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BB 2022, I
Löbbe 

RefE zur Ergänzung des DiRUG – schrittweise zur Digitalisierung des Gesellschaftsrechts

Abbildung 1

In einer modernen (Gesellschafts-)Rechtsordnung muss der Gesetzgeber rechtliche und technische Lösungen finden, die dem Rechtsanwender eine freie Wahl zwischen digitalen und physischen Formaten ermöglichen – auf diesem Weg kann das DiRUG nur ein erster Schritt sein.

Bei der Digitalisierung hat Deutschland bislang keine Vorreiterrolle. Vier Jahre ist es her, dass die Europäische Kommission ihr Company Law Package vorgelegt hat. Ein Paket, das neben der bis Ende Januar 2023 umzusetzenden Mobilitätsrichtlinie zur Digitalisierungsrichtlinie führte. Für diese lief eine Umsetzungsfrist bis zum 1. August 2021. Doch gewährte der europäische Gesetzgeber die Möglichkeit einer Verlängerung um ein Jahr, von der man in Deutschland Gebrauch machte. Dessen ungeachtet wurde im Sommer 2021 das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) verkündet. In Kraft treten soll und wird es pünktlich mit Ablauf der verlängerten Umsetzungsfrist zum 1. August 2022.

Kernanliegen der Digitalisierungsrichtlinie und des DiRUG ist es, die Gründung von Gesellschaften und die Eintragung von Zweigniederlassungen zu erleichtern und die Kosten und den Zeit- und Verwaltungsaufwand in diesem Zusammenhang insbesondere für Kleinstunternehmen und KMU zu reduzieren (vgl. RegE DiRUG, S. 1). Im Zentrum stehen die Online-Gründung sowie Online-Verfahren bei Registeranmeldungen, zur Einreichung und Offenlegung von Urkunden und Informationen zum bzw. im Handelsregister sowie zum grenzüberschreitenden Informationsaustausch.

Der mit dem DiRUG vorgesehene Sprung in Richtung Digitalisierung des Gesellschaftsrechts blieb jedoch bislang überschaubar. Die notarielle Beglaubigung von Handelsregisteranmeldungen etwa sollte online nur für Einzelkaufleute, GmbH, AG und KGaA sowie deren Zweigniederlassungen und Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften aus EU- bzw. EWR-Staaten zulässig sein. Außen vor blieben namentlich Personenhandelsgesellschaften. Auch die Online-Gründung wurde allein für die GmbH und die UG vorgesehen – beschränkt auf die Bargründung.

Nun aber soll es weiter vorangehen. Mit dem am 22. März 2022 durch das Bundesjustizministerium veröffentlichten RefE wird die Ergänzung des DiRUG angestrebt. Dies kommt nicht gänzlich überraschend, hatte doch schon der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz in seiner Beschlussempfehlung zum Gesetzentwurf des DiRUG ausgeführt, dass er es für “sinnvoll und geboten” halte, den Anwendungsbereich zu erweitern und die Bundesregierung auffordere, zeitnah entsprechende Vorschläge zu machen (BT-Drs. 19/30523, S. 99). Und auch im Koalitionsvertrag (S. 111) war schon zu lesen, dass die Gründung von Gesellschaften weiter erleichtert werden soll, indem insbesondere Beurkundungen per Videokommunikation auch bei Gründungen mit Sacheinlagen und weiteren Beschlüssen erlaubt werde.

Der RefE will daher u. a. die Online-Beglaubigung für Registeranmeldungen nicht nur für bestimmte, sondern für alle registerfähigen Rechtsträger ermöglichen. Zudem sollen das Partnerschafts-, Genossenschafts- und Vereinsregister einbezogen und der Anwendungsbereich auch auf Gründungsvollmachten erweitert werden. Die Online-Gründung einer GmbH soll nicht auf die Bargründung beschränkt bleiben, sondern auch im Wege der Sachgründung möglich sein; dies aber nur dann, wenn die Verpflichtung zur Einbringung des Gegenstands nicht nach allgemeinen Vorschriften der notariellen Beurkundung bedarf. Damit aber bleiben wichtige praktische Fälle wie die Einbringung eines Grundstücks oder von GmbH-Anteilen ausgenommen. Auch die bislang vorgesehene Beschränkung auf im Rahmen der Gründung gefasste Beschlüsse soll aufgehoben werden. Erfasst sein sollen vielmehr auch sonstige satzungsändernde Beschlüsse, einschließlich Kapitalmaßnahmen. Da dies aber wiederum nur bei Einstimmigkeit der Fall sein soll, werden jenseits des Gründungsprozesses überwiegend nur Konzerngesellschaften profitieren, die hiervon für Beschlüsse in ihren gänzlich beherrschten Tochtergesellschaften Gebrauch machen können. Weiter ausgenommen bleiben nicht zuletzt Umwandlungsvorgänge.

Als weiterer Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung des Gesellschaftsrechts ist der RefE zu begrüßen. Das Gesellschaftsrecht kann sich dem technischen Wandel der Zeit nicht verschließen und ist zukunftsfähig zu machen. Ziel einer solchen Erneuerung sollte es sein, die digitalen Formate als gleichwertige Alternative der tradierten physischen Praxis zur Seite zu stellen. Dies ist unter dem Druck der Pandemie im Aktienrecht bei der virtuellen Hauptversammlung in kürzester Zeit eindrucksvoll gelungen. Natürlich muss der Gesetzgeber bei den neuen digitalen Formaten sicherstellen, dass Partizipationsinteressen der Gesellschafter, Rechtssicherheit, Vertrauensschutzgesichtspunkte und der Schutzweck von Formvorschiften in gleicher Weise gewahrt werden wie in der analogen Welt. Auch dem besonderen Risiko von Manipulationen bei digitalen Formaten ist vorzubeugen. Daraus kann sich im Einzelfall auch ein Bedarf für eine Nachjustierung ergeben. Dies sollte den Gesetzgeber aber nicht davon abhalten, den Weg der Digitalisierung auch im Gesellschaftsrecht entschlossen weiterzugehen. Der Rechtsanwender sollte in einer modernen (Gesellschafts-) Rechtsordnung frei zwischen der rein physischen, rein digitalen oder auch hybriden Form wählen können. Aufgabe und zugleich Herausforderung für den Gesetzgeber ist es dabei, durch rechtliche und technische Lösungen in der digitalen Welt ein vergleichbares Schutzniveau und ein gleiches Maß an Rechtssicherheit zu gewährleisten. Auf diesem Weg bleibt auch nach dem nunmehr veröffentlichten RefE noch einiges zu tun.

Dr. Marc Löbbe, RA, ist Partner der Kanzlei SZA – Schilling Zutt Anschütz an den Standorten Frankfurt a. M. und München. Er ist im Bereich Gesellschaftsrecht/M&A tätig und gilt als Experte für Corporate Governance-Themen und auf dem Gebiet der Vorstands- und Aufsichtsratshaftung. Dr. Löbbe ist Mitherausgeber und Autor zahlreicher Publikationen im Bereich des Gesellschaftsrechts, u. a. Mitherausgeber und Autor im Großkommentar zum GmbH-Recht.

 
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