FG Münster: Zur Steuerbefreiung für Umsätze aus Geldspielautomaten
FG Münster, Urteil vom 16.6.2016 – 5 K 998/14 U
Volltext: BB-Online BBL2016-2070-3
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Leitsätze der Redaktion
1. Durch die Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen (vom 28.4.2006, BGBl I 2006, 1095) hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 6.5.2006 die Steuerbefreiung der von dieser Regelung erfassten Spielumsätze nicht von der Identität des Veranstalters oder Betreibers der Glücksspiele oder Glücksspielgeräte abhängig gemacht und die Umsatzsteuerbefreiung für öffentliche Spielbanken aus dem Gesetzestext gestrichen. Nach dem gesetzgeberischen Willen (vgl. BT-Drucks. 16/634, S. 11 f.) sollten die bislang umsatzsteuerfreien Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken künftig umsatzsteuerpflichtig sein, um die umsatzsteuerliche Neutralität (wieder) herzustellen und die durch die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 17.2.2005 C-453/02 und C-462/02, Linneweber und Akritidis EU:C:2005:92, Slg. 2005, I-1131, UVR 2005, 122) eröffnete Berufungsmöglichkeit gewerblicher Glücksspielanbieter auf die Steuerbefreiung aufzuheben.
2. Diese Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG und der im Gesetzgebungsverfahren hierzu zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Wille stehen im Widerspruch zur Regelung in § 6 Abs. 1 SpielbkV 1938/44, so Letztere – soweit es die USt Umsatzsteuer betrifft – entgegen der vom erkennenden Senat vertretenen Auffassung ab dem 1.1.1968 noch Geltung entfaltet hat.
3. Diese Kollision einander widersprechender Rechtsfolgen ist nach dem Prinzip des Vorrangs höherrangigen Rechts dahingehend zu lösen, dass § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. als Norm eines formellen Gesetzes als ranghöheres Recht dem § 6 Abs. 1 SpielbkV 1938/44, der als Rechtsverordnung im Rang unter den Gesetzen steht und daher nicht als Gesetz im formellen Sinn anzusehen ist (so ausdrücklich Beschluss des BVerfG, vom 18.3.1970 2 BvO 1/65, BVerfGE 28, 119, 133), vorgeht.
4. Unabhängig von der unterschiedlichen Rangstufe der kollidierenden Normen geht zudem die spätere Norm des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. der früheren des § 6 Abs. 1 SpielbkV 1938/44 vor (lex posterior derogat legi priori), denn der Gesetzgeber wollte mit seiner Neuregelung in 2006 – wie dargelegt – gerade die Umsatzsteuerpflicht für zugelassene öffentliche Spielbanken einführen.
Sachverhalt
Streitig ist, ob § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der ab dem6. 5. 2006 geltenden Fassung europarechtskonform ist und ob Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten in unmittelbarer Anwendung der einschlägigen Richtlinienbestimmungen (Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -MwStSystRL-) von der Umsatzsteuer befreit sind.
Die Klägerin ist Automatenaufstellerin. Sie erzielte in den Streitjahren 2007 bis 2010 Umsätze u.a. aus dem Betrieb von Geldspielautomaten.
In ihren Umsatzsteuer(USt)-Erklärung für 2007 erklärte sie jeweils neben geringen steuerpflichtigen Umsätzen steuerfreie Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielen mit Geldeinsatz. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung (Bp-Bericht vom 15. 10. 2008) behandelte der Beklagte die erklärten steuerfreien Umsätze als steuerpflichtig und berücksichtigte im USt-Bescheid für 2007 vom 24. 10. 2008 zudem weitere Vorsteuern.
Der USt-Erklärung für 2008, in der die Klägerin die Umsätze aus Geldspielautomaten als steuerpflichtig erklärte, stimmte der Beklagte zu (Mitteilung vom 22. 12. 2009 bzw.7. 1. 2010). Zugleich reichte die Klägerin einen Einspruch sowie eine berichtigte USt-Erklärung ein, in der sie die Geldspielautomatenumsätze als steuerfrei erklärte.
