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BB 2020, I
Thüsing 

Viel Glück und viel Segen! – Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen zum 80. Geburtstag

Abbildung 1

Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen, RA, seit 2004 Honorarprofessor der Universität Bielefeld. Mitglied des Herausgeberbeirats von ZIP, EWiR, Schriftleiter der IWRZ sowie im Beirat des Betriebs-Berater im Ressort Wirtschaftsrecht.

Was: Schon 80 Jahre? Wer den sportlich agilen Juristen anschaut, der wird meinen, dass er sehr viel jünger sein muss – und wer den Umfang seines wissenschaftlichen Oeuvres sichtet, der kommt zum sicheren Schluss, dass er eigentlich viele Jahrzehnte älter sein muss. Wir aber wissen: Friedrich Graf von Westphalen wurde 80 Jahre. Für viele ist das längst das Alter, in dem sich langsam das milde Abendlicht einer Karriere über das wissenschaftliche Werk ausbreitet. Schaut man aber gerade auf die jüngsten Veröffentlichungen des Jubilars, so wird sofort offenbar, das dem hier so nicht ist. Unverändert sendet er wichtige Impulse an Wissenschaft und Praxis. Über 600 Mal nahm der BGH schon Bezug auf seine Veröffentlichungen. Schon die bloße Zahl beeindruckt, doch mehr noch: In vielen Fragen sind es Alleinzitate, wo der Jubilar als Referenz steht, eben weil er es bislang allein war, der die Frage gesehen und zutreffend beantwortet hat.

Kein Ende also, aber ein guter Zeitpunkt innezuhalten und Dank zu sagen für das kollegiale Miteinander, für die vielfältigen Anregungen im Gespräch und in der Lektüre, für seinen Einsatz für Praxis und Wissenschaft – schlicht dafür, dass er das Vertragsrecht, aber auch das Leasingrecht und anderes mehr in so vielen Jahren bereichert und mitgeformt hat. Denn er gehört zu den wenigen Juristen, die in einem so breiten Gebiet führend zu Hause sind. Eindrucksvoll dokumentiert wird dies durch kraftvolle und inhaltsreiche Kommentierungen, die schon bei manchem Rechtssuchenden Grundlagen gelegt haben – aber auch für den Wissenschaftler wertvolle Anregungen zum vertieften Verständnis dieses gesamtgesellschaftlich so wichtigen Rechtsgebäudes gegeben haben. Immer wieder meldet er sich mit aktuellen Beiträgen zu Wort und scheut dabei auch nicht die rechtspolitische Auseinandersetzung, die er durch wissenschaftliche Analyse hilft, mit dem notwendigen Fundament zu versehen. Insbesondere seine Beiträge zum allgemeinen Schuldrecht, und dort vor allem zur AGB-Kontrolle haben die Diskussion nicht nur maßgeblich beeinflusst, sondern zuweilen die strukturellen Grundlinien der späteren Argumente vorgeformt. So ist das wissenschaftliche Werk des Jubilars stets wohldurchdacht, faktenbasiert und mit dem Blick aufs Ende hin geschrieben – immer anschlussfähig an den wissenschaftlichen Diskurs: Denn auch dort, wo er von einer “herrschenden Meinung” abweicht, tut er dies nie radikal und nie unbegründet. Seine verschiedenen Ehrenämter, vor allem im Bereich der Anwaltschaft, zeigen, wie sehr ihm daran gelegen ist, nie den Kontakt zum Tatsächlichen zu verlieren. Nicht zuletzt dies macht seine wissenschaftliche Arbeit so wertvoll. Er weiß, dass den Rechtsrahmen einer Materie nur der verstehen kann, der auch die Materie selbst verstanden hat.

Kluge Menschen gibt es nicht genug, doch vielleicht doch einige. Kluge Menschen mit einem klaren Wertekompass aber noch weniger. Eben solch ein Mensch ist der Jubilar. Seine Veröffentlichungen insbesondere zur AGB-Kontrolle machen deutlich, dass es eben nicht immer richtig sein kann, den Vertrag anzuerkennen, komme, was da wolle. Die absolute Vertragsfreiheit zu proklamieren, jeden Vertrag für wirksam zu erklären, schlicht weil er durch den beidseitigen Konsens legitimiert ist, den Triumph der Gewalt, der List oder jeder anderen Überlegenheit auf Verfassungsebene zu heben, hieße, “die Erlaubnis zur Jagd den Piraten und Freibeutern zu geben, mit einem Recht zur Prise an denen, die ihnen in die Hände fallen”, wie einst Rudolf v. Jhering feststellte. In den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch kommt das noch klar zum Ausdruck: “Die bindende Kraft der . . . Willenserklärung ist nicht etwas natürlich gegebenes, . . . sondern die bindende Kraft beruht, wenn sie einer solche Erklärung zu Theil wird, allein auf der Bewilligung der Rechtsordnung”. Hierfür braucht es eine Orientierung dafür, was als angemessen und gerecht empfunden wird. Der Jubilar findet diese auch in seinem christlichen Menschenbild. Ziel der Vertragsfreiheit ist der Schutz der gegenseitigen Einwirkung zum Richtigen hin, letztlich der Schutz des angemessenen Vertrags. Der Vertrag ist nicht schon angemessen, weil er übereinstimmend gewollt ist. Er ist jedoch zumeist übereinstimmend gewollt, weil er angemessen ist, weil beide Parteien ihn für einen wünschenswerten Ausgleich ihrer Interessen halten. Damit kommt dem Willen der Parteien eine Indizfunktion für den angemessenen Vertrag zu. Weil das Recht auf diese Angemessenheit vertraut, schützt es die freie Entscheidung der Parteien, die Voraussetzung dieser Angemessenheit ist. Ein Festhalten am Vertragsschluss bei oktroyierten Verträgen hat mit dem Schutz der Vertragsfreiheit nichts zu tun; ein Verbraucherschutz aber, der es stets besser weiß als der Verbraucher selber, führt zur Entmündigung und verhindert effektive Verträge. “Die natürliche Gerechtigkeit ist der Vertragsfreiheit vor- und übergeordnet” heißt es im Kompendium der Soziallehre der Katholischen Kirche. So deutungsoffen dieser Satz auch ist, kann man eine Kernaussage doch entnehmen und vielleicht etwas anschaulicher formulieren: Ungerechte Verträge sind oftmals Freiheit nur für eine Seite. Wer sich hier schützend vor den Schwächeren stellt, der entfaltet Freiheit, statt sie zu beschränken. Eben daran hat der Jubilar stets mitgewirkt. Dafür gebührt ihm bleibender Dank. In diesem Sinne wünschen wir alle von Herzen: ad multos annos!

Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M. (Harvard), Bonn

 
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