Clickwork – viel Flexibilität, wenig Rechte?
Beim sogenannten Crowdwork werden Tätigkeiten, die ursprünglich zumeist Arbeitnehmer erbrachten, einer größeren Anzahl von Personen (der Crowd) über eine internetbasierte Plattform angeboten um diese Tätigkeiten dann von ihnen bearbeiten zu lassen. Diese Auslagerung von Arbeit an die Crowd wird als Crowdsourcing bezeichnet, die solcherart Arbeitenden als Crowdworker oder auch – wenn sie online arbeiten – als Clickworker. Mit Crowdwork können Arbeitgeber das Risiko von Unterauslastung und unproduktiven Zeiten auf die Arbeitenden selbst verlagern, während sie gleichzeitig die volle Kontrolle über den Arbeitsprozess beibehalten. Damit halten sie die Transaktionskosten und die Entgelte niedrig, stellen aber eine zeitnahe Erledigung ohne Qualitätsprobleme sicher. Um diese auf den ersten Blick widersprüchlichen Ziele zu erreichen, müssen folgende Vorrausetzungen erfüllt sein:
Die Crowd muss einerseits relativ groß und vor allem aktiv sein, damit immer Clickworker in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen, wenn diese gebraucht werden. Und sie müssen schnell aktivierbar sein, d. h. sie müssen dann tatsächlich tätig werden, wenn es Arbeit gibt. Letzteres wird durch einen mitunter sehr kreativen Mix von Anreiz- und Sanktionsmechanismen bewirkt.
Die Größe der Crowd hat auch den Vorteil, dass der Wettbewerb zwischen den Crowdworkern die Preise niedrig hält, da immer jemand bereit ist, zu den angebotenen, mitunter sehr geringen Entgelten zu arbeiten. Beim virtuellen Clickwork verstärkt der globale Wettbewerb diesen Effekt noch weiter, da das Entgelt in Ländern mit unterschiedlichen Lebenshaltungskosten im Hinblick auf die Kaufkraftunterschiede auch unterschiedlich viel wert ist.
Anstatt sich des klassischen Command- and Control-Systems zu bedienen, spielt die Digitale Reputation zur Auswahl und Kontrolle der Crowdworker eine herausragende Rolle: Sie erhalten von den Leistungsempfängern Punkte, Sterne oder ähnliche Symbole, nachdem sie einen Auftrag ausgeführt haben.
Diese digitale Reputation stellt auch sicher, dass die Clickworker so arbeiten wie in einer langfristigen Arbeitsbeziehung. Auch wenn der einzelne Arbeitsauftrag eine punktuelle Leistung für einen Auftraggeber darstellt, bewirkt das Rating-System zugleich auch, dass sich dessen Ergebnis – oder besser: die Bewertung desselben – massiv auf die zukünftigen Erwerbsmöglichkeiten auswirkt.
Clickwork stellt sich dabei für einige Beschäftigte durchaus positiv dar, denn es bietet ihnen Flexibilität und zeitliche Selbstbestimmung. Dies schätzen vor allem jene, die Clickwork als Nebenerwerb betreiben und nicht (nur) davon leben müssen. Doch für die überwiegende Mehrzahl sind die Arbeitsbedingungen schlecht: Neben der niedrigen Entlohnung sind auch die sonstigen Konditionen wegen der stark einseitig ausgerichteten, von den Plattformen vorgegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungenbedingungen (AGB) problematisch.
In arbeitsrechtlicher Hinsicht beruht das Modell des Crowdwork wesentlich auf der Annahme, dass Clickworker als Selbstständige und nicht als Arbeitnehmer einzuordnen seien. Aber das stimmt nicht immer, spricht doch in gar nicht so wenigen Fällen einiges dafür, dass echte Arbeitsverhältnisse bestehen und Scheinselbständigkeit vorliegt. Dies ist vor allem auf die hohe Kontrolldichte zurückzuführen, die bei der Bearbeitung der Aufträge besteht. Weitere Möglichkeiten der Disziplinierung und Determinierung bieten die Bewertungssysteme sowie Zeitvorgaben für die Erledigung. In Kombination kann daher eine so starke Fremdbestimmung vorliegen, dass die Aufgabenbearbeitung in persönlicher Abhängigkeit erfolgt und somit als Arbeitsvertrag zu qualifizieren ist.
Für den Fall, dass sich Clickworker nicht als Arbeitnehmer einstufen lassen, stellt sich die Frage nach deren Qualifikation als arbeitnehmerähnliche Personen. Diese genießen freilich den Schutz des Arbeitsrechts nur sehr eingeschränkt, und die zu erwartende Zunahme dieser Personengruppe im Zuge des digitalen Wandels lässt eine Ausweitung des Schutzbereiches als adäquaten Lösungsweg erscheinen, will man den Arbeitnehmer-Begriff nicht gleich neu definieren. Es stellt sich nämlich die Frage, ob die Betonung der organisatorischen Elemente gegenüber den wirtschaftlichen bei aller Praktikabilität noch zeitgemäß für die Definition des Arbeitnehmerbegriffes ist und heute noch alle Schutzbedürftigen erfasst sind oder eben nicht. Meines Erachtens ist das nicht der Fall, weshalb wir à la longue nicht um eine derartige Diskussion der Ausweitung des Schutzes für arbeitnehmerähnliche Personen oder eine Neudefinition des Arbeitnehmerbegriffes herumkommen werden.
Letztlich wird jedoch nur ein differenzierter und flexibler Ansatz, der sich beiden Polen des Crowdwork nicht verschließt, in der Lage sein, gute Arbeitsbedingungen für jene zu gewährleisten, die diese nicht allein ausverhandeln können, und andererseits die Kreativität und Innovationskraft nicht zu ersticken, die teilweise in diesen neuen Geschäftsmodellen steckt. Dabei dürfen wir freilich nicht vergessen, dass prekäre Arbeitsbedingungen nicht innovativ sind und dass Geschäftsmodelle, die nur dann funktionieren, wenn die Lohnkosten auf ein Minimum sinken, nicht förderungswürdig sind. Der Gesetzgeber muss ihnen vielmehr entschieden entgegengetreten.
Dr. Martin Risak ist außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien.