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Steuerrecht
04.07.2019
Steuerrecht
Niedersächsisches FG: Die Zinsfestsetzung in Steuer-Sammelbescheid muss gesondert mit Einspruch angefochten werden

Niedersächsisches FG, Beschluss vom 14.5.2019 – 11 V 108/19, rkr

ECLI:DE:FGNI:2019:0514.11V108.19.00

Volltext des Beschlusses://BB-ONLINE BBL2019-1640-1

unter www.betriebs-berater.de

Amtlicher Leitsatz

Steuerbescheide sind sog. Sammelbescheide, d.h. die Festsetzungen der Steuer und der Zinsen stehen selbständig nebeneinander und müssen unabhängig voneinander ggfs. gesondert angefochten werden

AO 1977 § 233, § 233a

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten im Hauptsacheverfahren, das unter dem Aktenzeichen 11 K 107/19 im erkennenden Senat anhängig ist, darüber, ob zulässige Einsprüche gegen die Zinsfestsetzungen zur Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2015 vorliegen.

Die Antragstellerin betreibt ein Hotel mit Gastwirtschaft in X. Nach einer Außenprüfung für die Jahre 2010 bis 2015 hat der Antragsgegner (das Finanzamt – FA -) am 12.9.2018 geänderte Umsatzsteuerbescheide erlassen. Da es aufgrund der Außenprüfung zu Nachforderungen der Umsatzsteuer gekommen war wurden neben den Steuernachzahlungen auch Nachzahlungszinsen festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 12.10.2018 legte die Antragstellerin durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten „gegen die Umsatzsteuerbescheide (Steuernummer xxx) … der Jahre 2010 bis einschließlich 2015, jeweils vom 12.9.2018, … Einspruch ein“.

Mit Schriftsatz vom 22.11.2018 ergänzten die Prozessbevollmächtigten das Einspruchsschreiben dahingehend, dass auch Aussetzung der Vollziehung beantragt werde. Außerdem heißt es in dem Schreiben vom 22.11.2018:

„(…) Die Aussetzung der Vollziehung beantragen wir nochmals ausdrücklich in Bezug auf die Zinsfestsetzungen für Zeiträume ab 1.4.2012, also Bescheide ab 2010 (…).“

Zur Begründung verwies die Antragstellerin auf die neuere Rechtsprechung des BFH, in der für den Zeitraum ab 1.4.2012 verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO von 6% geäußert werden (Hinweis auf BFH-Beschl. v. 3.9.2018 – VIII B 15/18; Verfahren vor dem BVerfG zum Az. 1 BvR 2237/14).

Das FA wies mit Einspruchsbescheid vom 7.3.2019 den Einspruch der Antragstellerin als unzulässig (verspätet) zurück. Gleichzeitig lehnte das FA die beantragte Aussetzung der Vollziehung der Zinsfestsetzung ab. Im Einspruchsbescheid verwies das FA darauf, dass unter dem 12.9.2018 sog. Sammelbescheide ergangen seien, die nicht nur über die Festsetzung der Umsatzsteuer, sondern – gesondert – auch über die Zinsfestsetzung ergangen seien. Die Einsprüche der Antragstellerin hätten sich lediglich gegen die jeweilige Steuerfestsetzung gerichtet, nicht jedoch auch gegen die Zinsfestsetzung. Dies sei erst mit Schriftsatz vom 22.11.2018 – nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist geschehen.

