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ZLR 2017, 421
Wittig 

Hoch die Tassen – 100 Jahre Deutscher Teeverband

„Ein Tag ohne Tee ist ein Tag ohne Freude“, so besagt es ein chinesisches Sprichwort. Ob grün, schwarz, weiß oder Oolong – kaum ein anderes Getränk ist facettenreicher und bietet eine derart große Geschmacksvielfalt. Nicht ohne Grund ist Tee daher nach Wasser das meistkonsumierte Getränk der Welt, noch weit vor Kaffee. Rund um die Erde werden jährlich fünf Billionen Tassen Tee getrunken, das sind täglich knapp 14 Milliarden Tassen. In Deutschland liegt aktuell der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch bei 28 Litern im Jahr und ist damit so hoch wie nie!

Tee hat als wichtiges Handelsgut Geschichte geschrieben und bestimmt auch heute noch die wirtschaftliche Entwicklung vieler Regionen der Erde. Weltweit wird Tee schon seit Jahrhunderten geliebt und hat dabei ganze Kulturen geprägt und verbunden. Der Legende nach wurde Tee bereits vor knapp 5.000 Jahren in China entdeckt. Aber erst vor gut 400 Jahren gelangte er erstmals nach Europa und wenig später auch nach Deutschland. Es waren allerdings nicht die Engländer, wie man vielleicht zunächst vermuten würde, die den Tee von ihren Asien-Reisen mitbrachten, sondern die Niederländer. Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts trat der Tee dann seinen Siegeszug in England an und verbreitete sich rasant auf dem Gebiet des gesamten British Empire. Der Fortgang der Entwicklung ist bekannt: In keinem anderen europäischen Land gehört das Teetrinken so untrennbar zur typischen Lebensart wie im Vereinigten Königreich. Umso bedauerlicher ist aus Sicht der gesamten europäischen Teebranche der Ausgang des Referendums über den Brexit vom 23. 6. 2016. Mit dem Ausscheiden der mit Abstand wichtigsten Teetrinkernation aus der Europäischen Union – voraussichtlich in 2019 – verliert das Produkt Tee seinen größten Fürsprecher in Brüssel, was sicherlich die Durchsetzung berechtigter Brancheninteressen nicht erleichtern wird.

Um die Bildung einer schlagkräftigen Interessensvertretung ging es auch bereits vor 100 Jahren, als Vertreter des deutschen Teehandels über verschiedene Formen des Zusammenschlusses berieten, um Kräfte zu bündeln und erfolgreich gemeinsamen Anliegen Gehör zu verschaffen. Am 21.4.1917 kamen Persönlichkeiten der deutschen Teebranche in Kassel zusammen, um über das Funktionieren des Teehandels nach Kriegsende Beschlüsse zu fassen. Das zentrale Motiv der Gründerväter des Verbandes war es, den Zugang zum Markt und die Belieferung mit Rohstoffen zu sichern. Diese Überlegungen waren insoweit weitsichtig, als zu dieser Zeit der Handel mit Tee aufgrund der Kriegssituation völlig brach lag und der Ausgang des Krieges zu diesem Zeitpunkt noch völlig ungewiss war. Allen Widrigkeiten zum Trotz wurde bei dieser Zusammenkunft der Verband des deutschen Teehandels gegründet. Zum Sitz der neu gegründeten Interessensvertretung wurde die Freie und Hansestadt Hamburg bestimmt, die damals schon wichtigster Umschlagsplatz für Tee innerhalb des Deutschen Reiches war; inzwischen hat Hamburg diese Führungsposition auch für ganz Kontinentaleuropa übernommen.

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Die beiden genannten Motive der Verbandsgründung blieben über viele Jahre bis in die ersten Nachkriegsjahre, als der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs abermals zu einem kompletten Zusammenbruch des deutschen Teehandels geführt hatte, die bestimmenden Schwerpunkte in der Verbandsarbeit. Heute treten sie eher in den Hintergrund. Denn die aktuellen Entwicklungen sowohl in den Anbauländern wie auch den Absatzmärkten zeigen seit geraumer Zeit gänzlich neue Herausforderungen auf. Hierfür ist spezifisches Fachwissen, insbesondere im Bereich der Natur- und Rechtswissenschaften, vertieftes Expertenwissen über die unterschiedlichen Bedingungen im weltweiten Tee-Anbau sowie eine umfassende Fach- und Sacharbeit unerlässlich. Darüber hinaus ist eine aktive Kommunikation mit der Öffentlichkeit erforderlich, damit es auch gelingt, diese geleistete Fach- und Sacharbeit der Branche nach außen ebenso informativ wie überzeugend darzustellen.

