BFH: Kein dual-use bei Ausnutzung der Transporteigenschaft von Rauchgas aus der Verbrennung von Erdgas
BFH, Urteil vom 12.11.2024 – VII R 38/22
ECLI:DE:BFH:2024:U.121124.VIIR38.22.0
Volltext:BB-ONLINE BBL2025-86-4
Amtlicher Leitsatz
Die Verbrennung von Erdgas hat neben dem Verheizen keinen zweiten Verwendungszweck im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d des Energiesteuergesetzes, wenn das durch das Verheizen von Erdgas entstehende Rauchgas zwar passgenau in den weiteren Produktionsprozess eingebunden ist, dafür aber allein die dem Rauchgas immanente Transporteigenschaft ausgenutzt wird.
Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzeugte und bearbeitete Metalle, insbesondere Edelstahl- und Nebenerzeugnisse …
Ein Teil der Betriebserlaubnis … umfasste die Säureregenerationsanlage. In dieser wurde die beim Beizen von Stahl verbrauchte und mit Metalloxiden verunreinigte flüssige Mischung aus Fluss- und Salpetersäure als wiedereinsetzbare Mischsäure zurückgewonnen. Zugleich wurden die beim Beizvorgang abgelösten Metallanteile als Metalloxide abgeschieden. Kernelement dieses Prozesses war der Sprühreaktor, der aus zwei übereinander angeordneten und somit räumlich getrennten Temperaturbereichen bestand, die jeweils mit Erdgas beheizt wurden.
Im Sprühreaktor fanden einerseits als Reaktion eine Verdampfung
H2O (flüssig) -> H2O (gasförmig)
HNO3 (in wässriger Lösung) -> HNO3 (gasförmig)
HF (in wässriger Lösung) -> HF (gasförmig)
und andererseits Zersetzungsreaktionen statt.
(beispielhaft für Eisenoxid und Salpetersäure)
2 FeF3 + 3 H2O -> Fe2O3 + 6 HF
2 HNO3 -> NO2 + NO + O2 + H2O
Als Zersetzungsprodukte entstanden im Sprühreaktor Metalloxide und Fluorwasserstoff. Die Salpetersäure reagierte zu Stickoxiden, Sauerstoff und Wasser … Die gewünschte Zersetzung der an Metalloxide gebundenen Fluoride und deren Abtrennung und Ausschleusung fand in der unteren Reaktorsektion statt …
In der oberen Sektion bildeten die bei der Verbrennung des Erdgases entstehenden Rauchgase eine beabsichtigte Turbulenz, die folgenden Zielen diente:
1. Die aus den Sprühdüsen kommenden "Tröpfchen" der Mischsäure wurden getrocknet.
2. Die Wände des Reaktors kamen nicht mit der Säure in Kontakt und wurden so vor Säureangriffen geschützt.
3. Die enthaltenen Metallfluoride wurden teilweise zersetzt.
Das bei der Verbrennung des Erdgases entstehende Rauchgas wurde im Reaktor demnach zur Trocknung der Mischsäure wie auch zu ihrer Trennung vom Metalloxid genutzt. Die nach der Zersetzungsreaktion in der unteren Reaktorsektion entstandenen Metalloxidanteile waren schwerer als das Rauchgas und fielen im Rauchgasstrom nach unten, während die "Mischsäuretröpfchen" von der Strömung des Rauchgases mitgenommen und damit separiert vom Metalloxid dem nächsten Prozessschritt zugeführt wurden.
Für die streitgegenständlichen Entlastungszeiträume Dezember 2012 und 2013 gelangte der Beklagte und Revisionskläger (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) im Anschluss an eine Außenprüfung zu der Auffassung, dass das in der Säureregenerationsanlage eingesetzte Erdgas nur dem Verheizen und nicht auch einem weiteren, nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d des Energiesteuergesetzes in der im Streitfall geltenden Fassung (EnergieStG) begünstigten Verwendungszweck diente und lehnte eine Steuerentlastung insofern ab.
Auf den dagegen eingelegten Einspruch hin erließ das HZA den Steueränderungsbescheid vom 21.01.2016, in dem es bei der Ablehnung der Entlastung von der Energiesteuer für den Erdgaseinsatz in der Säureregenerationsanlage in Höhe von … € für 2012 und … € für 2013 blieb.
Für den Entlastungszeitraum 2016 gewährte das HZA auf Entlastungsanträge der Klägerin hin nicht die volle beantragte Entlastung, da es unter anderem den hier streitgegenständlichen Erdgaseinsatz in der Säureregenerationsanlage nicht für entlastungsfähig hielt. Auch dagegen legte die Klägerin Einspruch ein.