Für 2009 reichte die Klägerin am 26. 1. 2011 eine als „berichtigt“ gekennzeichnete USt-Erklärung ein, in der sie wiederum die Geldspielautomatenumsätze als steuerfrei behandelte. In einer der USt-Erklärung beigefügten Anlage führte sie aus, dass noch nicht geklärt sei, ob die am 6. 5. 2006 in Kraft getretenen Neuregelung des § 4 Nr. 9Buchst. b UStG mit EU-Recht vereinbar sei. In einer (weiteren) Anlage, auf die Bezug genommen wird, hatte sie jeweils die steuerpflichtigen und ihrer Meinung nach steuerfreien Umsätze aufgeführt und eine Aufteilung der Vorsteuern entsprechend dem Anteil der steuerpflichtigen Umsätze an den Gesamtumsätzen vorgenommen. Zudem reichte die Klägerin am 27. 1. 2011 eine USt-Erklärung für 2009 ein, in der sie die Geldspielautomatenumsätze als steuerpflichtig erklärte.
Der Beklagte setzte die USt 2009 mit Bescheid vom 24. 2. 2011 entsprechend der am 27. 1. 2011 eingereichten Erklärung fest.
Die USt-Erklärung für 2010, in der die Klägerin die Umsätze aus Geldspielautomaten als steuerpflichtig erklärte, stand mit Eingang (30. 12. 2011) einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
Gegen die USt-Festsetzungen 2007 bis 2009 legte die Klägerin jeweils gesondert Einsprüche ein, nachdem sie zuvor bereits gegen die USt-Voranmeldungen Einsprüche eingelegt hatte, die sie jedoch teilweise wieder zurückgenommen hatte. Die USt-Festsetzung 2010 wurde zum Gegenstand der Einspruchsverfahren gegen die USt-Voranmeldungen Januar bis Dezember 2010 (Einspruch vom 19. 12. 2011).
Zur Begründung ihrer Einsprüche machte sie geltend, dass ihre Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten entgegen der Auffassung des Beklagten von der USt befreit seien.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 7. 3. 2014 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.
Daraufhin hat die Klägerin am 1. 4. 2014 die vorliegende Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten nach den rechtlichen Vorgaben von Art. 135 Buchst. i i.V.m. Art. 401 derMwStSystRL zwingend von der USt zu befreien seien. Die Richtlinienbestimmungen seien aufgrund der fehlerhaften Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber unmittelbar anwendbar. Sie berufe sich unmittelbar auf die gemeinschaftsrechtliche Mehrwertsteuerbefreiung ohne Recht auf Vorsteuerabzug. Aufgrund des Vorrangs des unmittelbar geltenden Unionsrechts dürften entgegenstehende Bestimmungen bzw. Gesetze des nationalen Rechts nicht angewandt werden.
Gem. § 6 Abs. 1 der Verordnung über öffentliche Spielbanken (SpielbkV 1938), der auch heute noch geltendes Recht sei, seien öffentliche Spielbanken – im Widerspruch zur aktuellen Gesetzesfassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG – noch immer von der USt befreit, während sie, die Klägerin, ihre Geldspielautomatenumsätze umsatzversteuern müsse. Aufgrund dessen liege nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Linneweber (Urteil vom 17. 2. 2005 C-453-02 und C-462/02, EU:C:2005:92, Slg. 2005, I-1131, UVR 2005, 122) weiterhin ein Verstoß gegen Unionsrecht vor. Sie könne sich daher unmittelbar auf die Anwendung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL berufen.
