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BB 2025, I
Zumkeller 

Was bringt eine neue Bundesregierung im Arbeitsrecht?

Abbildung 1

Es ist zu befürchten, dass es im Arbeitsrecht an der notwendigen Entschiedenheit und Dynamik fehlen wird.

Am 23.2.2025 ist es soweit: Ein neuer Bundestag wird gewählt. Mit ziemlicher Sicherheit wird es eine neue Bundesregierung geben. Eine Wiederauflage einer GroKo? Jamaika? Oder gar eine Minderheitsregierung mit Duldung? Egal, es ist zu befürchten, dass es im Arbeitsrecht an der notwendigen Entschiedenheit und Dynamik fehlen wird.

Arbeitszeiterfassung. Viel zu lange warten wir auf eine gesetzliche Regelung der Arbeitszeiterfassung. Wie lange ist es her? Mai 2019, als der EuGH festgestellt hat, es gebe eine Zeiterfassungspflicht für Arbeitnehmende. Zwei Ministerien meinten, ihren Willen durch Gutachten – die sich beide zwar am Willen ihrer Auftraggeber ausrichteten, aber beide die Spielräume, die der EuGH belassen hatte, extrem eng auslegten – bestätigen lassen zu müssen, Ergebnis indes Null. In den ersten Wochen einer neuen Regierung wird da wohl niemand Hand anlegen. Aber dann! Was wir dringend benötigen? Was der EuGH zulässt eben: Herausnahme bestimmter Personengruppen aus der Erfassungspflicht – etwa Außendienstbeschäftigte, außer Tarif Beschäftigte, Leitende und Beschäftigte in Homeoffice. Oder zumindest eine Subsidiaritätsklausel, die solche Ausnahmen durch Betriebsvereinbarung zulässt. Durch Betriebsvereinbarung? Ja, denn eine reine Tariföffnungsklausel ist zu träge – zunächst einen Tarifvertrag zu vereinbaren (dauert!), dann im Rahmen des Tarifvertrages wieder eine Betriebsvereinbarung (dauert! Und: was ist mit außer Tarif Beschäftigten?). Problem: Wir brauchen mutige entschlossene Minister oder Ministerinnen im Arbeits- wie im Wirtschaftsministerium. War bisher nicht durchgehend so. Wir Unternehmensvertreter haben einen Anspruch darauf, endlich auch hier alles richtig machen zu können, ohne auf gerichtliche oder behördliche Einzelentscheidungen angewiesen zu sein!

Arbeitszeit. Ja, ein Dauerbrenner, neues Arbeitszeitrecht. Auch hier brauchen wir Mut und Entschlossenheit. Auch hier gerne ein gesetzlicher Rahmen mit Betriebsvereinbarungsoffenheit. Die starren 8 bzw. 10h am Tag und 48 bzw. 60h in der Woche sind nicht mehr für alle Berufe zeitgemäß. Und “Vereinbarkeit” zu proklamieren, ohne an das Arbeitszeitgesetz zu gehen, funktioniert nicht. Zu unterschiedlich sind heute die Bedarfe an Arbeitszeit – die Offshore-Arbeitszeitverordnung könnte ein gutes Beispiel sein. Längere Arbeitszeiten am Tag und in der Woche, dafür Zeitausgleich. Flexiblere Pausen- und Ruhezeitenregelungen, um privaten Bedarfen gerechter zu werden. Richtig, das passt nicht für jeden Beruf – aber für immer mehr Berufe. Daher Betriebsvereinbarungsoffenheit, denn im Betrieb ist das am besten skalierbar, die Betriebspartner kennen die Jobs, Tätigkeiten, Belastungen am Besten!

Betriebsrat. Ja, Vereinfachungen – insbesondere mehr Virtualität. Virtuelle Sitzungen, virtuelle Betriebsversammlungen, virtuelle Wahlen – ohne hemmende Einschränkungen. Der Betriebsrat, um es deutlicher zu sagen: Die Mehrheit im Betriebsrat, nicht eine Minderheit, sollte das entscheiden können. Da sind wir noch recht weit entfernt.

Tarifvertrag. Tariftreuegesetz. Bitte nein! Selbstverständlich sind Tarifverträge unverzichtbar. Aber die negative Koalitionsfreiheit, verfassungsrechtlich gewährleistet, ist ein zu hohes Gut, um sie mit einem solchen Gesetz zu karikieren. Da passt – bei allen Vorbehalten auch hiergegen – ein allgemeines Mindestlohngesetz besser. Wie untauglich andere Regelungsversuche sein können, hat der Entwurf zu einem Tariftreuegesetz der noch bestehenden Regierung gezeigt – das zu Recht in der Kritik zerrissen wurde, nicht einmal des politischen Willens wegen, sondern der völligen Untauglichkeit und Undurchführbarkeit wegen. Ein solches Gesetz würde zudem nur die Abwanderung aus den Tarifträgerverbänden bewirken, weil es dann keinerlei Anreiz zur Mitgliedschaft mehr gäbe. Das einzige Mittel, den Tarifträgerverbänden wieder mehr Kraft zu geben: Deregulierung der Gesetzeslandschaft, um den Sozialpartnern mehr Regelungsmöglichkeiten zu geben. Stattdessen überschwemmen unnötige allgemeine (und damit ohnehin nicht passgenaue) gesetzliche Regelungen und Vorhaben unsere Rechtslandschaft – Arbeitszeit, Teilzeit, Befristung, Homeoffice und ja auch der Betriebsrat, seine Zusammensetzung und die Mitbestimmungsrechte nur als wenige Beispiele, die tariflich besser weil passgenauer geregelt werden könnten.

Wird das in den nächsten vier Jahren kommen? Meine “Wette”: nichts davon, weil mehr auf Politik und Verbände gehört werden wird als auf das, was Beschäftigte und Unternehmen benötigen. Aber Aufmerken: Leider führt das zu (weiterem) Parteienverdruss!

Virtualität. Überhaupt mehr Virtualität! Tarifverträge müssen immer noch im Original an das Tarifregister im Bund gesandt werden, an die Tarifregister der Länder gar in “zwei Abschriften”. Elektronisch? Nicht vorgesehen. Aushänge der Arbeitsschutzgesetze. Zu wenige lassen ausdrücklich die elektronische Bekanntmachung zu – das muss anders werden, in Betrieben oder Betriebsteilen wo ohnedies jeder einen PC zur Verfügung hat zumindest. 2024 war das noch nicht so . . . 2025 ein Hoffnungsschimmer? Es ist Zeit. Zeit für Entbürokratisierung. Für Vereinfachung. Für Entschlackung.

Alexander R. Zumkeller, MBA, RA, Wirtschaftsmediator, ist Präsident des Bundesverbandes der Arbeitsrechtler in Unternehmen (www.bvau.de), der branchenübergreifenden, personenbezogenen und bundesweit tätigen Vereinigung für Arbeitsrechtler in Unternehmen. Nach 20 Jahren in Arbeitgeberverbänden, zuletzt als Geschäftsführer tätig, ist er seit 2007 bei ABB und heute dort Arbeitsdirektor und Country HR Manager ABB Deutschland.

 
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