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Steuerrecht
11.12.2009
Steuerrecht
BFH: Insolvenzanfechtung bei Organschaft

BFH, Urteil vom 23.9.2009 - VII R 43/08

Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 4.12.2007 - 5 K 1605/04 (EFG 2008, 481)

LEITSÄTZE

1. Bezahlt in einer umsatzsteuerlichen Organschaft die Organgesellschaft kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen die Steuerschuld des Organträgers, so ist die Zahlung nach § 134 InsO anfechtbar, wenn die Steuerforderung gegenüber dem Organträger nicht werthaltig (uneinbringlich) war.

2. Hat die Organgesellschaft die Steuerschuld des Organträgers vor Fälligkeit bezahlt, obwohl der Organträger leistungsfähig war, ist diese Zahlung gegenüber dem FA nicht gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar, weil das FA nicht Insolvenzgläubiger ist.

3. Der Haftungsanspruch nach § 73 AO ist gegenüber dem Steueranspruch subsidiär, wenn feststeht, dass der Steuerschuldner zur Zahlung in der Lage ist. Der Tatbestand des § 73 AO wird ergänzt durch die Regelungen in § 191 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 AO. Danach setzt der Haftungsanspruch voraus, dass die Haftungsinanspruchnahme bei der gebotenen Ermessensausübung in Betracht kommt.

AO § 37 Abs. 2 Satz 1, § 73; InsO § 130, § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 134, § 143; UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2

SACHVERHALT

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH. Gesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH war der Beigeladene. Zwischen der X-GmbH (Organgesellschaft) und dem Beigeladenen (Organträger) bestand eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft.

Am 27. Februar 2003 zahlte die Organgesellschaft an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) einen Betrag in Höhe von rund 41.000 € zur Begleichung der Umsatzsteuerschulden des Organträgers für den Monat Februar 2003. Am 28. Februar 2003 beantragte der Organträger beim Amtsgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Organgesellschaft.

Mit Schreiben vom 16. Juni 2003 focht der Kläger gegenüber dem FA die am 27. Februar 2003 geleistete Zahlung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) an. Das FA sei Insolvenzgläubiger, da die Forderung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei. Die Zahlung sei innerhalb des letzten Monats vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Das FA habe durch die Zahlung eine Befriedigung erlangt, auf die es zum damaligen Zeitpunkt noch keinen Anspruch gehabt habe.

Im Juli 2003 kam das FA der Aufforderung des Klägers, den Betrag in Höhe von rund 41.000 € an ihn auszukehren, zunächst nach.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2004 forderte das FA den an den Kläger ausgezahlten Betrag jedoch zurück. Es berief sich dabei auf § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO). Die (Rück-)Zahlung sei ohne rechtlichen Grund geleistet worden. Die Insolvenzanfechtung habe nicht zu einem Erstattungsanspruch des Klägers geführt, sondern wäre vielmehr gegen den Organträger zu richten gewesen.

Einspruch und Klage gegen den Rückforderungsbescheid blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt den Bescheid für rechtmäßig, weil der Kläger Leistungsempfänger und damit Erstattungsverpflichteter i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO gewesen und die Auszahlung an ihn im Juli 2003 ohne rechtlichen Grund erfolgt sei. Die Organgesellschaft habe den Betrag zunächst zur Tilgung der Umsatzsteuerschulden des Organträgers an das FA überwiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückzahlung zur Insolvenzmasse gehabt, da die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht vorgelegen hätten. Das FA sei nicht Insolvenzgläubiger gewesen, da es keinen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen die Organgesellschaft, die Insolvenzschuldnerin, gehabt habe. Denn diese habe keine eigene, sondern eine fremde Verbindlichkeit, nämlich die des Organträgers, getilgt. Die Insolvenzgläubigerschaft des FA folge auch nicht aus der Haftung der GmbH als Organgesellschaft für die Steuerschulden des Organträgers, weil die Umsatzsteuerschuld des Organträgers, für die die Organgesellschaft hätte haften können, durch deren Überweisung vom 27. Februar 2003 getilgt worden sei.

