BFH: Gewerbliche Prägung einer „Einheits-GmbH & Co. KG“
BFH, Urteil vom 13.7.2017 – IV R 42/14
ECLI:DE:BFH:2017:U.130717.IVR42.14.0
Volltext:BB-ONLINE BBL2017-2197-3
Leitsatz
Der gewerblichen Prägung einer „Einheits-GmbH & Co. KG“ steht nicht entgegen, dass der im Grundsatz allein geschäftsführungsbefugten Komplementärin im Gesellschaftsvertrag der KG die Geschäftsführungsbefugnis betreffend die Ausübung der Gesellschafterrechte aus oder an den von der KG gehaltenen Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH entzogen und diese auf die Kommanditisten übertragen wird.
Sachverhalt
A.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) --eine GmbH & Co. KG (nachfolgend auch KG)-- wurde mit notarieller Urkunde vom ... Juni 2007 unter der Firma Z GmbH & Co. Vorrats KG gegründet und in das Handelsregister eingetragen. Persönlich haftende Gesellschafterin war zunächst die NX-GmbH, alleinige Kommanditistin die N-GmbH. Am ... November 2007 wurden verschiedene Verträge in notarieller Form abgeschlossen, die die Gründung der E-GmbH und die Umstrukturierung der Klägerin zum Gegenstand hatten. Im Rahmen dieser Umstrukturierung übertrug die N-GmbH ihren gesamten Kommanditanteil an der Klägerin in Höhe von 69 % auf A, in Höhe von 21 % auf B (Sohn von A) und in Höhe von 10 % auf C (Ehefrau von B). Zugleich wurden A, B und C im gleichen Beteiligungsverhältnis alleinige Gesellschafter der E-GmbH. Außerdem trat die E-GmbH der Klägerin ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen mit sofortiger Wirkung als Komplementärin bei. Die NX-GmbH schied mit sofortiger Wirkung aus, nicht jedoch bevor die E-GmbH in das Handelsregister eingetragen worden war; diese Eintragung der E-GmbH erfolgte am ... Februar 2008. Zudem hielt die Klägerin eine Gesellschafterversammlung ab. Sie gab sich die Firma S GmbH & Co. KG. Der Unternehmensgegenstand wurde geändert in "die Vermögensverwaltung sowie die Verwaltung, Vermietung und Verpachtung von Immobilien, Grundstücken, Gewerbe- und Wohnbauten sowie sonstiger Gewerbeanlagen und deren An- und Verkauf für eigene Rechnung". Schließlich vereinbarten die Gesellschafter der Klägerin einen vollständig neu gefassten Gesellschaftsvertrag (GesV), der als Anlage beigefügt war. Darin hieß es u.a. wörtlich:
"§ 6 Geschäftsführung und Vertretung
Zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ist die persönlich haftende Gesellschafterin berechtigt und verpflichtet. Sie selbst ist von den einschränkenden Bestimmungen des § 181 BGB befreit.
§ 7 Wahrnehmung der Rechte an der Komplementärin (Einheitsgesellschaft)
(1) Soweit es um die Wahrnehmung der Rechte aus oder an den der Gesellschaft gehörenden Geschäftsanteilen an der Komplementärin geht, ist die Komplementärin von der Geschäftsführung und Vertretung an sich selbst ausgeschlossen. Anstelle der persönlich haftenden Gesellschafterin sind die Kommanditisten zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaftsrechte an der Komplementärin nach Maßgabe der folgenden Absätze befugt.
(2) Die Kommanditisten üben ihre Gesellschaftsrechte an der Komplementärin aus, indem sie über die jeweilige Maßnahme Beschluss fassen. Die Ausübung des Beschlusses erfolgt durch einen oder mehrere von der Kommanditistenversammlung beauftragte Kommanditisten im Namen der Gesellschaft. Zum Zweck der Ausführung der Beschlüsse der Kommanditistenversammlung wird jedem Kommanditist hiermit Vollmacht zur Vertretung der Gesellschaft erteilt, von der jedoch nur nach Maßgabe des Beschlusses der Kommanditistenversammlung Gebrauch gemacht werden darf. Alle Kommanditisten werden insoweit von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
(3) Die Kommanditisten fassen ihre Beschlüsse in der Kommanditistenversammlung. ... . Für ihre Einberufung, ihre Beschlussfähigkeit, die Vertretung durch Dritte, die Beschlussfassung und die Protokollierung der gefassten Beschlüsse gilt der § 9 'Gesellschafterversammlung' dieses Gesellschaftsvertrages entsprechend.
