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Steuerrecht
31.05.2011
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Zur Einfuhrabgabe für ein in den USA erworbenes Motorrad

FG Düsseldorf , Urteil  vom 18.03.2011 - Aktenzeichen 4 K 1954/10 Z,EU
 
 
Tatbestand 
Der Kläger wendet sich gegen eine Nacherhebung mit der Begründung, er habe Umzugsgut eingeführt. 
Der Arbeitgeber des Klägers setzte den Kläger im Rahmen seines konzerninternen internationalen Austauschs vom 16.07.2008 bis zum 30.10.2009 zu einer Gesellschaft in den USA (Gastgebergesellschaft) um und vereinbarte mit dem Kläger an Stelle eines in den USA unüblichen schriftlichen Arbeitsvertrags die arbeitsvertraglichen Bedingungen seiner Tätigkeit für die Gastgebergesellschaft. Dabei wurde der Arbeitsvertrag mit seinem bisherigen Arbeitgeber für die Zeit des Austauschs, die auf Anforderung des Arbeitgebers auch abgekürzt werden konnte, ruhend gestellt, der Kläger weiter im Rahmen des Pensionsprogramms und der betrieblichen Altersversorgung geführt, wobei die Beiträge von der Gastgebergesellschaft zu zahlen waren. Der Kläger erhielt sein Gehalt mit dem Beginn der Umsetzung in den USA von der Gastgebergesellschaft und wurde dort auch unbeschränkt steuerpflichtig. Er erhielt Urlaub nach den Regeln der Gastgebergesellschaft, und zwar 20 Arbeitstage im Jahr, für 2008 anteilig neun Tage. Die Gastgebergesellschaft übernahm die Umzugskosten. 
Zudem wurde dem Kläger freigestellt, nach seinem Urlaub in den USA ein Motorrad mitzubringen. Für Heimaturlaub erhielt der Kläger ein jährliches Budget von 15.680 US$, aber keinen weiteren Urlaub. Der Urlaub sollte in dem Jahr, in dem der Aufenthalt endet, im Zusammenhang mit der Rückreise genommen werden. 
Rechtsgültiger Wohnsitz sollte die Heimatadresse sein. 
Der Kläger trat seine Tätigkeit bei der Gastgesellschaft am 16.07.2008 an und beendete sie am 16.10.2009. Er mietete in der Nähe des im zugewiesenen Arbeitsplatzes bei seiner Gastgebergesellschaft in ..../ USA ein möbliertes Haus an, das Platz für ihn und seine Familie bot. Aufgrund seines geringen Urlaubsanspruchs reiste der Kläger nur zweimal für etwa eine Woche nach Deutschland, während seine Familie ihn in den Herbst-, Weihnachts- und Sommerferien besuchte. 
Die Familie des Klägers wohnte weiterhin in ...../Deutschland und die Kinder des Klägers gingen auch in ...../Deutschland zur Schule. Von dieser Adresse meldete sich der Kläger während seines Aufenthalts in den USA nicht ab. 
Am 15.08.2008 erwarb der Kläger ein Motorrad in den USA zu einem Preis von 13.500 US$, dessen Wert im Oktober 2009 nach Schätzungen des Klägers noch 7.900 EUR betrug. 
Am 01.12.2009 beantragte der Kläger beim Zollamt X des Hauptzollamts Y die Überführung von Umzugsgut (Bruttogewicht 590 kg) einschließlich des Motorrades in den zollrechtlich freien Verkehr, dem die Zollstelle stattgab. 
Mit Bescheid vom 25.02.2010 nahm der Beklagte, der für das Umzugsgut die Aufgaben der überwachenden Zollstelle wahrnimmt, den Kläger für das von ihm eingeführte Motorrad auf 474 EUR Zoll und 1.591,06 EUR Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) in Anspruch, da eine Zollbefreiung als Umzugsgut nicht gegeben sei. Eine Verlegung des gewöhnlichen Wohnsitzes in das Zollgebiet der Gemeinschaft habe nicht stattgefunden. Insoweit genügte eine berufliche Tätigkeit nicht. Vielmehr sei auf die persönlichen, insbesondere familiären Bindungen abzustellen. 
