BFH: Höchstbetragsberechnung gem. § 34c Abs. 1 S. 2 EStG 2002 gemeinschaftsrechtswidrig?
BFH, Entscheidung vom 9.2.2011 - I R 71/10
Leitsätze
Dem EuGH wird die folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht Art. 56 EG der Regelung eines Mitgliedstaates entgegen, nach welcher - in Einklang mit zwischenstaatlichen Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung - bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die mit ausländischen Einkünften in dem Staat, aus dem die Einkünfte stammen, zu einer der inländischen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen werden, die ausländische Steuer auf die inländische Einkommensteuer, die auf die Einkünfte aus diesem Staat entfällt, in der Weise angerechnet wird, dass die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens - einschließlich der ausländischen Einkünfte - ergebende inländische Einkommensteuer im Verhältnis dieser ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte - und damit unter Nichtberücksichtigung von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen als Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände - aufgeteilt wird?
Sachverhalt
Sach- und Streitstand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2007 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Im Streitjahr erzielten sie Kapitaleinkünfte u.a. aus Beteiligungen (sog. Streubesitz) an ausländischen Kapitalgesellschaften, und zwar Dividenden von insgesamt 24.111,29 EUR bei Beteiligungsaufwand von insgesamt 2.129,43 EUR. Die darauf entfallenden ausländischen Steuern beliefen sich auf insgesamt 2.853,02 EUR. Im Einzelnen (Beträge in EUR):
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Die Kläger beanstanden, dass der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die anrechenbare ausländische Steuer im Rahmen der Höchstbetragsberechnung gemäß § 34c Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) nur mit 1.282 EUR ermittelte; die Nichtberücksichtigung der "überschießenden" ausländischen Quellensteuern von 1.571,02 EUR sei jedenfalls insoweit gemeinschafts- (und ggf. verfassungs-)rechtswidrig, als sich infolge der entsprechenden ausländischen Einkünfte die deutsche Einkommensteuer erhöhe. Ihre Klage gegen die hiernach ergangene Steuerfestsetzung blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg wies sie mit Urteil vom 21. Juli 2010 1 K 332/09 als unbegründet ab; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 1689 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision beantragen die Kläger (sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und unter Abänderung des angefochtenen Steuerbescheides die Einkommensteuer 2007 um 1.200 EUR zu ermäßigen, hilfsweise die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) wegen Verstoßes von § 34c EStG 2002 gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, wiederum hilfsweise die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wegen Verletzung des Folgerichtigkeitsgebots einzuholen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Aus den Gründen
8 II. Rechtslage nach deutschem Recht
9 Die Entscheidung über die Revision ist von der Beantwortung der im Leitsatz genannten Vorlagefrage abhängig. Sofern diese Frage zu bejahen ist, muss das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage entsprochen werden. Ist die Frage aber zu verneinen, ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
10 1. Für die im Streitfall in Rede stehenden Kapitaleinkünfte (§ 20 Abs. 1 EStG 2002) der im Inland wohnenden und mit ihrem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtigen Kläger (§ 1 Abs. 1 EStG 2002) sehen die einschlägigen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) bei einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Person die Anrechnung der im jeweils anderen Vertragsstaat einbehaltenen Quellensteuern auf die deutsche Einkommensteuer, die auf die betreffenden Einkünfte entfällt, vor: Art. 20 Abs. 2 i.V.m. Art. 13 DBA-Niederlande, Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 10 DBA-Schweiz 1971/1989, Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Satz 1 i.V.m. Art. 9 DBA-Frankreich, Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 13 DBA-Luxemburg, Art. 23 Buchst. b i.V.m. Art. 10 DBA-Japan, Art. 23 Abs. 3 Buchst. b i.V.m. Art. 10 DBA-USA 1989 a.F.
