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Steuerrecht
05.10.2017
Steuerrecht
FG Münster: Zur Berücksichtigung von Verlusten aus der Beteiligung an einer niederländischen Personengesellschaft

FG Münster, Urteil vom 28.3.201712 K 3541/14 G, F

ECLI:DE:FGMS:2017:0328.12K3541.14G.F.00

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten in der Sache materiell darüber, ob erklärte Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte als negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzuerkennen sind. Formell  stellt sich die Frage, ob die Klage als Untätigkeitsklage zulässig ist.

Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, ist Teil der mittelständischen J & U Gruppe, die u.a. in der Produktion von T-hülsen tätig ist. Die Unternehmensgruppe plante Ende des letzten Jahrhunderts die Aufnahme einer T-Hülsen- und A-Produktion in den Niederlanden. Die Klägerin war für die Gruppe in der T-Produktion tätig. Sie erwarb im Dezember 2000 von der Muttergesellschaft sämtliche Anteile an der kurz zuvor gegründeten J&U M GmbH (JUM), die Zwischenholding für die niederländischen Aktivitäten werden sollte.

Ebenfalls im Dezember 2000 gründete die JUM die J&U E B.V. (JUE), eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts. Sie sollte in der späteren operativen Produktionsgesellschaft als Komplementärin und Geschäftsführerin auftreten. Anschließend gründete die JUM die Produktionsgesellschaft J&U L C.V. (JUL), eine Personengesellschaft niederländischen Rechts, deren weitere Gesellschafterin die JUE wurde. Sie übernahm die Geschäftsführungsfunktion.

Am 22.12.2000 schloss die Klägerin mit ihrer Tochtergesellschaft JUM einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, dem die Gesellschafter der Klägerin unter dem 14.03.2001 zustimmten.

Im Jahr 2001 erzielte die JUL nach Erwerb des Produktionsgebäudes und dessen Einrichtung Anlaufverluste. Im Ergebnis wurde der gesamte Verlust der JUL einschließlich des Großteils des Zinsaufwandes der JUM steuerlich bei der JUM in den Niederlanden berücksichtigt. Der in den Niederlanden unberücksichtigt gebliebene Zinsaufwand der JUM abzüglich Einkommensminderungen in den Niederlanden wurde steuerlich bislang weder in den Niederlanden noch in Deutschland wirksam. Entsprechend wurde bis zum Jahr der Schließung der JUL im Jahr 2011 verfahren.

Schon 2003 war das Ergebnis der JUL hinter den Erwartungen zurückgeblieben und ein Jahresfehlbetrag von gut ./. X € erwirtschaftet worden. Im Jahr 2004 wurden weitere Investitionen getätigt und Versuche zur Erweiterung der Geschäftstätigkeit unternommen. Im Jahr 2004 betrug der Jahresfehlbetrag gut ./. X €, im Jahr 2005 gut ./. X €. Zur weiteren Investitionsfinanzierung war das Festkapital der JUL erhöht worden. Seit dem Jahr 2003 war daran Herr O als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt. Die Kapitalerhöhungen stellten sich bei der JUL zwischen 2000 und 2004 wie folgt dar (in T€):

              Festkapital                            davon Festkapitalanteil

              der JUL               JUM              JUE              O

2000              X              X              0              0

2001              X              X              0              0

2002              X              X              0              0

2003              X              X              0              X

2004              X              X              0              X

Trotz der Investitionen gelang keine Ergebnisverbesserung. Anfang 2007 wurde die Tätigkeit in den Niederlanden reduziert. Das Geschäft zur Herstellung von D wurde an fremde Dritte veräußert und die atypisch stille Beteiligung von Herrn O zum 31.03.2007 beendet. Das negative Kapitalkonto übernahm die JUM.

Nach Abschluss der Betriebsprüfung für die Jahre 2000 und 2003 ließ der Beklagte die ausländischen Betriebsstättenverluste unberücksichtigt, obwohl die JUM und die Klägerin die phasengleiche Berücksichtigung der ausländischen Betriebsstättenverluste der JUL bei der JUM und über die organschaftliche Hinzurechnung bei der Klägerin beantragt hatten. Die gegen die Bescheide 2001 bis 2003 erhobenen Einsprüche wurden zum Ruhen gebracht.

Im Rahmen der Betriebsprüfung 2004 bis 2007 erfolgte eine eingehende Prüfung der Anträge der Klägerin mit dem Ergebnis, dass die ausländischen Betriebsstättenverluste von dem Beklagten weiterhin nicht berücksichtigt wurden.

Ab 2008 richtete sich die Geschäftstätigkeit der JUL im Wesentlichen auf die Vermietung der Immobilie. Die Fortführung der eigenen Produktionstätigkeit wurde nach Vortrag der Klägerin fortlaufend geprüft. 2009 zahlte die JUL durch das niederländische Wirtschaftsministerium gewährten Subventionen auf einen Rückforderungsbescheid hin  zurück. Nach Klageerhebung auf erneute Auszahlung der Subvention wurde gleichzeitig eine Forderung in gleicher Höhe eingebucht. Diese Forderung wurde 2010 in Höhe von 50 % (X €) wertberichtigt. Aufgrund der nicht erreichten Vollvermietung der Immobilie wurde in 2010 zudem eine außergewöhnliche Abschreibung auf die Immobilie von X € vorgenommen. In 2011 erging im Verfahren zur Subventionsgewährung ein obsiegendes Urteil, das zu einem außerordentlichen Ertrag in Höhe von X € führte.

2008 bis 2010 erzielte die JUL folgende Jahresfehlbeträge/-überschüsse (in €):

2008              ./. X €

2009              ./. X €

2010               ./. X €

2011               X €

Im Jahr 2011 wurde beschlossen, die JUL zu schließen, weil eine Vollvermietung der Immobilie nicht erreicht werden könne und eine Geschäftstätigkeit ausgeblieben sei mit der Folge, dass anhaltend Verluste erzielt worden seien.