Den dagegen fristgerecht eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 30.04.2010 als unbegründet zurück, da der Kläger im Rahmen eines Arbeitgeberprogramms befristet abgeordnet bzw. umgesetzt worden sei und sein bisheriges Arbeitsverhältnis nur für diese Zeit geruht habe. Der damit verbundene Aufenthalt in den USA habe nicht dazu geführt, dass sein gewöhnlicher Wohnsitz von dort in das Zollgebiet der Gemeinschaft verlegt worden sei. Der Kläger habe weiter enge Beziehungen zu seinem bisherigen Wohnsitz, an dem seine Familie verblieben sei, unterhalten. Mit ihm seien besondere Regelungen für den Heimaturlaub getroffen worden. Seine Tätigkeit in den USA hätte auf Wunsch seines Arbeitgebers jederzeit beendet werden können. Er habe seine Vermögensinteressen in Deutschland weiter verfolgt, denn sein Vermögen (Konten, Depots, Immobilien) habe sich dort befunden. Zudem habe er sich den Erwerb eines Motorrades zusichern lassen. 
Unter Berücksichtigung dieser Umstände können die vom Kläger genannten Gründe, nur seltene und kurze Besuche in Deutschland, die große Entfernung zwischen ...../USA und ......./Deutschland, neue Freunde und Bekanntschaften in den USA und die steuerliche Veranlagung in den USA keine andere Entscheidung begründen. 
Zur Begründung seiner fristgerecht erhobenen Klage trägt der Kläger vor, er habe von Juli 2008 bis Oktober 2009 seinen gewöhnlichen Wohnsitz in den USA gehabt. Insoweit komme es nicht auf den gemeldeten Wohnsitz, sondern auf die Ausübung und Wahrnehmung eines Wohnsitzes an. Er habe sich von Juli 2008 bis Oktober 2009 nahezu ausschließlich in ....../USA aufgehalten, sei dort berufstätig gewesen, habe ein Wohnung eingerichtet, dort auch Gehalt bezogen, versteuert und verwaltungsmäßige Beziehungen zu staatlichen Stellen und gesellschaftlichen Einrichtungen unterhalten. In dieser Zeit sei er nur für ca. zwei Wochen in Deutschland gewesen, während seine Familie ihn mehr als zwei Monate besucht habe. 
Insoweit werde auch auf § 9 der Abgabenordnung ( AO) verwiesen. 
Der Kläger beantragt, 
den Einfuhrabgabenbescheid des Beklagten vom 25.02.2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.04.2010 aufzuheben. 
Der Beklagte beantragt, 
die Klage abzuweisen, 
und verweist zur Begründung auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung. 
Entscheidungsgründe 
Die Klage ist unbegründet. 
Der Beklagte hat den Kläger mit dem angefochtenen Bescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung zu Recht für die darin festgesetzten Einfuhrabgaben in Anspruch genommen. Der Kläger wird dadurch nicht in seinen Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ( FGO). 
Für das vom Kläger am 01.12.2009 beim Zollamt X des Hauptzollamts Y eingeführte Motorrad sind die Einfuhrabgaben nach Art. 201 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften - ZK - in Verbindung mit § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes - UStG entstanden. Der Zollsatz richtet sich gemäß Art. 20 Abs. 3 Buchst. a ZK nach der Kombinierten Nomenklatur, der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 in der Fassung ihres Anhangs 1 durch die VO (EU) Nr. 1031/2008. Daran beträgt der Zollsatz für Motorräder der Unterposition 8711 50 der Kombinierten Nomenklatur 6%. Der Umsatzsteuersatz beträgt nach § 12 Abs. 1 UStG 19%. 
