FG Berlin-Brandenburg: Zur Gewerbesteuerpflicht einer Personengesellschaft
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.11.2010 - 7 K 1993/06
Leitsätze
Durch die Einführung des § 7 S. 2 GewStG in der Fassung des 5. Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen vom 23.7.2002 (StBAÄG, BGBl. I 2002, 2715) weicht der Gesetzgeber von der bis dahin geltenden Rechtslage ab, wonach Abwicklungsgewinne und Anteilsveräußerungen von Personengesellschaften, auch soweit an ihnen keine natürlichen Personen und/oder ausschließlich Kapitalgesellschaften beteiligt waren, dem Grunde nach nicht der Gewerbesteuer unterlagen.
Daher ist es auch umgekehrt geboten, dass Personengesellschaften, die § 7 S. 2 GewStG 2003 unterliegen, anders als vor der Einführung von § 7 S. 2 GewStG 2003 die im Zuge der Aufnahme des Geschäftsbetriebs entstehenden Betriebsausgaben auch gewerbesteuerlich ertragsmindernd berücksichtigen dürfen.
GewStG 2003 § 7 Satz 2
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darum, ob die im Zuge der Aufnahme des Geschäftsbetriebs der Klägerin entstandenen Betriebsausgaben im Rahmen der Gewerbesteuer ertragsmindernd berücksichtigt werden können.
Die Klägerin wurde am 16.6.2003 als Kommanditgesellschaft gegründet. Gegenstand war die Ausübung des Tischlerhandwerks, insbesondere die Herstellung, Be- und Verarbeitung sowie die Konfektionierung von Möbelelementen aller Art, der Handel und der Verkauf von Möbelelementen, Möbelzubehör und Geräten sowie die Ausführung aller damit in Zusammenhang stehenden Dienstleistungen. Zur Komplementärin wurde die X-GmbH mit Sitz in M und zur alleinigen Kommanditistin die Y-GmbH bestellt. Letztgenannte Gesellschaft trat als Treuhänderin für die Z-GmbH & Co mit Sitz in N auf. Auch die Klägerin nahm ihren Sitz in M und wurde am 8.8.2003 vom Amtsgericht M im Handelsregister eingetragen.
Am 12.9.2003 reichte die Klägerin beim Finanzamt O ihre steuerliche Anmeldung ein, in der sie als Beginn der gewerblichen Tätigkeit den 1.1.2004 angab.
Am 1.10.2003 stellte die Klägerin ihren Vertriebsleiter, Herrn A, ein. Am 15.10.2003 schloss sie einen Mietvertrag für das Objekt P-Straße ... in M, das vor Inbetriebnahme noch durch von der Vermieterin durchzuführende Baumaßnahmen herzurichten war. Am gleichen Tag gab sie ihre gewerberechtlichen Anmeldungen ab und datierte den Beginn ihrer Tätigkeit auf den 1.9.2003.
Am 20.10.2003 stellte die Klägerin ihren Betriebsleiter, Herrn B, ein.
Im Februar 2004 eröffnete die Klägerin in den angemieteten Räumlichkeiten ihren Werksladen und erzielte in der Folge Umsätze, insbesondere mit Einbauküchen.
Nach dem sogenannten Hauptteil des Jahresabschlusses auf den 31.12.2003 mietete die Klägerin mit Wirkung vom 2.1.2004 ein Küchenplanungsprogramm an. AfA nahm sie auf die im Streitjahr angeschafften Wirtschaftsgüter nicht vor, da der Nutzungsbeginn der wesentlichen Wirtschaftsgüter mit der Eröffnung des Werkladens zusammenfalle.
Mit ihrer am 2.9.2004 beim Finanzamt O eingereichten Gewerbesteuererklärung machte die Klägerin einen Gewerbeverlust in Höhe von 107 687 Euro geltend. Davon abweichend erließ das Finanzamt O am 23.11.2005 einen Gewerbesteuermessbescheid 2003, mit dem es den Messbetrag auf 0 Euro festsetzte. Einen Bescheid über die Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes erließ das Finanzamt nicht. Zur Begründung verwies das Finanzamt darauf, dass Aufwendungen vor Aufnahme der werbenden Tätigkeit gewerbesteuerlich nicht berücksichtigt werden könnten.
Dagegen legte die Klägerin am 30.11.2005 Einspruch ein.
Während des Einspruchsverfahrens endete eine bereits im Juli 2005 durch den Beklagten begonnene Außenprüfung, die u. a. auch die Gewerbesteuer 2003 umfasste. Sie führte zu keinem von dem angefochtenen Bescheid abweichenden Ergebnis.
In der Folge übernahm der Beklagte die Besteuerung der Klägerin und wies mit Einspruchsentscheidung vom 27.10.2006 den Einspruch als unbegründet zurück. Der Beklagte verwies darauf, dass die Klägerin im Streitjahr ausschließlich Vorbereitungshandlungen für die im Folgejahr erzielten Umsätze verwirklicht habe. Daher habe sie sich im Streitjahr noch nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt.