11 2. Für die hiernach im Streitfall gebotene Anrechnung der von den Klägern gezahlten ausländischen Quellensteuern auf die deutsche Einkommensteuer, die auf die entsprechenden ausländischen Einkünfte entfällt, enthalten die erwähnten zwischenstaatlich vereinbarten Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung keine Vorgaben. Die Anrechnung und deren Modalitäten richten sich deswegen allein nach innerstaatlichem (deutschem) Recht (vgl. § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG 2002) und damit für natürliche Personen, die --wie die Kläger-- in Deutschland ansässig sind, nach § 34c Abs. 1 i.V.m. § 34d EStG 2002 (vgl. Senatsurteile vom 16. März 1994 I R 42/93, BFHE 174, 509, BStBl II 1994, 799; vom 9. April 1997 I R 178/94, BFHE 183, 114, BStBl II 1997, 657; vom 29. März 2000 I R 15/99, BFHE 191, 521, BStBl II 2000, 577). Die Voraussetzungen dieser Regelungen liegen vor und darüber wird nicht gestritten. Die Anrechnung ist auch ihrer Höhe nach nicht zu beanstanden:
12 Nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 ist die auf die ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer in der Weise zu ermitteln, dass die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens einschließlich der ausländischen Einkünfte ergebende deutsche Einkommensteuer im Verhältnis dieser ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte aufgeteilt wird. Die Summe der Einkünfte errechnet sich gemäß § 2 Abs. 3 EStG 2002 aus den der Einkommensteuer unterliegenden Einkünften i.S. von § 2 Abs. 1 und 2 EStG 2002 als Gewinn oder Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Zu den in die Berechnung gemäß § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 einzubeziehenden ausländischen Einkünften gehören nach § 34d Nr. 6 EStG 2002 auch Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG 2002, die ihrerseits nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts zu ermitteln sind. Vermindert um weitere Positionen errechnet sich aus der Summe der Einkünfte zunächst der Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG 2002), sodann das Einkommen (§ 2 Abs. 4 EStG 2002) und schließlich das zu versteuernde Einkommen als die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer (§ 2 Abs. 5 Satz 1 EStG 2002). Abzüge, welche nach § 2 Abs. 3 bis 5 EStG 2002 systematisch nach der Ermittlung der Summe der Einkünfte und des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG 2002) für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigt werden, gehen damit bei der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags gemäß § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG 2002, der sich auf die Summe der Einkünfte als Divisor bezieht, im Verhältnis der jeweiligen Anteile zu Lasten der in- wie der ausländischen Einkünfte verloren. Denn indem diese Abzugspositionen die deutsche Einkommensteuer mindern, werden jene Positionen im Ergebnis rechnerisch anteilig auch den ausländischen Einkunftsteilen zugeordnet. Betroffen davon sind namentlich steuerlich abziehbare Kosten der Lebensführung wie Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen. In jenem entsprechenden anteiligen Umfang, in welchem diese Abzugspositionen auf die ausländischen Einkünfte entfallen, reduzieren sie rechnerisch den Anrechnungshöchstbetrag.
13 Vor diesem Hintergrund hat das FA die anzurechnenden Steuern zutreffend mit 1.282 EUR errechnet. Auch das ist unter den Beteiligten unstreitig. Die Revision wäre danach unbegründet.
