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RIW 2007, 1
Aden 

Unternehmenssprache und Betriebssprache

Abbildung 1

Sprache ist das anthropologische Phänomen schlechthin. Das Wichtigste ist scheinbar einfach da. Vielleicht aus diesem Grunde wird ein Recht der Sprache bisher kaum diskutiert. Im globalen Wirtschafts- und Arbeitsrecht stellt sich aber eigentlich täglich das Problem: Welche Sprache soll bei verschiedenen Sprachen der Partner gelten? Englisch, Denglisch, Franglais? Die folgenden Überlegungen wollen ein künftiges Sprachenrecht am Arbeitsplatz beschreiben.

Betriebe und Unternehmen bestehen durch geistige Leitung. Diese geschieht durch Sprache. Der universelle Grundsatz des IPR locus regit actum (vgl. Art. 11 EGBGB) stellt den Ausgangspunkt dar; es gilt also die Landessprache, wenn nichts Abweichendes bestimmt ist. Es kommt in Betracht, dass ein international tätiges Unternehmen eine andere Unternehmenssprache verwendet als die Landessprache am Sitz des Unternehmens, wenn das den Unternehmenszielen dient. Als Leitungssprache hat sie besondere Funktionen: Verhandlungen und Protokolle im Vorstand und in übergreifenden Gremien, Ausarbeitungen der Stabsabteilungen, unternehmensweite Richtlinien usw.

Das deutsche Recht unterscheidet zwischen Unternehmen und Betrieb. Im Betrieb bestehen andere kommunikative Bedürfnisse als auf der Leitungsebene. Neben einer Unternehmenssprache wird daher eine Betriebssprache postuliert. Bereiche der Betriebssprache dürften u. a. sein:

  • Arbeitsplatzbeschreibungen und Stellenausschreibungen,

  • mündliche und schriftliche Vorbereitung der Mitarbeitereinwerbung,

  • Arbeitsvertrag und darauf bezügliche Kommunikation, wie Lohnabrechnungen usw.,

  • Sicherheits- und betriebliche Mitteilungen,

  • Vorgänge aufgrund des BetrVG (Wahlen, Sitzungen des Betriebsrates usw.).

Anders als in Frankreich oder Belgien gibt es in Deutschland keinen gesetzlichen Sprachzwang. Nur § 184 GVG, § 23 VwfG sowie einige Nebengesetze (z. B. § 11 Abs. 1 WpÜG) verpflichten förmlich zum Gebrauch der deutschen Sprache. Neben dem Gesetz hat aber im Arbeitsrecht die betriebliche Übung Rechtsqualität, und allgemein ist das Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle anerkannt. Da in deutschen Betrieben und überhaupt bei uns spätestens seit den Merseburger Zaubersprüchen Deutsch gesprochen wird, gibt es wohl keinen Bereich, für den eine gewohnheitsrechtliche Norm so klar ist wie hier: Das rechtliche Verständigungsmittel bei uns ist die deutsche Sprache.

Schon de lege lata gilt also ein Anspruchsrecht zur Benutzung der deutschen Sprache. Hinweise z. B. amerikanischer Arbeitgeber in englischer Sprache in ihren deutschen Betrieben sind unbeachtlich. Rechtssystematisch: Der Arbeitgeber hat zwar keine Pflicht zum Gebrauch der deutschen Betriebssprache aber eine Obliegenheit, wenn er möchte, dass er zur Kenntnis genommen wird. Die Rechtsprechung, welche den deutschen Mitarbeitern ein Recht auf Übersetzung der englischen Betriebshinweise gibt, stellt die Dinge daher auf den Kopf (vgl. ArbG Frankfurt a. M., AiB 1998, 524: im Betriebsrat eines amerikanisch beherrschten Betriebs sprach die Hälfte der Mitglieder nur Englisch; die deutschsprachigen mussten sich eine Übersetzung vor dem ArbG ertrotzen).

Damit ist auch die Frage verneint, ob Betriebsvereinbarungen Deutsch als Betriebssprache verdrängen können; diese können das Recht nur ausfüllen, es aber nicht ändern, ebenso wenig wie vom Arbeitgeber verfügte Ethikgrundsätze nicht in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifen dürfen (LAG Düsseldorf, BB 2006, 335 Ls – Wal-Mart). Der Gebrauch der Muttersprache ist Teil des Persönlichkeitsrechts. Das Direktionsrecht deckt nicht die Verdrängung der deutschen Betriebssprache.

Das Sprachenrecht wird künftig größere Bedeutung erhalten, etwa auch im Bereich von AG-Hauptversammlungen. Eine gesetzliche Regelung ist notwendig. Diese Regelung könnte ganz kurz sein wie folgende:

§ 1 Unternehmenssprache

(1) Der Vorstand [Geschäftsleitung usw.] kann eine andere als die deutsche als Unternehmenssprache bestimmen.

(2) Von Schriftstücken, welche geeignet sind, bei Gericht verwendet zu werden, ist auf Verlangen des Berechtigten eine deutsche Übersetzung anzufertigen.

§ 2 Betriebssprache

(1) Die Betriebssprache ist Deutsch.

(2) Fremdsprachige Betriebshinweise sind nur in ihrer deutschen Fassung verbindlich.

Die Sprache kann so verfremdet sein (z. B. durch Denglisch), dass sie nicht mehr sicher verstanden wird. Es wird hier der im Verbraucherschutzrecht geltende Grundsatz der Transparenz (Unklarheitenregel) anzuwenden sein: Eine betriebliche Mitteilung des Arbeitgebers ist daher unbeachtlich, wenn ein deutscher “Normalsprecher” sie nicht zweifelsfrei versteht.

Professor Dr. Menno Aden, Essen

 
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