Daraufhin hat die Klägerin am 16.11.2006 Klage erhoben.
Sie macht geltend, entgegen der Auffassung des Beklagten habe sie sich auch schon im Streitjahr am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Die Verkaufsräume hätten ab Oktober/November 2003 für potentielle Kunden offengestanden. Inserate und Beilagen der Tagespresse seien nach Einstellung einer ausreichenden Anzahl von Verkäufern ab Anfang 2004 geschaltet worden. Die ersten schriftlichen Kaufverträge datierten vom 5.2.2004. Die Klägerin sei bereits ab Oktober 2003 durch die Einstellung des Vertriebsleiters, die Lieferbereitschaft seitens des Mutterunternehmens und die Anmietung der Verkaufsräume grundsätzlich in der Lage gewesen, dem Markt die gewerblichen Leistungen anzubieten. Das Ladenlokal sei geöffnet gewesen und sei auch tatsächlich von einigen Kunden betreten worden (Laufkundschaft des benachbarten Konkurrenzbetriebs). Es seien aber noch keine gezielten Marketingkampagnen gestartet worden.
Jedenfalls sei zu berücksichtigen, dass durch die Einführung des § 7 Satz 2 GewStG im Erhebungszeitraum 2002 die bei ihr entstehenden Veräußerungsgewinne, insbesondere der geschaffene Geschäftswert, der Gewerbebesteuerung unterliegen würden. Insoweit werde sie wie eine Kapitalgesellschaft behandelt, ohne dass sachliche Gründe dafür erkennbar seien, dass die hier streitigen Anlaufkosten abweichend von der Rechtslage bei Kapitalgesellschaften bei ihr nicht abgezogen werden können. Da fehle es an sachlichen Differenzierungsgründen im Sinne des Art. 3 GG.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 23.11.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.10.2006 zu verpflichten, einen vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2003 in Höhe von 107 687 Euro festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.
Aus den Gründen
Das Gericht entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben und hinreichend Gelegenheit hatten in der Sache vorzutragen.
Die Klage ist zulässig.
Indem der Beklagte abweichend von der Gewerbesteuererklärung der Klägerin einen Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von 0,00 Euro feststellte, lehnte er auch konkludent die Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2003 ab. Dafür spricht auch, dass ausweislich des Schriftsatzes der Klägerin vom 11.11.2005 die Berücksichtigung von Anlaufverlusten im Folgejahr zwischen den Beteiligten bereits streitig war. Dementsprechend richtete sich der Einspruch vom 30.11.2005 und richtet sich die hier anhängige Klage gegen diesen Ablehnungsbescheid.
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid im Sinne des § 101 FGO in ihren Rechten verletzt. Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, die streitigen Verluste als vortragsfähig festzustellen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten sind sämtliche seit Gründung der Klägerin angefallenen Betriebsausgaben in die Ermittlung des Gewerbeertrags im Sinne des § 7 Satz 1 GewStG einzubeziehen.
Dem Beklagten ist allerdings einzuräumen, dass die Klage ausgehend von der überkommenen Rechtsprechung keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Danach war bei sämtlichen Personengesellschaften Gegenstand der Gewerbesteuer nur der auf den laufenden Betrieb entfallende, durch eigene gewerbliche Leistung entstandene Gewinn. Entscheidend war, wann die Voraussetzungen für die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich erfüllt waren, so dass das Unternehmen sich mit eigenen gewerblichen Leistungen beteiligen konnte (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteile vom 5. März 1998 IV R 23/97, Sammlungen der Entscheidungen des BFH - BFHE - 186, 142, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1998, 745, vom 20. November 2003 IV R 5/02, BFHE 204, 471, BStBl. II 2004, 464). Bloße Vorbereitungshandlungen waren danach gewerbesteuerlich irrelevant. Bei Gewerbebetrieben, die ihre Erlöse aus einen Geschäftslokal heraus erzielen, kam es darauf an, dass das Ladenlokal mit Publikumsverkehr eröffnet wurde (Lenski/Steinberg, GewStG, § 2 Rz. 1507).
Ausgehend von diesen Kriterien ist eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Geschäftsverkehr durch die Klägerin im Streitjahr zu verneinen. Denn danach reicht es nicht aus, dass unter weitestgehend improvisierten Umständen erste Umsätze und Geschäftsabschlüsse theoretisch denkbar gewesen wären. Es ist vielmehr erforderlich, dass nach dem regulären Ablauf die Tätigkeit der Klägerin darauf gerichtet war, Geschäfte anzubahnen. Daran fehlte es im Streitfall, da die Klägerin ihr Ladenlokal erst in 2004 eröffnet und auch erst in 2004 beworben hatte. Auch die Anmietung der für den Verkauf von Einbauküchen unabdingbaren Software Anfang 2004 und die Vornahme von AfA erst ab dem Wirtschaftsjahr 2004 sprechen gegen eine Aufnahme des Geschäftsbetriebs in 2003.
