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BB 2021, I
Barth 

17. AWV-Novelle in Kraft: Licht und Schatten

Abbildung 1

Erfreuliche Verbesserungen gegenüber dem Referentenentwurf

Mit der am 1. Mai 2021 in Kraft getretenen 17. AWV-Novelle, die auf alle Transaktionen Anwendung findet, die ab dem Tag des Inkrafttretens unterzeichnet werden, setzt der deutsche Gesetzgeber einen Schlusspunkt unter die umfassende Überarbeitung von Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und Außenwirtschaftsverordnung (AWV) in den Jahren 2020/21. Die nunmehr bewirkten Änderungen betreffen insbesondere eine Ausweitung der Sektoren, in denen eine Auslandsinvestition einem verpflichtenden Genehmigungserfordernis unterliegt. Daneben werden verschiedene Rechtsfragen einer gesetzlichen Klärung zugeführt und die bisherige Praxis des BMWi kodifiziert. Im Ergebnis ist zu erwarten, dass die Novelle zu einer nochmaligen spürbaren Erhöhung der Zahl an Investitionskontrollverfahren, ausgehend von einem Rekordhoch im Jahr 2020, führt, wenn auch die Verordnung erfreulicherweise an verschiedenen Stellen hinter dem Referentenentwurf (dazu Barth, BB 11/2021, “Die Erste Seite”) zurückbleibt.

Grundsätzliche Struktur: Die Unterteilung investitionskontrollrechtlicher Verfahren in sektorübergreifende (§§ 55 ff. AWV) und sektorspezifische (§§ 60 ff. AWV) Verfahren bleibt erhalten.

Das erstgenannte Verfahrensregime richtet sich weiterhin an Nicht-EU/EFTA-Investoren und knüpft im Grundsatz an den Erwerb von 25 % der Stimmrechte an einer deutschen Gesellschaft an. Allerdings sind seit vergangenem Jahr unzweifelhaft Erwerbe von abgrenzbaren Betriebsteilen sowie Asset Deals unter bestimmten Voraussetzungen einem Share Deal gleichgestellt (§ 55 Abs. 1a AWV). In bis dato schon bestehenden besonders sensitiven Sektoren (vormals § 55 Abs. 1 S. 2 AWV, nunmehr überführt in § 55a Abs. 1 Nr. 1–11 AWV) ist die Aufgreifschwelle auf 10 % der Stimmrechte abgesenkt und eine Freigabe ist verpflichtend und unterfällt einem umfassenden Vollzugsverbot (§ 15 Abs. 4 AWG). Neu hinzu treten weitere 16 Sektoren (§ 55a Abs. 1 Nr. 12–27 AWV, die im Wesentlichen dem Vorschlag des Referentenentwurfs entsprechen, allerdings z. T. weiter konkretisiert wurden) mit einem besonderen Fokus auf Hoch- und Zukunftstechnologie. Zu begrüßen ist, dass die Aufgreifschwelle für diese weiteren Sektoren, abweichend vom Referentenentwurf, auf 20 % der Stimmrechte gesetzt wurde. Ausweislich der Begründung sollen davon insbesondere Start-ups und Finanzinvestoren profitieren.

In der sektorspezifischen Prüfung wurde der Anwendungsbereich (für den einheitlich die 10 %-Schwelle gilt) ebenfalls deutlich ausgeweitet; er umfasst künftig den gesamten Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste sowie verschiedene weitere Güter und Dienstleistungen in den Sektoren Rüstung und IT-Sicherheit. Auch insoweit gelten eine Meldepflicht und ein umfassendes Vollzugsverbot.

Atypische Kontrollerwerbe”: Um Konstellationen zu erfassen, in denen eine erhebliche Diskrepanz zwischen den erworbenen Stimmrechten einerseits und dem vermittelten gesellschaftsrechtlichen Einfluss andererseits besteht, wird in § 56 Abs. 3 AWV das Konzept des “atypischen Kontrollerwerbs” eingeführt. Hiernach kann ein Erwerb ex officio geprüft werden, wenn er unterhalb der maßgeblichen Schwellenwerte bleibt, aber bestimmte Zusatzrechte eingeräumt werden, die die Beteiligung investitionskontrollrechtlich “aufwerten”. Herausfordernd wird die Anknüpfung an besondere Informationsrechte i. S. v. § 15 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 AWG, die schon bisher viele Unternehmen praktisch nur schwer konkretisieren konnten.

Hinzuerwerbe: Uneingeschränkt begrüßenswert ist, dass “Hinzuerwerbe” nunmehr nur noch bei Überschreitung von bestimmten Schwellenwerten (20 %, 25 %, 40 %, 50 % und 75 %) in den Anwendungsbereich der AWV fallen. Gegenüber der bisherigen Praxis, nach der auch Kleinsterwerbe meldepflichtig sein konnten, ist dies eine erhebliche und sachgerechte Entlastung für Unternehmen.

Vermutungsregelung: Über die bisherige Stimmrechtszurechnung, z. B. in Folge von Gesellschaftervereinbarungen, hinaus kann eine Zurechnung zwischen Investoren künftig auch aus weiteren Umständen geschlossen werden. Für mehrere parallel investierende Staatsinvestoren wird die Zurechnung zudem vermutet – eine Regelung, die als nochmals intensivere Kontrollbestrebung für Investitionen aus China gewertet werden kann.

Öffentliche Übernahmen: Erfreulicherweise hat sich der Gesetzgeber, analog dem in der Fusionskontrolle bewährten Konzept der Ausnahme vom Vollzugsverbot entschieden, dieses für Zwecke der Investitionskontrolle zu adaptieren. Regelungstechnisch wird hier auf eine Verordnungsermächtigung in § 15 Abs. 5 AWG gesetzt, die im Rahmen einer für den Sommer erwarteten 18. AWV-Novelle umgesetzt werden soll.

Restrukturierungen bleiben bedauerlicherweise weitgehend im Anwendungsbereich der AWV und mögen entsprechend Anmeldepflichten auslösen. Eine nun in § 55 Abs. 1b AWV aufgenommene Ausnahme stipuliert zwar einen engen “safe harbour”, allerdings wird die praktische Relevanz begrenzt sein.

Die Investitionskontrolle hat bei vielen Unternehmen in den letzten Jahren – zu Recht – einen Bedeutungszuwachs erlebt. Mit der 17. AWV-Novelle steigt die praktische Relevanz und auch die Komplexität der Regelungen nochmals an. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Vielzahl weiterer Fälle nicht in längere Verfahrensdauer übersetzt und die involvierten Behörden die in der Novelle zugewiesenen substantiellen weiteren Ressourcen schnell besetzen können.

Christoph Barth, RA, ist Partner bei Linklaters LLP. Er berät Mandanten zu Fusions- und Investitionskontrollverfahren in Deutschland und der EU und koordiniert regelmäßig Verfahren global. Im Rahmen der aktuellen AWV-Novelle war er in die Konsultation des BMWi eingebunden.

 
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