Eine Anfechtung nach § 132 oder § 133 InsO komme ebenfalls nicht in Betracht, weil das FA zur Zeit der Zahlung weder die Zahlungsunfähigkeit der Organgesellschaft noch eine eventuelle Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Organträgers gekannt habe. Der Kläger habe auch keinen Rückgewähranspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO. Denn erstattungsberechtigt sei danach der Steuerpflichtige, für dessen Rechnung die Zahlung geleistet worden ist. Entscheidend sei insoweit, dass die Organgesellschaft den Willen hatte, die Steuerschuld des Organträgers zu tilgen.

Dem Kläger stehe schließlich auch kein Bereicherungsanspruch nach § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu, da § 37 Abs. 2 Satz 1 AO diesen bei Steuerzahlungen verdränge.

Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 481 veröffentlicht.

Mit seiner Revision macht der Kläger die Verletzung von §§ 38, 131 InsO, §§ 37, 44, 73 AO geltend. Er hält die Rechtsauffassung des FG für fehlerhaft, dass die Zahlung der Umsatzsteuer durch den Insolvenzverwalter der Organgesellschaft nicht angefochten werden könne, weil das FA vor Erlass eines Haftungsbescheids noch keinen Vermögensanspruch gegen die Organgesellschaft gehabt habe und nach Zahlung der Steuerschuld nicht mehr zu den Insolvenzgläubigern gehöre. Eine Haftung der Organgesellschaft für Umsatzsteuern des Organträgers sei nach § 38 AO bereits in dem Zeitpunkt entstanden, zu dem der Organträger den Tatbestand verwirklicht habe, der seine Umsatzsteuerschuld habe entstehen lassen. Lediglich zur Durchsetzung des Haftungsanspruchs bedürfe es des Erlasses eines Haftungsbescheids. Der Umstand, dass der Haftungsanspruch nur akzessorisch zur Steuerschuld des Organträgers sei, ändere nichts daran, dass das FA mit diesem Anspruch auf die spätere Teilnahme am Insolvenzverfahren verwiesen wäre, hätte es nicht eine Befriedigung vorab erlangt. Das aber reiche aus, um das FA im Wege der Anfechtung auf Rückzahlung des erhaltenen Betrags in Anspruch nehmen zu können, denn als Anfechtungsgegner komme jeder in Betracht, der seinen Vermögensanspruch ohne die anfechtbare Rechtshandlung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen könne. Abgesehen davon sei die Insolvenzanfechtung ausnahmsweise auch gegenüber einem Nicht-Insolvenzgläubiger zugelassen, wenn der Insolvenzschuldner --wie im Falle der Gesamtschuld gemäß § 44 Abs. 1 AO-- für die Erfüllung der Forderung selbst einzustehen habe. Die Einschränkung, dass die Anfechtung nur in Betracht komme, wenn der Leistende nicht zugleich einen Befreiungs- oder Rückgriffsanspruch gegen den eigentlichen Schuldner erwerbe, greife im Falle der Organschaft nicht durch, weil sich nach der Rechtsprechung aus der Natur der Organschaft ergebe, dass die Organgesellschaft eine für den Organträger vorgenommene Steuerzahlung von diesem nicht ersetzt verlangen könne. Die Insolvenzgläubigerschaft des FA scheitere auch nicht daran, dass die Steuerforderung von der Organgesellschaft, die selbst nicht Steuerschuldnerin gewesen sei, schon vor ihrer Entstehung beglichen worden sei und dass mangels Entstehung einer Steuerschuld im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung auch kein Haftungsanspruch bestanden habe. Da sich das Recht der Insolvenzanfechtung in erster Linie an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientiere, trete im Fall der Organschaft die Unterscheidung zwischen Steuerschuldnerschaft und Haftungsschuldnerschaft zurück. Die Organschaft sei im Rahmen der Anfechtung als Gesamtheit zu betrachten mit der Folge, dass in der angefochtenen Leistung die Befriedigung eines Insolvenzgläubigers zu sehen sei, nämlich einer Person, die ihre Forderung ohne Vornahme der anzufechtenden Rechtshandlung nur durch Teilnahme am Insolvenzverfahren hätte verfolgen können.