Nach erfolglosen Einspruchsverfahren hatten die Klagen hinsichtlich des Erdgasverbrauchs in der Säureregenerationsanlage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verband beide Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung und urteilte, der Einsatz des Erdgases in der Säureregenerationsanlage sei nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG begünstigt. Die Klägerin setze das Erdgas in der Säureregenerationsanlage nicht nur zum Verheizen ein, also zum Erreichen der in der Anlage erforderlichen Temperaturen, mit denen erst die chemischen Reaktionen, die Verdampfung und die anschließende Zersetzung der Metallfluoride in Metalloxide einerseits und Flusssäure andererseits hätten erreicht werden können, sondern auch zu weiteren Zwecken. Das bei der Verbrennung des Erdgases entstehende Rauchgas sei im Reaktor sowohl zur Trocknung der Mischsäure als auch zu ihrer Trennung vom Metalloxid genutzt worden. Die Trennung der Mischsäure von den Metalloxiden sei ohne das Rauchgas nicht möglich gewesen. Vielmehr sei das Rauchgas dafür unverzichtbar. Es habe in der Säureregenerationsanlage nicht durch ein anderes Gas ersetzt werden können und auch nicht nur einen Rückstand dargestellt, der lediglich verwertet worden sei.
Das HZA wendet sich hiergegen mit der Revision. Nach seiner Auffassung liegt bei der Verwendung des Erdgases keine dual-use-Verwendung vor. Die Trocknung der Mischsäure sei eine unmittelbare Folge des Verheizens des Energieerzeugnisses. Der Umstand, dass die Mischsäure vom Metalloxid durch das bei der Verbrennung von Erdgas entstehende Rauchgas getrennt werde, sei entgegen den Ausführungen des FG kein weiterer Verwendungszweck. Denn anders als in den bisherigen Rechtsprechungsfällen liege dem Streitfall kein chemischer oder physikalischer Prozess zugrunde, in dem durch die Verbrennung eines Energieerzeugnisses ein konkret bezeichneter, im Verbrennungsgas enthaltener Stoff (Kohlendioxid) erzeugt werde, der im weiteren Prozess eine ganz bestimmte Funktion erfülle und deshalb für den Prozess jeweils zwingend benötigt würde. Hier werde hinsichtlich der Trennung der Mischsäure vom Metalloxid nämlich lediglich eine dem beim Verbrennen von Erdgas entstehenden Rauchgas immanente Eigenschaft, nämlich dessen Transportwirkung, ausgenutzt.
Zudem rügt das HZA, dass partiell Urteilsgründe fehlten, denn das FG habe nicht deutlich gemacht, worauf es seine Erkenntnis stütze, dass das Rauchgas tatsächlich für die Trennung der Mischsäure von den Metalloxiden unverzichtbar gewesen sei.
Das HZA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben, soweit der Klage hinsichtlich der Säureregenerationsanlage stattgegeben wurde, und die Klage auch insoweit abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin führt aus, das in der Säureregenerationsanlage mit dem eingesetzten Erdgas hergestellte Rauchgas diene einem chemischen Prozess, um Stoffe zu trennen, dem Transport der regenerativen Säure und ihrer Trennung von den unerwünschten Bestandteilen (Metallfluoriden). Eine Bereitstellung des erforderlichen Rauchgases durch die Substitution des Erdgaseinsatzes durch den Einsatz von beispielsweise Strom oder Abwärme sei technisch nicht möglich. Denn eine reine Wärmenutzung ‑‑wie dies beim Einsatz von Strom zur Erzeugung der für das Verdampfen der flüssigen Altsäure notwendigen Temperatur der Fall wäre‑‑ würde die chemischen Prozesse nicht in der benötigten Güte im Reaktor auslösen. Das Erdgas werde neben der Erzeugung der im chemischen Prozess benötigten Wärme auch gebraucht, um mit dem entstehenden Rauchgas den im Reaktor erforderlichen Gasstrom zu erzeugen, in dem die zu trennenden Stoffe chemisch reagierten und das Zielprodukt Mischsäure anschließend separiert werden könne.