Fraglich sei zudem, ob der derzeit von der Finanzverwaltung als Bemessungsgrundlage für die Geldspielautomatenumsätze herangezogene sog. Saldo II durch die gesetzliche Grundlage des § 10 UStG gedeckt sei. Bei Abstellen auf die Kasseneinnahmen (sei es auf Saldo II oder elektronisch gezählte Kasse) könne der einzelne Kunde gerade nicht wissen, wie hoch der auf ihn entfallende Mehrwertsteuerbetrag sei und welchen Betrag er als Vorsteuer in Ansatz bringen könne.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die klägerischen Schriftsätze vom 1. 7. 2014, 29. 9. 2014, 9. 6. 2016 und 14. 6. 2016 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2010, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. 3. 2014, dergestalt zu ändern, dass die USt in Höhe von 5.422 EUR (2007), 9.649 EUR (2008), 9.870 EUR (2009) und 11.172 EUR (2010) festgesetzt wird,
hilfsweise, für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen,
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seiner Auffassung verweist er auf die Ausführungen in den Einspruchsentscheidungen und trägt ergänzend vor, dass die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen bereits durch die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 24. 10. 2013 C-440/12, Metropol, UR 2013, 866) und des BFH (Beschluss vom 6. 5. 2014 V B 1/13, BFH/NV 2014, 915) geklärt seien.
Aus den Gründen
I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen USt-Festsetzungen sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).
Durch den Betrieb von "Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" hat die Klägerin umsatzsteuerbare Leistungen gegenüber den Spielern erbracht (1.), die nicht von der Umsatzsteuer befreit und damit umsatzsteuerpflichtig sind (2.). Die Umsatzsteuerpflicht dieser Umsätze steht im Einklang mit Unionsrecht, so dass sich die Klägerin auch nicht unmittelbar auf die Anwendung von Art. 135 Buchst. i i.V.m. Art. 401 derMwStSystRL berufen kann (3.).
1. Die Klägerin hat als Automatenaufstellerin durch den Betrieb von Geldspielautomaten in den Streitjahren sonstige Leistungen gegenüber den Spielern im Inland gegen Entgelt ausgeführt, die gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar sind.
2. Diese Umsätze sind nach nationalem Recht auch steuerpflichtig. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG ist nicht einschlägig, weil nach dieser Bestimmung nur solche Umsätze steuerbefreit sind, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Davon nicht erfasst werden Umsätze aus sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz, zu denen auch die vorliegend strittigen Umsätze der Klägerin gehören.
3. Die nach nationalem Recht vorliegend gegebene Umsatzsteuerpflicht dieser Umsätze ist unionsrechtskonform.
a) Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden. Der deutsche Gesetzgeber handelte innerhalb des ihm aufgrund Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eingeräumten weiten Wertungsspielraums, als er die Umsätze gewerblicher Spielhallenbetreiber aus Geldspielgeräten nicht in die Umsatzsteuerbefreiung einbezog. Die Regelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG, nach welcher Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten nicht von der USt befreit sind, verstößt weder gegen die Vorgaben der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie noch gegen die Durchführungsverordnung (EU)Nr. 282/2011 noch gegen andere höhergesetzliche Vorgaben.
Die Klägerin kann sich insoweit nicht mit Erfolg auf die Verletzung der Grundsätze der Proportionalität, Abwälzbarkeit und Neutralität der Umsatzsteuer berufen. Auch die von der Klägerin in Bezug auf die Bemessungsgrundlage aufgezeigten Anwendungsprobleme führen nicht zu einer Steuerbefreiung.