...".
Mit weiterem Vertrag brachten die Kommanditisten A, B und C verschiedene Grundstücke in die Klägerin ein. Daneben übertrug mit selbständigem Vertrag A einen Teilkommanditanteil in Höhe von 39 % des Gesamtkommanditkapitals auf B, B einen solchen in Höhe von 19 % auf D (gemeinsame Tochter von B und C, geboren 1995) und C einen solchen in Höhe von 9 % auf D unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Vorbehalt des Nießbrauchsrechts. Der Ergänzungspfleger stimmte diesem Vertrag am ... Februar 2009 zu, soweit D betroffen war. Schließlich übertrugen die Kommanditisten A, B und C mit weiterem Vertrag ihre Geschäftsanteile an der E-GmbH im Wege der Sacheinlage auf die Klägerin. Die Abtretungen erfolgten mit sofortiger Wirkung, aber nicht vor Eintragung der E-GmbH in das Handelsregister. Die drei Geschäftsanteile wurden wieder zu einem Geschäftsanteil zusammengefasst.
Nach alledem waren am Kommanditkapital der Klägerin A mit 30 %, B mit 41 %, C mit 1 % und D mit 28 % beteiligt.
Für die Feststellungszeiträume 2008 und 2009 (Streitjahre) stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Gewinne zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gesondert und einheitlich fest. Die zuletzt vor der Betriebsprüfung unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Gewinnfeststellungsbescheide wiesen für 2008 gewerbliche Einkünfte in Höhe von insgesamt ... EUR (Bescheid vom 24. November 2009) und für 2009 solche in Höhe von insgesamt ... EUR (Bescheid vom 9. Dezember 2010) aus.
In den Jahren 2011 und 2012 führte das FA bei der Klägerin u.a. für die Streitjahre eine Betriebsprüfung durch. Der Prüfer gelangte zu der Auffassung, dass die Klägerin ab dem ... Februar 2008 mit der Eintragung der E-GmbH in das Handelsregister nicht mehr die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebes kraft Fiktion nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt habe. Denn ab diesem Zeitpunkt sei die Klägerin Alleingesellschafterin der E-GmbH geworden, so dass die in § 7 GesV getroffene Vereinbarung gegriffen habe, wonach auch die Kommanditisten in dem dort genannten Umfang zur Führung der Geschäfte der Klägerin befugt gewesen seien. Danach sei der Betrieb der Klägerin mit Wirkung zum ... Februar 2008 zwangsweise aufgegeben worden, so dass die in den Immobilien ruhenden stillen Reserven der Besteuerung hätten unterworfen werden müssen. Im Anschluss habe die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Das FA schloss sich dieser Auffassung an und erließ am 21. August 2012 --jeweils unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung-- entsprechend geänderte Feststellungsbescheide 2008 und 2009. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 5. September 2012 Einspruch ein. Die angegriffenen Feststellungsbescheide 2008 und 2009 wurden jeweils nochmals mit Bescheiden vom 14. September 2012 geändert. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 8. Februar 2013).
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg (Urteil des Finanzgerichts --FG-- vom 28. August 2014 3 K 743/13 F). Das FG änderte die angegriffenen Feststellungsbescheide dahin, dass für beide Streitjahre jeweils Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb festgestellt wurden.
Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.
Es beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen, hilfsweise das FG-Urteil, soweit es das Streitjahr 2008 betrifft, aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid 2008 vom 14. September 2012, insoweit unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 8. Februar 2013, dahin zu ändern, dass der Aufgabegewinn auf ... EUR herabgesetzt wird.
Aus den Gründen
B.