Die Transportwirkung basiere auf der Strömungsausrichtung und Strömungsgeschwindigkeit des Rauchgases und sei damit ein physikalischer, konkret kinetischer, Vorgang basierend auf dem Zustand des Rauchgases. Auch werde hier nicht lediglich die Transportwirkung in eine Richtung "ausgenutzt", sondern die "beabsichtigte Turbulenz" unter sorgfältiger Einplanung und Beeinflussung von Strömungsrichtung/-geschwindigkeit, Temperatur, der Reaktorgeometrie, eingesprühter Menge Mischsäure und weiteren Faktoren herbeigeführt, die im Gesamtsystem der wirkenden Kräfte zu den im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils beschriebenen Effekten in der Säureregenerationsanlage führe.
Die spezielle Anordnung der Einblasdüsen für die Altsäure und der Erdgasbrenner am Reaktor sorge für ein bei der Konstruktion zuvor genau berechnetes Strömungsmuster innerhalb der Anlage. Die Erdgasbrenner seien so eingestellt, dass das bei der Verbrennung entstehende Rauchgas zunächst in einem definierten Winkel auf die Innenwände des Reaktors auftreffe, damit dadurch eine definierte Strömung innerhalb des Reaktors entstehe. Die Einblasdüsen für die Altsäure seien ihrerseits so ausgerichtet, dass die Altsäure beim Einblasen durch die vorhandene Strömung im mittleren Bereich des Reaktors gehalten werde. Damit werde sichergestellt, dass die korrosiven Bestandteile der verdampften Altsäure die Innenwände des Reaktors nicht berührten, so dass diese damit vor Korrosion geschützt seien. Nur wenn die anlagenspezifischen Vorgaben für die Anlage hinsichtlich Temperatur, Erdgasmenge und eingedüster Altsäuremenge eingehalten seien, funktionierten die kontinuierliche Abscheidung des Metalloxids und die Rückgewinnung von Flusssäure beziehungsweise Salpetersäure der ursprünglichen Mengen als reaktionsfähiger Mischsäure.
Das HZA verkenne, dass es für die Trennung des Metalloxids und zur Abscheidung der Mischsäure zwingend erforderlich sei, zunächst ein Gasgemisch zu erzeugen, in dem alle Bestandteile enthalten seien, damit zum einen die gewollten chemischen Prozesse ablaufen könnten und zum anderen anschließend die Möglichkeit eröffnet werde, die Zielprodukte des Gesamtprozesses ‑‑zum einen Metalloxid, zum anderen Mischsäure‑‑ im speziellen Verfahren der Säureregenerationsanlage herauszulösen und zu separieren. Es handele sich um eine für den Gesamtprozess unverzichtbare Komponente, um die für die Abscheidung des Metalloxids, den Korrosionsschutz der Anlage und die zur Gewinnung der Mischsäure erforderlichen chemischen und physikalischen Rahmenbedingungen im Reaktor zu generieren. Das Rauchgas in seiner konkreten Verwendung sei wesentlicher Baustein zur Erzeugung des für den Ablauf und den Abschluss des Produktionsprozesses erforderlichen Gasgemisches als Ausgangsprodukt für die sich anschließenden Separationsvorgänge.
Aus den Gründen
19 II. Die Revision ist begründet und die Vorentscheidung daher im beantragten Umfang aufzuheben. Die Vorentscheidung verletzt insoweit Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Klage ist, auch soweit ihr in der ersten Instanz stattgegeben wurde, abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass für das in der Säureregenerationsanlage verwendete Erdgas die Voraussetzungen für die Entlastung von der Energiesteuer nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG erfüllt sind.
20 . Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG wird auf Antrag eine Steuerentlastung gewährt für Energieerzeugnisse, die nachweislich nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 und 10, Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 4a EnergieStG versteuert worden sind und von einem Unternehmen des Produzierenden Gewerbes im Sinne des § 2 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes gleichzeitig zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken als als Heiz- oder Kraftstoff verwendet worden sind.
21 ) Mit § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG hat der nationale Gesetzgeber seinen Spielraum im Sinne von Art. 2 Abs. 4 Buchst. b zweiter Anstrich der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom ‑‑Energiesteuerrichtlinie‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Union 2003, Nr. L 283, 51) ‑‑EnergieStRL‑‑ genutzt, wonach die Energiesteuerrichtlinie nicht für Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck gilt. Ein Energieerzeugnis hat dann zweierlei Verwendungsweck, wenn es sowohl als Heizstoff als auch für andere Zwecke als als Heiz- oder Kraftstoff verwendet wird (Senatsurteil vom 01.06.2022 - VII R 37/20, BFHE 279, 330, Rz 23; Senatsbeschluss vom 31.01.2019 - VII B 115/18, Rz 7).