Die von der Klägerin insoweit vorgetragenen Argumente sind durch den EuGH, den BFH und die Finanzgerichte bereits mehrfach und mit ausführlicher Begründung verworfen worden. Da es sich hierbei ausschließlich um Rechtsfragen handelt, verweist der Senat zur weiteren Begründung auf die Urteile des EuGH vom 10. 6. 2010 (C-58/09, Leo Libera, Slg. 2010, I-5189, BFH/NV 2010, 1590) und vom 24. 10. 2013 (C-440/12, Metropol Spielstätten, EU:C:2013:687, HFR 2013, 1166), das Urteil des BFH vom 10. 11. 2010 (XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311) sowie die Beschlüsse des BFH vom 26. 2. 2014 (V B 1/13, BFH/NV 2014, 915), vom 30. 9. 2015 (V B 105/14, BFH/NV 2016, 84) und vom 14. 12. 2015 (XI B 113/14, BFH/NV 2016, 599). Weiterhin verweist der Senat auf das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 15. 7. 2014 (3 K 207/13, EFG 2015, 1315), in welchem die von der Klägerin vorgetragenen Argumente ebenfalls umfassend gewürdigt und verworfen worden sind. Die rechtlichen Ausführungen in den genannten Entscheidungen macht sich der Senat zu Eigen.
b) Die Klägerin kann sich auch nicht unmittelbar auf die Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL berufen.
Soweit der EuGH in seinem Urteil vom 17. 2. 2005 (C-453/02 und C- 462/02, Linneweber und Akritidis, EU:C:2005:92, HFR 2005, 487 zur wortgleichen Vorschrift des Art. 13 Teil B Buchst. f der bis 31.12.2006 geltenden Richtlinie 77/388/EWG) entschieden hat, dass diese Befreiungsvorschrift dahin auszulegen sei, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehe, wonach die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten aller Art in zugelassenen öffentlichen Spielbanken steuerfrei ist, während diese Steuerbefreiung für die Ausübung der gleichen Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Spielbankbetreiber sind, nicht gelte, ist eine solche Rechtslage in den Streitjahren nach nationalem Recht nicht gegeben.
aa) Anders als die bis 6. 5. 2006 gültige Fassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG (a.F.), die ausdrücklich eine Steuerbefreiung für Umsätze der öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, und damit auch die Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielgeräten in zugelassenen öffentlichen Spielbanken vorsah, macht § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. in der ab dem 6. 5. 2006 geltenden Fassung die Steuerbefreiung der von ihr erfassten Spielumsätze nicht von der Identität des Veranstalters oder Betreibers der Glücksspiele oder Glücksspielgeräte abhängig.
Nach dem gesetzgeberischen Willen (vgl. BT-Drucks. 16/634, S. 11 f.) sollen die bislang umsatzsteuerfreien Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken künftig umsatzsteuerpflichtig sein, um die umsatzsteuerliche Neutralität herzustellen und die durch die Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen Linneweber und Akritidis eröffnete Berufungsmöglichkeit gewerblicher Glücksspielanbieter auf die Steuerbe-freiung aufzuheben.
bb) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung ergibt sich eine Ungleichbehandlung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung auch nicht aus § 6 Abs. 1 der Verordnung über öffentliche Spielbanken vom 27. 7.1938 (RGBl I 955), in der Fassung vom 31. 1. 1944 (RGBl I 60, nachfolgend: SpielbkV 1938/44).
Nach dieser Vorschrift ist der Spielbankunternehmer für den Betrieb der Spielbank von den laufenden Steuern des Reichs, die vom Einkommen, vom Vermögen und vom Umsatz erhoben werden, sowie von der Lotteriesteuer und der Gesellschaftssteuer befreit.
Diese Vorschrift wirkte – soweit sie die USt betrifft – zwar zunächst nachkonstitutionell fort (1), ist aber durch das UStG 1967 (2), spätestens jedoch durch die Neufassung des§ 4 Nr. 9 Buchst. b UStG durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen mit Wirkung ab dem 6. 5. 2006 unwirksam geworden, ohne dass es deren ausdrücklicher Aufhebung bedurfte (3).
(1) Die SpielbkV 1938/44 ist aufgrund der Ermächtigung in § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken vom 14. 7. 1933 (RGBl I 480; nachfolgend: SpielbG 1933) vom Reichsminister des Innern erlassen worden.