11 Die zulässige Revision des FA ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
12 I. Die Revision des FA ist zulässig.
13 Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO muss die Revisionsbegründung die Umstände bestimmt bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Diesen Anforderungen entspricht die Revision des FA. Insbesondere ist sie nicht deshalb unzulässig, weil sich das FA --wie die Klägerin meint-- mit seinen Ausführungen ausschließlich gegen eine für den Bundesfinanzhof (BFH) bindende Vertragsauslegung und Tatsachenwürdigung (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) gewendet und damit keinen revisiblen Rechtsverstoß dargelegt habe (vgl. BFH-Beschluss vom 30. April 2002 VII R 109/00, BFH/NV 2002, 1185, zu § 120 FGO a.F.). Denn das FA hat ausführlich begründet, weshalb die vom FG vertretene Rechtsansicht, wonach das Eingreifen des § 7 GesV nicht zum Wegfall der gewerblichen Prägung führe, gegen § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG verstoße. Es legt in seiner Revisionsbegründung ausreichend dar, dass diese --nach den Feststellungen des FG eine konfliktfreie Willensbildung bei der E-GmbH bezweckende-- Regelung eine organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis der Kommanditisten begründe, was einer gewerblichen Prägung entgegenstehe. Die rechtliche Einordnung des (nach Maßgabe des FG) von den Vertragspartnern Gewollten am Maßstab der jeweils einschlägigen Norm ist Rechtsanwendung, die vom BFH in vollem Umfang nachprüfbar ist (z.B. BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 35, m.w.N.).
14 II. Die Revision ist jedoch unbegründet.
15 Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin ihren Gewerbebetrieb nicht am ... Februar 2008 aufgegeben, sondern auch nach diesem Zeitpunkt weiterhin die Voraussetzungen für einen Gewerbebetrieb kraft Fiktion nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erfüllt hat.
16 1. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft, die keine Tätigkeit i.S. des Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (gewerblich geprägte Personengesellschaft). Entfällt eine dieser tatbestandlichen Voraussetzungen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, führt dieser Rechtsvorgang zu einer Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG (BFH-Urteil vom 14. März 2007 XI R 15/05, BFHE 217, 438, BStBl II 2007, 924, unter II.1.b).
17 2. Im Streitfall steht außer Frage, dass die Klägerin mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt und keine originär gewerbliche Tätigkeit nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 EStG ausgeübt hat, ebenso dass allein Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafterinnen der Klägerin gewesen sind. Unstreitig ist auch, dass ab dem ... Februar 2008 nur noch die E-GmbH Komplementärin war und zu diesem Zeitpunkt die Geschäftsanteile an der E-GmbH auf die Klägerin übertragen worden sind. Hierdurch entstand eine sog. Einheits-GmbH & Co. KG, bei der die KG Alleingesellschafterin ihrer Komplementär-GmbH ist. Der Senat sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab.
18 3. Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Klägerin als "Einheits-GmbH & Co. KG" noch i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt war, obwohl in § 7 GesV vorgesehen war, dass ihrer im Grundsatz allein geschäftsführungsbefugten Komplementärin die Geschäftsführungsbefugnis betreffend die Ausübung der Gesellschafterrechte aus oder an den von der Klägerin gehaltenen Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH entzogen und diese auf die Kommanditisten übertragen wird.
19 a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist der Begriff "Geschäftsführung" in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG so zu verstehen, wie er in den §§ 114 bis 117, § 164 des Handelsgesetzbuchs (HGB) und §§ 709 bis 713 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verwendet wird. Gemeint ist die sich aus Gesetz oder Gesellschaftsvertrag ergebende --organschaftliche-- im Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander bestehende Befugnis zu einer auf Verwirklichung des Gesellschaftszwecks gerichteten Tätigkeit. Unerheblich ist, wer im Außenverhältnis zur Vertretung befugt ist (z.B. BFH-Urteil vom 23. Mai 1996 IV R 87/93, BFHE 180, 396, BStBl II 1996, 523, unter II.3.a).
20 b) Nach den dispositiven Regelungen in § 164, § 161 Abs. 2 und §§ 114 bis 116 HGB führen die Komplementäre die gewöhnlichen Geschäfte der KG alleine; die Kommanditisten sind grundsätzlich von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Einem Kommanditisten kann jedoch im Gesellschaftsvertrag zwar keine organschaftliche Vertretungsmacht, aber eine organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt werden. Die Prägewirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG entfällt u.a. bereits dann, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag der KG neben der Komplementär-GmbH weitere Kommanditisten --ggf. beschränkt auf einen bestimmten Bereich-- geschäftsführungsbefugt sind (z.B. BFH-Urteile in BFHE 180, 396, BStBl II 1996, 523, unter II.3.a; vom 11. Oktober 2012 IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, Rz 21).