Zur Finanzierung der Rückzahlung der Verbindlichkeiten wurde das Festkapital der JUL im Juni 2011 – von der JUM getragen – um X € erhöht. Die JUE übernahm alle Wirtschaftsgüter und Forderungen einschließlich der Immobilie. Im November 2011 wurde die Liquidation der JUL vereinbart und die Verteilung vorgenommen. Im Dezember 2011 erfolgte die Löschung der JUL im  Handelsregister.

Ende 2012 wurden die Körperschaft- und Gewerbesteuererklärung der JUM für 2011 beim Beklagten eingereicht. Deren Bestandteil war eine Übersicht über die ausländischen Betriebsstättenverluste aus der Beteiligung an der JUL der Jahre 2001 bis 2011 in Höhe von insgesamt ./. X €. Nach der Steuererklärung der JUM betrug deren Einkommen vor Zurechnung an die Klägerin (Organträger) ./. X € (originäres Einkommen der JUM: X €; finale ausländische Betriebsstättenverluste ./ X €).

Die erklärten finalen ausländischen Betriebsstättenverluste berücksichtigte der Beklagte im Körperschaftsteuer-Bescheid 2011 für die JUM nicht. Das dem Organträger zuzurechnende Einkommen setzte er zunächst auf X €, nach Einspruchserhebung auf X € fest. In der Folge ergingen unter dem 14.08.2013 entsprechende Feststellungs- und Gewerbesteuermessbetragsbescheide 2011 für die Klägerin. Der Feststellungsbescheid 2011 wurde unter dem 17.03.2014 aus anderen Gründen geändert. Eine Einspruchsentscheidung erging nicht.

Schließlich erhob die Klägerin durch Schreiben vom 28.10.2014, bei Gericht eingegangen am 30.10.2014, Untätigkeitsklage. Die Klageerhebung ohne Abschluss des Einspruchsverfahrens sei zulässig, weil der Beklagte über die Einsprüche vom 17.07.2013 betreffend den Feststellungs- und Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2011 weder in zureichender Zeit entschieden noch das Verfahren zum Ruhen gebracht habe. Zureichende Gründe für die überlange Verfahrensdauer habe er nicht mitgeteilt. Insbesondere sei die fehlende Anweisung der übergeordneten Behörde kein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des Vorverfahrens.

Zur Klagebegründung trägt die Klägerin vor, der Beklagte habe die ausländischen Betriebsstättenverluste der Organgesellschaft JUM aufgrund der Beteiligung an der niederländischen JUL in Höhe von ./. X €, die gemäß § 15 KStG der Klägerin zugerechnet würden, zu Unrecht nicht berücksichtigt.

Die Berücksichtigung dieser finalen Verluste im Inland sei ausnahmsweise wegen Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit erforderlich. Zwar habe Deutschland für Verluste, die ein in Deutschland ansässiges Unternehmen in seiner in den Niederlanden gelegenen Betriebsstätte erwirtschafte, kein Besteuerungsrecht. Da sich der Begriff der Betriebsstätteneinkünfte (Art. 5 DBA Niederlande) auf einen Nettobetrag bezöge, seien nicht nur Betriebsstättengewinne, sondern auch Betriebsstättenverluste aus der Bemessungsgrundlage auszunehmen (Art. 20 Abs. 2 DBA Niederlande). Für die Klägerin und die an ihr beteiligten mittelbaren Mitunternehmer seien daher grundsätzlich Verluste aus einem gewerblichen Unternehmen von der deutschen Besteuerung auszunehmen.

Im Streitfall seien die Verluste jedoch ausnahmsweise wegen sonst gegebenen Verstoßes gegen die unionsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 42 i.V.m. Art. 48 EG; Art. 49 i.V.m. Art. 54 AEUV) im Rahmen der inländischen Besteuerung zu berücksichtigen. Die Niederlassungsfreiheit verbiete es den Mitgliedsstaaten, die nach ihrem Recht gegründeten Gesellschaften bei der Niederlassung in einem anderen Staat zu behindern. Gegen die Niederlassungsfreiheit werde verstoßen, wenn Mitgliedsstaaten die Berücksichtigung von Verlusten einer inländischen Betriebsstätte für die Ermittlung des Gewinns der steuerpflichtigen Einkünfte des Stammhauses erlaubten, dieser Steuervorteil jedoch nicht gewährt werde, wenn die Verluste aus einer Betriebsstätte stammten, die in einem anderen Mitgliedsstaat belegen sei. Eine Einschränkung der Verrechnung von Auslandsverlusten stelle eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar.

Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sei nur statthaft, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei. Insbesondere die symmetrische Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse, nach der spiegelbildlich nicht nur die Gewinne, sondern korrespondierend auch die Verluste aus ausländischen Betriebsstätten nur in den Betriebsstättenstaaten Besteuerungsfolgen auslösen würden, stelle grundsätzlich einen anerkannten Rechtfertigungsgrund dar.

Die ausnahmslose Versagung der Nutzung ausländischer Betriebsstättenverluste sei jedoch unverhältnismäßig. Eine unverhältnismäßige Regelung liege vor, wenn der Steuerpflichtige nachweise, dass seine gebietsfremde Niederlassung oder Tochtergesellschaft die Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten in dem Mitgliedsstaat ihrer Niederlassung bzw. ihres Sitzes für den betreffenden Steuerzeitraum ausgeschöpft habe und keine Möglichkeit bestehe, verbleibende - „finale“ - Verluste der Niederlassung bzw. Tochtergesellschaft in diesem Staat für künftige Steuerzeiträume zu berücksichtigen.

Der Bundesfinanzhof habe durch Urteil vom 05.02.2014 (I R 48/11, IStR 2014, 377) klargestellt, dass die von der Finanzverwaltung bezweifelte Fortgeltung der Marks & Spencer-Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 13.12.2005 C-446/03, DStR 2005, 2168) zu „finalen“ Verlusten Bestand habe.