14 III. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht
15 1. Ob die verhältnismäßige "Teilhabe" der ausländischen Einkünfte an den beschriebenen Abzugspositionen im Rahmen der beschriebenen Höchstbetragsberechnung zur Begrenzung der Anrechnungsbeträge den unionsrechtlichen Anforderungen des Diskriminierungs- und Beschränkungsverbots (Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 56 ff. des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nach der Zählung des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften --EG--, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002 Nr. C 325, 1, jetzt Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrages von Lissabon --AEUV-- zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Amtsblatt der Europäischen Union 2007 Nr. C 306/01) uneingeschränkt standhält, wird im Schrifttum allerdings bezweifelt. Zwar wird eingeräumt, dass Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen nicht mit bestimmten Einkunftsteilen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sondern das Gesamteinkommen belasten. Jedoch sei es prinzipiell Sache des Ansässigkeitsstaates, Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände zu berücksichtigen, nicht aber des Quellenstaates (s. dazu z.B. EuGH-Urteile vom 14. Februar 1995 C-279/93 "Schumacker", Slg. 1995, I-225, Tz. 34; vom 14. September 1999 C-391/97 "Gschwind", Slg. 1999, I-5451, BStBl II 1999, 841, Tz. 23; Senatsurteil vom 10. Januar 2007 I R 87/03, BFHE 216, 312, BStBl II 2008, 22; s. aber auch EuGH-Urteil vom 6. Juli 2006 C-346/04 "Conijn", Slg. 2006, I-6137, Tz. 16). Dieses Konzept schlage sich im deutschen Steuerrecht denn auch andernorts folgerichtig nieder: Zum einen in § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002; danach wird die Kapitalertragsteuer als Quellensteuer bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen mit entsprechenden inländischen Kapitaleinkünften vorbehaltlos auf jene Einkommensteuer angerechnet, welche auf Basis des zu versteuernden Einkommens --und damit des um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen verminderten Gesamtbetrags der Einkünfte (vgl. § 2 Abs. 4 und 5 EStG 2002)-- festgesetzt worden ist. Zum anderen in § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG 2002 für die beschränkte Steuerpflicht, also für die umgekehrte Situation, in der Deutschland Quellenstaat ist; Vorschriften über Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen bleiben dort unangewandt. So gesehen müsse aber gleichermaßen verfahren werden, wenn Deutschland Ansässigkeitsstaat sei und sich bilateral verpflichte, eine Doppelbesteuerung durch Anrechnung im Ausland angefallener Steuer auf ausländische Einkünfte zu vermeiden. Es wäre ein leichtes, dem zu entsprechen, indem im Rahmen der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags statt auf die "Summe der Einkünfte" (vgl. § 2 Abs. 3 EStG 2002) auf das zu versteuernde Einkommen (vgl. § 2 Abs. 5 EStG 2002) abgestellt werde, um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen, die ganz überwiegend Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände repräsentieren, als Minderungspositionen einzubeziehen und damit den "richtigen" Höchstbetrag zu bestimmen (vgl. z.B. Mössner in Vogel [Hrsg.], Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft, Band 8 [1985], S. 135, 162; Cordewener/Schnitger, Steuer und Wirtschaft 2006, 50; Schnitger, Finanz-Rundschau --FR-- 2003, 148 ff.; Geurts in Frotscher, EStG, § 34c EStG Rz 29; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 15.118 f.; vgl. auch IMN, FR 2002, 1235 ff.; Kuhn in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 34c EStG Rz 79; Gosch in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 34c Rz 28; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 182; Reith, Internationales Steuerrecht, Rz 5.71 ff.; Lüdicke/Braunagl in Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, 2009, S. 130).
16 Dem lässt sich zwar entgegenhalten, dass vom Steuerpflichtigen bei der Steuerveranlagung statt der Anrechnung gemäß § 34c Abs. 1 EStG 2002 der Abzug der ausländischen Steuern gemäß § 34c Abs. 2 EStG 2002 gewählt werden kann (so z.B. Wagner in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 34c EStG Rz 14). Das hätte die Einbeziehung der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen zur Folge; der Steuerpflichtige hätte es damit in der Hand, sich für die ihm rechnerisch vorteilhafte Vorgehensweise zu entscheiden. Wiederum ist jedoch fraglich, ob diese Alternative unionsrechtlichen Anforderungen genügt. Denn danach gilt grundsätzlich ein Kompensationsverbot, wonach diskriminierende oder beschränkende Nachteile auf der einen Seite nicht mit Vorteilen auf der anderen Seite "eingekauft" werden können (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 27. November 2008 C-418/07 "Société Papillon", Slg. 2008, I-8947, Tz. 44, m.w.N.: "Ein auf diesen Rechtfertigungsgrund [der Kohärenz] gestütztes Argument kann jedoch nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht ..., wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel beurteilt werden muss"). Überdies bedürfte es, um das beschriebene Wahlrecht sachgerecht auszuüben, einer differenzierten Belastungsberechnung, ob und wie sich der Unterschied vor dem Hintergrund des Progressionstarifs rechnerisch tatsächlich auswirkt (s. Reichert, Der Betrieb 1997, 131; Richter, Betriebs-Berater 1999, 613). Auch darin könnte eine beschränkende Wirkung gesehen werden.