Die zuvor zitierten Urteile sind jedoch für Streitjahre vor 2002 ergangen. Abweichend von diesen Erhebungszeiträumen gilt im Streitzeitraum § 7 GewStG in der Fassung des 5. Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetztes und zur Änderung von Steuergesetzen vom 23. Juli 2002 - StBAÄG - (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I 2002, 2715; im Folgenden: GewStG 2003). Diese Vorschrift enthält einen Satz 2, der lautet:
Zum Gewerbeertrag gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe für Teile
des Betriebs oder eines Teilbetriebs einer Mitunternehmerschaft, | |
des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs einer Mitunternehmerschaft anzusehen ist, | |
des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, soweit er nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt. |
Diese Regelung gilt auch für die Klägerin, da an ihr - auch unter Berücksichtigung des Treuhandverhältnisses - keine natürlichen Personen beteiligt sind.
Die Regelung des § 7 Abs. 2 GewStG 2003 ist auch verfassungskonform und daher für die Entscheidung des Streitfalls zu berücksichtigen (BFH, Urteil vom 22. Juli 2010 IV R 29/07, BFHE 230, 215, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2010, 2123).
Durch die Einführung des § 7 Satz 2 GewStG 2003 weicht der Gesetzgeber von der bis dahin geltenden Rechtslage ab, wonach Abwicklungsgewinne und Anteilsveräußerungen von Personengesellschaften, auch soweit an ihnen keine natürlichen Personen und/oder ausschließlich Kapitalgesellschaften beteiligt waren, dem Grunde nach nicht der Gewerbesteuer unterlagen (vergleiche BFH, Urteil vom 20. November 2003 IV R 5/02, BFHE 204, 471, BStBl. II 2004, 464 unter III.2.; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Auflage 2009, § 2 Rz. 432). Demgegenüber erlischt bei Kapitalgesellschaften die Gewerbesteuerpflicht erst mit der Einstellung jeglicher Tätigkeit (Güroff, a. a. O., Rz. 434).
Umgekehrt ist bei letzteren unstreitig, dass der Gewerbebetrieb bereits mit der Eintragung im Handelsregister entsteht, so dass auch sämtliche Vorbereitungshandlungen zu im Rahmen der Gewerbesteuerveranlagung berücksichtigungsfähigen Betriebsausgaben führen (vergleiche Lenski/Steinberg, GewStG, § 2 Rz. 1781 ff.).
Das erkennende Gericht sieht keinen Anlass, warum der Regelung des § 7 Satz 2 GewStG 2003 unterfallende Personengesellschaften abweichend von der Regelung für Kapitalgesellschaften ihre im Rahmen von Vorbereitungshandlungen anfallenden Aufwendungen nicht zu gewerbesteuerlich berücksichtigungsfähigen Betriebsausgaben führen sollen. § 7 Satz 1 GewStG definiert nicht im Einzelnen, ab welchem Zeitpunkt für den Gewerbeertrag maßgebliche Betriebsausgaben bei dem Gewerbesteuersubjekt entstehen können. Es erscheint zwar dem Grunde nach vertretbar, unter Berücksichtigung der gewachsenen Auslegungstradition die gewerbesteuerlichen relevanten Aufwendungen und Erträge auf den laufenden Gewerbebetrieb zu beschränken (kritisch dazu allerdings: Hidien, Steuerliche Betriebsprüfung - StBp - 2008, 125). Jedoch setzt dies voraus, dass dieses Prinzip konsequent umgesetzt wird.
Daran fehlt es, nachdem durch die Einführung des § 7 Satz 2 GewStG 2003 das Prinzip der Besteuerung nur des laufenden Gewerbebetriebs für die von der genannten Regelung umfassten Personengesellschaften bei Einstellung der gewerblichen Tätigkeit durchbrochen wurde. Es dann dennoch bei der Versagung des Betriebsausgabenabzugs für Vorbereitungshandlungen zu belassen, würde gegen das verfassungsrechtliche Prinzip der Folgerichtigkeit verstoßen. Denn unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen muss bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Dies alles gilt insbesondere für das Ertragsteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt ist (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99, Entscheidungen des BVerfG - BVerfGE - 105, 73, BStBl. II 2002, 618 unter C. IV. 1.; Beschluss vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, DStR 2010, 1563 unter C. I. 2.). Es erscheint nicht folgerichtig Personengesellschaften mit Beteiligungsverhältnissen wie bei der Klägerin zwar im Rahmen der Liquidation, jedoch nicht im Rahmen des Betriebsausgabenabzugs in der Phase der Betriebsaufnahme wie Kapitalgesellschaften zu behandeln.
Gegen die Höhe des geltend gemachten Gewerbeverlustes hat der Beklagte trotz der durchgeführten Außenprüfung keine Einwände erhoben, sodass das Gericht auch insoweit der Klägerin folgt.
Die Kostenentscheidungen folgen aus §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgen aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO - analog.
Das Gericht hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.