Die Klägerin teile die Auffassung des Beklagten nicht, dass der EuGH mit dem Urteil in der Rechtssache Timac Agro (Urteil vom 17.12.2015 C-388/14, IStR 2016, 74) seine Finalitätsrechtsprechung in den Betriebsstättenfällen bei Anwendung der Freistellungsmethode aufgegeben habe. Es sei nicht zutreffend, dass der EuGH die Niederlassungsfreiheit bei Anwendung der Freistellungsmethode nicht als beeinträchtigt angesehen habe. Die Entscheidung des EuGH vom 17.12.2015 (Urteil vom 17.12.2015 C-388/14, IStR 2016, 74) bestätige vielmehr die Rechtsprechungsentwicklung und definiere nun klarer den Anwendungsbereich der Finalitätsrechtsprechung. Vor dem Hintergrund einer differenzierten Analyse der Rechtsprechungsentwicklung liege in der Entscheidung Timac Agro keine Abkehr von der Finalitätsrechtsprechung des EuGH. Dies sei auch daran zu erkennen,  dass der EuGH ausdrücklich in dem Urteil auf die Rechtsprechung in Sachen Marks & Spencer (EuGH, Urteil vom 13.12.2005, C-446/03, DStR 2005, 2168) und Lidl Belgium (EuGH, Urteil vom 15.05.2008, C-414/06. DStR 2008, 1030) verweise.

Letztlich sei es so, dass es eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstelle, wenn ein Unternehmen Verluste im Ausland erziele, die auch bei Finalität steuerlich unberücksichtigt blieben. Nur im Finalitätsfall unterschieden sich Inlands- und Auslandsfall, weil die DBA-bedingte Nichtberücksichtigung finaler Verluste geeignet sei, die Auslandsinvestition gegenüber einer reinen Inlandsinvestition weniger attraktiv zu gestalten, zu behindern und damit zugleich die Niederlassungsfreiheit zu beschränken. Die Rechtfertigung, finale Verluste von der Berücksichtigung auszuschließen, sei nur in ganz besonderen Ausnahmefällen gegeben, etwa bei Missbrauch der Verlustnutzung durch Doppelverwertung der Verluste. Die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse sei als Rechtfertigungsgrund nicht geeignet, weil finale Verluste zumindest einmal berücksichtigt werden müssten, um die Niederlassungsfreiheit nicht zu beschränken.

Bundesfinanzhof und Finanzgerichte, unter anderem das Finanzgericht Hamburg durch Urteil vom 06.08.2014 (2 K 355/12, EFG 2014, 2084), hätten eine Reihe von Voraussetzungen aufgestellt und konkretisiert, die die Annahme von finalen Verlusten rechtfertigten. Vor diesem Hintergrund liege im Streitfall eine derartige Finalität vor. Die Klägerin habe die in der Rechtsprechung aufgestellte Nachweispflicht erfüllt. Sie habe nachgewiesen, dass die ausländischen Verluste unter keinen Umständen anderweitig in dem Betriebsstättenstaat Niederlande verwendet werden könnten.

Der Beklagte vertrete die unzutreffende Auffassung, dass sowohl die Finalitätserfordernisse für letztlich in Deutschland steuerpflichtige Gesellschafter als auch die Identität dieser Gesellschafter über die Dauer der Auslandsbeteiligung über ein inländisches Verfahren festzustellen seien.

Die Überlegungen des Beklagten zur Rechtsform der Klägerin und ihrer Besteuerung in Deutschland nach dem Transparenzprinzip seien bereits deshalb für den Streitfall irrelevant, weil die JUL als niederländischer Betriebsstätte einschließlich ihrer niederländischen Komplementärin, der JUE, über die JUM gehalten würde. Bei der JUM als dem an sich primären Zuordnungssubjekt der bei der JUL final gewordenen Verluste handele es sich aber um eine deutsche Kapitalgesellschaft. Dass die finalen Verluste letztlich  bei der Klägerin zu berücksichtigen seien, liege an dem zwischen der Klägerin und der JUM bestehenden Organschaftsverhältnis, das jedoch keinen Bezug zum streitgegenständlichen Auslandsaktivität der JUM habe.

Der BFH (Urteil vom 09.06.2010, I R 107/09, DB 2010, 1733) habe im Übrigen ausdrücklich entschieden, dass im Inland keine jährliche einheitliche und gesonderte Feststellung von Auslandsverlusten vorzunehmen sei. Die kumulierten Auslandsverluste seien lediglich im Finalitätsjahr abzugsfähig. Noch deutlicher werde er im Urteil vom 05.02.2014 (I R 48/11, GmbHR 2014, 607). Der Verlustabzug sei unabhängig davon zu gewährleisten, dass der deutsche Gesetzgeber im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht bislang davon abgesehen habe, einschlägige Abzugsvorschriften zu schaffen. Eine Feststellungspflicht im Inland  erfordere ein Tätigwerden des Gesetzgebers. Für die Klägerin bestehe daher kein Anlass darzulegen, ob und in welchen Jahren ihre mittelbaren Gesellschafter anderweitige Einkünfte in den Niederlanden erzielt hätten, ob diese nach der Liquidation der niederländischen Personengesellschaft geplant hätten, eine Beteiligung an einer niederländischen Personengesellschaft einzugehen oder eine eigene Betriebsstätte in den Niederlanden zu unterhalten.

Gesellschafterwechsel im Zeitraum bis 2010 auf den vorgelagerten Stufen seien unerheblich. Entscheidend sei nur das Finalitätsjahr 2011. Die Lösung der aufgeworfenen Frage einer „persönlichen Finalität“ bleibe dem Gesetzgeber vorbehalten. Er sei jedoch nicht tätig geworden und habe keine einschlägigen Abzugsvorschriften erlassen.