Hiergegen richtet sich die Klage (11 K 107/19) und der gleichzeitig gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Nachzahlungszinsen betr. die Umsatzsteuerfestsetzungen für 2010 bis 2015. Die Antragstellerin verweist zunächst darauf, dass von Anfang an auch gegen die Zinsfestsetzungen Einspruch eingelegt werden sollte. Dies sei auch Bestandteil des Einspruchsschreibens vom 12.10.2018 gewesen. Man habe seinerzeit ausdrücklich gegen die „Umsatzsteuerbescheide“ Einspruch eingelegt. Dieser Begriff erfasse mehrere Verwaltungsakte. Erkennbar habe man mit dem Schreiben vom 12.10.2018 gegen alle Bescheide vom 12.9.2018 Einspruch eingelegt. Nur das Wort „Umsatzsteuer“ im Einspruchsschreiben könne nicht dazu führen, dass dieses Wort exakt der Überschrift durch das FA entspreche, obwohl im Bescheid vom 12.9.2018 auch Zinsen festgesetzt würden. Die nachgereichte Erklärung (Schriftsatz vom 22.11.2018) stelle die erste inhaltliche Konkretisierung des Einspruchs vom 12.10.2018 dar und wende sich ausdrücklich auch gegen die Zinsfestsetzung.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Vollziehung der Zinsbescheide in den Bescheiden über Umsatzsteuer 2010 bis 2015 vom 12.9.2018 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Das FA verweist zur Begründung auf seinen Einspruchsbescheid vom 7.3.2019. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Einspruchsschreiben der Antragstellerin vom 12.10.2018 nicht um ein auslegungsbedürftiges Schriftstück handele.

Aus den Gründen

 

II. Der Antrag ist unbegründet.

Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschlüsse vom 19.3.2014 - V B 14/14, BFH/NV 2014, 999 [BB 2014, 1508 m. BB-Komm. Winkelhog] und vom 19.3.2014 - III S 22/13, BFH/NV 2014, 856 jeweils mit weiteren Nachweisen).

 

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Bei den Umsatzsteueränderungsbescheiden 2010 bis 2015 vom 12.9.2018 handelt es sich- wie bei allen Steuerbescheiden – um sog. Sammelbescheide. Die Festsetzung der (Umsatz-) Steuer und der Nachzahlungszinsen nach § 233a AO stehen selbständig nebeneinander und sind lediglich in einem Bescheid verbunden. Die jeweiligen Festsetzungen können daher unabhängig voneinander angefochten werden (BFH-Urt. v. 28.1.2001 – I R 93/00, BFH/NV 2002, 613; BFH-Urt. v. 18.1.2007 – IV R 35/04, BFH/NV 2007, 1509; BFH-Urt. v. 8.5.2008 – VI R 12/05, BStBl II 2009, 116).

 

Die von einem Rechtsanwalt stammende Formulierung in dem Schreiben vom 12.10.2018, es werde gegen den Umsatzsteuerbescheide 2010 bis 2015 jeweils vom 12.9.2018 Einspruch eingelegt, kann nicht als Einspruch auch gegen den Bescheid über die Festsetzung von Zinsen zur Umsatzsteuer 2010 bis 2015 ausgelegt werden. Die Erklärung ist eindeutig und nicht auslegungsbedürftig. Mit ihr wurden nur die Umsatzsteueränderungsbescheide und damit die Umsatzsteuerfestsetzungen angefochten, die Teil der Sammelbescheide vom 12.9.2018 waren Diese von der Finanzverwaltung regelmäßig vorgenommene Verbindung von Steuer- und Zinsfestsetzung ist in § 233a Abs. 4 AO ausdrücklich vorgesehen. Danach sollen die jeweiligen Festsetzungen miteinander verbunden werden.

 

Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn der Antragstellerin durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheides wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin führen würde (BFH-Beschluss v. 26.10.2011 - I S 7/11, BFH/NV 2012, 583). Es ist insoweit erforderlich, dass die Antragstellerin ihre wirtschaftliche Lage im Einzelnen vorträgt oder glaubhaft macht (BFH-Beschluss v. 9.3.2012 - VII B 185/11, BFH/NV 2012, 999). Im vorliegenden Fall sind derartige Umstände von der Antragstellerin weder vorgetragen worden noch sind sie aus dem Inhalt der Akten ersichtlich.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

 

 

 

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