Eine neue GmbH mit gebundenem Vermögen – keine sinnvolle Rechtsform für die deutsche Wirtschaft!
Nachhaltige Unternehmensführung ist en vogue. Es passt ins Bild, dass eine Gruppe von Unternehmern die “Stiftung Verantwortungseigentum” gegründet hat, die eine GmbH ohne Gewinnausschüttungen propagiert und die Grünen diese Idee in ihr vorläufiges Wahlprogramm aufgenommen haben. Hierdurch bestätigt sich der Trend, Gesellschaftspolitik durch eine Veränderung des Gesellschaftsrechts zu gestalten. Nachdem im Sommer 2020 ein dahingehender Gesetzentwurf vorgestellt worden war (https://www.gesellschaft-in-verantwortungseigentum.de/der-gesetzesentwurf/, Abruf: 31.3.2021), ist man kürzlich mit Änderungen auf die zahlreiche Kritik am Entwurf eingegangen (https://www.gesellschaft-mit-gebundenem-vermoegen.de/der-gesetzesentwurf/, Abruf: 31.3.2021). Die Initiatoren wollen etablierten Unternehmen ebenso wie Start-Ups eine gesetzliche Vermögensbindung zur Verfügung stellen, die Kunden, Lieferanten, Arbeitnehmern und Geschäftspartnern gegenüber das Vertrauen vermitteln soll: “Unsere Gewinne werden nicht versilbert.” Vermögen und Gewinne sollen allein dem Unternehmen zugutekommen, Einlagen nur zum Nennwert zurückzuzahlen sein. Dies liege im Interesse einer intrinsisch motivierten Generation von Unternehmensgründern, die “Treuhandgesellschafter” seien, die die Kontrolle über die Gesellschaft im Interesse des Unternehmens und der nächsten Generation ausüben. Die Suche nach geeigneten Nachfolgern werde erleichtert, denn es würden Kandidaten ausscheiden, die durch bloßes Gewinnstreben motiviert seien, und das Unternehmen werde vor Übernahmen durch Finanzinvestoren geschützt.
Für die Zielsetzung eines nachhaltigen, verantwortlichen Unternehmertums ist der Vorschlag aber weder geeignet noch erforderlich (a. A. Fischer/Fischer, BB 2021, 2122 ff.). So erlaubt die GmbH jetzt schon steuerlich gemeinnützige, sonstige ideelle oder gemischte Zwecke intrinsisch motivierter Gesellschafter. Familienunternehmen halten ihr Unternehmen in treuhänderischer Verantwortung und sichern dies durch Gesellschaftsverträge und Familiensatzungen ab. Sozial motivierte Unternehmer beteiligten Mitarbeiter als stille Teilhaber am Unternehmen. Das einzige Novum besteht in der zwingenden Vermögensbindung, auf den die Gesellschafter selbst einstimmig nicht sollen verzichten können. Erben und Erwerber würden damit dauerhaft zwar nicht an die Assets, aber an das Gesellschaftsvermögen gebunden oder könnten die Anteile allein an Personen veräußern, die dem Kreis zulässiger Gesellschafter – natürliche Personen, andere GmbH mit Vermögensbindung, Stiftungen – entsprechen. Eine solche Vermögensbindung innerhalb eines engen Erwerberkreises nach der Vorstellung einer “Toten Hand” (man denke nur an die Vermögensbindung von Kirche und Adel) wird seit der Aufklärung kritisch gesehen und verstößt gegen die Prinzipien der Privat- und Verbandsautonomie. Dabei vermag die GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV) vor Übernahmen noch nicht einmal wirksam zu schützen, weil ihre bisherigen wie neuen Gesellschafter sie nur allzu leicht ausplündern können. Am wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft sollen die Gesellschafter zwar nur durch angemessene Leistungsvergütungen teilhaben können (“Arbeit statt Kapital”), indem Geschäftsführer- und Beraterverträge, partiarische Darlehen, Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern, Betriebsaufspaltung, Lizenzverträge etc. zulässig sind. Abgesehen davon, dass Apple und Co. gezeigt haben, wie man selbst durch marktgerechte Lizenzverträge Gewinne aus einer Gesellschaft ziehen kann, sollen eigenkapitalähnliche Finanzierungen möglich bleiben, um Finanzierungsanreize für Start-ups und KMU zu setzen. Stille Beteiligungen durch Dritte, wenn auch nicht durch Gesellschafter, sind daher zulässig. Dies eröffnet den naheliegenden Weg über Verträge mit Familienangehörigen und Schwestergesellschaften, und ein atypisch still beteiligter Dritter mit Mitverwaltungsrechten ist dann eben wirtschaftlich betrachtet Gesellschafter. Auch die Vorkehrungen gegen verdeckte Gewinnausschüttungen durch überhöhte Gehälter, Zinsen u. Ä., wie die Berichtspflicht der Geschäftsführer oder die fakultative Einrichtung eines Aufsichtsrats, sind unzureichend und helfen bei Einpersonengesellschaften oder der Besetzung des Aufsichtsrats mit “Family & Friends” nicht weiter. Eine zwingende Abschlussprüfung durch Wirtschaftsprüfer, wie neuerdings vorgeschlagen, verteuert die Rechtsform, ist nur bedingt wirksam, wie der Skandal um Wirecard gezeigt hat, und kann allenfalls Missbräuche aufdecken, aber nicht fehlenden Marktdruck als Antrieb für Leistung und Innovation ausgleichen.
Alle Hinweise auf vergleichbare Unternehmen im In- und Ausland sind irreführend. “Selbstzweckkonstruktionen” wie die GmbH-gebV, die allein dem Erhalt und der Mehrung des Gesellschaftsvermögens dienen, sind überall verboten. Suggeriert wird zwar, dass der Betrieb des Unternehmens selbst der Allgemeinheit zugutekommt, etwa durch gute Produkte oder Dienstleistungen. Aber der Unternehmensgegenstand muss nicht in irgendeiner Form nachhaltig und verantwortungsvoll sein; er ist auch beliebig abänderbar. Unternehmensstiftungen und gGmbH werden – auch international – durch eine Stiftungs- oder Finanzaufsicht überwacht, um die mangelnden Eigentümerinteressen auszugleichen. Die Community Interest Company (CIC) ist nur für soziale Zwecke (benefit for the community) vorgesehen; auch sie wird behördlich kontrolliert. Die österreichische Privatstiftung sieht Destinatäre mit Gewinnansprüchen vor. Letztlich sind die Motive der Initiatoren mittels der Stiftung zu verwirklichen. Dazu bedarf es keiner komplexen Doppelstiftungskonstruktionen, wenn der Stifter – wie bei der GmbH-gebV ja nicht gewollt – seine Familie nicht finanziell versorgen will. Die Stiftung kann als Unternehmensholding das Stiftungsunternehmen auch verkaufen oder umgestalten, wie es den Verfechtern der GmbG-gebV vorschwebt, wenn auf Satzungsklauseln, wonach das Unternehmen möglichst erhalten bleiben soll, verzichtet wird. So sind Stiftungen keineswegs überholt, sondern probate Rechtsformen für die Entwicklung von open source Software, wie die IOTA-Stiftung in Berlin oder der Messenger-Dienst der US-amerikanischen Signal-Foundation.
Iris Plöger (li) ist seit April 2017 Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDI. Zuvor leitete sie dort die Abteilung Digitalisierung, Innovation und Gesundheitswirtschaft.
Prof. Dr. Birgit Weitemeyer (re) ist seit 1.4.2007 Inhaberin des Lehrstuhls für Steuerrecht und Leiterin des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen an der Bucerius Law School, Hamburg.