Entgegen den Ausführungen des Beklagten habe die JUL ab 2007 keine Einkünfte aus Vermögensverwaltung erzielt. Sie habe dargelegt und unter Beweis gestellt, dass in den Niederlanden bis zum Jahr der Aufgabe der Gesellschaft jederzeit die Aufnahme einer neuen Produktionstätigkeit geprüft worden sei.

Nach der Rechtsprechung von EuGH und BFH sei ausschlaggebend, dass die Finalität auf tatsächlichen Gründen beruhe. Dies sei dann und auch nur dann nicht der Fall, wenn zeitliche Verlustvortragsbeschränkungen die Verlustnutzung im Ausland ausschlössen. Beruhe die Finalität jedoch auf tatsächlichen Gründen, z.B. der Einstellung der Betriebsstätte vor Eingreifen einer zeitlichen Einschränkung des Verlustvortrages - wie im Streitfall – so könnten ausländische Fragen der Gewinnermittlung keine Rolle mehr spielen, weil diese Fragen ausschließlich nach deutschem Recht zu beantworten seien.

Der Beklagte habe zu Unrecht die Anwendung des § 15a EStG gefordert. Eine solche Feststellung sei im Streitfall nicht notwendig, weil der BFH im Urteil vom 05.02.2014 (I R 48/11, GmbHR 2014, 607) die Feststellungspflicht für finale Verluste ausgeschlossen habe. Im Übrigen seien verrechenbare Verluste in den Jahren 2001 bis 2010 nicht zu erfassen gewesen. Sie seien in dieser Zeit nach Art. 20 Abs. 2 DBA Niederlande freigestellt gewesen. Freiwillige Handlungen wie der Ausgleich des negativen Kapitalkontos bei der JUL durch die JUM schadeten der Finalität im Übrigen nicht.

Auch gewerbesteuerlich sei die Berücksichtigung des Auslandsverlustes angezeigt. Es sei zwar zutreffend, dass bei der Ermittlung des Gewerbeertrages gemäß § 7 Satz 1 GewStG einbezogene Verluste aus der Beteiligung an einer inländischen wie auch ausländischen Personengesellschaft der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 6 GewStG unterlägen. Diese Vorschrift müsse sich aber an einer europarechtskonformen Besteuerung messen. Ihre Anwendung im Fall von finalen Auslandsverlusten sei im Ergebnis europarechtswidrig. Während Verluste im Inland durch § 8 Nr. 8 GewStG nicht ausgeschlossen seien, sondern lediglich gewerbesteuersystematisch auf der Ebene der verlusterleidenden Tochtergesellschaft Berücksichtigung fänden, bestünde bei Auslandsgesellschaften keine Möglichkeit einer entsprechenden Verlustberücksichtigung im Ausland. Es wäre daher auf der Basis der EuGH-Rechtsprechung systemwidrig, die finalen Auslandsverluste bei der Einkommensbesteuerung anzusetzen, nicht jedoch bei der Gewerbesteuer.

Es sei auch nicht zutreffend, dass – wie der Beklagte meine - bei der Ermittlung des Gewerbeertrages gemäß § 7 Satz 1 GewStG noch nicht berücksichtigte Verluste mangels einer eigenen Kürzungsvorschrift im Sinne des § 9 GewStG keine Korrektur des Gewerbeertrages auslösen könnten. Ebenso wie finale Auslandsverluste im Inland auch ohne ausdrückliche Anordnung in den Steuergesetzen Berücksichtigung finden müssten, sei zur Vermeidung einer Europarechtswidrigkeit eine Kürzung des Gewerbeertrages aufgrund einer Finalität dieser Verluste geboten, um die Europarechtswidrigkeit zu verhindern (BFH, Urteil vom 09.06.2010, I R 107/09, IStR 2010, 663).

Im Übrigen wird wegen des Sachvortrags der Klägerin insbesondere auf die Schriftsätze vom 28.10.2014, 20.05.2015 und 11.03.2016 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

1) den Bescheid für 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen  in der Fassung vom 17.03.2014 dahin zu ändern, dass das Einkommen/die Einkünfte der Organgesellschaft von X € um ./. X € auf ./. X € herabzusetzen,

2) den Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2011 in der Fassung vom 14.08.2013 dahin zu ändern, dass der Gewerbeertrag der Organgesellschaft von X € um ./. X € auf ./. X € herabzusetzen,

3) hilfsweise, im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen und

4) die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, Sachbearbeiterin und Sachgebietsleiter des Veranlagungsbezirks hätten den Einspruch der Klägerin als erledigt angesehen, nachdem der Beklagte deren Hilfsantrag im Einspruchsverfahren entsprochen hätte.

Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit liege nach Auffassung des Beklagten im Streitfall nicht vor. Dabei beziehe er sich auf das Urteil des EuGH vom 17.07.2014 (C-48/13, IStR 2014, 563). Entscheidendes Kriterium für die Prüfung, ob der grenzüberschreitende Sachverhalt mit einem rein inländischen vergleichbar sei, sei der bestehende oder eben nicht bestehende Besteuerungszugriff.

In der Rechtssache Timac Agro (C-388/14, IStR 2016, 74) habe der EuGH mit Urteil vom 17.12.2015 eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Berücksichtigung der ausländischen Betriebsstättenverluste beim inländischen Stammhaus verneint. Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit werde vom EuGH von vornherein abgelehnt, weil sich eine inländische Betriebsstätte und eine ausländische Freistellungsbetriebsstätte nicht in einer vergleichbaren Situation befänden.

Weil keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gegeben sei, komme der EuGH nicht mehr zur Prüfung der Rechtfertigung und der Verhältnismäßigkeit, die bisher grundsätzlich auf der sog. „Marks & Spencer Ausnahme“ (EuGH, Urteil vom 13.12.2005 C-446/03, DStR 2005, 2168) beruht hätte. Nach den Entscheidungsgründen des EuGH liege letztlich in den Fällen einer Freistellungsbetriebsstätte keine unionsrechtliche Verpflichtung zur grenzüberschreitenden Berücksichtigung „finaler Verluste“ (mehr) vor. Auf die Finalität der streitgegenständlichen Verluste komme es nicht mehr an.

