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ZNER 2012, 323
Becker 

Editorial

Der Kampf um die Energiewende tobt. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) attackert die EEG-Umlage und auch ein deutsches Nachrichtenmagazin stimmt mit kontinuierlichen Angriffen insbesondere auf die Kosten des Photovoltaik-Zubaus in den Chor ein. Freilich fehlen die Hinweise darauf, dass die Industrie durch mehrere Entlastungen bei Netzentgelten geschont wird, dass der Sonnenstrom die mittäglichen Börsenpreise senkt und dass sich die Strompreise hinsichtlich ihres Anteils für die reine Energie zwischen der Phase entwickelten Wettbewerbs zwischen 2000 und 2003 bis 2007 verdreifacht haben; eine Entwicklung, die wohl vor allem auf das Konto der Stromkonzerne geht. Aber die Redaktion hat noch nicht entschieden, ob und ggf. wie sich eine energierechtliche Zeitschrift wie die ZNER in das politische Geschäft einmischt.

Aber es gibt auch „hausgemachte“ Probleme, etwa die Energiewendekosten, die durch den großflächigen Ausbau des Netztransportsystems entstehen, verursacht durch die Offshore-Verstromung. Es liegt auf der Hand, dass der verbrauchsnahe Zubau von EEG-Anlagen Stromtransporttrassen über weite Entfernungen weitgehend erspart. Ohnehin beläuft sich das Verhältnis – etwa – der Onshore-Windkraft zu Offshore aktuell auf 98 : 2. Für Offshore spricht natürlich die wesentlich höhere Benutzungsstundenzahl. Aber dafür gibt es, anders als ursprünglich angenommen, jede Menge technologische Probleme etwa für die Verankerung der Anlagen in größeren Wassertiefen oder den Netzanschluss. Dazu kommen die Kosten der Zwischenspeicherung von Windstrom in Norwegen, verursacht durch Netzausbau und Umbau von Laufwasser- in Pumpspeicherkraftwerke. Die volkswirtschaftlichen Aspekte dieser Energiewendelinie müssten kritisch überprüft werden.

Mit einem Teil davon befasst sich die Stellungnahme des Solarenergie-Fördervereins Deutschland (SFV) zum Netzentwicklungsplan Strom (NEP) der Übertragungsnetzbetreiber. Die Überlegungen sind sehr grundsätzlicher Natur und deswegen besonders interessant:

  • Die Übertragungsnetzbetreiber eint ein kommerzielles Interesse an großflächigen Stromtransporten, während die Verteilnetzbetreiber eher an dezentraler Erzeugung und Verbrauch interessiert sind;

  • die großvolumigen Netzausbauten werden vor allem durch den forcierten Offshore-Ausbau und Projekte wie Desertec erzwungen, der forcierte Ausbau verbrauchsnaher Erzeugung wirke der Ausbaunotwendigkeit entgegen;

  • damit würde auch dem Eindruck entgegengewirkt, der Ausbau der erneuerbaren Energien wäre nur bei schnellem Zubau in den Übertragungsnetzen möglich.

Ein weiteres Problem des EEG, das für den Erfolg des Gesetzes und damit der Energiewende von großer Bedeutung ist, ist die Marktintegration der EE. Das primäre Instrument dafür ist das Marktprämienmodell, mit dem der Gesetzgeber die Direktvermarktung fördern will. Mit ihm beschäftigt sich der Aufsatz von Lüdemann/Ortmann, der zeigt, dass der Erfolg des Instruments deswegen nicht eintritt, weil sich professionelle Direktvermarkter insbesondere bei Wind- und Sonnenstrom engagieren, weil sie die hohe Managementprämie reizt. Der monetäre Mitnahmeeffekt ist so hoch, dass die EEG-Umlage eher steigt statt fällt, dies noch dazu bei fluktuierenden EE. Die Marktprämie bei der Verstromung von Biomasse, die planbar ins Netz integriert werden kann, wird hingegen nicht angenommen, weil die Managementprämie so gering ist, dass sie die Direktvermarkter nicht reizt. Hier muss – und wird – der Gesetzgeber nachsteuern.

Der Vorgang zeigt, dass das Monitoring und das gesetzgeberische Nachhalten von ausschlaggebendem Erfolg für die Energiewende sind. Allerdings führt Beides zu einem Versacken in der Komplexität, die der Akzeptanz des Vorhabens nachhaltig schaden könnte. Hier sind Klugheit und Fantasie des Gesetzgebers gefragt.

Noch grundsätzlicher wird es bei den Beiträgen von Naomi Klein und dem von Nagel zu Elinor Ostrom, der ersten weiblichen Nobelpreisträgerin in der Ökonomie (2009), die am 12. Juni 2012 verstorben ist. Naomi Klein führt eindrucksvoll vor, wie in den USA die Kampfeslinien zwischen den konservativen Gegnern von Maßnahmen zur Klimarettung und deren Befürwortern verlaufen. Interessant sind schon die Zahlenverhältnisse: In jenem Teil der US-Bevölkerung, in dem „hierarchische“ Vorstellungen besonders ausgeprägt sind, beurteilen nur elf Prozent den Klimawandel als „sehr gefährlich“, während dies 69 Prozent der Menschen mit „egalitären“ Auffassungen tun. Bei den Leugnern des Klimawandels handelt es sich im Großen und Ganzen um genau jene Personen, die am tiefsten in „unserem hochgradig ungerechten und disfunktionalen Wirtschaftssystem verstrickt sind“. Die „Cool dudes“, die „selbstsicheren konservativen weißen Männer“, glauben sechsmal häufiger als andere Befragte, dass ein Klimawandel „niemals eintreten“ werde. Insofern ist Deutschland, in dem die Energiewende politisch wie gesamtgesellschaftlich befürwortet wird, schon sehr viel weiter – aber die „Energiewende-Wender“ sind schon wieder sehr kampfesmutig.

Elinor Ostrom erhielt den Nobel-Preis, wie sie zeigen konnte, wie gemeinschaftliches Eigentum von Nutzerorganisationen erfolgreich verwaltet werden kann. Lange Zeit galt es in der Ökonomie als unbestritten, dass natürliche Ressourcen mit privaten Eigentumsrechten belegt werden sollten, um ihre übermäßige Nutzung zu vermeiden. Ostrom zeigte aber, dass privates Eigentum zur übermäßigen Ausbeutung neigt. Deswegen kam sie in ihrem Buch Die Verfassung der Allmende (in Deutschland 1999 erschienen) aufgrund vieler empirischer Studien zu dem Ergebnis, dass lokale Kooperation der Betroffenen die insgesamt besten Ergebnisse zeige. Nagel zieht daraus den Schluss, dass der Ausbau erneuerbarer Energien vor Ort und Rekommunalisierung die erfolgversprechendsten Strategien in der Energiewende seien.

Peter Becker

 
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