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EWS 2024, I
Frenz 

Apple und Google

Abbildung 1

Staatliche und unternehmerische Macht eindrucksvoll begrenzt

In zwei aufsehenerregenden Urteilen hat der EuGH wiederum bewiesen, dass er die Wettbewerbsgleichheit der Unternehmen sehr ernst nimmt, und zwar sowohl im Hinblick auf staatliche Maßnahmen als auch gegenüber marktbeherrschenden Konzernen.

Der Fall Apple betraf eine Steuererleichterung, die Irland gewährte, um einen großen internationalen Konzern anzusiedeln. Die Kommission beanstandete dies und stellte einen Verstoß gegen das Beihilfeverbot fest. Das EuG hob diese Entscheidung auf, weil es keine hinreichende Begründung sah. Die Kommission hätte danach näher begründen müssen, warum die Begünstigung von Apple dem System des nationalen Steuerrechts widerspricht und deshalb eine unzulässige Beihilfe durch Nichtheranziehung zur gewöhnlichen Steuerlast bildet. Das EuG erachtete die Beweise der Kommission nicht für hinreichend, wie dies auch im Urteil Starbucks der Fall war (EuG, 24. 9. 2019 – Rs. T-760/15 und T-636/16, Niederlande u. a./Kommission, ECLI:EU:T:2019:669). Im Fall Apple konnte die Kommission nach Auffassung des EuG nicht nachweisen, dass das Verhalten der irischen Steuerbehörden trotz methodischer Unzulänglichkeiten zu einer Apple begünstigenden Reduktion der steuerpflichtigen Gewinne führt und damit eine Beihilfe bildet (im Einzelnen EuG, 15. 7. 2020 – Rs. T-778 und T-892/16, Irland/Kommission, ECLI:EU:T:2020:338, Rn. 251 ff., zusammenfassend Rn. 310 f. sowie z. B. auch Rn. 416, 470 f.; näher Frenz, EWS 2020, 221 ff.).

Diesen Fall sah der EuGH (EuGH, 10. 9. 2024 – Rs. C-465/20 P, Kommission/Irland, ECLI:EU:C:2024:724, EWS 2024, 255) anders: Wie die Kommission ist der EuGH der Auffassung, dass die durch die Verkäufe von Apple-Produkten außerhalb der USA erwirtschafteten Gewinne steuerlich den irischen Zweigniederlassungen hätten zugewiesen werden müssen (Rn. 287). Die Tätigkeiten der Zweigniederlassungen in Irland hätten nach irischem Steuerrecht zur Ermittlung der von gebietsfremden Gesellschaften zu entrichtenden Steuer mit Tätigkeiten anderer Einheiten dieser Tochtergesellschaften mit Verwaltungssitz außerhalb Irlands verglichen werden müssen und nicht mit anderen Gesellschaften des Apple-Konzerns wie etwa einer Muttergesellschaft in den USA (Rn. 220 f.; PM Nr. 133/24 v. 10. 9. 2024)

Damit prüft der EuGH selbst genauer die Stimmigkeit der Steuerpraxis des betroffenen Landes und nimmt die Begünstigung eines bestimmten Unternehmens (einen selektiven Steuervorteil) an (Rn. 295 ff.), wie sie das EuG in Abgrenzung zu einer allgemeinen Praxis bereits für eine Verurteilung forderte. Diese nahm nunmehr der EuGH wegen Entscheidungsreife selbst vor: Er hob das EuG-Urteil auf und verurteilte Apple zu einer Steuernachzahlung von 13 Mrd. Euro.

Verbleibende Unstimmigkeiten im nationalen Steuerrecht können nach näherer Prüfung zu einer Beihilfe führen und schließen diese nicht etwa aus. Allerdings muss die Rechtssicherheit auch für ausländische Konzerne gewahrt bleiben. Zudem müssen spezifisch sie begünstigt werden. Vorteil und Selektivität müssen beide vorliegen: Sie sind klar zu unterscheiden, auch wenn eine gemeinsame Prüfung nicht zu beanstanden ist. Gerade bei steuerlichen Maßnahmen überschneiden sie sich (Rn. 295 f.)

Das ist zugleich ein Fingerzeig für alle Mitgliedstaaten, internationale Konzerne nicht über Gebühr steuerlich zu begünstigen und diese so zu behandeln wie alle anderen Unternehmen.

Vorliegend stellt sich auch die Frage des Umfangs der Begründungspflicht für positive Beihilfen. Insoweit geht es allerdings eher um die Rechtfertigungslast, die etwa im Bereich des Klimaschutzes weitestgehend erfüllt ist.

Das Urteil Google (EuGH,10. 9. 2024 – Rs. C-48/22 P, Google und Alphabet/Kommission (Google Shopping), ECLI:EU:C:2024:726, EWS 2024, 256) betraf das Verhalten eines Marktbeherrschers, der seine eigenen Systeme bevorzugte und dadurch Konkurrenten benachteiligte. Bei Google-Suchanfragen wurden nämlich die Nutzerinnen und Nutzer auf den eigenen Preisvergleichsdienst geleitet, der an oberster Stelle auftauchte, mit Bild sowie Text hervorgehoben und daher häufiger angeklickt wurde als die Konkurrenz. Als Plattforminhaber konnte Google dies arrangieren. Die Konkurrenz-Preisvergleichsdienste waren auf den Datenverkehr von Googles allgemeiner Seite angewiesen. Damit hatte Google eine Schlüsselstellung, die es dazu benutzte, das eigene Unternehmen zu bevorzugen – ein typisches missbräuchliches Verhalten eines Marktbeherrschers. Bei einer solchen marktbeherrschenden Stellung ist indes die Gleichbehandlung aller möglichen Unternehmen geboten.

Damit wird die Brücke geschlagen zur Rechtsprechung des notwendigen Zugangs zu Plattformen, die im digitalen Bereich in den Microsoft-Entscheidungen ihren Ursprung hat (näher Frenz, Handbuch Europarecht 2, 2. Aufl. 2015, Rn. 2083 ff.). Nur so können sich kleinere Unternehmen im Bereich des vom Marktbeherrscher gezogenen Rahmens entfalten, ohne benachteiligt zu werden. Inzwischen erging auch schon ein EuG-Urteil, welches das Bußgeld der Kommission wegen Marktmissbrauchs infolge wettbewerbswidriger vertraglicher Beschränkungen für die Hersteller von Mobilfunkgeräten und die Betreiber von Mobilfunknetzen billigte, ja die Höhe von 1,49 auf 4,125 Mrd. Euro steigerte (EuG, 14. 9. 2022 – Rs. T-604/18, Google und Alphabet/Kommission (Google Android), ECLI:EU:T:2022:541).

Damit belegt der EuGH wie nunmehr auch das EuG wiederum eindrucksvoll, wie sie staatliche und wirtschaftliche Macht zu begrenzen vermögen, damit sich alle Unternehmen im europäischen Binnenmarkt zu gleichen Wettbewerbsbedingungen entfalten können. Das ist auch zwingend notwendig, hat doch der Europäische Rat im Zuge seiner Schlussfolgerungen vom 27. 6. 2024 dazu aufgerufen, die Selbstheilungskräfte des Marktes zu entfesseln – dort im Interesse des Klimaschutzes. Das aber geht nur bei gleichen Wettbewerbsbedingungen.

Prof. Dr. Walter Frenz, Maître en Droit Public, RWTH Aachen University

 
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