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ZLR 2023, 581
Schneehagen 

Lücke bei der Herkunftskennzeichnung von Fleisch in der Bedienungstheke geschlossen

Bereits seit 1998 ist die Herkunftskennzeichnung für frisches, gekühltes und gefrorenes Rindfleisch1 auf sämtlichen Prozessstufen von Schlachtung bis hin zum Verkauf an den Endverbraucher EU-weit gesetzlich geregelt. Mit dieser Maßnahme sollte der Mitte der 90er-Jahre wegen der BSE-Krise zusammengebrochene Rindfleischmarkt in der EU gestützt werden. Obwohl man sich aktuell keine Sorgen mehr um BSE machen muss, ist der EU-Rechtstext nach wie vor gültig.

Erst im Jahr 2015 wurde mit der Durchführungsverordnung zur LMIV2 – ohne Marktstützungsgedanken – die Herkunftskennzeichnung für Fleisch von Schwein, Schaf, Ziege und Geflügel3 eingeführt. Diese reine Verbraucherinformation erreicht derzeit nur die Endverbraucher sowie Anbieter von Gemeinschaftsverpflegungen und auch nur, wenn sie vorverpacktes Fleisch kaufen.

Der von der EU-Kommission für das 4. Quartal 2022 angekündigte Änderungsentwurf4 der LMIV, in dem u. a. für den Artikel 26 (Herkunftskennzeichnung) umfangreiche Erweiterungen der Herkunftskennzeichnungspflichten erwartet werden, lässt noch auf sich warten. Die deutsche Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag5 eine umfassende Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln festgeschrieben. Dieses Ziel soll eigentlich möglichst EU-einheitlich erreicht werden. Da weitere EU-Regelungen aber noch nicht in Sicht sind, wird die Herkunftskennzeichnung von Schweinefleisch & Co in der Bedienungstheke zunächst national geregelt.

Hierfür wurde am 10.8.2023 die Zweite Verordnung zur Änderung der Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung6 (LMIDV) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. In Kraft treten die Änderungen zum 1.2.2024 – die Unternehmen haben also knapp 6 Monate Zeit, sich darauf vorzubereiten.

Die seit langem praktizierte Rindfleischetikettierung in der Bedienungstheke hätte als Blaupause dienen können, aber für Schweinefleisch & Co. wurden die Regelungen einfacher gefasst. Die Herkunftskennzeichnung konzentriert sich hier auf das Wesentliche: die Herkunftsländer. Auf weitergehende Pflichten aus der Rindfleisch-ZLR 2023 S. 581 (582)etikettierung, wie z. B. Angabe einer Referenz-Nr., Einhaltung von Chargenbildungsregeln sowie umfangreiche Dokumentation und Archivierung wird verzichtet.

Die neuen Regeln sind als § 4b in die LMIDV7 eingefügt, ergänzt um geänderte oder neue kurze Verweise in den §§ 5 und 6 LMIDV. Der neue § 7 LMIDV enthält die Übergangsvorschrift, nach der Fleisch, für das am 1.2.2024 keine Herkunftsangaben vorliegen, bis zum Aufbrauchen der Bestände in den Verkehr gebracht werden darf.

Zunächst werden fünf Begriffe (Hackfleisch, Schlachthof, Zerlegebetrieb, Fleischabschnitte, Partie) den Begriffsbestimmungen anderer Verordnungen zugeordnet, wobei der Grund dafür fraglich bleibt, da diese Begriffe im weiteren Verlauf des Rechtstextes nicht erwähnt werden.

Die eigentliche Pflicht zur Herkunftskennzeichnung und wie diese erfolgen kann, ergibt sich aus dem 2. Abschnitt § 4b:

  • Kennzeichnungspflichtig ist frisches, gekühltes und gefrorenes Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch, das ohne Verpackung zum Kauf angeboten wird.
    Zugegebenermaßen wird gefrorenes Fleisch selten über die Bedienungstheke vermarktet. Und auch Anbieter von Gemeinschaftsverpflegungen kaufen selten Fleisch ohne Verpackung ein, so dass die Regeln für die Vermarktung von frischem und gekühltem Fleisch an der Bedienungstheke hauptsächlich für die Endverbraucher relevant sind.

  • Für dieses Fleisch müssen die Herkunftsangaben gemäß der Artikel 5, 6 und 7 der Verordnung Verordnung (EG) Nr. 1337/2013 gemacht werden:

    • Mindestangabe: “aufgezogen in: Ländername”, “geschlachtet in: Ländername”

    • Alternativ bei Geburt, ununterbrochener Aufzucht und Schlachtung im selben Land: “Ursprung: Ländername”

    • Ausnahme bei Fleisch aus Drittländern, bei denen das Aufzuchtsland nicht bekannt ist: “aufgezogen außerhalb der EU”, “geschlachtet in: Name des Drittlandes”

    • Ausnahme für Hackfleisch und Abschnitte: Hier können verschiedene Varianten auch mit Angabe “EU” verwendet werden. Abschnitte werden i. d. R. nicht über die Bedienungstheke vermarktet.