In Deutschland würden Einkünfte aus einer niederländischen Betriebsstätte unter Anwendung der Freistellungsmethode steuerfrei gestellt. Lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehaltes erfolge eine Berücksichtigung dieser ausländischen Einkünfte. Ein für die Vergleichbarkeit maßgeblicher Besteuerungszugriff Deutschlands auf die streitgegenständlichen ausländischen mitunternehmerischen Betriebsstätteneinkünfte erfolge daher gerade nicht. Die niederländische Betriebsstätte befände sich daher nicht in einer Situation, die mit der Situation gebietsansässiger Betriebsstätten vergleichbar sei. Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit liege daher nicht vor.

Wenn ein Mitgliedsstaat die Gewinne nicht der Besteuerung unterwerfe, stelle dies einen sich geradezu aufdrängenden besonderen Grund dafür dar, dass ein Mitgliedsstaat auch nicht die Verluste einer ausländischen Freistellungsbetriebsstätte berücksichtige.

Gehe man vom Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit aus, wäre sie gerechtfertigt. Mangels anderer nationaler Vorschriften beruhe die Nichtberücksichtigung der Verluste letztlich auf der nach dem Doppelbesteuerungsabkommen anzuwendenden Freistellungsmethode. Die gegebenenfalls hierdurch mögliche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sei aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Sie sei nach der bisherigen EuGH-Rechtsprechung europarechtlich unbedenklich.

In der Rechtssache Lidl Belgien (Urteil vom 15.05.2008, C-414/06, DStR 2008, 1030) habe der EuGH festgestellt, dass der Mitgliedsstaat, in dem sich der Sitz der Gesellschaft befinde, der die Betriebsstätte gehöre, ohne ein Doppelbesteuerungsabkommen das Recht habe, die von dieser Einheit erwirtschafteten Gewinne zu besteuern. Folglich sei das Ziel, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den betroffenen Mitgliedsstaaten zu wahren, das sich in den Bestimmungen des Abkommens widerspiegele, geeignet, die fragliche Sonderregelung zu rechtfertigen, wenn die Symmetrie zwischen dem Recht zur Besteuerung der Gewinne und der Möglichkeit, Verluste in Abzug zu bringen, gewahrt bleibe. Genau diese Symmetrie werde in Deutschland im Verhältnis zu den Niederlanden nach dem DBA durch die Nichtberücksichtigung der Betriebsstättengewinne ebenso wie der Verluste gewahrt. Nur bei „finalen Verlusten“ sei die Ausnahme möglich. Sie seien gegeben, wenn eine gebietsfremde Tochtergesellschaft die im Sitzstaat vorgesehenen Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten ausgeschöpft habe und keine Möglichkeit bestehe, dass die Verluste der ausländischen Tochtergesellschaft im Sitzstaat für künftige Zeiträume berücksichtigt würden.

Im Streitfall sei zu beachten, dass eine spätere Berücksichtigung der Verluste in den Niederlanden zumindest nicht vollständig ausgeschlossen sei. Die Niederlande gewährten grundsätzlich einen begrenzten Verlustvortrag, der nur hinsichtlich der bis 2002 entstandenen Verluste mit Ablauf des Jahres 2011 ende. Im Übrigen sei er noch neun Jahre nach dem Ende des jeweiligen Verlustjahres möglich. Durch die Neugründung einer Betriebsstätte, eine konzerninterne Umstrukturierung oder einen Umzug der einkommensteuerpflichtigen Gesellschafter in die Niederlande könnten die in den Niederlanden erzielten Verluste nach Ablauf des Streitjahres wieder aufleben und verrechenbar sein.

Die Klägerin beantrage im Rahmen der Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb die Verluste aus der Betriebsstätte als „final“ im Sinne der „Finalitätsrechtsprechung“ festzustellen. Vor dem Hintergrund des geltenden Transparenzprinzips bestünden Zweifel, ob es für die Annahme „finaler“ Betriebsstättenverluste ausreichend sei, wenn lediglich die Klägerin erkläre, zu keiner Zeit eine anderweitige Beteiligung an einer Gesellschaft in den Niederlanden oder eine eigene Betriebsstätten in den Niederlanden unterhalten zu haben bzw. zu keiner Zeit nach der Beendigung der Beteiligung an der niederländischen Personengesellschaft geplant zu haben, eine solche Beteiligung erneut einzugehen oder eine eigene Betriebsstätte zu unterhalten. Das Transparenzprinzip scheine zu erfordern, dass

1) die Verluste in Person des jeweils letztendlich in Deutschland einkommen- bzw. körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschafters das von der Rechtsprechung aufgestellte Finalitätserfordernis erfüllten.

2) die jeweils letztendlich in Deutschland einkommen- bzw. körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschafter im Streitjahr 2011 identisch mit den Personen seien, denen in der Verlustphase 2001 bis 2011 die laufenden Verluste auch steuerlich nach dem DBA Niederlande als steuerfreie Betriebsstätteneinkünfte zuzurechnen waren.

Ein Gesellschafterwechsel bei der Klägerin oder einer weiteren Obergesellschaft in der Rechtsform einer Personengesellschaft in den Jahren 2001 bis 2011 dürfe damit beschränkend auf die Zurechnung entsprechender „finaler“ Betriebsstättenverluste im Jahr 2011 wirken.

Diese Erfordernisse seien beschränkend im Rahmen eines inländischen mehrstufigen Feststellungsverfahrens zu berücksichtigen. Die Feststellung habe zudem – unter Hinweis auf die im Falle eines Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit allenfalls geltungserhaltende Reduktion des Art. 20 Abs. 2 DBA Niederlande – bereits im streitgegenständlichen Feststellungsverfahren zu erfolgen.

