahres (2000) u.a. einen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften geltend. Dieser beruhte in Höhe von 26 046,12 DM auf dem Erwerb von Kaufoptionen, die der Kläger bei Fälligkeit wegen Wertlosigkeit nicht ausgeübt, sondern verfallen lassen hatte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte die Berücksichtigung des sich aus den verfallenen Kaufoptionen ergebenden Verlustes ab. Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt. Ein Termingeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes in der ab dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I 1999, 402 (EStG) liege auch beim Verfall eines befristeten Optionsrechtes vor. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 669 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG.

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Mit Bescheid vom 12. November 2007 hat das FA den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2000 --ohne Auswirkung auf die hier streitigen negativen Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften-- erneut geändert.


Aus den Gründen:

II.

Die Revision ist begründet; nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

1. Auf die Revision ist das Urteil des FG schon aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil der Verwaltungsakt (Änderungsbescheid vom 13. April 2005), über dessen Rechtmäßigkeit das FG entschieden hat, nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG mit Bescheid vom 12. November 2007 geändert wurde (§ 68 Satz 1 FGO). Das vorinstanzliche Urteil ist somit gegenstandslos geworden; die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind hierdurch jedoch nicht weggefallen (Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 127 FGO Rz 3, m.w.N.).

2. Der Senat entscheidet gemäß § 121 i.V.m. § 100 FGO in der Sache selbst und weist die Klage --aus den nachfolgend zu II. 3. dieses Urteils dargelegten Gründen-- ab (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Sache ist entscheidungsreif, da sich --wie dem Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren zweifelsfrei zu entnehmen ist-- durch den Erlass des Änderungsbescheids vom 12. November 2007 der Streitstoff nicht geändert hat und weitere tatsächliche Feststellungen zur abschließenden Beurteilung des Klagebegehrens nicht erforderlich sind (vgl. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 10. Mai 2007 IV R 69/04, BFHE 217, 147, BFH/NV 2007, 2023; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 123 Rz 3, § 127 Rz 1 und 2).

3. Das FG hat zu Unrecht im Zusammenhang mit dem Verfall der Optionen einen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG berücksichtigt.

a) Nach dieser Vorschrift sind Termingeschäfte (nur) solche, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG); als Termingeschäft gelten u.a. auch Optionsgeschäfte (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG).

b) Der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG ist nur erfüllt, wenn der Optionsinhaber durch die Beendigung des erworbenen Rechts auf Differenzausgleich tatsächlich einen Differenzausgleich erlangt, d.h. das Basisgeschäft durchführt; denn § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasst nur Vorteile, die auf dem Basisgeschäft beruhen (BFH-Urteil vom 17. April 2007 IX R 40/06, BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608, m.w.N.). Hieran fehlt es, wenn der Optionsinhaber von seinem Recht auf Differenzausgleich keinen Gebrauch macht und die Option verfallen lässt (gl.A. Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 27. November 2001, BStBl I 2001, 986, Tz 18 und 23; Crezelius, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG § 23 Rz B 109; Schlüter, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2000, 226, 228; a.A. --neben der Vorinstanz-- z.B. FG Rheinland- Pfalz, Urteil vom 19. Mai 2005 4 K 1678/02, EFG 2005, 1701; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 26. Aufl., § 23 Rz 29; Jacobs-Soyka in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 23 Rz 59; Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz 74; Delp, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1999, 584, 586; Wendt, Finanz-Rundschau 1999, 333, 352; Geurts, Der Betrieb 2002, 110, 113; Philipowski, DStR 2004, 978; ders. DStR 2007, 1615).

c) Zwischen § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 und 2 EStG besteht kein Widerspruch (a.A. --neben der Vorinstanz-- z.B. Philipowski, DStR 2004, 978, 979 f.). Beide legen die Bedingungen für die Steuerbarkeit fest. Das erworbene Recht auf einen Differenzausgleich muss innerhalb eines Jahres beendet sein (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 2 EStG) und der Optionsinhaber muss hieraus (tatsächlich) einen Differenzausgleich erlangen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG). Für eine andere Auslegung der Vorschrift unter Hinweis auf das System des Einkommensteuerrechts oder den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit besteht angesichts ihres eindeutigen Wortlautes kein Raum (a.A. --neben der Vorinstanz-- z.B. Philipowski, DStR 2004, 978, 979 f.).

d) Für die Entscheidung des Streitfalles ist ohne Bedeutung, dass der VI. Senat des BFH im Urteil vom 3. Mai 2007 VI R 36/05 (BStBl II 2007, 647) Aufwendungen eines Arbeitnehmers für den Erwerb von (später verfallenen) Aktienoptionen als vergebliche Werbungskosten angesehen hat (a.A. Philipowski, DStR 2007, 1615); denn diese Aufwendungen standen im Zusammenhang mit Einnahmen, die als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 EStG einen Steuertatbestand erfüllten. Im Streitfall ist diese Voraussetzung nicht gegeben.

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