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist das Motorrad nicht nach Art. 184 ZK als Übersiedlungsgut einfuhrabgabenfrei gewesen. Zwar befreit Art. 2 der Verordnung (EWG) des Rates vom 28.03.1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen VO 918/83 Übersiedlungsgut natürlicher Personen, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz in das Zollgebiet der Gemeinschaft verlegen, von Eingangsabgaben. Nach § 1 Abs. 1 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung gilt diese Vorschrift auch für die EUSt. 
Zum Übersiedlungsgut gehören nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. c 2. Anstrich VO 918/83 auch Krafträder, zu den Eingangsabgaben auch Zölle, Art. 1 Abs. 2 Buchst. a VO 918/83. 
Die vom Kläger begehrte Einfuhrabgabenbefreiung scheidet im Streitfall aus, weil der Kläger seinen gewöhnlichen Wohnsitz nicht in das Zollgebiet der Gemeinschaft verlegt hat, als er nach Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit in den USA für die Gastgebergesellschaft wieder in die EU einreiste.  
Der Begriff des "gewöhnlichen Wohnsitzes" wird weder in der VO 918/83 noch im ZK definiert. Auch wenn er an anderen Stellen des Gemeinschaftsrechts verwendet wird, kann auf diese Definitionen nicht ohne weiteres zurückgegriffen werden. Dies gilt insbesondere für die Definition des "gewöhnlichen Wohnsitzes" in Artikel 7 der Richtlinie des Rates vom 28. März 1983 über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel (83/182/EWG). Die Verkehrsmittelrichtlinie und die VO 918/83 regeln nicht vergleichbare Sachverhalte und verfolgen unterschiedliche Zwecke. Ziel der Verkehrsmittelrichtlinie ist es, die Ausübung der Freizügigkeit der gebietsansässigen Personen innerhalb der Gemeinschaft zu fördern. Im Gegensatz hierzu wird nach Art. 2 VO 918/83 Übersiedlungsgut von noch nicht im Zollgebiet der Gemeinschaft ansässigen Personen von den Einfuhrabgaben befreit. Aus diesem Grund ist die Definition in Artikel 7 Abs. 1 der Verkehrsmittelrichtlinie bereits dem Wortlaut nach ("Im Sinne dieser Richtlinie...") auf den Anwendungsbereich der Richtlinie beschränkt (vgl. BFH Beschluss vom 11.02.2003, VII B 244/02, BFH/NV 2003, 833). 
Die gemeinschaftsrechtliche Bestimmung des "gewöhnlichen Wohnsitzes" kann auch nicht durch § 9 AO näher bestimmt werden, denn diese nationale Bestimmung kann grundsätzlich nicht zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht herangezogen werden. Zudem dient die Vorschrift einem anderen Ziel als die Art. 2 ff. VO 918/83. Während der gewöhnliche Aufenthalt u.a. zur Abgrenzung von beschränkter und unbeschränkter Einkommensteuerpflicht dient (§ 1 des Einkommensteuergesetzes), regeln die Art. 2 ff. VO 918/83 nur den Umfang einer Zollbefreiung, d.h. einer grundsätzlich eng auszulegenden zollrechtlichen Ausnahme. 
Der Begriff des "gewöhnlichen Wohnsitzes" im Sinne der VO 918/83 ist vielmehr nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu bestimmen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist der gewöhnliche Wohnsitz der Ort, zu dem eine Person regelmäßig zurückkehrt, weil dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt, insbesondere also persönliche und berufliche Bindungen bestehen (vgl. Witte/Kampf, Zollkodex, 5. Auflage, Anhang 1, Rn. 16). Die VO 918/83 knüpft das Verlegen des gewöhnlichen Wohnsitzes in das Zollgebiet der Gemeinschaft an den Begriff des "Übersiedelns". Bereits das Wort "Übersiedeln" - zum Übersiedlungsgut gehört nach Artikel 1 Abs. 2 Buchst. c VO 918/83 der gesamte Hausrat - legt nahe, eine Verlegung des gewöhnlichen Wohnsitzes nicht bei einem zeitlich befristeten, vorübergehenden Aufenthalt im Ausland anzunehmen ist (FG Hamburg Urteil v. 06.11.2008, 4 K 72/08; Hessisches FG, Urteil v. 07.02.2000, 7 K 10/99, beide Entscheidungen nur in juris veröffentlicht). Zu Recht nimmt die Rechtsprechung der Gerichte der Europäischen Union als "Hauptwohnsitz" nur einen Ort an, den der Betroffene als ständigen oder gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Absicht gewählt hat, ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen (vgl. Gericht erster Instanz, Urteil vom 10.07.1992, T63/91, EuGHE II 1992, 2095 mwN. auch für die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union).  
