Eckpunkte für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz: Neustart für Start-up-Deutschland?
Der Finanzstandort Deutschland muss attraktiver werden – hierfür listet das Eckpunktepapier zahlreiche notwendige Reformen auf.
Ende Juni und Anfang Juli 2022 haben die beiden FDP-geführten Ministerien für Justiz und Finanzen ihre Eckpunkte für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz und das durch die Grünen geführte Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ein Strategiepapier für die Zukunft von Deutschland als Start-up-Standort vorgelegt. Ziel aller drei Minister ist unter anderem eine grundlegende Modernisierung des deutschen Kapitalmarktrechts. Mit den Eckpunkten ist weiter beabsichtigt, die Aktienanlage als Instrument der Altersvorsorge zu stärken, Mitarbeiterbeteiligungen attraktiver zu machen und das Aktienrecht für das digitale Zeitalter zu ertüchtigen sowie für Blockchain-Investments und Kryptowerte zu öffnen. Alles zentrale Ziele der Bundesregierung, die bereits im Dezember 2021 auf der Agenda standen, aber von den aktuellen geopolitischen Entwicklungen und damit einhergehenden fundamentalen Veränderungen wie der Zinswende, dem Inflationsschub oder der Energiekrise nach hinten gedrängt wurden. Umso positiver, dass sich jetzt alle drei Ministerien auf die Fahnen geschrieben haben, die notwendigen Gesetzesänderungen – wenn irgend möglich – noch in der ersten Hälfte der Legislaturperiode umzusetzen.
Wichtig ist dabei vor allem, sich vor Augen zu führen, wo Deutschland derzeit steht. Man mag es ja eigentlich gar nicht glauben, aber vor etwas mehr als 20 Jahren war Deutschland ein Start-up-Land und die Börse mit dem Neuen Markt in Frankfurt im Mittelpunkt war dominiert von Wagniskapital/Venture Capital. Börsengänge von neugegründeten Unternehmen waren die Regel und dies führte zu einem beeindruckenden IPO-Boom. Dies alles fand ein jähes Ende mit dem Zusammenbruch der sogenannten “Dotcom-Blase” im Jahr 2000 und dem Delisting von zahlreichen Penny-Stocks in der Folge.
Konsequent wurde das Thema Start-up-Finanzierung in Deutschland zu einem Problem. Wenn es nicht zahlreiche staatliche Wagniskapitalgeber wie den High-Tech-Gründerfonds gegeben hätte, wäre diese Asset-Klasse fast ganz verschwunden. Der Rückstand etwa zu den USA war dramatisch, aber auch der europäische Vergleich mit Ländern wie dem UK, Frankreich oder Luxemburg zeigte, dass dringend Handlungsbedarf bestand. Dies wurde auch in der Politik gesehen, etwa vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler Anfang der 2010er Jahre. Doch getan hat sich nichts. Insbesondere wurden keine steuerlichen Anreize geschaffen, was immer wieder gefordert wurde und nebenbei auch regelmäßig Thema von Masterthesen im M&A-Studiengang der Frankfurt School war.
Fast schon überraschend war dann, dass sich – man muss sagen trotz dieses wenig attraktiven rechtlichen und steuerlichen Rahmens – erst in Berlin und dann zunehmend auch in München und Frankfurt eine lebhafte Gründerszene mit klarem Tech-Schwerpunkt aber auch Themen wie Travel-Experiences oder Food-Delivery gebildet hat.
Parallel dazu kam es im Jahr 2021 – überraschenderweise während der Corona-Pandemie – zu einem unerwarteten Börsen-Boom. Doch all dies wurde durch die aktuellen Entwicklungen ab Anfang 2022 fast auf Null zurückgeworfen.
Das Eckpunktepapier greift dabei viele wichtige Themen auf, wie etwa eine Erleichterung des Kapitalmarktzugangs, die Stärkung des Finanzstandorts, die Digitalisierung, die Öffnung für die Blockchain-Technologie (ICO) sowie die rechtssichere Übertragung von Kryptowerten und hat dabei nicht nur Start-ups, sondern auch und gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Auge. Leider hat das deutsche Kapitalmarktrecht an vielen Punkten den Anschluss an unsere direkten Wettbewerber verloren. Die Eckpunkte zeigen die zentralen Defizite eindringlich auf. Ein gutes Beispiel ist der kleine Spac-Boom im letzten Jahr. Alle Spacs, die in Deutschland an die Börse gingen, waren nach Luxemburger oder Holländischem Recht als SE organisiert, wenn sie nicht gleich den Standort Amsterdam gewählt haben. Ein anderes Beispiel ist der Kryptomarkt: Eine rechtssichere Übertragung von Kryptowerten nach deutschem Sachenrecht ist derzeit kaum möglich. Mitarbeiterbeteiligungen sind aufgrund ihrer steuerlichen Behandlung gerade für Start-ups – aber auch darüber hinaus – eher unattraktiv und Anlagen in Aktien, so wichtig für die Altersvorsorge, sowie Wagniskapital werden im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn steuerlich benachteiligt.
Hinzu kommt, dass Deutschland als Finanzstandort insgesamt attraktiver werden muss. Hierfür listet das Eckpunktepapier zahlreiche notwendige Reformen wie etwa die Vereinfachung der Börsenzulassung – was an den Neuen Markt anknüpft – auf. Neben dem Wegfall überflüssiger formaler Anforderungen gehört dazu die Anerkennung von Standardverträgen, zum Beispiel über Finanzprodukte durch die BaFin mit der Folge des Wegfalls der AGB-Kontrolle. Wie effizient ein Finanzmarkt durch solche Standardisierung gefördert werden kann, zeigt eindringlich die Tätigkeit der LMA im UK. Konsequent soll in Zukunft die Kommunikation mit der BaFin in Englisch möglich werden. All dies ist wichtig und notwendig. Daher sollten möglichst schnell Sachverständigenkommissionen gebildet und Anhörungen durchgeführt werden. Dafür können die erheblichen Fortschritte in der Digitalisierung sowie Kommunikation während der Pandemie genutzt werden, um Fahrt aufzunehmen, denn ansonsten droht den Eckpunkten und auch der Start-up-Strategie, dass sie im Geflecht der verschiedenen Interessen und Lobbyisten stecken bleiben.
Prof. Dr. Christoph Schalast, RA, Notar, ist Managing Partner der Kanzlei Schalast Law | Tax in Frankfurt a. M. An der Frankfurt School of Finance & Management leitet er die Master-Studiengänge M&A und Financial Law.