Das FA entgegnet:

Die durch die Insolvenzschuldnerin geleistete Zahlung unterliege nicht der Insolvenzanfechtung. Eine Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO scheitere, weil das FA aufgrund der bereits erfolgten Tilgung und der bestehenden Akzessorietät zwischen der Steuerschuld und eventueller Haftungsschuld nicht Insolvenzgläubiger im Verfahren der Organgesellschaft habe werden können. Eine Umsatzsteuerschuld, für die die Organgesellschaft nach § 73 AO habe haften können, sei im Streitfall nicht entstanden. Deshalb sei auch kein Gesamtschuldverhältnis entstanden, aufgrund dessen das FA im Insolvenzverfahren der Organgesellschaft von dieser Befriedigung hätte verlangen können. Aber auch nach der Rechtsauffassung des Klägers, dass als Anfechtungsgegner jeder in Betracht komme, der seinen Vermögensanspruch ohne die anfechtbare Rechtshandlung nur als Insolvenzgläubiger hätte geltend machen dürfen, sei die Anfechtung nicht berechtigt, denn ohne die auf fremde Rechnung geleistete Zahlung wäre die Steuerschuld vom Organträger als Steuerschuldner zu erfüllen gewesen und es spreche nichts dafür, dass dieser den Anspruch des FA nicht hätte erfüllen können oder erfüllt hätte. Die Steuerzahlung sei nur dem Organträger gegenüber anfechtbar, da es sich um eine Leistung an diesen gehandelt habe, der dadurch Befreiung von seiner Steuerschuld erlangt habe.

Der Beigeladene, der Organträger, unterstützt die Auffassung des FA, dass wegen der Begleichung der Steuerschuld vor Insolvenzeröffnung die Voraussetzungen für eine gesamtschuldnerische Mithaftung der Organgesellschaft nicht vorgelegen hätten und weist darauf hin, dass durch die Zahlung der Organgesellschaft er, der Organträger, eine eigene Verbindlichkeit getilgt habe, wenn auch mit fremden Mitteln.

AUS DEN GRÜNDEN

II.

Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des FG ist mit dem Bundesrecht im Ergebnis vereinbar (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FA hat Anspruch auf Rückzahlung der an den Kläger (zurück-)gezahlten rund 41.000 €. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hat derjenige, auf dessen Rechnung eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist, gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Die Rückzahlung in die Insolvenzmasse ist ohne Rechtsgrund erfolgt.

Der Rechtsgrund für die Rückzahlung des von der Organgesellschaft an das FA gezahlten Betrags ergibt sich im Streitfall nicht aus § 143 Abs. 1 InsO. Danach muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden, was durch eine anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Hier hat das FA dem Kläger den Betrag zur Insolvenzmasse zurückgezahlt, den die Organgesellschaft nach den Feststellungen des FG vor Insolvenzeröffnung auf die Umsatzsteuer des Organträgers gezahlt hatte. In dieser Zahlung der Organgesellschaft hat der Kläger zu Unrecht eine gegenüber dem FA anfechtbare Handlung gesehen.

1. Eine sog. Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO kommt im Streitfall nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist eine unentgeltliche Leistung, sofern sie innerhalb von vier Jahren vor Insolvenzeröffnung vorgenommen worden ist, anfechtbar. Eine unentgeltliche Leistung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), der sich der Senat anschließt, auch in der Zuwendung an einen Dritten, wenn dessen Forderung gegen den Schuldner nicht werthaltig war. War nämlich die Forderung nicht werthaltig, verliert der Dritte mit dem Erlöschen dieser Forderung durch die Zahlung des späteren Insolvenzschuldners (§ 47 AO i.V.m. § 267 BGB) wirtschaftlich nichts, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann (vgl. BGH-Urteile vom 16. November 2007 IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228; vom 5. Februar 2004 IX ZR 473/00, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht --ZInsO-- 2004, 499, m.w.N.).

Im Streitfall bestand nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) eine Organschaft, d.h. die Organgesellschaft war finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--). Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG ist der Organträger Schuldner der auf die Umsätze der Organschaft entfallenden Umsatzsteuer. Eine Zahlung auf eine fremde Schuld liegt damit vor. Sie war aber keine unentgeltliche Leistung. Zwar enthält das FG-Urteil keine Feststellungen zur Leistungsfähigkeit des Organträgers. Da das FA aber selbst keine Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Organträgers hat und dessen Vorbringen im Revisionsverfahren zu entnehmen ist, dass er nicht insolvent ist, kann der Senat hiervon ausgehen. Die Tilgung der fremden Schuld ist deshalb als entgeltliche Leistung nicht nach § 134 InsO anfechtbar.