Aus den Aufstellungen zur Beteiligungsstruktur ergebe sich, dass die jeweils letztendlich in Deutschland einkommensteuerpflichtigen Gesellschafter im Streitjahr 2011 – jedenfalls der Beteiligungshöhe nach – nicht vollständig identisch seien mit den Personen, denen in der Verlustphase 2001 bis 2011 die laufenden Verluste steuerlich – nach dem DBA Niederlande als steuerfrei Betriebsstätteneinkünfte zuzurechnen seien.

Zu berücksichtigen sei, dass die Unternehmenstätigkeit Anfang 2007 reduziert worden sei. Die Klägerin habe augenscheinlich eine Vermögensverwaltung betrieben. Vor diesem Hintergrund bestünden Zweifel daran, dass die streitgegenständlichen Verluste aufgrund der Wertberichtigung der Immobilie in 2010 in Höhe von X € in den Niederlanden rechtlich überhaupt noch der Besteuerung unterlägen. Es bestünde Anlass, von einer Beschränkung des Verlustausgleichs und -abzugs in den Niederlanden bereits aus rechtlichen Gründen auszugehen. Nach der Finalitätsrechtsprechung schließe das in jedem Fall den Abzug und Ausgleich dieser niederländischen Verluste in Deutschland aus.

Der nach niederländischem Steuerrecht ermittelte aufgelaufene Verlust der Jahre 2001 bis 2011 sei ausgehend von der Zusammenstellung laut Anlage zur Klageschrift um X € (X € ./. X €) niedriger  als der nach deutschem Steuerrecht ermittelte aufgelaufene Verlust dieser Jahre.

Im Streitjahr 2011 seien mittelbar ein in Österreich und ein in Großbritannien ansässiger Gesellschafter beteiligt, die in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtig seien. Insoweit habe eine anteilige Feststellung finaler ausländischer Betriebsstättenverluste im streitgegenständlichen Feststellungsverfahren schon deswegen nicht zu erfolgen, weil dies für ein deutsches Besteuerungsverfahren des mittelbar Beteiligten ohne jede Bedeutung sei.

Die niederländische JUL sei einer deutschen GmbH & Co KG vergleichbar. Die Regelungen des § 15a EStG seien anwendbar. Als Kommanditistin der JUL sei die Organgesellschaft JUM nicht verpflichtet, ihr negatives Kapitalkonto auszugleichen. Aus dem Grundstücksverkaufserlös von X € hätten zudem die Fremdverbindlichkeiten von X € gegenüber nicht verbundenen Unternehmen vollständig und weitere teilweise getilgt werden können. Es stelle sich daher die Frage, ob die Verluste „final“ seien, wenn sie insoweit freiwillig, ohne rechtliche Verpflichtung erzeugt worden seien.

Ein negatives Kapitalkonto sei einem Kommanditisten jedenfalls dann nicht mehr zuzurechnen, wenn feststehe, dass dieses durch zukünftige Gewinnanteile nicht mehr ausgeglichen werden könne. Keine „künftigen Gewinnanteile“ seien ausdrücklich Einlagen des Gesellschafters. Es sei daher fraglich, ob die Verluste der Kommanditistin JUM bis zur Liquidation der JUL überhaupt zuzurechnen seien. Da die Zurechnung nicht zur Kommanditistin erfolge, wären die Verluste der niederländischen Komplementärin zuzurechnen.

Die JUL weise zum 01.01.2011 nur noch ihr Betriebsgrundstück mit Gebäude als Anlagevermögen aus. Das Geschäftsgrundstück sei an die niederländische Komplementärin verkauft worden. Der Kaufpreis sei nach der Veräußerung zum Buchwert noch auf seine Angemessenheit hin zu prüfen.

Die Klägerin unterhalte einen Gewerbebetrieb, der der Gewerbesteuer unterliege. Sie sei als Organträgerin einer Organgesellschaft, die an einer niederländischen Personengesellschaft beteiligt ist (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Die Organgesellschaft gelte im Gewerbesteuerrecht als Betriebsstätte des Organträgers. Diese Betriebsstättenfiktion führe jedoch nicht dazu, dass Organträger und Organgesellschaft als einheitliches Unternehmen anzusehen seien. Es lägen selbständige Gewerbebetriebe vor, deren Erträge getrennt zu ermitteln seien.

Zur Bemessungsgrundlage der Einkommen- und Körperschaftsteuer und damit auch zum Gewerbeertrag gehörten nicht Einnahmen, die entweder unter keine Einkunftsart fielen oder aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften als steuerfrei behandelt würden. Das gelte nach BFH- Urteil vom 09.06.2010 (I R 107/09, IStR 2010,663, Tz. 25) nur dann nicht, wenn sich unmittelbar aus dem Gewerbesteuergesetz etwas anderes ergebe oder soweit die steuerbefreiende Vorschrift mit dem besonderen Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer nicht in Einklang stünde.

Die Klägerin unterliege gemäß § 5 Abs. 1 Sätze 1-3 GewStG 2002 der Gewerbesteuer insoweit, wie sie und ihre Organgesellschaft ihren Gewerbebetrieb im Inland betrieben.

Bei der Ermittlung des Gewerbeertrages gemäß § 7 Satz 1 GewStG berücksichtigte Verluste aus der Beteiligung an einer (auch ausländischen) Personengesellschaft sei die Hinzurechnungsvorschrift § 8 Nr. 8 GewStG zu berücksichtigen. Danach seien die Anteile am Verlust einer in- oder ausländischen offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebes anzusehen seien, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden seien. Demnach käme es selbst bei Berücksichtigung bei der Einkommen- oder Körperschaftsteuer im Ergebnis zu keiner gewerbesteuerlichen Auswirkung.

Bei der Ermittlung des Gewerbeertrages käme es hinsichtlich nicht berücksichtigter (in- oder ausländischer) Verluste mangels Kürzungsvorschrift im Sinne des § 9 GewStG zu keiner Korrektur des Gewerbeertrages, so dass sich auch hier im Ergebnis keine Auswirkungen auf den Gewerbeertrag ergäbe.

