BRAK : Umgehung rechtsstaatlicher Grundsätze beim Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz verurteilt
Bereits mit Presseerklärung vom 15.6.2020 hat die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) angeprangert, dass unter dem Deckmantel eilbedürftiger Corona-Maßnahmen versucht wird, Gesetzgebung durch die Hintertür zu betreiben. Anlass hierzu gab ein Gesetzentwurf des BMF, der zwei grundlegende Änderungen der Abgabenordnung – einerseits zur absoluten Verjährung der Steuerhinterziehung und andererseits zur strafrechtlichen Einziehung von verjährten Steueransprüchen – vorsah, deren Zusammenhang mit den eilbedürftigen Corona-Regelungen nicht ansatzweise erkennbar war und ist. BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels hatte die Kritik am Gesetzentwurf mit einem Schreiben auch direkt gegenüber Bundesjustizministerin Lambrecht zum Ausdruck gebracht. Die Ausschüsse Strafprozessrecht und Steuerrecht äußerten in einer Stellungnahme zum Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz ebenfalls scharfe Kritik an der vorgesehenen Verlängerung der absoluten Ver-jährungsfrist und an der Erstreckung der Einziehung auf verjährte Steueransprüche.
Unter dem Deckmantel der Pandemie Verjährungsfristen um ganze fünf Jahre zu verlängern, hält Wessels für mit rechtsstaatlichen Grundprinzipien unvereinbar. „Ich hatte mit meinem Schreiben, das nicht nur die Bundesjustizministerin, sondern auch die Obleute der Fraktionen in die Pflicht genommen hat, meine Sorge darüber zum Ausdruck gebracht, dass Krisengesetzgebung keine vollendeten Tatsachen für die Zeit nach der Pandemie schaffen darf. Es ist für mich nicht nachvollziehbar und mit unserem Rechtsstaat auch nicht vereinbar, dass Verschärfungen des Steuerstrafrechts unter Umgehung parlamentarischer Verfahren durch die Hintertür ‚durchgedrückt werden‘. Die Corona-Pandemie ist keine Ausrede, um ‚normale‘ Gesetzgebungsverfahren schnell abzuschließen“.
Mit seinem Schreiben hatte Wessels dazu aufgefordert, die Verschärfungen aus dem Gesetzentwurf zu nehmen und einem geordneten Gesetzgebungsverfah-ren zuzuführen. Am 23.6.2020 hat sich der Rechtsausschuss des Bundestages nach Informationen der BRAK zwar mit den geäußerten Bedenken zur Änderung der Abgabenordnung befasst, dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz im Ergebnis jedoch gleichwohl zugestimmt, ohne die umstrittenen Regelungen aus dem Entwurf zu nehmen.
„Es ist mir unerklärlich, dass unsere berechtigte Kritik kein Gehör gefunden hat. Die Umgehung des regulären parlamentarischen Verfahrens halte ich aus rechtsstaatlicher Sicht für untragbar. Auch in Krisenzeiten muss die Gesetzgebung auf dem dafür vorgesehenen Weg erfolgen. Es kann nicht angehen, dass unter dem Titel ‚Corona‘ nun einfach all das miterledigt wird, was schon längst auf der To-do-Liste stand. Das kann und darf nicht Sinn und Zweck von Krisengesetzgebung sein!“, bekräftigt Wessels. „Die nicht mit Corona im Zusammenhang stehenden Vorschriften müssen aus dem Gesetz gestrichen werden“.
Steuerberater unterliegen einer gesetzlichen und strafbewehrten Verschwiegenheitspflicht. Die Rechtsverordnung schafft eine Vielzahl von Meldepflichten, die unabhängig davon, ob eine Rechtsberatung oder Prozessvertretung vorliegt, bestehen sollen. Damit einhergeht eine massive Einschränkung der beruflichen Verschwiegenheitspflicht. Zudem ist der Steuerberater regelmäßig dem Risiko einer Pflichtenkollision ausgesetzt, da er Gefahr läuft, sich einerseits bei einer zu Unrecht erstatteten Meldung nach § 203 StGB strafbar zu machen und andererseits bei einer unterlassenen Meldung gegen die geldwäscherechtliche Meldepflicht zu verstoßen.
Mit Blick auf die Durchbrechung der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht sind an die Rechtsverordnung nach § 43 Abs. 6 GwG verfassungsrechtlich hohe Anforderungen zu stellen. Diesen Anforderungen wird der Entwurf nach unserer Auffassung nicht hinreichend gerecht. Die Meldepflichten knüpfen wiederholt an zu unbestimmten Kriterien an, sodass für den Steuerberater vielfach Unsicherheit besteht, wann genau eine Meldepflicht vorliegt. Zudem müssten aufgrund zu weitreichender Formulierungen auch erkennbar unkritische Fälle gemeldet werden.
(Quelle: BRAK PM Nr. 14 vom 15.6.2020)