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K&R 2015, I
Oettinger 

Strategie für einen digitalen europäischen Binnenmarkt

Abbildung 1

Günther H. Oettinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Brüssel

Die digitale Revolution verändert die Welt, in der wir leben, radikal. Dabei ist die Transformation hin zu einer digitalen Wirtschaft und Gesellschaft einerseits mit großen Chancen verbunden, andererseits stellt sie für die Politik und Wirtschaft in Europa auch eine große Herausforderung dar. Es gilt daher die sich öffnenden Potentiale neuer Technologien bestmöglich zu nutzen – und das rasch.

Aus diesem Grund haben wir vor wenigen Wochen unsere Strategie für einen digitalen europäischen Binnenmarkt vorgelegt – ein Strategiepapier, das beschreibt, welche Gesetzesinitiativen wir in den nächsten zwei Jahren anpacken wollen, um einen solchen Binnenmarkt zu schaffen. Dahinter steht eine wichtige Überlegung: Wir glauben, dass nur Europa die richtige Betriebsgröße hat, um die Herausforderungen der digitalen Ära zu meistern. Ein fragmentierter Markt mit 28 unterschiedlichen nationalen Vorschriften wird weder Verbrauchern noch Unternehmern gerecht. Auch um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu halten und auszubauen, brauchen wir einen größeren Markt mit gemeinsamen Regeln.

Das Strategiepapier zur Schaffung eines digitalen Binnenmarktes umfasst daher gleich mehrere Initiativen: So wollen wir beispielsweise auf EU-Ebene klare und einfache Regeln für das Online-Shopping vorlegen, die Paketzustelldienste bezahlbar machen und den Verwaltungsaufwand reduzieren, der sich aus verschiedenen Mehrwertsteuer-Regelungen für Unternehmen in Europa ergibt. Daneben werden wir die Geschäftsmodelle von Online-Plattformen unter die Lupe nehmen und analysieren, ob und inwieweit deren Geschäftspraktiken fair sind.

Ein ganz wesentliches Element des Strategie-Papiers bildet die Reform des Urheberrechts. Noch vor Ende des Jahres werden wir dazu eine Gesetzesinitiative vorlegen. Entgegen der Bedenken aus den Kreisen der Kulturschaffenden heißt dies aber nicht, dass wir das nationale Urheberrecht aushebeln wollen. Wir wollen keine EU-weiten Lizenzen erzwingen. Es ist uns bewusst, dass vor allem die TV- und Filmindustrie sowie der Sportbereich auf dieses Geschäftsmodell als Einnahmequelle angewiesen sind.

Was wir aber auch ermöglichen wollen, ist die sogenannte Portabilität von digitalen Inhalten. Das bedeutet, dass Verbraucher digitale Inhalte – sei es Musik oder Filme –, die sie bei sich zu Hause per Internet heruntergeladen oder abonniert haben, auch im Urlaub in einem anderen EU-Land abrufen können.

Darüber hinaus werden wir auch verstärkt gegen Firmen vorgehen, die im großen Stil Raubkopien online zur Verfügung stellen. Wir wollen prüfen, wie gegen derartige illegale Inhalte im Netz am besten vorgegangen werden kann. Das wird den Kulturschaffenden zugutekommen, denen durch Raubkopien Lizenzeinnahmen entgehen.

Bei all diesen Maßnahmen werden wir eines im Auge haben: dass wir gerechte Marktstrukturen schaffen, welche die Interessen der Urheber wie auch der Verbraucher angemessen berücksichtigen. Wir wollen und brauchen einen größeren Markt, aber wir wollen auch die kulturelle Vielfalt in Europa erhalten und fördern. Dies wird gewährleistet, indem Bürgerinnen und Bürger besseren Zugang zu Kultur erhalten und Kulturschaffenden eine bessere Durchsetzbarkeit ihrer Rechte eingeräumt wird.

Das alles wird Europa nicht von heute auf morgen all die Vorteile bescheren, die die digitale Ära mit sich bringt. Aber, wenn wir in Europa heute die richtigen Weichen stellen und Wirtschaft und Gesellschaft fit machen für die digitale Welt, können wir den Weg in die Zukunft zuversichtlich beschreiten.

Günther H. Oettinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Brüssel

 
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