Das SpielbG 1933 ist als sogenanntes Regierungsgesetz auf Grund des Ermächtigungsgesetzes vom 24. 3. 1933 erlassen worden. Dieser Umstand allein berührt weder den rechtswirksamen Erlass noch das Fortgelten dieses Gesetzes. Es enthält keine Regelungen, die in evidentem Widerspruch zu den alles formelle Recht beherrschenden Prinzipien der Gerechtigkeit stehen. Auch die in § 3 Abs. 1 SpielbG 1933 enthaltene Ermächtigung, zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes Rechtsverordnungen zu erlassen, war rechtswirksam (Beschluss des BVerfG vom 18. 3. 1970 2 BvO 1/65, BVerfGE 28, 119, 139 f.). Die Ermächtigung des § 3 Abs. 1 SpielbG 1933 zum Erlass gesetzesergänzender Rechtsvorschriften ist nach Art. 129 Abs. 3 GG zwar erloschen, der Fortfall der Ermächtigung ist jedoch ohne Einfluss auf den Rechtsbestand der Verordnungen von 1938 und 1944, die auf Grund der seinerzeit gültigen Ermächtigung erlassen wurden. Rechtswirksam geblieben ist demzufolge (zunächst) auch die Regelung des § 6 Abs. 1 SpielbkV 1938/44.
§ 6 Abs. 1 SpielbkV 1938/44 galt am 7. 9. 1949 (Tag des Zusammentritts des Ersten Deutschen Bundestages; vgl. Beschluss des BVerfG vom 15. 3. 1960 2 BvL 12/59, BVerfGE 11, 23, 28) einheitlich in allen Besatzungszonen und ist nach Art. 123 Abs. 1, Art. 125 Nr. 1 GG Bundesrecht geworden, weil es Recht ist, das Gegenstände der konkurrierenden Bundesgesetzgebung betrifft.
Zwar hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 18. 3. 1970 (2 BvO 1/65, BVerfGE 28, 119, 146 ff.) ausgeführt, dass Art. 125 Nr. 1 GG den Zweck verfolgt, einer Rechtszersplitterung auf solchen Gebieten vorzubeugen, für die eine bundeseinheitliche Regelung jedenfalls grundsätzlich in Betracht kommen kann. Der Begriff "Recht" in Art. 125 GG kann daher nicht jede einzelne Rechtsvorschrift meinen, weil dann auf vielen Rechtsgebieten ein unübersichtliches Nebeneinander von bundes- und landesrechtlichen Vorschriften entstehen würde. Ebenso wenig ist "Recht" schlechthin gleichbedeutend mit "Gesetz". Eine dem Zweck des Art. 125 Nr. 1 GG und den praktischen Bedürfnissen Rechnung tragende Auslegung muss vielmehr zu dem Ergebnis führen, dass jeweils nur die gesamte Regelung eines bestimmten Sachgebietes, also einer begrifflich selbständigen, in sich abgeschlossenen Rechtsmaterie den Rang von Bundesrecht erhalten soll. Es muss im Einzelfall ermittelt werden, was als eine selbständige und in sich abgeschlossene Materie anzusehen ist.
Danach gehört das Spielbankenrecht weder zum Recht der Wirtschaft (Art. 74 Nr. 11 GG) noch zum Arbeitsrecht (Art. 74 Nr. 12 GG) oder zum Steuerrecht des Art. 105 Abs. 2 GG. Vielmehr gehört das Spielbankenrecht in der Bundesrepublik Deutschland zum Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, für das die Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz haben. In Nordrhein-Westfalen galt deshalb zunächst - wie in den anderen Bundesländern - das Gesetz über die Zulassung öffentlicher Spielbanken vom 14. 7. 1933 bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken (SpielbG NRW vom 19. 3. 1974, GV. NRW. S. 93) als Landesrecht fort.