21 Diese Grundsätze gelten auch für eine GmbH & Co. KG. Daher greift § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG immer ein, wenn bei einer GmbH & Co. KG nur die GmbH als alleinige Komplementärin zur Geschäftsführung befugt ist (vgl. Stapperfend in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 15 EStG Rz 1445). Für die Prägung i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ist es auch unschädlich, wenn der Kommanditist zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist (BFH-Urteil in BFHE 180, 396, BStBl II 1996, 523, unter II.3.c). Denn in einem solchen Fall führt zwar der Kommanditist als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH mittelbar die Geschäfte der KG. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist aber nicht der organschaftliche Geschäftsführer der KG; dies ist und bleibt --vorbehaltlich einer abweichenden Regelung im Gesellschaftsvertrag der KG-- die GmbH als Komplementärin (§ 164, § 161 Abs. 2 i.V.m. §§ 114 ff. HGB).
22 c) Bei einer "Einheits-GmbH & Co. KG" gehören Maßnahmen, welche allein die Ausübung der Gesellschafterrechte aus oder an ihren Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH betreffen, nicht zur Geschäftsführung i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG (anderer Ansicht Seidel, Betriebs-Berater --BB-- 2017, 732, 738; kritisch auch Knobbe, Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 121, Anmerkung zum verfahrensgegenständlichen FG-Urteil). Der gewerblichen Prägung einer "Einheits-GmbH & Co. KG" steht daher nicht entgegen, wenn der im Grundsatz allein geschäftsführungsbefugten Komplementärin im Gesellschaftsvertrag der KG die Geschäftsführungsbefugnis (und Vertretungsbefugnis) betreffend die Ausübung der Gesellschafterrechte aus oder an den von der KG gehaltenen Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH entzogen und auf die Kommanditisten übertragen wird. Dies ergibt sich nach Ansicht des Senats allerdings nicht daraus, dass eine derartige gesellschaftsvertragliche Regelung zu einer rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung oder Geschäftsführungsbefugnis "sui generis" und somit zu keiner organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnis führt (so aber z.B. Binz/ Sorg, Die GmbH & Co. KG, 11. Aufl., § 16 Rz 57; Carlé/Carlé, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 2001, 100, 102; Lüke in: Hesselmann/ Tillmann/Müller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 21. Aufl., Rz 2.486; Spiegelberger, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge --ZEV-- 2003, 391, 395; Werner, Deutsches Steuerrecht 2006, 706, 710; Middendorf/Hauptmann, Steuern und Bilanzen 2016, 782, 784), sondern aus der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.
23 aa) Wie bei jeder GmbH & Co. KG existieren auch bei der "Einheits-GmbH & Co. KG" zwei rechtlich selbständige Gesellschaften mit zwei getrennten Rechtssphären (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 16. Juli 2007 II ZR 109/06, BB 2007, 1914, mit Anmerkung Gehrlein; anderer Ansicht Schmidt, Juristenzeitung 2008, 425, 435 f.). Bei der "Einheits-GmbH & Co. KG" ist allerdings die KG als Alleingesellschafterin der GmbH für deren Willensbildung zuständig. Die KG wird in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH --sofern keine abweichenden Regelungen existieren-- von der Komplementär-GmbH, diese wiederum von ihren Geschäftsführern, vertreten (BGH-Urteil in BB 2007, 1914; Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts --OLG-- Hamburg vom 22. März 2013 11 U 27/12; Beschluss des OLG Celle vom 6. Juli 2016 9 W 93/16). Dies kann zu Interessenkollisionen bei der Willensbildung in der Komplementär-GmbH führen. Denn ohne abweichende Regelungen wären die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH z.B. dazu berufen, über ihre eigene Bestellung, Abberufung und Entlastung (§ 46 Nr. 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) zu entscheiden sowie das Weisungsrecht gegenüber sich selbst auszuüben (§ 37 Abs. 1 GmbHG).
24 Der Vermeidung dieses --zumindest faktischen-- Interessenkonflikts diente nach den den Senat insoweit bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) und auch zwischen den Beteiligten unstreitig die Regelung in § 7 GesV.
25 bb) Nach der Entstehungsgeschichte des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG beseitigt eine derartige Regelung im Gesellschaftsvertrag der KG nicht die Prägewirkung der Komplementär-GmbH.