Im Streitfall war der Kläger nur zeitlich befristet, nämlich nur für 15 Monate zu einem ausländischen Konzernunternehmen seines Arbeitgebers abgeordnet worden. Seine Tätigkeit war - ohne vertragliche Änderungen - nur für diese Zeit und ohne Verlängerungsmöglichkeit vorgesehen. Sein Arbeitsverhältnis ruhte für diese Zeit und anschließend beschäftigte ihn sein Arbeitgeber wieder seiner bisherigen Stellung entsprechend. Dass dieser zeitlich befristete Einsatz in den USA nicht mit einer Übersiedlung verbunden sein sollte, zeigt sich vor allem daran, dass er aufgrund der für seinen Auslandsaufenthalt mit seinem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung seinen bisherigen Wohnsitz beizubehalten hatte. 
Die fehlende Umsiedlung wird auch daran deutlich, dass der Kläger ein möbliertes und damit nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung ein volleingerichtetes Haus anmietete, so dass sein Umzugsgut in Bezug auf das Gesamtgewicht der abgefertigten Einfuhr zu einem großen Anteil aus dem Gewicht des von ihm eingeführten Motorrades bestand. Aufgrund dessen hat bei seiner Rückreise nach Deutschland im Oktober 2009 und mit der Nachsendung seines übrigen Gepäcks einschließlich des streitbefangenen Motorrads keine Übersiedlung stattgefunden. 
Hierfür spricht auch, dass sich an den bisherigen Lebensumständen des Klägers in Deutschland verglichen mit der Zeit vor seinem beruflichen Aufenthalt in den USA nichts Wesentliches geändert hat. Er hat - bis auf die konkrete Verwendung durch seinen Arbeitgeber - alles so wieder fortgesetzt, wie er es bei Antritt seines beruflichen Aufenthalts in den USA verlassen hatte. 
Zudem ist der Kläger nicht mit seiner Familie, seiner Ehefrau und seinen beiden damals minderjährigen Kinder, in die USA gezogen. Seine Familie ist - bis auf längere Besuche in den USA - in Deutschland an ihrem bisherigen Wohnsitz, dem vom Kläger vertraglich beizubehaltenden Wohnsitz, verblieben. 
Dass der Kläger in der Zeit seines beruflichen Aufenthalts in den USA nur zweimal kurze Besuche in Deutschland hat machen können, während ihn seine Familie in den USA in dem von ihm angemieteten Haus für über zwei Monate hat besuchen können, ändert an der im Streitfall fehlenden Übersiedlung nichts, da sein Aufenthalt in den USA zeitlich begrenzt war und sich an seinen Beziehungen in Bezug auf seinen beizubehaltenden Wohnsitz in Deutschland nichts geändert hat. 
Durch eine zeitweise berufliche Veränderung gewonnene Freundschaften begründen ebenso wenig wie die in Art. 4 VO 918/83 um drei Monate und damit kurz überstiegene Mindestfrist einen gewöhnlichen Wohnsitz im Sinne des Art. 2 VO 918/83.  
Schließlich dürfte auch die Frage, ob ein Lediger an Stelle des Klägers in Bezug auf eine nach Art. 2 VO 918/83 zu berücksichtigende Übersiedlung anders zu beurteilen wäre, nicht zu bejahen sein, ohne dass es hierauf im Streitfall ankäme. 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 FGO. 
 

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