    • Sonderfall Fleisch vom Wildschwein, das ebenfalls vom Rechtsrahmen aufgrund der Einordnung in KN-Code 0203 erfasst ist: “aufgezogen in: Ländername” “geschlachtet in: Ländername” bzw. “Ursprung: Ländername”. Maßgeblich für die Ländernamen ist das Land der Jagd.

    ZLR 2023 S. 581 (583)
  • Die Angabe der Partie-Nr. (Art. 5 Abs. 1 c) und Art. 5 Abs. 3 b)) ist nicht erforderlich.

  • Die Herkunftsangaben müssen gem. § 4 Abs. 3 LMIDV gut sichtbar, deutlich und gut lesbar gemacht werden und sind so bereitzustellen, dass die Verbraucher vor Kaufabschluss und vor Übergabe des Lebensmittels von ihnen Kenntnis nehmen können, das bedeutet: ohne Nachfragen beim Personal:

    • Direkte Kennzeichnung an der Ware – z. B. an der Preiskassette, einem Crowner oder Aufsteller

    • Indirekte Kennzeichnung durch einen Aushang in der Verkaufsstätte, z. B. ein Infoplakat oder einen zentralen Aufsteller, wie es in der Rindfleischetikettierung seit langem praktiziert wird. Wichtig ist, dass der Verbraucher die Herkunftsangaben problemlos der ausliegenden Ware zuordnen kann.

    • Möglich und auch sinnvoll ist eine Kombination zwischen direkter und indirekter Kennzeichnung: Die hauptsächlich vermarkteten Herkunftsangaben einer Fleischart werden zentral auf dem Infoplakat aufgeführt und nur Abweichungen davon, z. B. Spezialitäten anderer Herkunft, werden direkt an der Ware gekennzeichnet. Auch diese Kombination wird in der Rindfleischetikettierung seit langem von vielen Marktteilnehmern durchgeführt.

    • Der zusätzliche Hinweis im § 4b Abs. 2 Satz 3 LMIDV mit genau dieser Kombinationsmöglichkeit ist überflüssig, da § 4 Abs. 3 LMIDV keine Ausschließlichkeit einer direkten oder indirekten Kennzeichnung vorgibt.

    • Eine weitere Möglichkeit der Herkunftskennzeichnung besteht durch elektronische Informationsangebote und zielt eher auf die Zukunft der Kundeninformation. Einige Marktteilnehmer verwenden bereits Thekeninformationssysteme, z. B. in Form von großen Touchbildschirmen vor der Bedienungstheke, bei denen die Verbraucher intuitiv weitere Informationen zum Warenangebot auswählen können. Nicht gemeint ist damit die Angabe eines QR-Codes, mit dem Verbraucher mit eigenen Smartphones weitere Informationen aufrufen können, da nicht alle Verbraucher Smartphones besitzen.

    • Weiterhin sind gem. § 4 Abs. 3 2. Satz LMIDV Herkunftsinformationen in Speise- oder Getränkekarten oder in Preisverzeichnissen möglich. Diese hat i. d. R. an Bedienungstheken keine Relevanz.

    • Eine rein mündliche Information der Verbraucher analog zur Allergenkennzeichnung gem. § 4 Abs. 4 LMIDV ist für die Herkunftsangaben von Fleisch nicht ausreichend.

ZLR 2023 S. 581 (584)

Eine umfangreiche Dokumentation, wie wir sie aus der Rindfleischetikettierung8 kennen, ist für die Herkunftskennzeichnung bei Schweinefleisch & Co. nicht vorgesehen. Es müssen gem. § 4b Abs. 3 lediglich die Herkunftsinformationen für die ausliegende Ware bereitgehalten werden. Unternehmen, die die Bedienungstheken im Lebensmitteleinzelhandel oder in Fleischereifachgeschäften mit Fleisch beliefern, müssen die Herkunftsdaten übermitteln. Bei vorverpackter Ware erfolgt dies über die verpflichtende Herkunftsangabe auf dem Etikett. Da es gem. Verordnung (EG) Nr. 1337/2013 keine körperliche Kennzeichnungspflicht für Fleisch gibt, das nicht vorverpackt an Endverbraucher (SB-Ware) oder an Anbieter von Gemeinschaftsverpflegungen vermarktet wird, ist eine Herkunftsinformation auch in den Begleitpapieren (auch elektronisch) zulässig.

