Kryptowährungen und Einkommensteuer
Professor Dr. Jens M. Schmittmann
Nicht erst wenn ein Mandant mit Bitcoin oder anderen Kryptowährungen die Rechnung des Steuerberaters begleichen will, sollte sich dieser Gedanken um die steuerliche Einordnung von Kryptowährungen machen. Während früher Kryptowährungen noch unter einem Schmuddel-Image litten und gängiges Zahlungsmittel im Darknet waren, sind sie heute weitgehend faktisch als Währung akzeptiert, was z. B. daran zu ersehen ist, dass die hinsichtlich Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche sicherlich unverdächtigen Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) an ihren Billettautomaten Bitcoins im Wert zwischen 100 und 500 Schweizer Franken verkaufen. Der Kunde benötigt lediglich eine Bitcoin-Wallet sowie eine schweizerische Mobilfunknummer (SBB, abrufbar unter https://www.sbb.ch/de/bahnhof-services/am-bahnhof/services-am-billettautomat/bitcoin.html).
In vielen Fällen stellt sich bei Steuerpflichtigen, die mit Bitcoins handeln und damit Gewinn erzielen die Frage, ob ein eventueller “Spekulationsgewinn” zu versteuern ist. Das FG Berlin-Brandenburg (20.6.2019 – 13 V 13100/19, BB 2020, 176 ff. mit Anm. Bünning), das FG Baden-Württemberg (11.6.2021 – 5 K 1996/19, BB 2021, 2977 ff., EFG 2022, 163 ff. – rkr.) und das FG Köln (25.11.2021 – 14 K 1178/20, K&R 2022, 298 ff. mit Anm. Schmittmann; Rev. anh.: BFH, IX R 3/22) halten Kryptowerte wie Bitcoin, Etherium und Monero für Wirtschaftsgüter i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG, so dass der erzielte Gewinn zu versteuern ist, wenn die Haltedauer nicht mindestens ein Jahr beträgt. Der Besteuerung steht auch kein Vollzugsdefizit entgegen. Ein zu einer gleichheitswidrigen oder sonst rechtswidrigen Besteuerung führendes Vollzugsdefizit ist bei der Besteuerung von Kryptowerten i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG nicht gegeben, da die Finanzverwaltung mit Hilfe von Handelsplattformen, Suchmaschinen und sozialen Netzwerken bestimmte Identifizierungen und Kontrollen vornehmen kann. Anders sieht es – soweit ersichtlich – lediglich das FG Nürnberg (8.4.2020 – 3 V 1239/19, StB 2020, 221 ff., EFG 2020, 1074 ff. mit Anm. Büchter-Hole).
Das BMF hatte am 17.6.2021 den Entwurf eines Schreibens zu Einzelfragen zur ertragssteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von Token veröffentlicht, von dem eine finale Version bislang nicht bekannt geworden ist. Hier finden wir die Position der Finanzverwaltung zum “Mining”, also der Erzeugung von Einheiten einer virtuellen Währung durch Zurverfügungstellung einer Rechnerleistung. Hier kommen Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 EStG, Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i. S. d. § 19 EStG, Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG und Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 22 Nr. 2 EStG i.V. m. § 23 EStG in Betracht. Das Mining dürfte für Steuerberater – schon wegen der täglich steigenden Energiepreise – nur in den seltensten Fällen interessant sein, aber die Zahlung einer Honorarrechnung durch den Mandanten durch virtuelle Währungen dürfte in der Zukunft nicht mehr allzu utopisch sein. Nimmt der Steuerberater eine Zahlung in Kryptowährung als Entgelt für seine Steuerberatungsleistung entgegen, so führt die Vereinnahmung bei der Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG im Rahmen eines tauschähnlichen Vorgangs zu einer Betriebseinnahme. Durch Verwendung von virtuellen Währungen können auch betriebliche Aufwendungen bezahlt werden, so dass hier spiegelbildlich ebenfalls ein tauschähnlicher Vorgang vorliegt, der den Überschuss mindert. Falls sich jemand doch für das Mining entscheiden sollte, sind folgende Hinweise des BFH hilfreich: “Mining stellt einen Anschaffungsvorgang dar und kann je nach den Umständen des Einzelfalls private Vermögensverwaltung oder gewerbliche Tätigkeit sein. Zu den Einnahmen des Steuerpflichtigen gehören sowohl die im Zusammenhang mit der Blockerstellung erhaltenen Einheiten einer virtuellen Währung als auch die Transaktionsgebühren, die der Steuerpflichtige für die Verifikation der Transaktionsdaten von den Netzwerkteilnehmern erhält. Ebenfalls zu den Einnahmen gehören die von einem Betreiber eines Mining-Pools erhaltenen Entgelte für das zur Verfügung stellen von Rechnerleistung.” Später heißt es: “Ist der Steuerpflichtige nachhaltig für eigene Rechnung tätig und trägt er auch das Unternehmerrisiko, kann im Regelfall von einer gewerblichen Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Mining ausgegangen werden. Der Steuerpflichtige nimmt am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil, indem er den Netzwerkteilnehmern seine Rechnerleistung für die Verifikation der Transaktionsdaten und deren Aufnahme in einen neu zu erstellenden Block der Blockchain zur Verfügung stellt. Dass das Entgelt von der erfolgreichen Erstellung des Blocks abhängt, steht einer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht entgegen. Beim Mining wird – unabhängig von der Höhe der Aufwendungen für Hardware und Strom – widerlegbar vermutet, dass eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt. Bei hohen Kosten für die Anschaffung von Hardware und oder hohen Energiekosten für den Betrieb der Hardware ist jedoch die Gewinnerzielungsabsicht zu prüfen.
Im Hinblick auf die immer weiter fortschreitende Verwendung von virtuellen Währungen wünscht sich der Rechtsanwender alsbald eine finale Fassung des BMF-Schreibens. Rechtssicherheit ist Gold wert.
Professor Dr. Jens M. Schmittmann, RA/FAHaGesR/FAInsR/FAStR/StB, lehrt an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management Essen Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wirtschafts- und Steuerrecht und ist Chefredakteur der Zeitschriften Betriebs-Berater und Der Steuerberater.