Dies hatte zur Folge, dass z.B. § 7 Abs. 2 Satz 2 SpielbkV 1938/44 nicht als Bundesrecht fortgalt (so ausdrücklich BVerfG, Beschluss vom 18. 3. 1970 2 BvO 1/65, BVerfGE 28, 119, 144 ff.). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung jedoch ausdrücklich offengelassen, ob gleiches auch für die Vorschriften über die Spielbankabgabe (§ 5 SpielbkV 1938/44) und die Steuerbefreiung der Spielbanken (§ 6 SpielbkV 1938/44) gilt (BVerfG 28, 119, 150).
Folgt man insoweit der vom BFH in seinem Gutachten vom 21. 1. 1954 (V D 1/53 S, BStBl III 1954, 122) vertretenen Auffassung, dass die in § 6 SpielbkV 1938/44 geregelte Befreiung von der USt zum Steuerrecht gehört und damit nach Art. 105Abs. 2 GG der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes unterliegt (i. V. m. Art. 106 Abs. 3 GG), so ist die vorliegend strittige Regelung des § 6 Abs. 1 SpielbkV 1938/44 nach Art. 123 Abs. 1, Art. 125 Nr. 1 GG Bundesrecht geworden (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. 6. 1996 II R 1/95, BFHE 180, 490, BStBl II 1996, 535, der die Frage, ob das Spielbankabgabenrecht nach der Kompetenzverteilung des GG in den Bereich der Gesetzgebungskompetenz der Länder oder aber in den der konkurrierenden Gesetzgebung fällt, offenlassen konnte).
Von der Weitergeltung als Bundesrecht geht im Übrigen auch das Bundesministerium der Justiz aus, denn auf der Grundlage des Gesetzes über die Sammlung des Bundesrechts vom 10. 7. 1958 (BGBl I 437, III 114-2) ist § 6 SpielbkV zum 1. 1. 1964 in die Sammlung des Bundesrechts (BGBl III) unter FNA 7136-3 aufgenommen worden.
(2) Da § 6 Abs. 1 SpielbkV 1938/44 als Verordnung nach damaligem Staatsrecht im Rang unter den Gesetzen stand, ist diese Regelung, soweit sie nachkonstitutionell weiter fortgegolten hat, jedoch nicht als Gesetz im formellen Sinn anzusehen (vgl. Beschluss des BVerfG vom 18. 3. 1970 2 BvO 1/65, BVerfGE 28, 119, 133).
Im Zuge der Umstellung der USt von dem Brutto-Allphasenmodell auf das Mehrwertsteuersystem mit Vorsteuerabzug mit Wirkung zum 1. 1. 1968 (UStG 1967 vom 29. 5. 1967, BGBl I 545) ist § 6 Abs. 1 der SpielbkV 1938/44 – soweit er die USt betrifft – durch § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1967 ersetzt worden, der nunmehr in einem Gesetz im formellen Sinn – und damit höherrangig als in einer Rechtsverordnung – regelte, dass die Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, steuerfrei sind.
Mit dem Inkrafttreten des UStG 1967 sind nach § 31 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 UStG 1967 die in anderen Rechtsvorschriften enthaltenen umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften, soweit sie diesem Gesetz widersprechen und nicht auf völkerrechtlichen Verträgen beruhen, ausdrücklich aufgehoben worden. Dies galt nach Satz 2 insbesondere für die nicht in dieses Gesetz übernommenen Steuerbefreiungen und Steuerermäßigungen.
Zwar widersprach die bisherige Regelung in § 6 Abs. 1 SpielbkV 1938/44 der neuen Regelung in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1967 nicht, sondern war vielmehr mit dieser identisch, so dass sich insoweit die Frage stellt, ob § 6 Abs. 1 SpielbkV 1938/44 überhaupt von der Regelung in § 31 Abs. 1 Nr. 7 UStG 1967 erfasst wurde. Im Gesetzgebungsverfahren zum UStG 1967 war jedoch zur Begründung für die geplante Befreiungsvorschrift für öffentliche Spielbanken ausdrücklich angeführt worden, dass es zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung erforderlich sei, dass die Umsatzsteuerbefreiung der Spielbanken in den Gesetzesentwurf in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG übernommen werde, da durch § 31 Abs. 1 Nr. 7 des Gesetzentwurfs die derzeitige Umsatzsteuerbefreiung für Spielbanken, die der Spielbankabgabe unterliegen (§ 6 Abs. 1 SpielbkV 1938), außer Kraft gesetzt werde (so ausdrücklich Bericht des Finanzausschusses zu BT-Drucks. V/1581, S. 11).