Eine Berücksichtigung der ausländischen Verluste scheide demnach aus. Eine gewerbesteuerrechtliche und damit gegen Unionsrecht verstoßende Ungleichbehandlung von Verlusten aus einer in- oder ausländischen mitunternehmerischen Beteiligung sei nicht ersichtlich.

Zur Ergänzung werde auf das BFH-Urteil vom 02.12.2015 (I R 13/14, IStR 2016, 428, BFH/NV 2016, 961) Bezug genommen.

Im Übrigen wird wegen des Sachvortrags des Beklagten insbesondere auf die im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze vom 28.01.2015 und 14.12.2015 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Der Senat hat am 28.03.2017 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

1) Zulässigkeit der Untätigkeitsklage

Die Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO zulässig, weil der Beklagte über die mit Schreiben vom 17.11.2013 gegen den Feststellungsbescheid 2011 vom 11.07.2013 und gegen den Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2011 vom 11.07.2013 erhobenen Einsprüche nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden hat, ohne einen zureichenden Grund dafür zu benennen.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die zuständige Sachbearbeiterin und der Sachgebietsleiter den Rechtsbehelf als erledigt betrachteten, nachdem sie dem Hilfsantrag der Klägerin entsprochen hatten und der Fall deshalb nicht der Rechtsbehelfsstelle zugeleitet worden war. Ein hinreichender Grund für die ausstehende Entscheidung über den Hauptantrag im Einspruchsverfahren ist darin ebenso wenig zu sehen wie in der fehlenden Weisung der übergeordneten Behörde an den Beklagten.

Da der Beklagte im gerichtlichen Verfahren deutlich gemacht hat, dass er das Begehren der Klägerin ablehnt, ist eine Aussetzung des Verfahrens zum Zwecke der Nachholung der Einspruchsentscheidung nicht sachgerecht.

2) Begründetheit

Die Klage ist nicht begründet. Der Beklagte hat die als final geltend gemachten Verluste der niederländischen Tochtergesellschaft bei der Klägerin zu Recht bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb nicht berücksichtigt.

Die Einkünfte der niederländischen Tochtergesellschaft der Klägerin, der J&U M GmbH, unterliegen grundsätzlich nach Art. 5 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 DBA NL 1960 und Art. 33 Abs. 5 DBA NL 2012 der Besteuerung durch die Niederlande.

Da sich der Begriff „Betriebsstätteneinkünfte“ in Art. 5 DBA NL 1960 auf einen Nettobetrag bezieht, sind neben den Betriebsstättengewinnen auch die Betriebsstättenverluste aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen (sog. Symmetriethese – vgl. z.B. BFH, Urteil vom 05.02.2014 I R 48/11, IStR 2014, 377, BFH/NV 2014, 963).

Die in den Niederlanden erlittenen, aber nach deutschem Steuerrecht zu ermittelnden (BFH, Urteile vom 05.02.2014 I R 48/11, IStR 2014, 377, BFH/NV 2014, 963; vom 09.06.2010 I  R 197/09, BFH/NV 2010, 1744) und ermittelten Verluste der Tochtergesellschaft der Klägerin sind nicht ausnahmsweise trotz der prinzipiellen Freistellung zur Wahrung der unionsrechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49 i.V.m. Art. 54 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV) in Deutschland als dem Ansässigkeitsstaat zu berücksichtigen.

Die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit verbieten es, dass der Herkunftsmitgliedsstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat behindert (EuGH, Urteil vom 15.05.2008 Rs. C-414/06 Lidl Belgium, DStR 2008, 1030 m.w.N.).

Nach der Rechtsprechung des EuGH wird die Niederlassungsfreiheit behindert, wenn nach einer Regelung eines Mitgliedsstaats eine gebietsansässige Gesellschaft, die eine Tochtergesellschaft oder eine Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedsstaat oder in einem anderen Staat des EWR-Abkommens unterhält, gegenüber einer gebietsansässigen Gesellschaft mit einer Betriebsstätte oder einer Tochtergesellschaft im erstgenannten Mitgliedsstaat in nachteiliger Weise steuerlich unterschiedlich behandelt wird (EuGH, Urteil vom 17.07.2014 C-48/13, Nordea Bank Danmark A/S Skatteministeriet, IStR 2014, 563).

Die Berücksichtigung von Verlusten einer gebietsfremden Betriebsstätte bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte der Gesellschaft, zu der diese Betriebsstätte gehört, stellt einen Steuervorteil dar (EuGH, Urteil vom 17.07.2014 C – 48/13, Nordea Bank Danmark A/S Skatteministeriet, IStR 2014, 563).

Die Einkünfte aus der niederländischen Tochtergesellschaft der Klägerin sind in Deutschland nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden von der deutschen Besteuerung freigestellt. Handelte es sich um eine Tochtergesellschaft mit Sitz in Deutschland, wären die Verluste im Rahmen des Organschaftsverhältnisses in Deutschland zu berücksichtigen. Eine Bestimmung, die die Berücksichtigung von Verlusten einer Betriebsstätte für die Ermittlung des Gewinns und die Berechnung der steuerpflichtigen Einkünfte des Stammhauses erlaubt, stellt einen Steuervorteil dar. Dieser Vorteil wird im Streitfall gewährt, wenn es sich um eine Tochtergesellschaft mit Sitz im Inland handelt, aufgrund der Regelungen im Doppelbesteuerungsabkommen jedoch nicht, wenn die Tochtergesellschaft ihren Sitz in den Niederlanden hat.

Aufgrund dieser unterschiedlichen steuerlichen Behandlung könnte eine deutsche Gesellschaft davon abgehalten werden, ihre Tätigkeiten über eine in einem anderen Mitgliedsstaat belegene Tochtergesellschaft auszuüben.