22 b) Nach § 1a Satz 1 Nr. 12 EnergieStG ist Verheizen im Sinne des Energiesteuergesetzes das Verbrennen von Energieerzeugnissen zur Erzeugung von Wärme. Eine Verwendung zum Verheizen liegt immer dann vor, wenn Energieerzeugnisse verbrannt werden und die so erzeugte thermische Energie zum Heizen genutzt wird, und zwar unabhängig vom Zweck des Heizens, der auch die Umwandlung oder Vernichtung des Stoffes umfassen kann, auf den die thermische Energie bei einem chemischen und industriellen Prozess übertragen wird (Senatsurteil vom 01.06.2022 - VII R 37/20, BFHE 279, 330, Rz 24, m.w.N.).
23 2. Die Frage, wann ein Energieerzeugnis gleichzeitig auch zu anderen Zwecken als als Heiz- oder Kraftstoff verwendet wird, war gerade auch in den letzten Jahren bereits mehrfach Gegenstand der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und insbesondere des erkennenden Senats.
24 a) In seinem Urteil X vom 02.10.2014 - C-426/12, EU:C:2014:2247, Rz 24 ff. hat der EuGH entschieden, dass die Verwendung eines Energieerzeugnisses nur dann nicht in den Anwendungsbereich der Energiesteuerrichtlinie fällt, wenn dieses Erzeugnis ‑‑in seiner Funktion als Energiequelle‑‑ selbst anders als als Heiz- oder Kraftstoff verwendet wird. Ein Energieerzeugnis, das im Rahmen eines Herstellungsprozesses verbrannt wird, kann daher zweierlei Verwendungszweck haben, wenn dieser Prozess nicht ohne Einsatz eines Stoffes durchgeführt werden kann, von dem feststeht, dass er nur durch die Verbrennung des betreffenden Energieerzeugnisses erzeugt werden kann. Ist dagegen ein bei der Verbrennung entstehendes Gas nicht das zur Durchführung des Produktionsprozesses erforderliche Erzeugnis, sondern ein Rückstand dieses Prozesses, der lediglich verwertet wird, hat das Energieerzeugnis selbst nicht zweierlei Verwendungszweck.
25 Dies hat der EuGH in seinem Beschluss YARA Brunsbüttel vom 17.12.2015 - C-529/14, EU:C:2015:836, Rz 24 ff. bestätigt. Hier hat der EuGH ‑‑unter Verweis auf sein Urteil X vom 02.10.2014 - C-426/12, EU:C:2014:2247‑‑ weiter ausgeführt, dass, wenn die bloße Verwertung eines Rückstands aus der Verbrennung eines Energieerzeugnisses bereits für das Vorliegen von "zweierlei Verwendungszweck" im Sinne von Art. 2 Abs. 4 Buchst. b EnergieStRL ausreichen würde, dies bedeuten würde, dass die Frage, ob ein solches Energieerzeugnis in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, davon abhinge, ob ein bestimmter Hersteller Verfahren zur Verwertung des Rückstands aus der Verbrennung des betreffenden Energieerzeugnisses einsetzte. Nach dieser EuGH-Entscheidung stellt die Verwendung von Erdgas zum einen zum Überhitzen und Trocknen von Dampf und zum anderen zur thermischen Zersetzung und Ableitung der aus dem Herstellungsprozess stammenden Restgase keinen Fall von "zweierlei Verwendungszweck" dieses Gases im Sinne von Art. 2 Abs. 4 Buchst. b EnergieStRL dar (EuGH-Beschluss YARA Brunsbüttel vom 17.12.2015 - C-529/14, EU:C:2015:836, Rz 28 ff.).