2. Eine Anfechtung nach § 132 oder § 133 InsO scheitert daran, dass das FA nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG zur Zeit der Zahlung weder die Zahlungsunfähigkeit der Organgesellschaft noch eine eventuelle Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Organträgers gekannt hat.

3. Der Kläger ist zur Anfechtung der Leistung der Organgesellschaft auf die Steuerschuld des Organträgers auch nicht gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO berechtigt.

a) Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt hat, die er nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

aa) Durch die Zahlung der Organgesellschaft am 27. Februar 2003, einen Tag vor Eröffnung ihres Insolvenzverfahrens, hat das FA die vom Organträger für den Voranmeldungszeitraum Februar 2003 geschuldete Umsatzsteuer erhalten. Zu diesem Zeitpunkt hatte das FA die Steuer noch nicht zu beanspruchen, sie wurde gemäß § 18 Abs. 1 UStG erst am 10. des Folgemonats fällig. Dem FA ist dadurch Befriedigung gewährt worden, denn durch die Zahlung ist die Steuerschuld --vorbehaltlich einer wirksamen Anfechtung-- erloschen, § 47 AO, § 267 BGB (vgl. Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 47 Rz 4, m.w.N.). Die Zahlung ist als Rechtshandlung der Organgesellschaft gegenüber dem FA zu qualifizieren, auch soweit die Leistung auf die Steuerschuld, bereicherungsrechtlich also gegenüber dem Organträger, erbracht worden ist. Wie der BGH zu dem § 131 InsO insoweit entsprechenden § 30 Nr. 2 der Konkursordnung erkannt hat, ist der Begriff der Rechtshandlung im Sinne des Anfechtungsrechts nicht identisch mit dem bereicherungsrechtlichen Begriff der Leistung. Der anfechtungsrechtliche Begriff der Rechtshandlung ist im weitesten Sinne zu verstehen. Er meint jedes Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann. Dazu zählen neben Willenserklärungen auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen wie etwa die vorliegende Zahlung (vgl. BGH-Urteil in ZInsO 2004, 499, m.w.N.).

bb) Das FA ist aber nicht Insolvenzgläubiger i.S. des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Die Zahlung der Organgesellschaft ist Tilgung einer fremden Verbindlichkeit (s.o. unter 1.). Eine solche ist aus insolvenzrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht im Wege der Anfechtung der Zahlung der Organgesellschaft an das FA rückgängig zu machen, weil zur Masse ein Befreiungs- oder Rückgriffsanspruch gegen den Schuldner gehört, dessen Schuld der Insolvenzschuldner erfüllt hat, und weil deshalb die Insolvenzgläubiger nicht benachteiligt sind (BGH-Urteil in ZInsO 2004, 499).

Der Senat teilt nicht die in der obergerichtlichen Zivilrechtsprechung vertretene Auffassung, dass bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen der Insolvenzschuldnerin als Organgesellschaft und einem Organträger im Fall der Zahlung der Umsatzsteuer durch die Organgesellschaft das FA stets Insolvenzgläubiger i.S. des § 131 InsO ist (vgl. Oberlandesgericht --OLG-- Köln, Beschluss vom 14. Dezember 2005 2 U 89/05, ZInsO 2006, 1329; bezugnehmend darauf OLG Nürnberg, Beschluss vom 9. März 2009 4 U 2506/08, juris).

Zwar mag eine Insolvenzanfechtung ausnahmsweise in Betracht kommen, auch wenn der Insolvenzschuldner auf eine fremde Schuld gezahlt hat (vgl. Henckel in Jaeger, Insolvenzordnung, § 130 Rz 19). Das soll nach zivilrechtlicher Betrachtung dann der Fall sein, wenn ein Befreiungs- oder Rückgriffsanspruch des Insolvenzschuldners, der Organgesellschaft, gegen den Organträger nicht besteht und der Zahlungsempfänger einen Anspruch gegen die Organgesellschaft auf die Sicherung oder Befriedigung hatte.