In der Praxis wird also zukünftig entweder ein Etikett der angelieferten Ware mit Herkunftsangaben oder der dazugehörige Lieferschein mit den Herkunftsangaben so lange aufbewahrt werden, wie sich das Fleisch mit der entsprechenden Herkunftsangabe im Verkauf befindet. Eine Archivierung ist nicht vorgeschrieben.

Die verschiedenen Qualitätssicherungssysteme und auch die Rindfleischetikettierung sehen im Gegensatz dazu i. d. R. ausführliche Dokumentationspflichten und Archivierungsfristen vor. Warum der Gesetzgeber bei Schweinefleisch & Co. auf diese zentralen Elemente des Qualitätsmanagements verzichtet, ist nicht nachzuvollziehen.

Da in der Bedienungstheke auch keine Partienummer angegeben werden muss, kann Fleisch verschiedener Lieferanten problemlos gemeinsam in die Bedienungstheke gelegt werden, sofern es identische Herkunftsangaben trägt. Dies ist ein weiterer wesentlicher Unterschied zur Rindfleischetikettierung, die durch die Vorgaben zur Chargenbildung9 etwas schwieriger zu handhaben ist.

Trotzdem sollte der Aufwand für die Umsetzung der neuen Regeln nicht unterschätzt werden. Da “Herkunft” für diese Fleischarten bislang in der Bedienungstheke bis auf wenige Regionalprogramme kein Thema war, müssen Lebensmitteleinzelhandel und Fleischereifachgeschäfte prüfen, welche Herkunftsländer für welche Fleischarten üblicherweise vermarktet werden. Hier ist insbesondere auch auf saisonale Angebote und Besonderheiten zu achten. Weiterhin ist zu prüfen, wie die Lieferanten die Herkunftsinformationen weiterleiten, denn dies ist wichtig für die Umsetzung in der Bedienungstheke. Mit der Erstellung und Umsetzung der unternehmensinternen Vorgaben sollte nicht zu lange gewartet werden.

ZLR 2023 S. 581 (585)

Auch die behördliche Kontrolle der Herkunftskennzeichnung von Rindfleisch bzw. Schweinefleisch & Co. ist wie die rechtlichen Vorgaben unterschiedlich:

  • Die Rindfleischetikettierung unterliegt als Marktordnungsrecht der Bundesbehörde Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

  • Die Herkunftskennzeichnung von Fleisch von Schwein, Schaf, Ziege und Geflügel wird von der Lebensmittelüberwachung der Bundesländer bzw. der Kreise und kreisfreien Städte durchgeführt. Gerade durch die Vielzahl der Überwachungsämter ist eine unterschiedliche Auslegung der rechtlichen Vorgaben vorprogrammiert.

Die Verbraucher und auch die Unternehmen verstehen dagegen diese Unterschiede in den rechtlichen Vorgaben und diese vermeintliche Doppelkontrolle nicht, da ja in beiden Fällen Herkunftsangaben gemacht werden.

Eine Vereinheitlichung der Vorgaben für die Herkunftskennzeichnung von Rindfleisch sowie Fleisch von Schwein, Schaf, Ziege und Geflügel und der dazugehörigen behördlichen Kontrollen wäre wünschenswert, allein, um die Mitarbeitenden in den Serviceabteilungen nicht zu verwirren. Allerdings ist dies aufgrund der unterschiedlichen Rechtsbereiche auf EU-Ebene nicht so einfach zu realisieren.

Spannend bleibt, was im EU-Kommissionsentwurf der LMIV an Änderungen im Herkunftsbereich vorgesehen ist. Bisher ist von “weiteren Fleischarten” sowie “Fleisch als Zutat” die Rede. Die LMIV gilt im Wesentlichen für vorverpackte Ware. Fraglich ist, ob mit der Änderung auch die Bedienungstheke bzw. nicht vorverpackte Ware einbezogen wird. Daher bleibt abzuwarten, ob sich die Umsetzung der Herkunftskennzeichnung von Schweinefleisch & Co. ggf. an der Bedienungstheke wieder ändern wird, wenn die EU-Vorgaben in Kraft treten.

Dr. Kirsten Schneehagen, Bonn

1

Verordnung (EG) Nr. 820/97 ersetzt durch Verordnung (EG) Nr. 1760/2000, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02000R1760-20210421&qid=1692702532644.

2
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4
5
6

Bundesgesetzblatt Nr. 209/2023 vom 10.8.2023, abrufbar unter: https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/209/VO.html.

7
8

Art. 1 Verordnung (EG) Nr. 1825/2000 abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02000R1825-20070323&qid=1692702752756 und § 2 nationale Rindfleischetikettierungsverordnung – RiFlEtikettV, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/rifletikettv_
2009/RiFlEtikettV.pdf.

9

Art. 4 und 5c Verordnung (EG) Nr. 1825/2000 geändert durch Verordnung (EG) Nr. 275/2007, abrufbar: siehe 8.

 
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