26 Der Gesetzgeber hat --den bis heute unverändert fortgeltenden-- § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) eingefügt. Diese Gesetzesfassung beruht auf dem Entwurf der Bundesregierung zu einem "Gesetz zur vordringlichen Regelung von Fragen der Besteuerung von Personengesellschaften" (vgl. BTDrucks 10/4498, 10/4513, S. 22, 10/3663, S. 4, 8). Mit der Einfügung der Vorschrift sollte die sog. Gepräge-Rechtsprechung des BFH, die dieser mit Beschluss des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) aufgegeben hatte, wiederhergestellt werden, ohne über diese hinauszugehen (vgl. BTDrucks 10/4513, S. 22). Der BFH hatte bis zur Aufgabe dieser Rechtsprechung durch den genannten Beschluss des Großen Senats die gewerbliche Tätigkeit einer an sich vermögensverwaltend tätigen GmbH & Co. KG damit begründet, dass die Kapitalgesellschaft jedenfalls dann der Personengesellschaft das Gepräge gebe, wenn die geschäftsführende Kapitalgesellschaft (GmbH) alleiniger Komplementär sei (dazu grundlegend BFH-Urteile vom 17. März 1966 IV 233, 234/65, BFHE 84, 471, BStBl III 1966, 171; vom 3. August 1972 IV R 235/67, BFHE 106, 331, BStBl II 1972, 799, unter I.). Hierbei sei "das wirtschaftliche Gewicht einer solchen GmbH in Rechnung zu stellen, die, soweit sie als persönlich haftende Gesellschafterin und Geschäftsführerin des Unternehmens der KG in Erscheinung tritt, die eigentliche Unternehmenstätigkeit entfaltet" (BFH-Urteil in BFHE 84, 471, BStBl III 1966, 171). Insbesondere auf diese Entscheidung weist die Regierungsbegründung ausdrücklich hin (BTDrucks 10/3663, S. 6). Für den BFH war daher maßgeblich, dass die Kapitalgesellschaft als Vollhafter die eigentliche Unternehmenstätigkeit auf Ebene der KG ausübt.
27 Diese Voraussetzungen sind auch bei einer "Einheits-GmbH & Co. KG" gegeben, in deren Gesellschaftsvertrag --wie in § 7 GesV-- den Kommanditisten die Geschäftsführungsbefugnis nur beschränkt auf den Bereich der Ausübung der Gesellschafterrechte aus oder an den von der KG gehaltenen Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH übertragen wird. Dabei verkennt der Senat weder, dass die zur Bestimmung der Prägewirkung in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG umschriebenen Begriffe gesellschaftsrechtlich interpretiert werden müssen (z.B. BFH-Beschluss vom 22. September 2016 IV R 35/13, BFHE 255, 239, BStBl II 2017, 116), noch dass eine derartige gesellschaftsvertragliche Regelung ggf. als Einräumung einer (partiellen) organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnis begriffen werden kann (zu den einzelnen Auslegungsmöglichkeiten vgl. z.B. Binz/Sorg, a.a.O., § 8 Rz 24; Lüke in: Hesselmann/Tillmann/Müller-Thuns, a.a.O., Rz 2.477 ff.; Seidel, BB 2017, 732, 736 ff.). Denn eine solche gesellschaftsvertragliche Regelung lässt die Ausübung der eigentlichen Unternehmenstätigkeit durch die Komplementärin unberührt. Auch bei einer "Einheits-GmbH & Co. KG" existieren zwei rechtlich selbständige Gesellschaften mit zwei getrennten Rechtskreisen (dazu oben B.II.3.c aa). Die den Kommanditisten eingeräumten Befugnisse hinsichtlich der Ausübung der Gesellschafterrechte aus oder an den von der KG gehaltenen Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH betreffen unmittelbar nur den Rechtskreis der Komplementär-GmbH. Sie berühren nicht unmittelbar die eigentliche Unternehmenstätigkeit auf Ebene der KG und können daher keine "prägende" oder "entprägende" Kraft auf Ebene der KG entfalten. Die Ausübung der eigentlichen Unternehmenstätigkeit auf Ebene der KG bleibt ausschließlich bei der Komplementär-GmbH.
28 cc) Der Sinn und Zweck des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG bestätigt dieses Ergebnis.
29 § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG sollte --wie bereits dargestellt-- bewusst für die Zukunft die sog. Gepräge-Rechtsprechung wiederherstellen, beispielsweise um eine zweifache Ergebnisermittlung zu vermeiden (BTDrucks 10/3663, S. 6) oder um sinnvolle Gestaltungen zu erhalten (BFH-Urteil vom 20. November 2003 IV R 5/02, BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464, unter I.1.d).