Ein solcher Ausnahmefall liegt aber hier nicht vor. Das FA hatte im Zeitpunkt der Zahlung der Organgesellschaft keinen Anspruch auf "die Sicherung oder Befriedigung" des Umsatzsteueranspruchs. Zwar haftet die Organgesellschaft für die Steuerschulden des Organträgers gemäß § 73 AO, der eine umfassende Sicherung des Steueranspruchs gewährleisten soll (Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 VII R 76/03, BFHE 207, 18, BStBl. II 2006, 3, BB 2004, 2673). Unbeschadet dessen, ob das FA einen Haftungsanspruch wegen Umsatzsteuern für einen Besteuerungszeitraum, der im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht abgelaufen war, im Insolvenzverfahren des Haftungsschuldners geltend machen kann, scheitert der "Anspruch auf die Sicherung oder Befriedigung" hier schon daran, dass die Haftungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Zwar bestimmt § 73 AO, dass eine Organgesellschaft für solche Steuern des Organträgers haftet, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Der Tatbestand des § 73 AO gibt aber die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Haftungsschuldners nur unvollständig wieder. Er wird ergänzt durch die Regelungen in § 191 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 AO. Danach setzt der Haftungsanspruch voraus, dass die Haftungsinanspruchnahme bei der gebotenen Ermessensausübung überhaupt in Betracht kommt. Nach § 219 Abs. 1 Satz 1 AO darf ein Haftungsschuldner auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Kann aber ein Haftungsanspruch bei sachgerechter Ermessensausübung nur verfolgt werden, wenn die Steuerschuld beim Steuerschuldner nicht realisiert werden kann, so ist notwendigerweise auch der Haftungsanspruch selbst subsidiär, wenn feststeht, dass der Steuerschuldner zur Zahlung in der Lage ist. Davon geht die Rechtsprechung, ohne insoweit Begründungsbedarf zu sehen, seit jeher aus (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 2. Februar 1994 II R 7/91, BFHE 173, 306, BStBl. II 1995, 300, BB 1994, 780 Ls, am Ende; Beschlüsse vom 17. Juli 1984 VII S 9/84, BFH/NV 1986, 583; vom 2. August 1988 VII B 111/87, BFH/NV 1989, 152).

Da im Streitfall die Solvenz des Organträgers im Zeitpunkt der Insolvenzanfechtung des Klägers gegenüber dem FA unstreitig gegeben war, bestand kein Haftungsanspruch des FA gegen die Organgesellschaft. Das FA hatte folglich nicht die Stellung eines Insolvenzgläubigers.

b) Aber selbst wenn der von den genannten Zivilgerichten vertretenen Auffassung zu folgen wäre, dass insolvenzrechtlich die Organschaft als Einheit anzusehen und das FA deshalb bei Begleichung der Steuerschuld durch die in Insolvenz geratene Organgesellschaft stets Insolvenzgläubiger sei, wäre die Anfechtung des Klägers gegenüber dem FA nicht gerechtfertigt.

aa) Der Kläger ist --zumindest auch-- berechtigt, die in der Zahlung der Organgesellschaft an das FA liegende Leistung an den Organträger gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO anzufechten. Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte. Dieser Tatbestand ist vorliegend erfüllt. Durch die Zahlung der Organgesellschaft an das FA, mit der die Steuerschuld des Organträgers beglichen worden ist, hat die Organgesellschaft den Ausgleichsanspruch, den der Organträger im Innenverhältnis der Organschaft gegen die Organgesellschaft hatte, erfüllt. Denn nach der maßgeblichen höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung --die Frage des Innenausgleichs zwischen Steuerschuldner und Haftungsschuldner richtet sich ausschließlich nach bürgerlichem Recht-- steht dem Organträger gegen die Organgesellschaft ein gesetzlicher Anspruch auf Ausgleich der für deren Gewerbebetrieb entrichteten Steuer zu. Zu der in diesem Zusammenhang vergleichbaren gewerbesteuerrechtlichen Organschaft hat der BGH erkannt, dass es keine Rechtfertigung dafür gibt, die Organgesellschaft auch im Innenverhältnis von jeder gewerbesteuerrechtlichen Belastung freizustellen. Für das Gegenteil spreche vielmehr der Umstand, dass Ertrag und Kapital der Organgesellschaft in gleicher Weise wie beim Organträger der Gewerbesteuerpflicht (hier entsprechend die Umsätze der Organgesellschaft der Umsatzsteuerpflicht) unterliegen, dass ein Teil der Steuerschuld, für den die Organgesellschaft gemäß § 73 Satz 1, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO mithaftet, also allein in ihrem gewerblichen Bereich entstanden ist. Das rechtfertige es, auf die Verteilung der Steuer im Innenverhältnis § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB analog anzuwenden (BGH-Urteil vom 22. Oktober 1992 IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50). Da im Streitfall die gezahlten Beträge ausschließlich aus Umsätzen der Organgesellschaft herrühren, hat sie im Innenverhältnis der Organschaft die Steuerlast zu tragen.