17 2. Dass die ausländischen Einkünfte und die darauf entfallenden ausländischen Steuern, um deren Anrechnung im Streitfall gestritten wird, nur teilweise aus Mitgliedstaaten der EU stammen (Niederlande, Frankreich, Luxemburg), teilweise aber aus sog. Drittstaaten (Schweiz, USA, Japan), muss einer gemeinschaftsrechtlichen Beurteilung nicht entgegenstehen. Art. 56 EG (Art. 63 AEUV) bezieht ausdrücklich Drittstaaten ein. Der insoweit eröffnete Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit wird jedenfalls unter den Gegebenheiten des Streitfalls auch nicht durch die --vorrangige-- Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG, Art. 49 AEUV) verdrängt (s. dazu auch Senatsurteil vom 26. November 2008 I R 7/08, BFHE 224, 50, m.w.N.), weil die Kapitalbeteiligungen der Kläger lediglich sog. Streubesitz darstellen, der der Niederlassungsfreiheit nicht unterfällt. Aus im Ergebnis gleichem Grund ist auch die sog. Stand still-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EG (Art. 64 Abs. 1 AEUV) nicht einschlägig: Bei § 34c Abs. 1 EStG 2002 handelt es sich zwar um eine --schon vor dem 31. Dezember 1993 bestehende-- steuerliche Altregelung, die dem Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit in Bezug auf Drittstaaten prinzipiell entzogen ist. Das gilt indessen --soweit hier einschlägig-- nur für qualifizierte Direktinvestitionen, die es nach den vom EuGH entwickelten Maßstäben (z.B. EuGH-Beschluss vom 10. Mai 2007 C-492/04 "Lasertec", Slg. 2007, I-3775) ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeit zu bestimmen, nicht aber für bloße Streubesitzbeteiligungen.
18 3. Die Kläger erwirtschafteten ihre gesamten Einkünfte im Streitjahr nahezu ausnahmslos in Deutschland. Anhaltspunkte dafür, dass sie in den betroffenen Staaten, aus denen die in Rede stehenden Kapitaleinkünfte stammen, oder auch in anderen Staaten, über weitere Einkünfte verfügt haben, fehlen. Ein Grund dafür, dass die steuerliche Berücksichtigung der persönlichen Lebensverhältnisse nach der Spruchpraxis des EuGH (z.B. EuGH-Urteile in Slg. 1995, I-225, "Schumacker", Tz. 36 f.; in Slg. 1999, I-5451, "Gschwind", BStBl II 1999, 841, Tz. 27 f.) mangels hinreichender Einkünfte im Ansässigkeitsstaat ausnahmsweise dem Quellenstaat zu überantworten wäre, ist sonach nicht gegeben.
19 4. Schließlich haben die Kläger darauf verzichtet, eine weitergehende Erstattung der (höheren) ausländischen Quellensteuern zu begehren; ihr Klage- und Revisionsantrag wurde ausdrücklich auf den Unterschiedsbetrag beschränkt, der sich ergibt, wenn bei der beschriebenen Anrechnungshöchstbetragsberechnung die steuerlich abziehbaren Kosten der Lebensführung einbezogen werden. Der Senat ist aus Verfahrensgründen daran gehindert, über diesen Antrag hinauszugehen (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), so dass sich die Frage einer Erstattung ausländischer Quellensteuern durch den Ansässigkeitsstaat nicht stellt. Sie wäre wohl auch zu verneinen (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 20. Mai 2008 C-194/06 "Orange European Smallcap Fund NV", Slg. 2008, I-3747).
20 IV. Vorlage an den EuGH
21 Der vorlegende Senat erachtet die Gesetzeslage angesichts dessen aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht nicht als zweifelsfrei. Da die Auslegung des Gemeinschaftsrechts dem EuGH vorbehalten ist (vgl. Art. 267 Abs. 1 Buchst. a. AEUV), setzt der Senat das Revisionsverfahren deshalb gemäß § 74 FGO aus und legt dem EuGH die im Leitsatz formulierte Rechtsfrage gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Vorabentscheidung vor.