26 b) Der erkennende Senat hat den EuGH in seinem Urteil X vom 02.10.2014 - C-426/12, EU:C:2014:2247, Rz 24 ff. so verstanden, dass es ausreicht, wenn in einem Herstellungsverfahren allein das eingesetzte Energieerzeugnis in der Lage ist, einen zur Fertigstellung des Produkts erforderlichen Stoff (zum Beispiel Kohlendioxid) zur Verfügung zu stellen (Senatsurteil vom 13.01.2015 - VII R 35/12, BFHE 248, 287, Rz 24). Weiterhin geht der erkennende Senat unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils X vom 02.10.2014 - C-426/12, EU:C:2014:2247 davon aus, dass es allein darauf ankommt, ob das Energieerzeugnis selbst oder dessen Verbrennungsprodukte für den Abschluss des Produktionsprozesses erforderlich sind. Eine stoffliche Verbindung zwischen dem Energieerzeugnis und dem hergestellten Produkt ist nicht erforderlich (Senatsurteile vom 13.01.2015 - VII R 35/12, BFHE 248, 287, Rz 26 und 28 und vom 10.11.2015 - VII R 40/14, Rz 11; Senatsbeschlüsse vom 31.01.2019 - VII B 115/18, Rz 10 und vom 31.01.2019 - VII B 147/18, Rz 14). In dem Senatsurteil vom 10.11.2015 - VII R 40/14 hat der Senat die Förderung der Kristallisation und eine stabilisierende Wirkung, die durch die Verbrennung von Erdgas bei Natriumpercarbonat erreicht wurde, als einen neben dem Verheizen bestehenden zweiten Verwendungszweck anerkannt. Der Senat kam daher zu dem Ergebnis, dass der Produktionsprozess, das heißt, der Prozess, der im Streitfall zu dem nachgefragten und marktfähigen Endprodukt führte, nicht ohne den Einsatz des Verbrennungsprodukts Kohlendioxid zu Ende geführt werden konnte (Senatsurteil vom 10.11.2015 - VII R 40/14, Rz 15). Auch in dem Senatsbeschluss vom 31.01.2019 - VII B 147/18 hat der Senat die oben genannte Rechtsprechung des EuGH aufgegriffen und dahingehend zusammengefasst, dass gerade durch die Verbrennung des Energieerzeugnisses ein Stoff entstehen muss, der für den Abschluss des Produktionsprozesses erforderlich ist (Senatsbeschluss vom 31.01.2019 - VII B 147/18, Rz 14). In seinem Urteil vom 01.06.2022 - VII R 37/20 (BFHE 279, 330) hielt es der erkennende Senat für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG für maßgeblich, ob gerade durch die Verwendung des Erdgases die im dortigen Fall ebenfalls benötigte inerte Wirkung und damit die für den Produktionsprozess erforderliche Schutzgasatmosphäre erzeugt wird (Senatsurteil vom 01.06.2022 - VII R 37/20, BFHE 279, 330, Rz 44 ff.; vgl. im Grundsatz dazu bereits Senatsurteil vom 05.07.1988 - VII R 119/84, BFHE 154, 286, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1988, 308).
27 Diese Rechtsprechung konkretisierte der erkennende Senat zuletzt erneut im Urteil vom 12.03.2024 - VII R 1/21. Danach kann ein zweiter Verwendungszweck des Verbrennens von Erdgas eine chemische Reaktion sein, die ausschließlich stattfinden kann, wenn ein Verbrennungsprodukt des Erdgases vorliegt. Im dortigen Fall sollten schwer flüchtige Schadstoffe aus dem Porensystem gebrauchter Aktivkohle entfernt werden. Dies geschah durch Oxidation von Kohlenstoff zu gasförmigem Kohlenmonoxid. Der für diese chemische Reaktion benötigte Sauerstoff stammte sowohl aus dem durch die Verbrennung des Erdgases erzeugten Kohlendioxid als auch aus zugeführtem Wasserdampf. Das Kohlendioxid reagierte mit dem Kohlenstoff, sodass Kohlenmonoxid entstand und die Schadstoffe auf diesem Wege in einen gasförmigen Zustand überführt wurden. Dass das für diese chemische Reaktion benötigte Kohlendioxid nicht nur aus der Verbrennung des Erdgases, sondern auch aus zugeführtem Wasserdampf stammte, änderte nach den Ausführungen des erkennenden Senats nichts daran, dass ein Verbrennungsprodukt des Erdgases ‑‑Kohlendioxid‑‑ an der chemischen Reaktion teilnahm und für die Reinigung der Aktivkohle zwingend erforderlich war. Gerade ein aus der Verbrennung von Erdgas entstehender chemischer Stoff kann folglich für die Durchführung eines Prozesses unerlässlich sein (Senatsurteil vom 12.03.2024 - VII R 1/21, Rz 46 ff.).
28 3. Nach diesen rechtlichen Maßgaben hat das FG der Klägerin zu Unrecht die Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG zugesprochen.
29 a) Die Klägerin hat das gesamte Erdgas im Sinne von § 1a Satz 1 Nr. 12 EnergieStG verheizt, weil sie es verbrannt hat, um thermische Energie zu erzeugen und so die prozessbedingt erforderliche Temperatur zu erreichen. Wie das FG festgestellt hat, trocknete die Wärme des bei der Verbrennung des Erdgases entstehenden Rauchgases die "Mischsäuretröpfchen". Außerdem waren die Temperaturen in der Anlage nach den weiteren Feststellungen des FG für die Zersetzung der in der Säure enthaltenen Metallfluoride in Metalloxide und Flusssäure erforderlich.