(3) Selbst wenn man aber, entgegen der im Gesetzgebungsverfahren im Finanzausschuss und nachfolgend in der Literatur (Huschens in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 4 Nr. 9 Rz. 9) vertretenen Auffassung, dass § 6 Abs. 1 SpielbkV 1938/1944 – soweit er die USt betrifft – durch § 31 Abs. 1 Nr. 7 UStG 1967 außer Kraft gesetzt worden ist, mit der Klägerin der Meinung ist, dass § 6 Abs. 1 SpielbkV 1938/44 – soweit er die USt betrifft – auch über den 1.1.1968 hinaus noch weiter fortgegolten hat, kann die Klägerin hieraus nicht die Steuerbefreiung für ihre Umsätze aus den Betrieb von Geldspielautomaten in den Streitjahren 2007 bis 2010 herleiten. Denn durch die Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen (vom 28. 4. 2006, BGBl I 2006, 1095) hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 6. 5. 2006 die Steuerbefreiung der von dieser Regelung erfassten Spielumsätze nicht von der Identität des Veranstalters oder Betreibers der Glücksspiele oder Glücksspielgeräte abhängig gemacht und die Umsatzsteuerbefreiung füröffentliche Spielbanken aus dem Gesetzestext gestrichen. Nach dem gesetzgeberischen Willen (vgl. BT-Drucks. 16/634, S. 11 f.) sollten die bislang umsatzsteuerfreien Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken künftig umsatzsteuerpflichtig sein, um die umsatzsteuerliche Neutralität (wieder) herzustellen und die durch die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 17. 2. 2005 C-453/02 und C-462/02, Linneweber und Akritidis EU:C:2005:92, Slg. 2005, I-1131, UVR 2005, 122) eröffnete Berufungsmöglichkeit gewerblicher Glücksspielanbieter auf die Steuerbefreiung aufzuheben.
Diese Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG und der im Gesetzgebungsverfahren hierzu zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Wille stehen im Widerspruch zur Regelung in § 6 Abs. 1 SpielbkV 1938/44, so Letztere – soweit es die USt betrifft – entgegen der vom erkennenden Senat vertretenen Auffassung ab dem 1. 1. 1968 noch Geltung entfaltet hat.
Diese Kollision einander widersprechender Rechtsfolgen ist nach dem Prinzip des Vorrangs höherrangigen Rechts (lex superior derogat legi inferiori, vgl. Wernsmann in Hübsch/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rz. 240 ff., 362 ff.) dahingehend zu lösen, dass § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. als Norm eines formellen Gesetzes als ranghöheres Recht dem § 6 Abs. 1 SpielbkV 1938/44, der als Rechtsverordnung im Rang unter den Gesetzen steht und daher nicht als Gesetz im formellen Sinn anzusehen ist (so ausdrücklich Beschluss des BVerfG vom 18. 3. 1970 2 BvO 1/65, BVerfGE 28, 119, 133), vorgeht. Unabhängig von der unterschiedlichen Rangstufe der kollidierenden Normen geht zudem die spätere Norm des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. der früheren des § 6 Abs. 1 SpielbkV 1938/44 vor (lex posterior derogat legi priori), denn der Gesetzgeber wollte mit seiner Neuregelung in 2006 – wie dargelegt – gerade die Umsatzsteuerpflicht für zugelassene öffentliche Spielbanken einführen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
III. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO sind nicht ersichtlich.