Hinsichtlich dieses Anspruchs wäre der Organträger --die Zahlung hinweggedacht-- Insolvenzgläubiger gewesen. Dass er die Zahlungsunfähigkeit der Organgesellschaft kannte, ergibt sich daraus, dass er selbst einen Tag nach der Zahlung Insolvenzantrag für die Organgesellschaft gestellt hat.

bb) Dieses Anfechtungsrecht machte es wegen der damit gegebenen Konkurrenz mehrerer Anfechtungsmöglichkeiten allerdings erforderlich, eine Rangfolge der Anfechtungsrechte festzulegen. Der Vorrang bestimmte sich in dieser Konstellation nach der Realisierbarkeit des Anfechtungsanspruchs im Leistungsverhältnis, also gegenüber dem Organträger. Wegen der im Streitfall feststehenden Leistungsfähigkeit des Organträgers wäre der Kläger danach verpflichtet gewesen, diesen vorrangig auf Rückgewähr des von der Organgesellschaft an das FA gezahlten Betrags in Anspruch zu nehmen (s.o.).

Letztlich ergibt sich dies auch aus der BGH-Rechtsprechung. Zwar sind die Entscheidungen, in denen sich der BGH zu konkurrierenden Anfechtungsansprüchen in Fällen mittelbarer Zuwendung geäußert hat, auf den Streitfall nicht direkt anwendbar, denn die Konstellationen zwischen den im Dreiecksverhältnis Beteiligten unterscheiden sich.

Im Urteil in BGHZ 174, 228 ging es um Anfechtungsrechte zugunsten der Insolvenzmassen des Leistungsschuldners einerseits und des Leistungsmittlers andererseits gegenüber dem Gläubiger des Schuldners. In einem solchen Fall geht die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter des Leistenden der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter des Leistungsmittlers vor. Im Urteil vom 16. September 1999 IX ZR 204/98 (BGHZ 142, 284) ging es um die Anfechtungsmöglichkeiten, wenn der (spätere) Insolvenzschuldner einen Drittschuldner angewiesen hat, an einen Gläubiger zu zahlen. Für diese Konstellation hat der BGH erkannt, dass sich die Anfechtung allein gegen den Dritten als Empfänger richtet, wenn der Gemeinschuldner eine Zwischenperson eingeschaltet hat, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert hat.

Beiden Erkenntnissen liegt ersichtlich die Wertung zugrunde, vorrangig den Vorgang rückabzuwickeln, in dem auf die eigene Schuld des Insolvenzschuldners geleistet worden ist. Übertragen auf den Streitfall bedeutet dies, dass die Anfechtung der Leistung der Organgesellschaft auf die Ausgleichsverpflichtung gegenüber dem Organträger Vorrang hat vor der Anfechtung der Begleichung der Steuerschuld für den Organträger. Diese Wertung korrespondiert mit dem Nachrang der Haftung der Organgesellschaft nach § 73 AO bei bestehender Leistungsfähigkeit des Organträgers (s.o.).

4. Da nach alledem die Rückzahlung des von der Organgesellschaft gezahlten Betrags durch das FA wegen der unberechtigten Insolvenzanfechtung des Klägers ohne Rechtsgrund erfolgt ist, sind die Voraussetzungen der Erstattung dieses Betrags gemäß § 37 Abs. 2 AO erfüllt. Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

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