Zu den aktuell größten Herausforderungen der Verbandsarbeit zählt die zunehmende Beschäftigung mit sogenannten multiple source substances, die gelegentlich Probleme bei der Beurteilung der Verkehrsfähigkeit von Tees bereiten. Bei diesen multiple source substances handelt es sich um Stoffe, die beispielsweise innerhalb der EU als Pflanzenschutzmittel nicht mehr zugelassen sind oder gar keine Zulassung erfahren haben und für die entsprechend strikte Höchstwerte in der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 festgelegt sind, die auch dann Anwendung finden, selbst wenn diese Stoffe während des Tee-Anbaus zu keinem Zeitpunkt ausgebracht wurden. Gleichzeitig sind etliche dieser Stoffe ubiquitär vorkommende Umweltkontaminanten, auf deren Vorhandensein weder der Tee-Anbauer noch der Tee-Importeur wirklich einen Einfluss hat. Dass derartige Stoffe immer mehr in den Fokus rücken, ist sicherlich auch dem stetigen Fortschritt in der chemischen Analytik geschuldet, die es inzwischen ermöglicht, bestimmte Stoffe in immer geringeren Konzentrationsbereichen zu erfassen – ganz gleich aus welcher Quelle.

Auch die Änderung von Rückstandsdefinitionen unter Einbeziehung von Abbauprodukten des Wirkstoffs, deren Eignung – zumindest für die Matrix Tee – als äußerst fragwürdig bezeichnet werden kann, ist ein Beispiel, an dem man sehen kann, dass sich die Themen in der Verbandsarbeit stark verändert haben und fundiertes Expertenwissen aus unterschiedlichen Disziplinen für deren Bearbeitung erforderlich ist. Leider ist es noch nicht in allen Fällen gelungen, die Entscheider in Berlin bzw. Bonn und Brüssel zu einer Änderung der einen oder anderen unausgegorenen Regelung zu bewegen, um diese den Erkenntnissen aus der Praxis anzupassen – trotz der Vorlage umfangreicher Studienergebnisse. Aber es gibt auch vorzeigbare Erfolge, die den mit einer möglichst lückenlosen Sach- und Facharbeit betriebenen Aufwand im Verband rechtfertigen. Ganz abgesehen von all den analytischen, chemischen und juristischen Feinheiten bei diesen Themen, wird es allerdings immer schwerer, bei den Anbauern in den Tee-Ursprungsländern um Berücksichtigung der ständig neu und in immer kürzeren Abständen dazukommenden und stetig restriktiveren Anforderungen der EU bezüglich ihrer Produkte zu werben.

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Auch wenn Tee ein Naturprodukt mit jahrtausendelanger Tradition ist, so gab es in diesem Bereich immer wieder Produktinnovationen, die von einem entsprechenden rechtlichen Rahmen aufgefangen werden mussten. Im Zuge der Diskussionen um die Reform der Deutschen Lebensmittelbuchkommission und der damit verbundenen Stärkung der Bedeutung der Leitsätze hat sich die Teebranche zuletzt auch mit der Änderung der Leitsätze für Tee, teeähnliche Erzeugnisse, deren Extrakte und Zubereitungen, die in der aktuell gültige Fassung zuletzt 2013 geändert wurden, beschäftigt, um den Entwicklungen des Marktes in dieser Kategorie Rechnung zu tragen. Dieser Änderungsentwurf soll in Kürze der Deutschen Lebensmittelbuchkommission vorgestellt werden.

Dass es angesichts einer derart bewegten und ereignisreichen 100-jährigen Verbandsgeschichte genügend zu feiern gibt, versteht sich von selbst. Und so folgten auch zahlreiche Freunde und langjährige Partner aus aller Welt der Einladung des Deutschen Teeverbandes zur großen Geburtstagsparty, die Ende April in Hamburg stattfand. Neben einem Internationalen Tee-Symposium und einem offiziellen Senatsempfang im Hamburger Rathaus, bildete das feierliche Dinner im Börsensaal der Handelskammer Hamburg den krönenden Abschluss der zweitägigen Feierlichkeiten.

Übrigens: Auch der Schwesternverband des Deutschen Teeverbandes, die Wirtschaftsvereinigung Kräuter- und Früchtetee, feiert in diesem Jahr ein Jubiläum. Seit nunmehr 20 Jahren setzt sie sich für die Belange ihrer Mitglieder im komplementären Bereich der Kräuter- und Früchtetees ein.

Grund genug also, um anzustoßen. In diesem Sinne: Hoch die Tassen und „Prost Tee“ – auf die nächsten hundert Jahre!

Maximilian Wittig, Hamburg

 
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