Die abkommensrechtliche Konzeption der Tochtergesellschaft/Betriebsstätte als selbständige Einheit entspricht der internationalen rechtlichen Praxis, wie sie sich etwa im OECD-Musterabkommen (dort insbesondere in Art. 5 und 7) widerspiegelt. Insoweit hat der EuGH festgestellt, dass es für die Mitgliedsstaaten nicht sachfremd ist, sich zum Zweck der Aufteilung der Steuerhoheit an der internationalen Praxis und den von der OECD erarbeiteten Musterabkommen zu orientieren (EuGH, Urteile vom 23.02.2006 C-513/03, van Hilten-van der Heijden, DStR 2006, 851; vom 15.05.2008 Rs. C-414/06 Lidl Belgium, DStR 2008, 1030 m.w.N.). Die Mitgliedsstaaten bleiben in Ermangelung unionsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen befugt, insbesondere zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen. Die Wahrung dieser Aufteilung ist ein vom Europäischen Gerichtshof anerkanntes legitimes Ziel (EuGH, Urteil vom 17.07.2014, C-48/13, Nordea Bank Danmark A/S ./. Skatteministeriet, IStR 2014, 563).

Die Niederlassungsfreiheit erfordert es grundsätzlich, dass die in einem Mitgliedsstaat erlittenen sog. finalen Verluste in Deutschland ausnahmsweise abzugsfähig sind, wenn deren Nutzung im Betriebsstättenstaat unter allen Umständen ausgeschlossen ist (vgl. EuGH, Urteile vom 13.12.2005 Rs. C-446/03 Marks & Spencer, DStR 2005, 2168; vom 15.05.2008 Rs. C-414/06 Lidl Belgium, DStR 2008, 1030; vom 21.02.2013 Rs. C-123/11 A Oy, IStR 2013,239).

Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ist nur statthaft, wenn sie Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

Betriebsstätten, die in einem anderen als dem betreffenden Mitgliedsstaat belegen sind, befinden sich in Bezug auf Maßnahmen dieses Mitgliedsstaats, die zur Vermeidung oder Abschwächung einer Doppelbesteuerung der Gewinne einer gebietsansässigen Gesellschaft dienen, grundsätzlich nicht in einer mit der Situation gebietsansässiger Betriebsstätten vergleichbaren Situation (EuGH, Urteil vom 17.12.2015 – C – 388/14, Timac Agro Deutschland GmbH/FA Sankt Augustin, IStR 2016, 74; Urteil vom 17.07.2014 – C – 48/13, Nordea Bank Danmark A/S ./. Skatteminsteriet, IStR 2014, 563).

Im Fall Timac Agro war ungeachtet der nach dem Doppelbesteuerungsabkommen vereinbarten Freistellung der Einkünfte aus der in Österreich gelegenen Betriebsstätte in der Bundesrepublik Deutschland der Abzug von Verlusten nach § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG a.F. zugelassen worden. Dadurch war eine Vergleichbarkeit mit der Betriebsstätte im Inland gegeben. Diese Situation ist im vorliegenden Streitfall nicht gegeben. § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG a.F. gilt seit 1999 nicht mehr.

Im Streitfall ist daher die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit statthaft und die Nichtberücksichtigung möglicher finaler Verluste im Rahmen der Ertragsteuer und der Gewerbesteuer auch unter Berücksichtigung des Unionsrechts nicht zu beanstanden.

Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit wäre darüber hinaus bei vergleichbaren Situationen zulässig, wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten. Dabei darf sie nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (EuGH, Urteil vom 17.07.2014 – C – 48/13, Nordea Bank Danmark A/S ./. Skatteminsteriet, IStR 2014, 563). Ob diese Voraussetzungen im Entscheidungsfall gegeben sind, ist zwischen den Beteiligten streitig. Dieser Streit ist jedoch im Ergebnis ebenso wenig entscheidungserheblich wie die Fragen, die der Beklagte im Anschluss an die Betriebsprüfung bei der Klägerin aufwarf (SS v. 01.02.2017 mit Anlage) und auf die die Klägerin erwiderte (SS v. 07.03.2017). Die Niederlassungsfreiheit ist schon deshalb nicht verletzt, weil die Vergleichbarkeit der Situationen nicht gegeben ist.

Im Streitfall ist festzustellen, dass die Situation einer in den Niederlanden belegenen Betriebsstätte, über deren Ergebnisse Deutschland keine Steuerhoheit ausübt und deren Verluste in Deutschland nicht abzugsfähig sind, in Bezug auf Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung oder Abschwächung einer Doppelbesteuerung der Gewinne/Verluste einer gebietsansässigen Gesellschaft nicht mit der Situation einer in Deutschland belegenen Betriebsstätte vergleichbar ist (EuGH, Urteil vom 17.12.2015 – C-388/14, Timac Agro Deutschland GmbH/FA Sankt Augustin, IStR 2016, 74 m.w.N.).

Im Fall einer Freistellungsbetriebsstätte besteht nach der nach Ansicht des Senats eindeutigen Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 17.07.2014 – C – 48/13, Nordea Bank Danmark A/S ./. Skatteminsteriet, IStR 2014, 563 und vom 17.12.2015 – C-388/14, Timac Agro Deutschland GmbH/FA Sankt Augustin, IStR 2016, 74 m.w.N.) keine unionsrechtliche Verpflichtung zur grenzüberschreitenden Berücksichtigung von finalen Verlusten (siehe auch Anmerkungen zum Urteil des EuGH vom 17.12.2015 – C-388/14, Timac Agro Deutschland GmbH/FA Sankt Augustin, von Dr. Schiefer/Noerr, IStR 2016, 79; Benecke/Dr. Staats, IStR 2016, 80; a.A. Dr. Niemann/Dr. Dodos: Verrechnung von „finalen“ Auslandsverlusten – auch nach „Timac Agro“!, in: DStR 2016, 1057-1063).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

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