30 b) Im Streitfall ist zum Verheizen kein zweiter Verwendungszweck hinzugekommen; vielmehr erschöpft sich der Verwendungszweck in dem Verheizen.
31 Ausgehend von den für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG entstehen zwar durch die Verbrennung des Erdgases Rauchgase, die neben den Trocknungs- und Zersetzungsprozessen einerseits dafür sorgten, dass die Wände des Reaktors nicht mit der Säure in Kontakt kamen und so geschützt wurden, und andererseits, dass die "Mischsäuretröpfchen" von der Strömung des Rauchgases mitgenommen und, vom Metalloxid separiert, dem nächsten Prozessschritt zugeführt wurden. Ein zweiter Verwendungszweck, der dem Erdgas oder seinen Verbrennungsprodukten zugeschrieben werden könnte, liegt jedoch nicht vor.
32 Die unter I. genannten chemischen Formeln zeigen, dass an den Zersetzungsreaktionen weder Bestandteile des Erdgases (CH4) noch dessen Verbrennungsprodukte (zum Beispiel CO2) beteiligt sind, sondern nur Eisentrifluorid, Wasser und Salpetersäure; eine stoffliche Verbindung, die nach der oben dargestellten Rechtsprechung einen steuerlich begünstigten weiteren Verwendungszweck begründen könnte, scheidet mithin aus.
33 Auch die Absonderung der Metalloxide stellt keinen weiteren Verwendungszweck des Erdgases dar, weil diese schwerer als das Rauchgas sind und somit aufgrund der Schwerkraft in der Anlage nach unten sinken. Auch hierfür ist ‑‑wie bei der Trocknung und Zersetzung‑‑ jedoch kein bestimmtes Erzeugnis beziehungsweise kein bestimmter Stoff aus dem verbrannten Erdgas verwendet worden.
34 Schließlich ist auch in der Erzeugung des Rauchgasstroms beziehungsweise der beabsichtigten Turbulenz kein zweiter Verwendungszweck zu erblicken. Auch wenn ‑‑wie die Klägerin erklärt hat‑‑ mit dem entstehenden Rauchgas im Reaktor der erforderliche Gasstrom erzeugt werde, ist damit lediglich eine Transportfunktion angesprochen. Die Ableitung von Gasen zum Beispiel über einen Kamin gilt nach der oben (unter II.2.a) angeführten EuGH-Rechtsprechung aber gerade nicht als weiterer Zweck neben dem Verheizen. Das gilt auch dann, wenn es sich nicht um einen reinen Kamineffekt handeln sollte, also das Rauchgas mit dem Mischgas nicht aufgrund der Wärme nach oben steigt und so aus dem Reaktor befördert wird, sondern weil sich aufgrund der Wärme das Volumen des Rauchgases erhöht beziehungsweise das Rauchgas ein größeres Volumen als das Erdgas hat und das Rauchgas dadurch zum Transport der verdampften und daher gasförmigen Fluss- und Salpetersäure geeignet ist. Auch wenn durch eine bestimmte, berechnete Bewegung dieser Abgasstrom aus dem Reaktor entweicht, handelt es sich hierbei letztlich um einen Effekt, der direkt auf das Verheizen des Erdgases zurückzuführen ist. Eine Ausnutzung vorhandenen Rauchgases reicht aber ‑‑wie dargelegt‑‑ nicht zur Bejahung eines zweiten Verwendungszwecks aus.
35 Zu keiner Änderung führt der Umstand, dass die Säureregenerationsanlage dieses Rauchgas in sehr passgenauer Weise einsetzt und der Gasstrom ganz besonders ausgerichtet ist, damit die Säure nicht an die Reaktorwände gelangt. Denn physikalisch wird noch immer dieselbe Eigenschaft des Gases verwendet; es handelt sich um dasselbe physikalische Prinzip. Die Klägerin hat mithin zwar ein Verfahren zur Verwertung dieses Rauchgases aus der Verbrennung des Erdgases eingesetzt. Eine dual-use-Verwendung hat sie damit aber nicht erreicht, sondern lediglich den durch die Verbrennung des Erdgases erzeugten Rückstand, das Rauchgas, in sinnvoller Weise verwertet.
36 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.