30 Die "Einheits-GmbH & Co. KG" als besondere Erscheinungsform einer KG steht der sog. beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG sehr nahe. Beide Gestaltungen finden insbesondere bei Familienunternehmen Anwendung. Bei der "beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG" sind die Kommanditisten im gleichen Verhältnis an der KG und an der Komplementär-GmbH beteiligt. Hierdurch wird vermieden, dass Personen die KG beherrschen können, die nicht zugleich Kommanditisten sind (z.B. Binz/Sorg, a.a.O., § 8 Rz 2; dieselben, GmbHR 2011, 281, 282). Der bei dieser Interessenlage gewünschte Einfluss der Kommanditisten auf die Unternehmenstätigkeit der KG wird dadurch hergestellt, dass die Kommanditisten zugleich als GmbH-Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH stimmberechtigt sind. Gleichwohl stünde auch in einem derartigen Fall, sollte die Komplementär-GmbH alleiniger organschaftlicher Geschäftsführer der KG sein, die gewerbliche Prägung i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG außer Frage (vgl. dazu auch BFH-Urteil in BFHE 106, 331, BStBl II 1972, 799, unter I.). Denn die Kommanditisten sind zwar Gesellschafter der Komplementär-GmbH, nicht aber organschaftliche Geschäftsführer der KG.
31 Nichts anderes kann dann für den Fall der "Einheits-GmbH & Co. KG" gelten. Diese Sonderform wird insbesondere zur Vermeidung des bei einer "beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG" gegebenen --nicht unerheblichen-- Gestaltungsaufwands gewählt, der u.a. erforderlich ist, um die Identität der Beteiligungsverhältnisse (dem Grunde und der Höhe nach) an beiden Gesellschaften zu wahren (Spiegelberger, ZEV 2003, 391, 392). Bei einer "Einheits-GmbH & Co. KG" ist eine entsprechende Verzahnung der Gesellschaftsverträge der KG und GmbH entbehrlich, weil die Kommanditisten nur noch mittelbar über ihre KG-Beteiligung an der Komplementär-GmbH beteiligt sind und mithin nur noch eine Gesellschaftsbeteiligung existiert (z.B. Binz/ Sorg, a.a.O., § 8 Rz 3; Lüke in: Hesselmann/Tillmann/Müller-Thuns, a.a.O., Rz 2.463). Im Gegenzug entsteht jedoch --wie bereits ausgeführt (dazu B.II.3.c aa)-- das Erfordernis, eine konfliktfreie Willensbildung bei der Komplementär-GmbH zu organisieren. Geschieht dies dadurch, dass den Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag der KG die Ausübung der Gesellschafterrechte aus oder an den von der KG gehaltenen Geschäftsanteilen eingeräumt wird, wird im Ergebnis eine der Beschlusssituation bei einer "beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG" vergleichbare Situation hergestellt. In beiden Fällen fassen die Kommanditisten die Gesellschafterbeschlüsse bei der Komplementär-GmbH. Vor diesem Hintergrund kann es nach Sinn und Zweck für die Beurteilung der "Prägewirkung" keinen Unterschied machen, ob die Kommanditisten unmittelbar an der Komplementär-GmbH oder nur mittelbar über die KG an dieser beteiligt sind. Bei einer "Einheits-GmbH & Co. KG" ist die Ausübung der Gesellschafterrechte aus dem Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH schlicht Ausfluss ihrer Gesellschafterstellung, ohne dass damit darüber hinausgehende unmittelbare Rechte auf Ebene der KG verbunden sind.
32 4. Danach ist die Entscheidung des FG, dass ab dem ... Februar 2008 --trotz der Regelung in § 7 GesV-- nur die E-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin zur Geschäftsführung i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG befugt war, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn eine Regelung wie in § 7 GesV, die den Kommanditisten einer "Einheits-GmbH & Co. KG" allein aufgrund der Gesellschafterstellung der KG an ihrer Komplementär-GmbH Befugnisse zur Vermeidung von Interessenkonflikten einräumt, begründet keine Geschäftsführungsbefugnis i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.
33 III. Nach alledem waren --wie vom FG ausgesprochen-- die im Übrigen nicht streitigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb festzustellen.
34 IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.